| |
| |
| |
Aus ‘Herrn Rentier Buffey's schönster Tag’. (Berlin.)
Vor Der Hausthür.
(rufend). Madam Schmedewaldten! Heda! Sie!
Ich bin's! Kommen Se mal her!
(kehrt zurück). Na was - i juten Morgen, Madam Selbacken, - na was is denn? Sie sehen, ich habe nich viel Zeit; ich habe'n Korb untern Arm; man schnell, wenn Sie mir was zu sagen haben.
Hier is ne Hochzeit, hier oben eene Treppe hoch; die Belle-Etage verheirathet sich an einen Jelehrten; wat weesz ick, wie er heeszt: Flatter, Flotter oder Flitter.
I wat Sie mir sagen, Frau Jevattern? I Herrjees, wenn ich mir nich irren dhue, so wohnt hier oben Belle-Etage eene Treppe hoch der Wirth von des Haus, der reiche Rentier Buffey? Wie, wissen Sie nich?
(Köchin aus dem Hause). Ja woll: die schöne Hulda verheirathet sich.
I wirklich, hat die vornehme Person wirklich Einen jefunden? Sagen Se mal, wissen Sie nich, ob se in de Kirche jetraut werden? Sehen möcht' ich des Mächen doch; sie musz sich janz hübsch als Braut ausnehmen, wenn sie sich nich zu sehr auftakelt.
Sie werden in de Kirche jetraut; die Charlotte, Buffey's Dienstmächen, hat es mir jesagt.
Wie lange dauert des woll noch, bis der Bräutjam kommt un ihr abholt?
Ach Jott, des kann noch seine runde anderthalb Stunden dauern.
Na, denn will ich meinen Korb man hier hersetzen; denn sehen musz man am Ende doch, wie se Beede aussehen, un nachher wird het hier so voll, desz man janz hinten zu stehen kommt, ich kenne des. (Zu Hannen:) Sagen Se mal, kennen Sie den Bräutjam, is es en hübscher Mensche? (Sie setzt ihren Korb auf die Erde.)
Mir könnt' er nich jefallen.
Nich? Na, des is en Jlück, desz Sie ihm nich zu heirathen brauchen.
Ne, Charlotte meent nich.
(zu Frau Selback). Wat sagten Sie doch vorher, was er wäre?
Ach Herrjeeses, en Jelehrter! Na, da sollste fett bei werden! Ne, denn hat er ooch Nischt; denn hat er se ooch sicher blos um's Jeld jenommen. (Setzt sich auf die Steintreppe vor dem Hause.) Denn, sehen Se, Frau Jevattern, des kann Keener besser wissen als ich: bei mir hat mal vor zwee Jahren ein Jelehrter Chamberjarnie jewohnt, der hatte jar nie wat. Der fuhr mitten bei de furchbarste Kälte im Winter alle drei
| |
| |
Dage en Offzierviertel, un denn legte er fünf Stücken ein, als wenn er den Winter blos necken wollte, un sasz in seinen alten, zerlöcherten Pelz un schrieb un studirte Juras.
(zu Hanne). Sagen Se mal, ich möchte man wissen, ob denn die Mamsell Hulda ooch en juten Ruf hat; wissen Sie nich? Hat se woll en juten Ruf?
Ja, ich will Ihnen sagen: ick weesz eejentlich jar Nischt von ihr; aber so viel is jewisz, des hat mir Charlotte jesagt: eine Liebschaft hat sie schon mal jehatt.
So? Wissen se nich, mit wen?
Mit'n Refendarjus? Na denn is et ooch richtig! Des weesz ich am besten. Wo ick früher wohnte, da nebenan wohnte ein Juwelier, dessen Dochter hatte ooch sonne Amour mit'n Refendarjus, und des jing Allens janz jut; de Ringe waren schon jewechselt; aber wie et nachher zum Klappen kam, da jing er heidi un liesz se sitzen.
