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Achtzehnter Brief.
Die Karaiben und Arawacken färben sich den Leib gern ganz roth, sonderlich die ersteren, die man nicht leicht anders sieht; bey den Warauen geschieht dieses seltener.
Diese rothe Farbe, Orlean, nennen sie Sirabulli, und kommt der Zinnober - Farbe ganz gleich. Sie bekommen sie von der Frucht des Rokubaums oder vielmehr Strauches, den sie zu dem Zwecke in ihren Cossabifeldern pflanzen. Die Frucht ist eine Schote in der Größe einer Mandel, die noch in ihrer Schale ist, und hat
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auswendig weiche Stacheln. Wenn diese Schote reif und trocken ist, öffnet sie sich von selbst, und man findet darinn eine Parthie Körner mit einem schönen zinnoberrothen Safte umgeben. Wenn sie eine Menge solcher Schoten gesammlet und ausgekörnt haben, waschen sie die Körner in einer Schüssel ab, thun sie heraus, und lassen das rothe Wasser eintrocknen.
Um dieser Farbe mehr Körper zu geben, vermengen sie dieselbe mit Patatermehl, und haben sie wie eine Seifkugel in ihren kleinen von Kohr geflochtenen Kästchen, Borudi genannt, nebst ihren übrigen Kleinigkeiten, z.B. Spiegel, Scheere, Barbiermesser, einen kleinen Zängel zum Haar ausziehen, Fischangeln +c. immer bey sich.
Wenn sie sich färben wollen, nehmen sie etwas Kraböl, vermengen damit die rothe Farbe, und schmieren den ganzen Leib vom Kopf bis zu den Füssen damit ein. Wenn sie nur wenig thun wollen, beschmieren sie nur die Füsse und etwa noch die Hände, daß es aussieht, als hätten sie rothe Schuhe oder Halbstiefeln und rothe Handschuh an. Sonderlich thun sie dieses gern, wenn sie zu Europäern gehen. Ausser dem Staate, den sie in diese rothe Farbe setzen, haben sie auch die Idee dabey, daß dieselbe sie vor Krankheiten und dem Geiste der
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Europäer, oder Teufel, wie sie es nennen, schützen solle.
Vorzüglich naht sich keiner ihrer Pogaier oder Hexenmeister einem Europäer, ohne sich roth gefärbt zu haben.
Es sind daher auch ihre Sachen mehrentheils mit dieser rothen Farbe besudelt, und wenn man etwa von einem Karaiben eine Hangmatte, welche die Europäer sehr gern kaufen, erhandelt: so hat man lange daran zu waschen, bis sie wieder weiß wird.
Unsern getauften Indianern gestatteten wir das Bemahlen ihres Körpers nicht. Sie schmierten sich daher blos mit Kraböl ein, wodurch ihre Haut geschmeidig erhalten wird, und das Ungeziefer, weil das Oel bitter ist, ihnen nicht so leicht schadet.
Die Indianer leiden nur die Haare auf dem Kopfe, denn an allen übrigen Stellen des Leibes, wo sonst auch Haare wachsen, rupfen sie dieselben mit einer kleinen Haarzange aus, sobald sie zum Vorschein kommen. Sie sitzen daher oft Stunden lang mit dem Spiegel in der Hand, um sich die Barthaare auszurupfen, und wenn sie zu stark und häufig werden, brauchen sie dazu auch das Barbiermesser.
Auch die Augenbraunen rasiren sie sich ab, und machen statt derselben einen schwarzen
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Strich. Auf dem Kopfe haben sie ganz schwarzes strackes Haar, welches die Mannsleute kurz, die Weiber aber lang tragen, jedoch oben auf dem Kopfe in geflochtenen Zöpfen zusammenlegen.
