Nachricht von Suriname und seinen Einwohnern
(1807)–Christlieb Quandt– AuteursrechtvrijSiebzehnter Brief.Die Mannsleute bey den Indianern haben wenig Beschäftigungen, weswegen sie oft viele Zeit müßig in ihren Hangmatten liegen. Wenn sie aber arbeiten, sind sie dabey nicht langsam oder träge, sondern aufgeräumt, und die Arbeit geht ihnen von der Hand. Ihre Hauptbeschäftigung ist die Jagd, Fischerey, das Bauen ihrer Häuser und das Fällen des Busches zu ihren Kostgründen, so wie auch das Brennen und Aufräumen des nicht verbrannten Holzes, damit die Weiber hernach das Land bearbeiten und bepflanzen können. Die Nebenarbeiten der Männer bestehen in Zubereitung ihrer Gewehre, Jagdinstrumente, Fischangeln und allerley Flechtwerk von | |
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Rohr oder Buschtau; ferner ihre Fahrzeuge, Corjare und Canus, zu bauen. Ihre Gewehre und Jagdinstrumente bestehen aus Pfeil und Bogen. Siehe Tab. 1. Der Bogen hat ziemlich eine Mannshöhe, und ist allemal, wenn er nicht gebraucht wird, abgespannt, damit er seine Steifigkeit behalte. Es gehört daher auch Stärke dazu, ihn zu spannen. Sie haben verschiedene Sorten Pfeile, die gemeiniglich 4 Schuh lang sind. 1.) Der Harpun, Nr. 3. Tab. I., mit einem doppelten Widerhaken, ist mit einer Schnur an einen dünnen Stock, auf dessen Spitze er steckt, und auf den die Schnur gewickelt ist, befestiget. Wenn sie damit ein Wild schiessen, geht er vom Stocke ab, welcher dann hinter dem Thiere hergeschleift wird und im Busch den Weg bezeichnet, welchen das angeschossene Wild genommen hat. Gemeiniglich bleibt der Stock an ein paar Bäumen hängen, und das Wild verwickelt die Schnur, wenn der Schuß nicht tödtlich war, um einen Baum, muß dann stehen bleiben, und wird durch den nacheilenden Indianer mit einem andern Pfeil getödtet. Dieses ist der einzige Pfeil, der einen hölzernen Stiel hat, bey den übrigen ist er der Leichtigkeit wegen von Rohr. | |
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2.) Der Fischpfeil, hat unten brey Arme, die mit eisernen Spitzen mit Widerhaken versehen sind. Sie besitzen eine besondere Geschicklichkeit, mit diesem Pfeil, wie auch mit einem andern, nur mit einer Spitze, aber mehreren Widerhaken, den sie auch zum Vogelschiessen brauchen, die Fische, während sie in einem Corjar fahren, im Wasser zu schiessen. Wo der Pfeil an die Schnur des Bogens angelegt wird, ist eine Feder bevestiget, welche seine Richtung in der Luft erhalten hilft. 3.) Der Speer, Nr. 2. den sie gemeiniglich nur brauchen, wenn sie die tödtliche Stelle gewiß zu treffen hoffen. Das Eisen an diesem Pfeil, oder der eigentliche Speer, ist beynah 4 Zoll lang, und hat an der Stelle, wo er ins Rohr bevestiget wird, einen Knopf, damit er nicht tiefer eindringen kann. 4.) Noch haben sie einen Pfeil, Nr. 7. der statt einer eisernen Spitze einen hölzernen Knopf von der Größe einer welschen Nuß hat. Diesen brauchen sie, wenn sie ein Thier nicht gern tödten, sondern es nur betaüben wollen, um es noch lebendig in ihre Gewalt zu bekommen. Mit diesen Pfeilen treffen sie sehr genau, auch in einer ziemlichen Entfernung, weil sie sich von Jugend auf darauf üben. | |
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Vor Zeiten bedienten sich die Indianer bey ihren Jagden auch der vergifteten Pfeile. Dieses Gift, womit sie die Spitzen ihrer Pfeile bestrichen, bereiten sie aus verschiedenen Kräutern, deren Saft einzeln nicht tödtlich ist, es aber durch die Vermischung wird. Er soll so schnell tödten, daß, wenn der Pfeil nur das Blut eines Thieres erreicht, es in 10-12 Minuten sterben muß. Weil es manchmal geschieht, daß, wenn sie nach etwas schiessen, es verfehlen, und der vergiftete Pfeil von einem Baum oder Aste desselben abprallt, auf den Jäger zurückfällt und ihn in Lebensgefahr bringt: so sollen sie allemal, wie sie mich versicherten, Zuckerrohr oder Regenwürmer bey sich getragen, und wenn sie das Unglück hatten, von einem solchen Pfeil verwundet zu werden, gleich Zuckerrohr oder Regenwürmer gegessen haben, wodurch sie vor der Schädlichkeit des Giftes gesichert wurden. Gegenwärtig bedienen aber die mit den Europäern bekannten Indianer sich nicht mehr der vergifteten Pfeile.Ga naar voetnoot*) | |