(zu scinem Collegen, einem Kutschenöffner). Hier is et, Broschling!
Na, wenn et hier is, denn is et jut, denn wollen wir sehen, wat die Natur heute vor Jroschens in unsere Westentasche liefert. (Zu den Frauen:) Entschuldjen Se, meine wiszbejierigen Damen, det ick noch nich der Bräutjam bin, der die Braut abholt. Ick bin der bekannte Doctor Broschling, verschaffe den Kutschen Oeffnung und lasse mir meine Danksagungen nich in de Zeitung rüeken, sondern in de Hand drücken. (Zu seinem Collegen:) So viel maasze ich Muth; uf mehr as zwölf bis vierzehn Kutschen is hier nich zu rechnen, höchstens uf fufzehntehalben. Un wer weesz, wie ville darunter sind, wo die infamen Lafkeien selbst ufmachen. (Zu den Frauen:) Ick bin nich der Bräutjam, meine Verzehrungswürdigsten: ick mache ihm blos uf.
Meine Witze sparen! I Jott bewahre, so'n Knauser bin ick nich. Sie sind 'ne arme Frau, wat'n Witz betrifft, un ick theile Ihnen von meinen Ueberflusz mit. Det versteht sich von selbst; det wär' Unrecht, wenn ick't nich dhäte.......un sojar Unrecht jejen meine eijene Personalisirung, denn Sie würden mir als Knicker benutzen, un denn wär' ick jespannt uf Ihnen. Ueberjens, worum sind Sie'n so böser Laune? Ahach, ick merke Lunte! Sie sitzen hier vor'n Haus, wo Hochzeit is, un haben einen Korb neben sich stehen. Det is wahrscheinlich der, den Ihnen det männliche Jeschlecht verehrt hat. Ne,.....werden Se nich böse, bleiben Se ruhig sitzen! Meintwejen können Sie ooch sitzen bleiben.
Dummer Esel: ich bin verheirath't!
So? Ne wirklich? An wen d'n? Den Wagehals möcht' ick kennen lernen!
Det wird Er jewisz nich! Mein Mann is viel zu repptierlich, um sich mit so'nen Straszenräuber abzujeben.
Ick danke Ihnen jehorsamst: so weit hab' ick mir noch nich verstiejen. Als Rinaldo Rinaldini in des Dhierjartens finstern Jründen, bis mir meine Rosa weckt, um bei Kemfer's 'ne Tasse Kaffee zu drinken:
| |
| |
dajejen hätte ich jar Nischt. Und sehn Se, wenn ick wirklich so'n Jeschäft als Straszenräuber etablirte, Sie wären sicher vor mir; wenn ick mal Strasze raube, denn such' ick mir wat Besseres aus. Ueberjens dhut mir det leid, det ick Ihnen hier so unanjenehme Dinge erzählen musz. Wenn Sie mir freundlich entjejenjekommen wären, hätten Sie bei mir Liebe ienieszen können, so bin ick; aber...nich verdeffendiren, wenn mir Eener anjreift, dieses jeht nich, davor bin ick Berliner. Des Herz uf'n rechten Fleck, un den Kopp ooch, so steht et!
Nanu, halt' deinen Mund endlich mal.
Ja, Fritze, du hast Recht; ick will ihm beruhijen. Lang mal in deine Jackentasche und zieh' des Flakkon mit de Besänftijungsdroppen raus.
(reicht ihm eine Flasche). Ici!