Bey ihren Lustbarkeiten, sonderlich wenn sie feyerliche Tänze anstellen, bemahlen sich die Indianer noch auf eine andere Weise. Es giebt dort eine Frucht, deren Saft die Haut so schwarz macht, als wenn sie mit Dinte bemahlt wäre. Mit diesem Saft bemahlen sie den ganzen Leib, vom Gesicht bis auf die Füsse, die Kopfhaare aber werden roth gemacht. Diese ihre Mahlerey besteht in allerley Figuren, welche Schlangen, Vögel und andere Thiere vorstellen sollen. Man könnte sie aber viel eher für an einander hängende hebräische Buchstaben ansehen, weil sie alle aus eckigen, starken und feinen, und parallellaufenden Strichen bestehen. Diese Mahlerey besorgen die Weiber, und bringen mehrentheils ganze Tage damit zu. Die schwarze Farbe dauert einige Tage, ohne auszugehen.
Auf ähnliche Weise bemahlen auch die Karaiben ihre Hangmatten und Töpferarbeit.
Überdem geben sie ihren Gesichtern mit andern Farben ein besonders auffallendes Ansehen.
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Denn ausser der Sixabulli machen sie noch eine rothe Farbe, Karaiiru genannt, die sie aus gewissen Blättern kochen. Diese Farbe ist dem schönsten Karmin gleich. Sie nehmen allerley Blätter, die, wenn sie trocken werden, ganz roth sind, sonderlich von einem Rankengewächse, und kochen sie bey langsamen Feuer einen ganzen Tag, an welchem sie, nach ihrer Meinung, gar nicht essen dürfen, weil sonst die Farbe nicht geräth.
Mit dieser rothen Farbe machen sie im Gesichte dunklere Striche, und um dieselben noch mehr zu erheben, daneben mit einer weissen und gelben Thonerde auch einige Striche, welches ihnen ein auffallendes Ansehen verschaft.
Bey ihren Tänzen erscheinen sie in ihrem größten Staate, nämlich, wie oben beschrieben, bemahlt und mit einem Stück von blaugefärbten ostindischen Kattun, etwa 4 bis 5 Ellen lang, bekleidet, welches sie über die Schultern werfen, und so hinter sich her fliegen lassen. Dieses giebt ihnen ein prächtiges Ansehen. Um die Knöchel über den Füssen haben sie eine Art Schellen, womit sie beym Auftreten einen Laut geben.
Diese Schellen sind eine sehr harte Schale einer Nuß, die aber nicht eßbar ist, und zu
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dem besondern Gebrauch von ihnen gepflanzt wird. Auf einer Seite der Nuß machen sie eine Öffnung, nehmen den Kern heraus, durchbohren die Schale auf der entgegengesetzten Seite, damit sie eine Parthie an einem Faden anbinden und so um die Füsse bevestigen können.
Manche machen sich von gespaltenen daumdicken und etwa eine Elle langen Rohr, welches neben einander gelegt und so bevestiget wird, daß es sich gut bewegen kann, ein Rückenschild oder Mantel, der bis auf die Hüften heruntergeht, an einem Bande um den Hals gehängt wird, und bey ihren Sprüngen während dem Tanze allerley Bewegungen machen kann. Dieser Rohr - Mantel wird auch mit allerley Farben bemahlt, und giebt ihnen ein eigenes Ansehen.
Einem solchen Tanze habe ich nur ein einziges mal eine Stunde lang zugesehen; denn weil wir unsern getauften Indianern solchen heidnischen Tänzen und Lustbarkeiten beyzuwohnen, nicht gestatten konnten, indem es bey denselben oft sehr schlecht zugeht: durften wir ihnen auch keine Gelegenheit geben, sich mit uns zu entschuldigen.
Bey diesen ihren Tänzen, die auf einem freyen und ganz rein gemachten Platze vor dem
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Hause, wo sie sich versammlen, geschehen, stellen sie mehrentheils Jagden vor. Sie ahmen dabey die Bewegungen, das Laufen und die Sprünge der Thiere, die sie bey dem erhaltenen Schuß gemacht, sehr possirlich und lebhaft nach. Besonders besitzen die Warauen darinn viele Geschicklichkeit.
