Nachricht von Suriname und seinen Einwohnern
(1807)–Christlieb Quandt– AuteursrechtvrijNeunzehnter Brief.Will ein Indianer heirathen, so wird unter der Hand mit den Verwandten der Braut darüber unterhandelt, um voraus zu wissen, daß er keine abschlägliche Antwort bekommen werde. Wenn dieses seine Richtigkeit hat, macht er einen Besuch bey den Eltern der Braut. Nach den bey den Indianern gewöhnlichen Komplimenten erzählt er seine Armuth, in der er sich befinde, weil er keine Frau habe, welches dann von dem Vater der Braut mit eben so viel Komplimenten wiederholt und bejaet wird. Nach Beendigung dieser Unterredung wird, nach indianischer Sitte, das Essen hereingebracht, und von der Braut dem Bräutigam vorgesetzt. Wenn er dieses ißt: so ist dadurch die Heirath geschlossen, und Abends wird durch die Mutter die Hangmatte ihrer Tochter neben des Bräutigams seiner aufgebunden, und die ganze Sache hat ein Ende. | |
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Will etwa Jemand für seine Tochter einen Mann haben: so läßt er demjenigen, den er dazu ausersehen, bey einem Besuch durch dieselbe Essen vorsetzen; wird dieses von ihm angenommen: so ist auch die Heirath geschlossen; läßt er es aber stehen, wobey sie denn allerley Entschuldigungen vorbringen, so weiß der Vater, daß er seine Tochter nicht haben will, welches aber selten vorkommt, weil sie eben so, wie vorher, sich schon unter der Hand erkundigen, ob er Neigung zu der Person habe. Es ist aber etwas sehr seltenes, daß eine Frauensperson erwächst, ohne schon ihren Mann zu haben. Denn wenn einer eine Tochter hat, sucht er ihr schon, wenn sie noch ein Kind ist, ihren künstigen Mann aus, und gemeiniglich schon einen erwachsenen, weil er dadurch sein Klient wird, ihn oft beym Buschfällen unterstützt, und auch für seine künstige Frau einen Kostgrund kappt; der Vater auch bey seinen Reisen an ihm einen willigen Gesellschafter findet. Ist das Mädchen noch so klein, daß er einige Jahre auf ihre Mannbarkeit warten muß: so nimmt er derweile eine andere, etwa eine Wittwe, welche ihm auch mehrentheils von seinem Schwiegervater angerathen oder gegeben wird, wenn er in seiner Familie eine dazu taug- | |
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liche Person hat. Ist dann das Kind mannbar, wird sie die eigentliche Frau, und die er derweile genommen hatte, wird zwar nicht verstoßen, vertritt aber alsdann die Stelle einer Magd. Weil es uns bekannt war, daß gemeiniglich schon Jemand an eine ledige Person Anspruch machen könne: so mochten wir uns nicht gern mit ihren Heirathen befassen; wollte aber Jemand gern in dem Stück von uns berathen seyn: so mußten wir uns sorgfältig erkundigen, ob nicht schon Jemand an die von ihnen vorgeschlagene Person Ansprüche habe. Bey den von uns getauften Kindern suchten wir den Eltern das Nachtheiligen davon deutlich zu machen, wenn sie ihre Kinder vor der Zeit, Jemand zur Heirath zu geben, versprächen. Indeß hatten es die getauften Indianer sehr gern, wenn wir die Heirathen stifteten. Denn wenn die Frau von Jemand anders in Anspruch genommen wurde, schoben sie die Schuld allemal auf uns, und sagten, daß wir sie ihnen gegeben hätten. Wenn eine Frau Wittwe wird, ist das erste, daß ihr von den Anverwandten des Mannes der Kopf beschoren wird, und ehe das Haar seine gehörige Länge hat, darf sie nicht wieder | |