(zieht, indem er zum Himmel hinaufschaut, den Pfropfen ab). Mond, verstecke dir dazu! (Trinkt.) Es ist jeschehn, die Liebe hat jesiegt. (Sieht durch die Flasche, in der nur noch wenig Branntwein ist, zu Fritz.) So, mein Sohn, nimm diese Thräne aus den Niederlanden und entkerne diese Hülse. (Sich umdrehend:) Herrjeeses, da kommen die beeden Conditerjungens mit ihren langen Korb, der so aussieht, als ob ein Choleramorbuskranker drin läge! Ju'n Morgen, ju'n Morgen, meine Herren Bonbons! Wie jeht et, wat macht die jebrennte Mandel, immer noch hübsch knusprig? So,....setzen Se Ihren Inhalt ab. Des macht müde, nich wahr? Ja, worum dragen Se sich ooch damit? Det is ja jar nich mehr Mode; man drägt keenen Kuchen mehr. Blos natürlich, wenn et der Herr befiehlt, denn musz man't als Conditerlehrling. Wat meenste, Fritze, wenn wir Beede in die ihre Stelle wären: des Kuchennaschen! Namentlich bei de Liköre, da würd' ick unjeheuer fleiszig mein Jewerbe dreiben. (Tritt näher an den Korb.) Sagen Sie mal: haben Sie ooch Boomkuchen drinn? Ick möchte mal schüddeln un sehen, ob nich en paar Blätter vor mir abfallen.
Laszen Szie onz szufriedenn!
Ach Jotte doch, der kleene weisze Junge spricht det Französche janz deutsch aus! O, hören Sie mal, Mehlweiszken, Sie können sich mit mir im Ihrer Muttersprache unterhalten. Oder sprach Ihre Mutter nich? Wo? (Nach einer kleinen Pause:) Na, parlez vous donc! Wat? Worum parlez vou'n Sie'n nich? Worum heben Sie'n den Korbelch wieder uf un jehen in des Haus, ohne auf mir zu rejardiren? Wovor steh' ick'n hier, wo? Eenen von die Boomkuchens hätten Sie mir doch abliefern können!
(auf dem Hausflure). Haltenn Szie Ihr Maaul!
(ihm nachrufend). Ach siehste, siehste, siehste, nu wird der kleene Republieker ooch noch jrob! Dieser milcherne Schweizerkäse dhut sich hier orndtlich dicke, weil er oben bei de Hochzeit Kuchen abliefert. Det is'n schlechter Schweizerkäse, der hat man zwee Oogen.
(sich umdrehend). Ja, mit avekplaisirverjnügen. Herrjees, da kommt ooch Champagner und andre edle Rebensäfte! Ju'n Morgen, ju'n Morjen, Herr Kiefer! Wie steht et? Was? Kennen Sie mir noch von vorije Woche, wo wir ooch Beede uf 'ne Hochzeit waren, uf die bei
| |
| |
Jeheimeraths in de Behrenstrasze? Wo? Des heeszt: ich machte Kutschen uf, un Sie brachten verschiedene Traubenblüte; indessen wir waren doch so jut da wie die andern Jäste, - blos desz wir nich rufjingen. Wir waren bescheiden. Un wenn wir nich bescheiden jewesen wären un wären rufjejangen, so hätten sie uns runterjeschmissen. Natürlich, denn: Undank is der Welt Lohn: ein Weiser kooft sich vor'n Jroschen Kirschen un eszt se alleene, sagt der Kukastenmann. (Nach einer kleinen Pause.) Na, hören Se mal, Herr Kiefer, wie is et? Wollen wir eine Putellje Schlampamper auslutschen, wo?
Jo nicht sehen, kleener Müller! (Ab ins Haus.)
Nu seh' een Mensch an, wat sich hier schon vor'ne Masse Menschen versammeln, blos um Bräutjam un Braut zu sehen! (Zu allen Umstehenden:) Meine Herrschaften männlichen, weiblichen un sächlichen Jeschlechts: ich kann Ihnen uf Ehre versichern, desz ich nich der Bräutjammer bin! Ich mache ihm blos uf. Ick bin die poetische Fijur, die ihm die erste Pforte zu seiner Seligkeit öffent. Ob er nachher jut mit des Mächen fahren wird, det hängt nich von mir ab.
| |
Herrn Buffey's zimmer.