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Viele Indianer haben jetzt zwar Flinten; weil ihnen aber das Pulver und Bley oft zu kostbar ist, und sie es auch nicht überall haben können, blieben die mehresten von ihnen bey ihrem Pfeil und Bogen; wenn man aber mit ihnen reist, erwarten sie, daß man sie mit Flinten und hinlänglichem Pulver und Bley besorgt.
Ein Mordgewehr, Mussi genannt, brauchen sie nur, wenn sie handgemein werden. Es hat ohngefähr die Tab. I. 8. abgebildete Gestalt, und wird gemeiniglich von dem schwarzen und harten Ebenholze 1½ Elle lang gemacht. Unten am Griff hat es eine von Baumwollengarn geflochtene Schleife, daß sie die Hand durchstecken, und es auf die Weise immer bey sich haben können; sonderlich sieht man die Karaiben nicht leicht ohne diesem Mordgewehr. Wegen dessen Schwere und scharfen Ecken schlagen sie damit die gefährlichsten Wunden, und haben bisweilen noch an einer Seite des Mussi eine Erhöhung in Gestalt eines kleinen Beils. | |
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Zu ihrem Flechtwerk holen sie aus den Büschen ein gewisses Rohr, welches sich sehr gut spaltet, lang ohne Absätze ist, und wovon sie den binsenartigen Kern sehr leicht abstreichen können. Aus diesem Rohre, welches oft sehr lang ist, flechten sie ihre Cossabischläuche, Körbe, Siebe und ordinären kleinen Pakale, von ihnen Borudi genannt. Diese haben die Gestalt eines Kästchens, sind doppelt mit dazwischen gelegten Blättern geflochten, und können deswegen bisweilen eine kurze Zeit im Wasser stehen, ohne daß dasselbe hineindringt. Eben so ist auch der Deckel gemacht, damit der Regen nicht durchdringen könne. Sie machen auch dergleichen große Pakale, worinn man auf Reisen Kleider und Wäsche sehr gut verwahren kann, und welche von den Europäern darum gern gekauft werden, weil sie leicht sind, und von den Negern, die alles auf dem Kopfe tragen, gut fortgebracht werden können. In Verfertigung ihrer Fahrzeuge, der Corjare und Canus, zeigen sie viele Geschicklichkeit, und wissen ihnen eine gute Form zu geben. Sie höhlen nämlich einen starken Baum aus, und treiben ihn dann mit Feuer, welches sie in der Höhlung machen, aus einander; denn das frische Holz, das noch voll Saft ist, wird | |
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durch die Hitze weich, und läßt sich eine Gestalt geben, wie sie dieselbe gern haben wollen. Ihre Corjare sehen daher auch viel besser aus, als hier zu Lande die auf ähnliche Weise gemachten Fischerkähne, und sind auch viel leichter fortzubringen. Den Indianerweibern muß man das Zeugniß geben, daß sie arbeitsam und beynah beständig beschäftiget sind. Die ganze Arbeit mit dem Cossabi und andern Früchten vom Pflanzen an, die Zubereitung des Brodes und des Tranks ist ihre Arbeit. Auch müssen sie das Brennholz, das sie zum Backen, Kochen und des Nachts zum Brennen unter oder neben ihren Hangmatten brauchen, herbeyschaffen. Aus dem zarten Bast der hervorsprossenden Blätter der Hittäpfelpalme machen die arawackischen und warauischen Weiber die Schnüre zu ihren Hangmatten; die Weiber der Karaiben aber wirken ihre Hangmatten von gezwistetem Baumwollgarn, weswegen diese auch viel bequemer sind als erstere. Auch drehen sie aus dem indianischen Hanf, Thikili genannt, gute dreydräthige Schnüre, die sehr stark und dauerhaft sind, und daher auch von den Europäern gern gelauft werden. Diese Schnüre drehen sie blos mit der Hand auf | |
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dem Schenkel über dem Knie, und können in kurzer Zeit viel fertig machen.
