Nachricht von Suriname und seinen Einwohnern
(1807)–Christlieb Quandt– AuteursrechtvrijZwanzigster Brief.Die Arawacken betragen sich gegen einander sehr höflich und bescheiden. Besonders beweisen jüngere den älteren viele Achtung. Heftige Zänkereyen hört man bey ihnen niemals, wenn sie nüchtern sind. Kinder und nahe Anverwandte reden von ihren Eltern allemal im Plural, z.B. sie sind nicht da, sie sind auf die Jagd gegangen +c. statt: er oder sie ist nicht da +c. Wenn Indianer mit einander reden, sehen sie sich niemals einander an, sondern der redende dreht dem andern den Rücken zu, oder stellen sich so, daß sie einander nicht sehen. Wenn man sie darüber anredet, sagen sie, die Hunde sähen sich einander an, wenn sie zusammen kämen, daher schickte sich dieses für die Indianer nicht. | |
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Wenn Jemand einen solennen Besuch erhält, geht der Eigenthümer des Hauses nach den ersten Begrüssungen hinaus, stellt oder setzt sich aussen vor demselben so, daß er den im Hause Sitzenden den Rücken zuwendet. Alsdann nimmt die eigentliche Unterredung erst ihren Anfang, sonderlich, wenn der Besuchende einen Antrag zu einer Reise, Handel oder zum Buschfällen +c. zu thun hat. Der Ältere heitzt Ebebe, selbst unter den Kindern, daher sie mehrentheils sehr genau bemerken, wer älter oder jünger ist, sollte es auch nur eine Woche oder Tag betragen. Wenn ein Erwachsener den andern Ebebe nennt, so wird es entweder mit Wadili, ein Mann, wenn er schon das gehörige Alter oder Familie hat, oder mit Üssäli, ein hübscher Mensch, wenn er noch jung, etwa ein Jüngling ist, erwiederk. Das Wort Ebebe sagen Männer auch zu alten und von ihnen geehrten Frauen, sonst heitzt aber eine Frau Hiäru, im Gegensatz von Wadili, und eine ledige Person Üssaru. Die Weiber haben eigen Worte, die kein Mann ausspricht, z.B. Ja, heißt bey den Männern ehe oder tasi, die Weiber sagen aber tare. Wenn Jemand zu einem Andern kommt, sagt er danda ebebe oder wadili, ich komme, | |
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oder büluai Ebebe, bist du da. Ersteres wird mit wa, bandabu wadili, es ist gut, kommst du, oder blos mit wa, wadili, es ist gut, erwiedert, und das zweyte mit ehe daiilisse, ja ich bin da. Dieses ist der einfachste Gruß. Bey solennen Besuchen wird gemeiniglich der Besuchende zuerst angeredet, und wenn es mehrere sind, einer nach dem andern, nach ihrem Alter und Würde. Der Hausherr begrüßt die sehr vorsichtig und langsam Ankommenden schon vor dem Hause nahe beym Eingang auf obenangeführte Weise, und heißt sie ins Haus hineingehen, welches sie dann eben so erwiedern. Hierauf wird gemeiniglich von den Frauensleuten ein Schemel oder Stück Holz gebracht, und der Hausherr sagt: jerreha ebebe, sey da; - der zweyte sagt hierauf: ehekada wadili, ich sage Ja; - der erste: jerreha dalaken ebebe, bubalta jerreha, da ist ein Schemel, setzt dich. - Hierbey wird gemeiniglich der Schemel als schlecht beschrieben, und gebeten, damit vorlieb zu nehmen. Der Besuchende erwiedert dieses mit wa wadili, es ist gut, und thut einiges Lob des Schemels hinzu. Auf gleiche Weise werden die übrigen, die derweile ganz stille da stehen, zum Sitzen genöthiget, und von ihnen die Komplimente eben so erwiedert. | |
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Nach Beendigung derselben setzt die Frau einem jeden ein Körbchen mit Cossabibrod, und was sie sonst haben, vor. Wenn sie weiter nichts haben: so ist doch das Cossabibrod und der Pfeffertopf allemal bereit, so daß sie den trockenen Cossabi in den Pfeffertopf tunken können. Ist ihnen das Essen vorgesetzt: so gehen die Komplimente, dem Gegenstand gemäß, aufs neue an, und werden eben so erwiedert. Kann den Gästen nichts als der Pfeffertopf vorgesetzt werden: so entschuldigt sich der Hausherr, daß er ihnen nichts besseres vorsetzen könne, und erzählt, warum er nicht habe jagen oder fischen können, oder warum er auf der Jagd nichts bekommen habe. Diese Komplimente werden bey jedem wiederholt, denn keiner von ihnen fängt eher an zu essen, als bis es ihm vom Hausherrn geheissen worden ist. Eben dieses geschieht auch, wenn nach dem Essen ihnen zu trinken gebracht wird. Auch im gewöhnlichen Gange, wenn ein Hausvater mit seinen Leuten speist, rührt niemand das Essen oder Trinken eher an, als bis es ihm vom Hausvater geheissen wird. Wenn einer seine Mahlzeit beschließt: so sagt er zu jedem der übrigen, nach dem Rang und Alter, daß er nun satt sey und aufhöre zu | |