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heirathen.Ga naar voetnoot*) Auch darf sie dann nicht heirathen, wen sie will, sondern der nächste Verwandte des verstorbenen Mannes hat das Recht, sie zu heirathen, und sie wird dann oft die zweyte oder dritte Frau von ihm. Will sie Jemand anders haben: so muß er sie ihm abkaufen; und dann besteht die Bezahlung gemeiniglich in einer Flinte, einem guten Corjar oder einer eisernen Cossabiplatte. Heirathet sie Jemand ohne des rechtmäßigen Erben Einwilligung: so entstehen daraus oft die größten Feindseligkeiten, und manchmal muß ers mit dem Leben bezahlen. Bey unsern Getauften suchten wirs in solchen Fällen so viel möglich dahin zu bringen, daß sie ihre Rechte an solche Wittwen an andere abtraten, weil wir den Getauften nicht erlauben konnten, noch eine Frau zu der, die sie schon hatten, zu nehmen. Ihre Nation ist in gewisse Stämme eingetheilt, von denen eine der Vater, der andere | |
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Bruder +c. heißt. Da nun diese Stämme durch das weibliche Geschlecht fortgepflanzt und dabey auf die Männer keine Rücksicht genommen wird: so kommen oftmals bey ihnen Heirathen vor, die hier zu Lande als unter nahen Anverwandten nicht statt haben könnten; dagegen giebt es auf der andern Seite manchmal Hinderungen wegen der zu nah verwandten Stämme, die hier in keinen Betracht kommen würden. Ein Schwiegersohn darf seiner Schwiegermutter Angesicht niemals sehen. Ist sie bey ihm im Hause: so wird eine Scheidemand gemacht, daß sie einander nicht sehen können; reiset sie mit ihm in einem Corjar: so steigt sie zuerst hinein, damit sie ihm, wenn er einsteigt, den Rücken zukehren kann, und so ist es auch beym Aussteigen. Ich reiste einmal mit einigen Indianern, und hatte in meinem Fahrzeug eine Wittwe. Unterwegens begegnete uns ein anderes mit Indianern; sogleich legte das unsrige am Ufer an, erwähnte Wittwe stieg ans Land und ging ins Dickicht; als jenes Fahrzeug vorbey war, legten wir an und nahmen sie wieder ein. Als ich mich nach der Ursach erkundigte, erfuhr ich, daß der Schwiegersohn erwähnter Wittwe in jenem Fahrzeug gewesen wäre, und er sie also | |
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hätte ansehen müssen, wenn sie nicht ausgestiegen wäre. Den Indianern wird Schuld gegeben, daß, wenn eine Frau in die Wochen komme, der Mann sich in die Hangmatte lege, und statt ihrer die Wochen halte, die Frau aber daneben auf der Erde sitze, und alle häuslichen Geschäfte verrichten müsse. Hierüber bin ich in Suriname ofte befragt worden. Obgleich die Indianerweiber vom Wochenhalten nichts wissen, und überhaupt mehrentheils leichte Niederkunften haben, so daß ich während meinem beynah zwölfjährigen Aufenthalt unter ihnen keinen Fall erlebt habe, daß eine Frau bey der Geburt eines Kindes gestorben wäre, und es ihnen daher nicht schwer fällt, ihre wenigen häuslichen Geschäfte zu besorgen: so hat jene Sage wegen eines unter ihnen zum Vortheil der Weiber regierenden Aberglaubens doch einigen Grund. Denn wenn eine Indianerfrau ein Kind bekommt, darf ihr Mann keinen Baum fällen, keine Flinte losschiessen und kein großes Wild jagen, weil sonst das Kind krank werden und sterben würde. Es ist ihm nur erlaubt, in der Nähe mit dem Pfeil kleine Vögel zu schiessen und kleine Fische zu angeln. Er ist also mehrentheils zu Hause, und da seine Hangmatte ge- | |