Zwischen jedem Tanz bringen die Weiber den Männern Baiwar zu trinken, und warten selbst mit ihrem Trinken, bis die Männer genug haben, damit sie, wenn in der Trunkenheit Händel entstehen, schlichten können.
Wenn die Weiber, die bey solchen Gelegenheiten auch nach ihrer Art mit kostbaren Korallen-Schnüren und von Korallen bunt durcharbeiteten Schürzen geziert, und am Leibe bemahlt sind - in die Reihen der tanzenden Männer eintreten: umschließt ein jeder Mann eine Frau mit einem Arm um den Leib, wobey die Bewegungen in einem ganzen Zirkel oder in Gestalt eines halben Mondes hin und her gehen. Dazwischen wird fleissig auf die Erde gestampft, damit man die Schellen an den Füssen höre, oder den Takt damit anzugeben.
Die Schürze der arawackischen Weiber hat die Größe eines großen Quartblatts, und ist von Korallen gewirkt. Der Grund ist entweder weiß, gelb, roth oder blau, worein einige
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Blumen gewirkt sind, welche die Weiber sehr geschickt zu machen wissen, aber auch oft viele Zeit damit verbringen. Diese Art Schürzen von Korallen, welche ihrer Schwere und Beweglichkeit wegen überall anliegen, sind ihnen viel bequemer, als wenn sie von Kattun oder einem andern Zeuge gemacht würden, und können immer reinlich gehalten werden.
Um die Lenden und über den Ellbogen, so wie auch unter den Knieen, haben sie zum Staat viele Reihen von bunten Korallen. Die kostbarsten bestehen aus der weissen Uruebe mit untermengten Blutsteinen. Überdem tragen sie um den Hals ein paar Schnüre von vieleckig geschliffenen Krystall, oder gemeiniglich nur von so geschliffenen Krystallglase, untermengt mit geschliffenen Agatsteinen; und lassen auch so eine Schnur bis unter die Brüste herabhängen.
Die Warauen haben größere Schürzen, von der Größe eines kleinen Bogen Papiers, mehrentheils von weissen, etwas größeren Korallen, als die Arawacken zu den ihrigen brauchen, gewirkt. Doch sind dergleichen Schürzen bey ihnen selten, weil sie ärmer als die Arawacken sind.
Die mehresten Warauen - Weiber machen sich ihre Schürze von Baumrinde, die man für
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gegerbtes Kalbleder halten könnte. Vorne ist dieselbe etwa eine gute Spanne breit, wovon der obere Rand über eine Schnur, die um die Hüften gehet, umgebogen ist; das andere Ende, welches immer schmäler wird, und endlich etwa nur einen Daumen breit ist, geht zwischen den Beinen durch, und wird hinten wieder um die erwähnte Schnur gebogen, daß es auf die Weise vestgehalten wird.
Die karaibischen Weiber tragen keine Schürzen von Korallen, sondern machen sich von dem obenerwähnten blauen ostindischen Kattun, Salpuris genannt, eine Bekleidung, die den europäischen Beinkleidern etwas ähnlich ist; nur sind sie viel kürzer, und bedecken kaum den halben Schenkel. Doch sind sie auf diese Art weit mehr als die arawackischen und warauischen Weiber bedeckt.
Ein unangenehmer Staat bey den Karaiben- und Warauen - Weibern besteht darinn, daß sie ein Loch in den Ohrlappen so ausweiten, daß sie einen großen Gorkstöpsel hineinstecken können, und in demselben wie in einem Nadelküssen ihre Näh - und Stecknadeln verwahren. Oft ist auch der Rand ihrer Oberund Unterlippen um den Mund herum mit Nähnadeln besteckt. Viele Mannsleute tragen
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unter der Nase ein von Silber zierlich ausgearbeitetes Blech, welches an einem Faden hängt, der durch ein Loch in dem mittleren Knorpel der Nase gezogen ist.
Ich bleibe +c.
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