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essen, und hierauf ein Gleiches zu seinem Wirth, welcher dann seine Frau ruft, daß sie das Essen wieder wegnehme. Niemals besucht ein Indianer den andern, ohne daß ihm zu essen und zu trinken vorgesetzt werde. Die Frauensleute essen allezeit allein, auch nicht die Frau mit ihrem Manne. Daher ist in jedem Hause die Küche, wo sich die Frau mehrentheils aufhält, durch eine Blätterwand von dem übrigen Theil des Hauses abgesondert. Wenn während ihres Beysammenseyns Jemand hinauszugehen genöthiget ist, und nach verrichtetem Geschäfte wieder kommt: so wird er eben so bewillkommt, als wenn er erst ankäme, oder lange abwesend gewesen wäre. Bey ihren Zusammenkünften werden ihre Komplimente, und was sie eigentlich vorzutragen haben, mit einem singenden Tone vorgebracht, und von dem, an den der Antrag gerichtet ist, mit einem eben so singenden, ja man kann lieber sagen, kläglichen Tone und Wiederholung der letzten Worte mit Beyfügung des wa, ehekada und gideada, als Bestätigungs-Worten des Gesagten, beantwortet. Bey ihren Unterhaltungen sind die Jagd, Fischerey und ihre Reisen ihre Hauptsache, da | |
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sie seden Ort und Baum, wo sie dies oder jenes Wild oder Fische bekommen, und wo sie ihre Hütten aufgeschlagen haben, sehr genau bestimmen. Bey solchen Unterredungen versteht ein zuhörender Europäer, wenn er gleich ihrer Sprache mächtig ist, wenig davon, weil man mit den Gegenden, sonderlich an den unbewohnten Flüssen, deren Ufer alle bewachsen sind und einerley zu seyn scheinen, wenig bekannt ist. Die jüngeren Indianer geben gemeiniglich nur Zuhörer ab, und ein jeder thut, als hörte er die Sache zum erstenmal, wenn er auch dasselbe schon von andern mehrmals gehört hat, und läßt höchstens am Ende der Erzählung merken, daß es ihm schon bekannt sey. Beym Abschied wird eben das Ceremoniel wie beym Empfang beobachtet. Wenn es des Morgens anfängt helle zu werden, und sie aufstehen wollen: so wird eine jede Mannsperson von dem Ebebe ohngefähr auf folgende Weise gegrüßt: Es ist Tag geworden, und die Nacht ist vorbeygegangen, wir wollen daher aufstehen. Dann folgt, was sie den Tag vornehmen, und nun bald essen wollen. Dieses wird dann von den andern mit wa und ehekada erwiedert. | |
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Auch Abends legt sich selten einer zum Schlafen in seine Hangmatte, ohne von dem Ebebe begrüßt, und an das, was etwa den folgenden Tag vorzunehmen ist, erinnert zu werden, sonderlich wenn sie auf Reisen sind. Wenn man mit den Indianern, nämlich Arawacken und Warauen, durch die Flüsse nach Paramaribo oder an einen andern Ort eine Reise von etlichen Tagen macht: so läßt man sich hinten im Fahrzeuge nahe beym Steuermann ein Zelt von Blattern machen, unter welchem man mit seinen Sachen, vor Sonn und Regen gesichert, bequem sitzen, und wenn das Fahrzeug eine CanuGa naar voetnoot*) ist, auch liegen kann. Unterwegens findet man an den Ufern der Flüsse, an bequemen Orten zum Aussteigen, Hütten von vorherigen Reisen anderer Indianer, die man gemeiniglich an einem an dem Landeplatz eingesteckten Stocke erkennt, denn sonst sicht man am Ufer nichts als einen zu- | |