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wöhnlich sein Stuhl und sein Lager ist: so ist ihm in dieser müssigen Zeit nichts bequemer, als in derselben zu liegen, und die Frau sitzt auf der Erde im Sande, um ihre Hangmatte nicht zu verunreinigen, zumal sie gemeiniglich das neugeborne Kind darinn liegen hat. Dieser Aberglaube scheint von den Weibern darum aufgebracht zu seyn, ihre Männer zu der Zeit, da sie ihre Hülfe am nöthigsten haben, bey sich zu erhalten, welches nicht seyn würde, wenn sie auf die Jagd gehen und Busch zu Anlegung der Kostgründe fällen dürften; überdem würden die Weiber bey den Umständen zu viel Arbeit bekommen, wenn der Mann großes Wild zu Hause brächte, weil der Mann, sobald er von der Jagd oder Fischerey zu Hause kommt, alle übrige Arbeit mit dem, was er erjagt hat, der Frau überläßt. Sie säugen ihre Kinder so lang, bis das nächste wieder bald da ist, und dann übernimmt die Großmutter, wenn eine vorhanden ist, dieses Geschäfte noch einige Zeit. Ich habe oft die Kinder neben ihren Müttern oder Großmüttern stehen und an ihnen saugen sehen. Sie suchen daher auch die Milch in ihren Brüsten zu erhalten, tragen auch kein Bedenken, andere Kreaturen, z.B. Affen, die sie jung fangen, an sich saugen zu lassen. | |
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Ich kam einmal in ein Indianerhaus, und fand, daß ein junges Schwein, welches sie gefangen hatten, der Indianerin auf den Schoos sprang, und diese ließ es geduldig an ihrer Brust saugen. Selten haben aber die Indianerweiber mehr als drey oder vier Kinder. Ich kannte nur eine Frau, die fünf Söhne hatte, und diese bildete sich auch viel darauf ein, daß sie so viele Kinder habe. Mit fehlerhaften Gliedern geborne Kinder lassen sie gemeiniglich bald umkommen, daher man auch unter ihnen nicht leicht Jemand sieht, der nicht wohlgewachsen ist und vollkommene Glieder hat. Nach dem Tode eines heidnischen Indianers veranstaltet die Familie, oft wenn derselbe schon zwey oder mehrere Monate todt ist, auch wohl nach ein paar Jahren, eine Sauferey mit Baiwar, wobey das Peitschenfest gehalten wird. Gewöhnlich wird bey armen Indianern zu Begehung desselben nur einmal viel Baiwar von dem Cossabi, welchen der Verstorbene hinterlassen, gebraut. Zu dieser Feyerlichkeit werden die Indianer durch herumgeschickte Knoten - Kalender eingeladen. Ein jeder, der sich zu diesem Feste einfindet, wird auf folgende Art bewillkommt: Der Veranstalter | |
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des Festes macht zu dem Zweck etwa 4 Stück fingerdicke Peitschen von Ühikili, die nach dem Ende zu dünner sind. Die Männer stellen sich in zwey Reihen, und peitschen jeden Besuchenden aus allen Kräften um die Waden, während dieser ihnen die Beine standhaft hinhält. Gewöhnlich geschieht dieses nur den Männern; bezeugen aber die Weiber Lust dazu: so bekommen sie auch ihren Antheil an den Peitschenhieben um die Waden. Die auf besagte Art Bewillkommten schliessen sich nun an die Reihe der Peitschenden an, und thun denen nach ihnen Ankommenden ein Gleiches, welches so unter anhaltendem Trinken und Lermen fortgehet. Oft haben sie von einem solchen Peitschenfeste lange zu leiden, bis ihre Waden wieder heilen, und manche sterben wohl gar an den davon erhaltenen Verwundungen. Bey wohlhabenden und wichtigen Personen werden dergleichen Feste oft wiederholt, welches sich gewöhnlich nach der Menge des von dem Verstorbenen hinterlassenen Cossabi richtet, welcher mit Saufen alle gemacht wird. Hierbey bringt sich denn jeder Besuchende seine eigene Peitsche mit, die beym Fortgehen zurückbleiben, und beym abermaligen Wiederkommen neue mitgebracht werden. | |