Die Weiber sind bey den Indianern auch die Töpfer, und ihre Behandlung dieser Arbeit verdient einer Erwähnung.
Es giebt dort einen Baum, dessen Rinde wie ein Sandstein ist. Diese Rinde brennen sie, stampfen die Koblen zu einem feinen Pulver, welches dem feinen Sande ganz gleich kommt, und mengen es unter ihren Thon.
Wenn sie einen Topf anfangen, machen sie erst von dem Thone eine runde Platte, ohngefähr 4 Zoll im Durchmesser, die allemal bey großen Töpfen als Fußboden sehr klein ist. Hierauf werden von dem nämlichen Thone kleine Würste eines Fingers dick gemacht, und an die Platte oder untere Scheibe angeklebt und mit den Fingern platt gedrückt. So fahren sie fort, bis der Topf seine gehörige Größe und Gestalt hat. Eben so machen sie auch ihre Schüsseln, die oft so dünn sind, daß man sich wundern muß, wie sie dieses mit den bloßen Händen zu Stande bringen und doch ihren Gefäßen eine so regelmäßig runde Form geben können. Mährend der Arbeit poliren sie den etwas trockenwerdenden Thon mit einem glatten Steine oder glatten Muschel. | |
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Die Form ihrer Kochtöpfe und Schüsseln ist allemal, wie Tab. I. 11. und 12. abgebildet ist. Sie stehen daher gewöhnlich nicht gut, worauf aber bey ihnen nichts ankommt, weil ihr Fußboden gemeiniglich Sand und zugleich ihr Tisch ist. Sie machen auch so große Wassertöpfe, daß sie hier ein Töpfer auf seiner Scheibe nicht leicht so groß würde machen können. Die größten können oft weit mehr als einen Dresdner Scheffel fassen. Ihre Form ist gemeiniglich wie Nr. 9. und 10. Tab I. Diese großen Töpfe brauchen sie zum Baiwar bey ihren Trinkgelagen, und in Paramaribo, wo man nur Regenwasser aus den gemauerten Zisternen zum Kochen und Trinken hat, werden sie gar sehr gesucht, weil sich das Wasser in denselben sehr gut abklärt und kühl erhält. Überhaupt kaufen die Europäer die indianischen Kochtöpfe gern, weil sie dauerhafter sind, als die dahin gebrachten europäischen. Die Arawacken und Warauen machen die besten Kochtöpfe, und die Karaiben bunte Schüsseln, die man auch als Trinkgefäße braucht. Wenn der Topf hinlänglich ausgetrocknet ist, machen sie, sonderlich zu den großen Töpfen, eine Vertiefung in den Sand, und legen leichtbrennendes Holz oder Reißig unter und um | |
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den Topf herum, und auch etwas weniges, wenn der Topf dick ist, inwendig hinein. Je nachdem nun der Topf heiß wird, verstärken sie das Feuer und brennen sie recht gut.
Zur Glasur nehmen sie, wenn der Topf geschwärzt oder bunt bemahlt ist, eine harzige Rinde, bestreichen mit derselben den Topf, und lassen das Harz an einem gelinden Feuer zergehen. Diese Glasur hält ziemlich lang, doch kann sie dem heissen Wasser nicht widerstehen.