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sammengewachsenen Busch. Finden die Indianer, wenn sie anlegen wollen, keine Hütten, oder sind die alten vorgefundenen schon zu schlecht: so machen sie von den großen Palmblättern in der Geschwindigkeit welche, sonderlich wenn sie etwa einen Regen zu befürchten haben; ist dieses aber nicht, so bindet man die Hangmatten oft nur an ein paar Bäume, ruht, und wartet die Abfahrt mit der nächsten Fluth oder Ebbe ab. In den dasigen Flüssen geht die Fluth oft sehr weit ins Land hinauf, denn in Saron, wo wir 15 deutsche Meilen in gerader Linie von der See entfernt wohnten, hatten wir noch regelmäßig Ebbe und Fluth, ausgenommen, wenn in der Regenzeit das Wasser im Fluß sehr hoch angewachsen und das niedrige Land überschwemmt war, zu welcher Zeit man an dem Strohm zur Zeit der Fluth nur bemerkte, daß er stille stund und noch etwas höher stieg. Man fährt also auf den Reisen, wenn man einen Fluß hinaufgeht, allemal mit der Fluth, und wenn man den Strohm hinunterfährt, mit der Ebbe. Mit der Fluth kommt man allemal weiter, weil sie hinter einem her kommt, hingegen kommt sie einem entgegen, wenn man mit der Ebbe den Strohm hinunterfährt, und man hat | |
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dann weniger Zeit zum fahren, als mit derselben; auch treibt die Fluth stärker als die Ebbe, sonderlich wenn beym Neu- und Vollmond Springfluth ist. Fährt man nun mit der Fluth: so liegt man zur Zeit der Ebbe stille, und so auch umgekehrt. Dieses macht, daß man Tag und Nacht reisen muß, je nachdem Fluth oder Ebbe ist, die alle 6 Stunden abwechseln, und so wie der Mond sich alle Tage eine Stunde früher oder später einstellen. Liegt man am Tage stille: so gehen die Indianer in der Nähe fischen oder jagen. Kann dasjenige, was sie bringen, noch vor der neuen Fluth oder Ebbe gekocht oder gebraten werden, wodurch aber manche Stunde, da man fahren sollte, verlohren geht: so stärken sie sich mit einer guten Mahlzeit, wovon der mit ihnen reisende Europäer, wenn er will, seinen Theil bekommt. Ist aber die Zeit zur Zubereitung zu kurz: so begnügen sie sich, wenn sie keinen Vorrath an Fleisch oder Fischen haben, mit dem Pfeffertopf, worein sie ihren Cossabi tunken. Alsdann dauert aber die nächste Fahrt nicht lange, und sie finden bald diese, bald jene Ursache, warum sie früher anlegen müssen. Der älteste Indianer ist allemal der Steuermann, und nimmt, wenn es nur thunlich ist, seine Frau mit. Diese hat die Zubereitung | |
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der Speisen und des Tranks zu besorgen. Ist aber in der Gesellschaft keine Frau: so hat der jüngste Indianer dieses Geschäfte zu übernehmen. Bey der Abtheilung der Speisen und des Tranks geht es sehr unpartheyisch zu und veranlaßt niemals ein Mißvergnügen. Auch wird manchmal während dem Fahren gegessen und getrunken, sonderlich, wenn sie noch vor Tagesanbruch aus ihrem Nachtlager aufbrechen müssen, und dann läßt man sich von der Fluth oder Ebbe so lang nur treiben. Der Steuermann ordnet an, wenn man anlegen oder wieder aufbrechen soll, und bestellt sie zum Jagen oder Fischen, wenigstens geht niemand, ohne es ihm vorher anzuzeigen. Seine Anordnungen geschehen allemal auf eine höfliche und niemals auf eine gebieterische Art; gemeiniglich bringt er seine Sache fragweise an, ob man nämlich nicht jetzt dieses oder jenes thun sollte? und läßt sich auch gern zu einer andern Meinung überholen, wobey aber die Gegenvorstellungen mit eben der Bescheidenheit vorgebracht werden. Wenn man mit ihnen reist, und ihnen eine Zeit bestimmt, da man gern an Ort und Stelle seyn möchte, und ihnen bezeugt, daß einem viel daran gelegen sey: so thun sie mehrentheils ihr Möglichstes. Unterwegens thut | |
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man aber am besten, es ihnen zu überlassen, wie weit sie jeden Tag fahren und wo sie anlegen wollen, weil sie sich darinn bisweilen nach Umständen richten müssen, von denen Europäer keine Kenntniß haben, und man sie verdrüßlich macht, wenn man ihr Vorhaben hindert.