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Beym Schluß graben sie ein Loch in die Erde, legen des Todten Pakal, - von Rohr geflochtenes Kästchen, - Pfeil, Bogen, Fischangeln +c. nebst den gesammleten Peitschen hinein, verbrennen sie, und machen das Loch zu. Nun ist der Verstorbene vergessen, und es mit seinem Andenken geschehen. Dieses ist der Gebrauch der Arawacken. Die Warauen und Karaiben haben gewöhnlich keine Peitschen bey dergleichen Todtenfesten, doch aber große Saufereyen, bey deren Schluß sie des Verstorbenen Körper, wärens auch nur noch einzelne Gebeine, ausgraben, ihn sammt seinem Nachlaß verbrennen, die Asche in einer Kiste vergraben, und dann seiner vergessen. Die Karaiben begraben oftmals die Leichen angesehener Personen nicht, sondern räuchern sie in ihren Hangmatten zu vorerwähntem Zwecke. Von einer Gottesverehrung oder Abgötterey habe ich bey den südamerikanischen Indianern, weder bey den Karaiben und Warauen, noch bey den Arawacken, irgend eine Spur gefunden. Von ihren dahin einschlagenden Erzählungen ist nur folgendes anzuführen: Den Schöpfer der Männer nennen sie Kururuman, und den der Weiber Kulimina. Kururuman hat bey ihnen den Vorzug, und ist ein gutes Wesen, das ihnen weder etwas Böses zufügt, | |
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noch Gutes erzeigt. Nachdem er die Menschen geschaffen, erzählen sie, sey er einmal auf die Welt herunter gekommen, um zu sehen, was die Menschen machten. Dieselben wären aber so schlecht und böse gewesen, daß sie ihn hätten umbringen wollen, weswegen er ihnen das fortdaurende Leben genommen und es denen Thieren, die sich häuten, z.B. den Schlangen und Kackerlacks, gegeben. Ferner erzählen sie, daß einmal eine solche Finsterniß gewesen wäre, daß die Indianer beständig in ihren Häusern hätten bleiben müssen, und weder in ihren Corjaren fahren, noch den Busch zu ihren Cossabifeldern hätten kappen können. Die alten Weiber sollen wohl noch mehr dergleichen Erzählungen unter sich haben, allein verständige Indianer, sonderlich getaufte, schämten sich, sie zu erzählen, weil sie die Nichtigkeit derselben einsahen. Unsere ersten Brüder, welche ihnen das Evangelium verkündigten, fanden daher auch nicht für gut, Gott Kururuman zu nennen, sondern führten das Wort Jehovah bey ihnen ein, weil ihre Sprache viel Ähnliches mit der ebräischen hat, und dieser Name Gottes allen christlichen Nationen bekannt ist. Dieser Name Gottes ist auch bisher noch beybehalten worden. | |
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Der Indianer ihre Ärzte, welche man dort Bogaier, die Indianer aber Gemmeti, das ist, ein angenehmer, geschickter Mann, nennen, sind mehrentheils Betrüger, die diese Kunst nur um des Gewinnstes willen treiben. Die Indianer schreiben alle Krankheiten und alles Böse, das ihnen begegnet, dem Teufel, den sie Jawahi nennen, zu, und die Kunst ihrer Ärzte besteht darinn, den Teufel, den ihnen, nach ihrer Meinung, mehrentheils einer ihrer Feinde oder ein ihnen abgeneigter Bogaier zugeschickt haben soll, aus ihnen herauszutreiben. Dieses geschieht gemeiniglich durch ihr Klapper - Instrument, Marraka genannt. Dieses ist ein ausgehöhlter Baumcalabas, der mit zerschlagenem Krystall und andern durchsichtigen kleinen Steinen angefüllt ist. Mitten durch geht ein Stock, womit sie ihn halten. Die Spitze des Stocks, die oben aus dem Calabas hervorkommt, und auch der untere Griff, ist mit grünen, gelben und rothen Federn von den Papageyen und rothen Raben +c. geziert. Diese Marraka ist bey den andern Indianern ein so fürchterliches Ding, daß die Bogaier, wenn sie dasselbe in ihrer Hütte bey ihren Sachen liegen lassen, gewiß sind, daß demselben keiner nahe kommen oder etwas aus der Hütte stehlen werde. | |