(ist soeben mit seinem Anzuge fertig geworden, stellt sich vor den Spiegel und spricht lispelnd zu seinem Hausdiener). Na, wat sagste, Friedrich? Was? He? Wie seh' ich aus; wie mach' ich mir; wie is meine Positur, nennt man des? Was?
(lächelnd). Ja, Herr Buffey, mir müssen Se nach so wat nich fragen. Ick habe jar keenen Jeschmack nich; ick finde, det Sie recht jut aussehen.
So, findste des wirklich? (Er dreht sich um und versucht, seine Rückseite im Spicgel zu sehen.)
Ja, det find' ick. Un worum sollten Sie ooch nich jut aussehen? Sie haben die jehörige Korpolenz, des Duch is fein, en weiszes Halsduch un 'ne Masse Jold un Brillanten an'n Leibe: da musz der Deibel jut aussehen!
So? Nanu, sage mal, Friedrich, hab' ick denn nu ooch den jehörijen Anstand zum Schwiegervater, so, was man so Würde nennt, heeszt des? Wie? Seh mal her, ob du so was von Majestät an mir bemerkst?
Ne! Wenigstens ick finde Ihnen ganz jewöhnlich, bis uf des, desz Sie en neues Habiet anhaben.
Nich? Keene Würde? (Er macht ein ernstes Gesicht, steckt die rechte Hand unter den linken Westenflügel und streckt den rechten Fusz etwas vor.) Na, wieden nanu? Is nu Würde da?
(ihn genau betrachtend). O ja, so geht es. Des heeszt natürlich, fürchten dhut sich Keener vor Ihnen; ick wenigstens nich.
Friedrich, ick will dir sagen, du bist zu einfältig; du hast, was man so nennt, keine Bejriffe nich; dir hat der Himmel mit Dummheit
| |
| |
gesejnet. Et is hier keineswejes die Rede von Furcht, die ich einflöszen will, sondern ich will Anstand einflöszen, Würde, Respect, des is es, un des fühl' ich, desz ich des kann; des macht schon mein Alter, vierunfuzig, des jeräuliche Haar, der Anzug und eine jewisse Jravität, die mir anjeboren is. - Sage mal, Friedrich, um uf was Andres zu kommen, wie steht et um de Wirthschaft? Is de Choklade jebracht vor de Brautjungfern, is der Kuchen jekocht, is der Wein un der Champagner alle da, wird Meinhardt unter'n Linden das Essen zu rechter Zeit schicken, des Dinee, nennt man des, was?
Allens in Ordnung, Herr Buffey; et fehlt nich de Spur mehr. Meinswejen können Sie jeden Oojenblick heirathen.
Rede nich so dämlich, Friedrich; ich werde mir nich mehr verehlichen, denn ich bin ins elfte Jahr Wittwer, un ich dhu des ooch meiner Kinder wegen nich, damit sie nich stief werden. Aber meine Hulda verheirathet sich an den Docter Flitter, un des kann sie, denn sie is ausjewachsen und versteht die Wirthschaft. Un auszerdem kann ich ihr ooch was mitjeben, des heeszt eine Mitjitt, nennt man des, des kann ich, ich habe was, Jott sei Dank! Ich bin Bürger, bin ich, Rentier!
Aber hören Se mal, Herr Buffey, des wird Ihnen doch schwer ankommen, det Sie sich von das liebe Fräulein Hulda trennen sollen.
Ne, des macht sich, Friedrich. Sie bleiben hier in Berlin, wohnen in meine Nähe, ziehen de nächste Ostern janz und jar in mein Haus, wenn meine oberste Etage leer wird, un denn sehen sie mir jern, Hulda sowohl wie mein Schwiejersohn, mein Eidam heeszt des; sie jeben was uf mein Urtheil über alle Verhältnisse, und haben mir jesagt, öfter ich ihnen käme, je besser. Auf dieser Weise macht es sich. Un denn hab' ich ja noch den Willem, un da hab' ich 'ne Beschäftjung, denn den erzieh' ich, davor bin ich Vater, ich bilde ihn als Kind vor die menschliche Jesellschaft aus. Apropos, seh' doch mal nach, ob der Junge noch nich anjezogen is, un schik'n mir her.