Zu den Reisen durch die Flüsse kann man auch die Warauen brauchen, nur muß man für sie weit mehr Kost mitnehmen, weil sie gemeiniglich sehr stark essen. Zu den Reisen über die See längst der Küste sind die Arawacken am vorzüglichsten. Ein Europäer, der sich ihnen anvertraut, kann bey Gefahren gewiß darauf rechnen, daß sie ihn vorzüglich zu retten und der Gefahr um seinetwillen möglichst aus dem Wege zu gehen suchen werden.
Sie sind, sonderlich zu einer Reise nach Paramaribo, gewöhnlich sehr willig, weil sie, ausser der Bezahlung für die Reise, allemal mit Brodt und Trank, nebst Pulver und Bley zur Jagd, reichlich versehen werden müssen. Mehrentheils haben sie auch selbst einige Handlungsartikel nach Paramaribo mitzunehmen, die sie dort theurer verkaufen zu können hoffen, als bey den Posthaltern. Dieses schlägt oft fehl, und wenn man es ihnen bey ihren zu hohen Forderungen zu Hause vorhält, so ist ge- | |
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meiniglich ihre Antwort: die Christen, - denn alle Holländer oder Einwohner von Paramaribo und auf den Plantagen heissen bey ihnen Kirtiädi, das ist ein Christ - waren damals geizig, darum bekam ich nicht so viel. Wenn ein Europäer mit ihnen reist, ist es nöthig, daß er einige Flaschen Rum mitnehme, damit er sie, wenn sie beym Rudern ermüden wollen, mit einem Glas Rum ermuntern; und auch des Morgens, wenn sie früh und nüchtern aus ihrem Nachtlagen aufbrechen müssen, etwas zur Erwärmung geben könne; denn vor Sonnenaufgang wird die Luft allemal empfindlich kühl. Man thut aber sehr wohl, den Rum in seiner eigenen Verwahrung zu behalten, weil sie sonst zu bald damit fertig werden.
Sie sind immer willig, ein Glas Rum anzunehmen, und es ist gut, wenn mans ihnen manchmal aus freyem Triebe anbietet; doch erinnert auch der Steuermann, wenn es kalt ist, sie einen starken Regenguß im Fahrzeug ausgehalten haben, oder aus einer andern Ursache, selbst daran.
Weil sie nackend im Fahrzeug sitzen, ist ihnen der Regen, welcher in Suriname gemeiniglich heftiger als hier ein Platzregen ist, sehr beschwerlich. Wenn es thunlich ist, halten sie | |
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dann stille, krümmen sich zusammen, und lassen sich nur vom Strome treiben.
Haben sie von den großen Trulli - oder Timiti-Blättern gemachte Decken bey sich, so halten sie dieselben über sich, oder gehen, wenn sie den Regen ankommen sehen, geschwinde in den Busch, und hauen einige von diesen oder andern Palmzweigen ab, um sich und ihre Bagage und Lebensmittel, die in der Mitte des Fahrzeugs beysammen liegen, damit zu bedekken.
Bisweilen achten sie aber auch den Regen nicht, sondern rudern aus allen Kräften, um warm zu bleiben, und man hat dann das Vergnügen, sehr geschwinde fortzurücken.
Daß sie keine Kleider haben, einen schmalen Lappen, etwa von 2 Ellen, zur Bedeckung der Schaam ausgenommen, und ihre Leiber oft mit Kraböl einschmieren, gewährt ihnen den Vortheil, daß sie gleich trocken sind, so bald der Regen aufhört.
Auf die eben beschriebene Weise kann man auch mit den Indianern nach Berbice, und von dort nach Temerari und Isequebo reisen, nur muß man mehr zu Fuße übers Land gehen, und seine Sachen von den Indianern tragen | |
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lassen, weil diese Gegenden, sonderlich von Berbice nach Temerari und Isequebo, nicht so wie auf dem Wege nach Paramaribo, von zusammenhängenden Flüssen durchschnitten sind. Ich bleibe +c. |
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