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Es sahe einmal ein Indianer bey meinen Sachen einen großen Krystall liegen; er trat sogleich zurück, und fragte mich, ob ich auch ein Semmeti sey. Wenn sich jemand in ihre Kur begiebt: so wird eine kleine niedrige Hütte von großen Palmblättern gebaut, worinn nur der Kranke in seiner Hangmatte und der Bogaier Platz hat. In dieser Hütte wird unter der Hangmatte, wie bey den Indianern gewöhnlich, ein Feuer gemacht. Der Bogaier begiebt sich dann mit seiner Marraka zu dem Patienten, klappert mit derselben so stark er kann, und befiehlt dem vermeinten Teufel, aus dem Kranken auszufahren, macht auch dabey ein gräßliches Geschrey. Manchmal habe ich zu meiner Verwunderung gesehen, daß die Indianer durch dergleichen betrügerische Ärzte gesund gemacht wurden, bey denen die ihnen von uns gegebenen Mittel nicht anschlagen wollten. Denn unsern Indianern suchten wir mit den Mitteln, die uns bekannt waren, und durch Aderlässe in hitzigen Krankheiten, so viel möglich zu helfen, um sie von ihren Hexenmeistern, die ihnen ihre wenigen Habseligkeiten für ihre Gaukeleyen abnahmen, abzuhalten. Sie kamen auch gern zuerst zu uns, da sie die Medicin umsonst bekamen. Weil sie | |
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sich aber selten nach unsern Verordnungen richteten, und in ihren offenen Häusern liegen blieben, wo man sie nicht leicht zum Schwitzen bringen konnte, welches bey einem Indianer von großer Wirkung ist, und sie überdem auch nicht gern Laxiermittel einnehmen, weil sie der Reinlichkeit wegen in solchen Fällen weit von ihren Häusern weggehen mußten, und dieses in Krankheiten nicht gut thunlich ist: so mußten wir manchmal auch bey ihnen es geschehen lassen, wenn sie sich heimlich an ihre eignen Ärzte wandten. Daß ihnen alsdann doch bisweilen durch ihre Bogaier geholfen wurde, ist dadurch erklärbar, daß dieselben sie in eine enge und dicht verschlossene Hütte einsperrten, sie durch das darinn gemachte Feuer und Beängstigung mit ihrer Marraka und Geschrey zum Schwitzen brachten, und durch Brechmittel, als der Hauptmedicin der Indianer, nachhalfen. Stirbt aber dennoch ein Indianer unter ihrer Behandlung, so sagt der Bogaier, es ist der große Teufel gewesen, der ihm nicht gehorche. Seine reichliche Bezahlung muß er aber dennoch erhalten, und sucht sich ohne Umstände das, was ihm ansteht, aus den Sachen des Kranken oder Gestorbenen aus. | |
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Oftmals thut ein Bogaier bey einem Kranken weiter nichts, als Taback rauchen, den Rauch auf ihn zu blasen, und etwas dabey zu murmeln. Wenn ein Indianer diese Kunst lernen will, welches mehrentheils keinen andern Grund hat, als Eigennutz, und um sich unter seinen Landsleuten mehreres Ansehen zu verschaffen: so muß er geraume Zeit eine aus Tabacksblättern gekochte höchst widerliche Brühe trinken, darf nur sehr wenig essen, und während seiner Lehrzeit keinem Europäer in die Nähe kommen. Wenn diese Zeit vorüber ist, muß er noch eine gute Weile hinter seinem Lehrer wie ein Bedienter mit niedergeschlagenen Augen hergehen, und wenn er zu einem Europäer gehen will, sich ganz roth mahlen. Gemeiniglich sind sie dann von der vielen Tabacksbrühe und vom Hungern ganz ausgemergelt und arm, denn der Lehrmeister läßt sich gut bezahlen; und die Marraka, die er von niemand anders als von seinem Lehrherrn bekommen kann, und ihm zum Schluß übergeben wird, kostet auch nicht wenig. Hier will einer in Suriname vorkommenden, wenn gleich nicht gefährlichen, doch höchst beschwerlichen Krankheit Erwähnung thun. Man nennt sie dort den Ringwurm, weil sie | |