Scheen, Herr Buffey! (Geht hinaus.)
(allein). Es is durchaus nöthig, desz ich mir meine Rede als väterlicher Sejen noch ein Mal in Jedanken durchjehe; denn des läszt einen Eindruck zurück, der uf sone jungen Leute von die wohlthätigsten Wirkungen sein könnte. (Er geht mit wichtiger Miene im Zimmer auf und ab und spricht leise vor sich hin.)
Der Friedrich hat mir jesagt.....
Stille sollste sind, dummer Junge!
Ja, aber der Friedrich hat mir doch jesagt....
Verdammter Bengel, du sollst stille sind, sag' ick dir! Wenn ich mit meinen väterlichen Segen fertig bin, denn kannste 'ne Maulschelle kriejen, verstehste? (Er spricht noch eine Weile vor sich hin, dann tritt er an Wilhelm heran.) Nu lasz dir mal besehen, wie dir des neue Habiet sitzt. Na, du machst dir. (Etwas zerstreut.) Aber nu nimmste dir ooch inacht, desz du die Kleidungsstücke nich schief loofst un dir die Stiebeln nich jleich
| |
| |
voll machst! Denn dir braucht man blos ein neues Habiet zu koofen, wenn man't in'n Oogenblick ruinirt haben will. Ich wer dir künftig alte Kleeder koofen, villeicht machste die wieder neu. Jetzt geh' wieder hinter un bereite dir uf unsere Hochzeit vor! Wenn't nachher so weit is, denn fährste mit mir in meine Kirche nach de Kutsche.....Kutsche in de Kirche..na des is ejal!
| |
Vor der hausthür.
Fritze, ick sage dir, du muszt dir jeirrt haben. Du hast dir jeirrt, wie der, der sich mit's Barbiermesser inseefte un mit'n Pinsel de Haare abkratzen wollte. Die Hochzeit wird woll erscht um Zwölwe losjehen, nich um Elwe? Du hast dir 'ne Stunde zu früh verheirath't, Fritze! Anjetzt is et noch nich beinah halb Elwe, und et sind erscht zwee Stück Brautjungfern anjehupst jekommen. (Zu den Frauen:) Hör'n Se mal, meine Damen, wat ick Ihnen sagen wollte: wenn ick mir mal in den heilijen Ehestand treten lasse, denn sollen Sie Alle meine Brautjungfern werden, Alle, wie Sie da sind; wobei ick überjens een Ooje zudrücken will wegen Dieses und Jenes. Wat meenen Se, wie ick mir in den Myrthenkranz machen werde, wat? Ich, mit veilchenblaue Seide, wo? Un in des tugendhafte weisze Atlaskleed mit jrosze Puffen un Puketts von Rosen unten rum! Na überhaupt, wer mir kriegt, der kann lachen!
(höhnisch). Ja, des jloob' ich!
Nich wahr, Fräulein Kastrolle von Feuerherd? Na, un nu müszten Sie erst meine Tugend kennen, hurrje! die Tugend! Ick sage Ihnen, Fräulein Kastrolle (die Andern lachen), wenn Sie alle Unschülde der Welt zusammenschmelzen, so kommt noch lange keene Tugend wie meine raus. Aber natürlich, wenn Einen so'n herrliches Pfund anvertraut is, wat so vielen Leuten fehlt, so musz man wohlthätig sind, un des war ich; habe hier und da von meine Tugend en paar Loth mitjetheilt, un ick sage Ihnen, so mancher Jegenstand looft in de Welt rum un jibt meine Tugend für seine aus. Herrjees, meine Damen, ich habe janz verjessen, desz ich en Mannsperson bin; ich habe mir so janz un jar in die Braut hier oben hineinjedacht, desz ich mir selbst als Jungfrau schmeichelte.