Zum Baumwollspinnen schnitzeln sich die Indianer ihre Spillen selbft, an welche sie unten einen Würtel, etwa eines Thalers groß, stecken, uud ihn von der Schale einer Calabas machen. Mit diesem unvollkommenen Instrument spinnen sie recht gutes Baumwollengarn, nur drehen sie es stark, so wie auch beym Zwisten, mit derselben Spille. Dieses macht aber, daß ihre gesponnene Baumwolle viel stärker ist, als die hier zu Lande auf Spinnrädern verfertigte, und ist daher zu Hangmatten wegen ihrer Dauerhaftigkeit viel besser zu brauchen.
Diese Baumwollspillen tragen die Weiber beständig bey sich, und wenn sie irgend wohin gehen und auch wohl die Kinder in ihren kleinen Hangmatten an sich hängen haben, spinnen sie unterwegens. Die Baumwolle zupfen sie | |
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nur fein und wickeln sich dieselbe um die Hand, denn vom Krempeln der Baumwolle wissen sie nichts. Die Baumwolle finden sie in der Nähe ihrer Häuser, wohin sie die Körner werfen, welche häufig aufgehen und zu Stauden werden. Sie sind aber im Einsammlen derselben sehr gleichgültig, und lassen viele durch den Regen verderben. Wenn man in der trockenen Zeit, da die Baumwolle reif wird, zu ihren Häusern kommt, sehen die herumstehenden Baumwollsträucher ofte aus, als wenn sie beschneiet wären. Wären sie betriebsamer, so könnten sie sich mit der einzusammlenden Baumwolle manches verdienen. Sie haben mehrentheils nur die kleinkörnigte, wovon die Wolle feiner und langhärigter ist als von der großkörnigten, welche man nur auf den Plantagen pflanzt, weil sie leichter durch kleine Mühlen von den Körnern abgezogen werden kann. Bey der kleinkörnigten Baumwolle stecken die Körner einzeln in der Wolle, und müssen mit den Fingern herausgeklaubt werden; bey der sogenannten großkörnigten hängen aber die Körner zusammen. Die Baumwollmühlen sind nur Handmühlen, und bestehen aus zwey dicht auf einander liegenden Wellen, welche an den Enden in einander greifende Räder haben, so daß, wenn | |
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man die eine Welle durch eine Kurbel umdreht, sich auch die andere bewegt. Vor diese Wellen hält man die von der Sonne aufgequollene Baumwolle, welche dann von den Wellen ergriffen und von den Körnern abgezogen wird. Die Körner fallen vor den Wellen herab und die Wolle hinter dieselben. Wenn es manchmal geschieht, daß ein Kern mit hineingezogen und zerdrückt wird: si verdirbt die daran gewesene Baumwolle, wird von dem Saft oder Oel des Körns gelb, und muß weggeworfen werden. Noch gehört zu der Arbeit der Weiber, daß, wenn der Mann von seiner Jagd oder Fischerey etwas zu Hause bringt, er es nur der Frau hinwirft, welche das Fell abziehen und alles übrige besorgen muß. Doch ist das Fellabziehen bey ihnen nicht sehr gewöhnlich, sondern sie brühen gemeiniglich die Haare nur ab, kochen und essen dann das Fell mit. Man findet daher bey ihnen auch keine Hirschhäute. Sind die Männer aber allein, z.B. auf einer Reise: so kommt obiges Geschäfte dem jüngsten unter ihnen zu. Mehrentheils nehmen sie aber auf ihren Reisen wenigstens eine Frau mit, welche das Kochen und alle übrigen für die Weiber gehörigen Geschäfte verrichten muß, und diese ist gemeiniglich die Frau der Hauptperson. | |
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Ich sahe ein Beyspiel von dem Gegentheil des oben Gesagten, daß die Frau eines zum Jagen und Fischen trägen Mannes, welcher deswegen seine Familie oft Mangel leiden ließ, seinen Pfeil und Bogen nahm, und auf die Jagd ging. Als sie etwas erjagt hatte und nach Hause kam, warf sie es bey ihrem in der Hangmatte liegenden Mann hin, und sagte zu ihm, daß er es nun auch zurecht machen und kochen müßte, weil er selbst auf die Jagd zu gehen zu faul sey, welches er sich denn auch gefallen lassen mußte. Ich bleibe +c. |
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