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sich zirkelförmig ausbreitet. Sie ist einem Salzfluß ähnlich, wächst mit dem zunehmenden und verringert sich mit dem abnehmenden Monde, verursacht aber beym Zunehmen ein unausstehliches Jucken, breitet sich endlich über den ganzen Leib aus, und alsdann bekommt die Haut ein unangenehmes schuppiges Ansehen. Diese Krankheit ist sehr ansteckend. Man muß sich daher in Suriname in Acht nehmen, daß man sich nicht auf einen Stuhl setze, auf dem einer, der die Krankheit hat, gesessen hat. Mehrentheils sind auch Leute, die mit derselben behaftet sind, so billig und vorsichtig, daß sie sich einen eingenen Stuhl halten und sonst Niemand darauf sitzen lassen, oder man wird von andern, die es wissen, gewarnt. Wenn einer diese Krankheit hat und nach Europa reist: so soll er dieselbe verlieren, wenn er über den Tropikum kommt, dieselbe aber wieder bekommen, wenn er wieder nach Suriname zurückreist und dort ankommt. Die Indianer kuriren diese Krankheit, die bey ihnen bald sichtbar wird, weil sie keine Kleider tragen, mit einer harzigen Baumrinde, mit welcher sie die kranke Haut beschmieren, desgleichen mit einer großen Nuß, die an der Corentyn wächst, welche sie schaben und auf den Schaden legen. Von der harzigen Baumrinde ha- | |
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be gehört, daß sie den Schaden nicht gründlich hebt; die Nuß ist aber sehr bewährt, und vertreibt den Ringwurm ganz. Weil diese Nuß aber wenig bekannt und auch nicht leicht zu haben ist: so brauchen viele Leute gegen diese Krankheit geschmolzenen Talg von Lichtern, und bestreichen den Schaden fleissig damit. Ich habe gehört, daß, wenn sie damit einigemal bey zunehmendem Monde fortgefahren haben, sie von der Krankheit ganz befreyt worden sind. Weil man sich in den heissen Ländern leicht verkältet und dadurch oft Diarrehen zuzieht, die leicht in eine Ruhrkrankheit ausarten, so brauchten wir, wenn die im zwölften Briefe erwähnte Bibiru nicht hinlänglich seyn wollte, sowohl für uns als für die Indianer folgendes Mittel: Wir machten ein Stück Stahl ganz glühend, hielten auf den glühenden Stahl ein Stück Schwefel und liessen den brennenden Schwefel in ein mit kaltem Wasser angefülltes Gefäß laufen. Wenn man von diesem Wasser etwa 4 bis 6 Seidel allmählig getrunken hat, ist gemeiniglich die Krankheit gehoben, ohne daß man irgend üble Folgen davon zu befürchten hat.Ga naar voetnoot*) Den im Wasser abgelöschten Schwe- | |
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fel, welcher viele Stahltheile angenommen hat, pulverisirte ich, um ihn in gleichem Falle, wenn man etwa nicht Gelegenheit hat, das Schwefelwasser zu machen, z.B. auf Reisen, zu gebrauchen, weil dieses Pulver eben die Wirkung thut, wie das geschwefelte Wasser, nur nicht so geschwinde. Zu 6 bis 8 Seideln Wasser brauchte ich etwa für 9 pf. Schwefel. Da ich kürzlich aus einem Tagebuch unsrer Brüder, die gegenwärtig die Mission unter den Indianern bedienen, gesehen habe, daß ein paar verheirathete Indianer - Brüder, deren