Was sagen Sie dazu, Madam Selbacken? Musz Einen hier so'n Kutschenufmacher annijieren!
Ach Jott, man musz jar nich hinhören. Wenn man so'nen Menschen erst zeigt, desz man druf einjeht, denn kramt er Allens aus, was er unter de Seele hat.
Nu sehen Se sich aber mal um, liebe Madam Selbacken, was hier vor 'ne Menge Frauen un Mächens stehen, blos, um des Bisken Braut un Bräutijam zu sehen! Sollte man es jlauben, desz die Menschen alle so viel Zeit zu verschwenden haben?
Ja, et is erstaunlich. Aber: sehen Se mal, da fahren eben wieder zwee Brautjungfern zu de Krone vor! So, jetzt steijen se aus. Nu sehn Se mal, Frau Jevattern, was die eene vor'ne propre Armbänder
| |
| |
um'n Arm hat! Aber, wissen Se, die Masse Blumen ins Haar, des macht sich schlecht; des sieht ja aus, als ob se welche zu verkoofen hätte.
(hat den beiden jungen Damen die Kutschenthür geöffnet, sieht ihnen nach und macht einen tiefen Knicks hinter ihnen). Empfehl' mich Ihnen jehorsamst, meine Fräuleins; besuchen Sie mir bald wieder! (Wirft einen Kuszfinger.) Dunnerwetter, die eene, des is en schönes Mädchen, die hat mir ein blankes Zweijroschenstück schmachtend in meine zarte Patsche jedrückt. Einen Wuchs hatte sie wie eine Jupitern, rabenblonde Locken, Augen wie'n paar Leuchtkugeln, Wangen wie Rosenknopsen, Lippen wie Lippen, und einen Fusz hatte sie, einen Fusz! So klein wie 'ne Birne, un der andere war noch kleener. - Ach, und eune Nachtijall liesz sie los, wie ich ihr ufmachte und sie ‘Hier!’ sagte und mich dabei das zarte Zweijroschenstück in die Lilienhand drückte: o Jott! ich könnte ihr lieben, wenn es nich jejen meine Jrundsätze wäre. Denn Sie müssen wissen, meine Herrschaften, ich reise nach des jlückliche Baiern und jehe als Nonnerich in ein Kloster.
Wenn Sie man erst da wären!
Jungfrau auszer Diensten, dieser zarte Wunsch kann bald in Erfülling jehen. Wat sehr jut wäre, wäre des, wenn Sie früher ooch des jedhan hätten. (Sich umschauend zu seinem Collegen, der kein Wort spricht:) Stille, Fritze, schrei nich' so, da kommt wieder en Wagen mit Brautjungfern! Halt dein Maul, Fritze, sei endlich mal ruhig, hier jibt et wat zu verdienen, wenn't möglich is...Brrr!...Halt't stille, Pferdekens, Broschling will Jröschkens verdienen, brrr! (Zum Kutscher:) Ju'n Morjen, ju'n Morjen, Joseph! (Springt zu, macht schnell die Thür auf, reiszt den Tritt herunter und steckt das Geld ein, das ihm von einer Dame gereicht wird.)
Ah! Ah, die war schön anjezogen! Ah!
Vor den Putz kann se't Jeld wegschmeiszen, aber die Leute vor ihre Arbeet anständig belohnen, damit stuckert et.