Verlust sie sehr bedauerten, an der Ruhrkrankheit gestorben sind: so vermuthe ich, daß dieses gute Mittel, welches ich auch hier einigen mit Nutzen angerathen, habe, bey ihnen in Vergessenheit gekommen seyn muß. Die Indianer sind sehr reinlich, denn alle Morgen baden sie sich im Fluß, und sobald sie schwitzig werden, ist auch das erste, daß sie ins Wasser gehen, sich baden und abwaschen, weil sie überzeugt sind, daß sie der Schweiß schwäche. Oft sagten sie zu mir, wenn sie sahen, daß ich mein schwitziges Hemde auszog, daß | |
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wir Europäer darum so schwach wären, weil wir sa viel schwitzten. Vor ihren Häusern haben sie allemal einen von allem Grase gereinigten Platz, auf welchen sie sich auch hinsetzen und essen, wenn die Sonne nicht darauf scheint. Diesen Platz darf weder ein Kind noch ein Hund verunreinigen. Sobald darauf oder in ihren Häusern etwas Unreines liegt, muß es die Frau wegschaffen. Sie wohnen gern auf Sande, und wo das nicht senn kann, wie in Hoop, wo wir einen Lehmboden hatten, tragen sie Sand in ihre Häuser. Wenn eine Frau ihre Zeit hat, in welcher sie sich nie badet, weil sie sich vor den See-Ungeheuern fürchten, sitzt sie allemal auf dem bloßen Sande. Man sagt den Karaiven nach, daß sie Menschenfleisch äßen. Allein damit verhält es sich so. Wenn sie zu den oben an der Corentyn +c. wohnenden Indianern reisen, um Sklaven von ihnen zu kaufen oder zu rauben, und erlegen in ihren Streitigkeiten mit den Nationen, mit welchen sie etwa Krieg haben, einen oder ein Paar Menschen: so nimmt derjenige, der diese Heldenthat gethan, von dem Erschlagenen etwa einen Arm mit, und dürrt ihn überm Feuer, daß er ihn lange verwahren kann. Wenn sie wieder nach Hause kommen, wird so ein Held gemeiniglich zu einem Kapitain erklärt, | |
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und dabey eine Lustbarkeit angestellt. Vorher gehen sie aber auf die Jagd, und suchen allerlen Wildpret zu bekommen. Derweile wird für jeden Gast ein kleiner Cossabikuchen, etwa zwey Zoll im Durchmesser, gebacken, und bey dem Schmaus wird von jeder Sorte Wildpret, so wie auch von dem gerösteten Menschenarm, ein Stückchen darauf gelegt, welches sie mit einander essen. Weil sie aber doch einen Ekel dafür haben, trinken sie nachher so viel Baiwar, daß sie alles, was sie gegessen, wieder ausspeien müssen. Ehe aber diese Erklärung zu einen Kapitain bey den Karaiben erfolgt, muß er sich, wie die Arawacken sagen, noch manche harte Probe seiner Standhaftigkeit und Tapferkeit gefallen lassen.
Er muß nämlich eine geraume Zeit hungern, weswegen er während der Zeit in seiner Hangmatte, die oben unterm Dache aufgebunden wird, wo ihm niemand leicht etwas zum Essen reichen kann, liegen muß. Dabey wird ihm um den Kopf und auf der Stirne eine von dünnem Rohr geflochtene Binde bevestiget, in welche sie einige von den großen schwarzen Ameisen, die sich in alten Bäumen aufhalten, beynah einen Zoll lang sind und überaus schmerzhaft beissen, mit eingeflochten haben. | |
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Wenn er diese und andere Peinigungen ohne Zeichen seiner Empfindlichkeit ausgehalten, wird er in seiner Hangmatte wieder heruntergelassen, sieht dann oft einem bloßen Skelet ähnlich, und wird bey obenerwähnter Feyerlichkeit zum Kapitain ihrer Nation erklärt, für welchen dieselbe in der Folge viele Achtung zeigt. Ich bleibe +c. |
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