Sehre stuckert et, Fritze; aber ick will dir sagen, Fritze, det schadt Nischt: dadrum keene Feindschaft nich, Fritze! Wenn ick man bejreifen könnte, worum der Bräutijammer nich kommt! Der Minsch denkt jar nich dran, det uns die Traue in de Kirche ooch wieder ufhält; det uns hier villeicht vor eenen lumpijen Dhaler en halber Dag verloren jeht! Na, ick will dir sagen, Fritze, sei janz stille: Eens tröstet mir dabei, det uns nämlich immer noch so viel Zeit nachher bleibt, des Jeld durchzubringen. (Sich umdrehend, zu den Frauen:) Sagen Sie mal, meine Damen, wat sagen Sie'n dazu, desz der Bräutijammer jar nich kommt? Wie is darüber Ihre Meinung? (Zu seinem Collegen:) Merkwürdig is des, desz mir nie Eene antwort't! Aber det schadt Nischt. (Zu den Frauen:) Nich wahr, meine Damen, eijentlich wäre es recht, wenn man den Bräutijammer einen Streich spielte, weil er uns hier so lange warten läszt? Wo? Was meenen Sie
| |
| |
dazu, wenn ich rufjinge un ihm die Braut noch wechzukapern versuchte? Wo? Schön bin ich, und wenn auch in einer Hülle, die ihr meine niedrije Stellung als Kutschenöffner verrathen könnte, so blickt doch meine erhabne Natur aus jeder Bewejung hervor. Oder jlooben Sie etwa, meine Damen, desz ick, wie ick bin und wie ick mir fühle, vor irjend eenen Menschen in dieser Welt aus wirklichen Respect die Mütze abnehme? Fällt mir nich in! Jlooben Sie, desz ick davor kann, desz meine Eltern zeitlebens keen kleenes Jeld bei sich hatten un ich von Jugend an Nischt lernen konnte, sondern was verdienen muszte, damit wir nich verhungerten? Unter andern Umständen wär' ick villeicht ein Napoljon jeworden. (Gelächter.) Ja, da is Nischt zu lachen, des verhält sich wirklich so. Machen Se mal en Exempel, meine Damen. Nehmen Sie die Summe: Napoljon, un nu ziehen Se des Jlück ab, bleibt, ein jescheidter Mensch. Ein jescheidter und muthijer Mensch, den nachher Milljonen Jescheidtheiten und Müthe anjerechent wurden. Na, also, wat war er nu jrosz mehr als ick? Jescheidt bin ick ooch, aber ich musz Kutschen ufmachen, und wenn ick hier mal noch so'n Bisken Napoljon sein wollte, so würde mir die Polizei schon zu Anfang nach Elba bringen, welches uf Deutsch Spandow heeszt un uf Berlinsch: übern Berg. Also, wie jesagt, aus wirklichen Respect nehm' ick vor keenen eenzijen Menschen meine Mütze ab. Ick dünke mir accurat so jrosz un so kleene wie jeder Andere, un wenn der Bräutijammer nich bald kommt, so kann er mir nachpfeifen, wenn er nachher 'ne Braut haben will.
(Buffey's Dienstmädchen, hat die Schürze voll Sand und drängt sich durch die Gaffer). Erlauben Se doch mal! Wahrhaftig, det is, als ob wir die neujierijen Leute noch bitten müszten, ob hier nich 'ne Hochzeit stattfinden dürfte.
Was woll'n Sie'n, herrliches Mächen für Alles, leider nich für mich? Aha, Sand streuen vor de Dhüre, im Fall es rejent? (Sieht zum Himmel hinauf.) Ja, allerdings, es munkelt en Bisken; es könnte binnen hier un neununfufzig Minuten einen Pladderadautsch jeben. Aber ich jloobe nich, desz es regnen wird,..un des prophezeihte die arme Braut ooch Unjlück. Denn so viel Droppen Regen während der Zeit in den Myrthenkranz fallen, während sie nach de Kirche fährt, so viel Thränen in der Ehe bedeut't des. (Sich umdrehend.) Herrjees, da kommt endlich der Bräutijammer!
Ah, endlich!
Adolf Glaszbrenner.
|
|