Nachricht von Suriname und seinen Einwohnern
(1807)–Christlieb Quandt– AuteursrechtvrijFunfzehnter Brief.Die Thiere, auf welche die Indianer zu ihrer Nahrung Jagd machen, sind größtentheils folgende: 1.) Zwey Sorten wilder Schweine, Keherun und Abüja. Erste Sorte zieht oft in zahlreichen Heerden durch die Wälder; von den letztern sind aber selten mehrere als 5 Stück beysammen. Man hält letztere für gesünder als die Keherun, daher die Indianer sie auch für Kranke suchen. Das Keherun oder Nabelschwein hat auf dem Kreuz eine übelriechende Drüse, wovon sie auch den Namen haben mögen, denn kähär heißt bey ihnen übel riechen. Sobald man ein Ke- | |
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herun auf diese Drüse schlägt oder es daselbst nur leicht verwundet, fällt es gleich nieder und stirbt. Wenn die Indianer ein solches Schwein schiessen, ist das Erste, daß sie ihm diese Drüse ausschneiben, damit das Fleisch davon nicht den übeln Geruch bekomme. Sie haben die Größe eines ordinairen zahmen Schweins, sind furchtsam, und wehren sich nicht leicht gegen einen Menschen. Die Abüja sind kleiner und noch furchtsamer. Oben in den Gebürgen, wo die Freyneger wohnen, soll es eine grüßere Sorte wilder Schweine geben, die wie die hiesigen sich gegen einen Menschen zur Wehre setzen, auch wohl gar die Menschen anfallen. Die Keherun haben ein wohlschmeckendes Fleisch; nie habe ich aber bemerkt, daß sie fett gewesen wären, viel weniger, daß sie Speck gehabt hätten. Etwas besser waren sie, wenn es in den Wäldern nußartige Früchte gab, oder sie in der trockenen Zeit zu den Fischen kommen konnten, die sich in den stehengebliebenen Gewässern oder Sümpfen aufhalten. 2. Der Haase, ind. Labba, ist schwarz und sehr weißfleckig, hat kurzes Haar und kurze | |
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Ohren, und ein angeneh mes weisses Fleisch, er ist aber den hiesigen Haasen wenig ähnlich. Sie halten sich viel im Wasser auf und haben daher an den Hinterbeinen Schwimmfüsse. Wenn der Indianer Haasen jagen will, setzt er den Hund aufs Land aus, und fährt in seinem Corjar längst dem Ufer des Flusses hin. Sobald der Hund einen Haasen findet, so schlägt er an, und der Haase sucht sich ins Wasser zu retten, wo der Indianer auf ihn wartet, und ihn, weil er langsam schwimmt, leicht mit einem Pfeil schiessen kann. Auf gleiche Weise jagen sie auch oft die Hirsche, welche, um den Hunden auszuweichen, ins Wasser springen und auf die andere Seite des Flusses zu schwimmen suchen. Der Indianer fährt ihm dann in seinem Corjar nach, sucht ihn beym Hinterbein zu ergreifen und ersäuft ihn auf die Weise. 3. Der Wasserhaase oder Wasserschwein ist vorbeschriebenem Haasen der Gestalt nach ziemlich ähnlich, hat die Größe eines Schweins und ist fetter wie anderes Wildpret, das nicht im Wasser lebt. Die Indianer nennen es Kibiole. Dieses Thier hält sich mehrentheils im Wasser auf und kommt nur selten aufs Land, | |
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ist daher auch schwerer zu bekommen. Es ist ganz grau und hat ein angenehmes Fleisch.Ga naar voetnoot*) 4. Die Kanienchen, indian. Pukuleru, sind dort sehr häufig, haben kurzes rothes Haar, und werden nur geschossen, wenn es an anderem Wilde fehlt, weil sie kein sonderlich angenehmes Fleisch haben. 5. Es giebt zwey Sorten Hirsche, von den Indianern Kujara und Beju genannt. Erstere Sorte ist klein, wie hier zu Lande die Damhirsche, hat rothes Haar und hält sich in den höhern Gegenden auf. Das Beju befindet sich in der Nähe der Seeküste, ist größer und von brauner Farbe. Die Rehe sind, wie hier zu Lande, grau, und von der Größ einer Ziege. | |
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6. Das Tapier, dort Buschbüffel, aber uneigentlich so genannt, weil es mit dem Rindvieh gar keine Ähnlichkeit hat. Die Indianer nennen es Kamma. Im ersten Jahre ist es, so wie die Hirsche und Rehe, bunt, wird aber nachher ganz grau wie ein Esel. Die Vorderfüsse haben vier und die Hinterfüsse drey mit Horn versehene Klauen. Es hat die Größe eines kleinen Pferdes, kurze Ohren und sehr kurzen Schwanz. Es badet sich, wie die Indianer sagen, alle Morgen im Wasser, weswegen sie dasselbe auch oft im Wasser schiessen. Diese Jagd hatte ich in Saron anzusehen Gelegenheit. Etwa eine halbe Stunde vor Sonnenaufgang, da das Wasser in den Flüssen beynah milchlau ist, brachte ein Indianer, der eben ausfahren wollte, die Nachricht, daß ein Tapier im Flusse sey. Sogleich war alles, was nur Pfeil und Bogen hatte, in den am Ufer liegenden Corjaren, und fuhren auf das Thier zu. Sobald es mit dem Kopf herauskam - denn sie können oft einige Minuten unterm Wasser bleiben - bekam es einige Pfeile, so daß es endlich voller Pfeile steckte. Als es anfing matt zu werden, schossen sie ihm noch einen harpunartigen Pfeil, der mit einer Schnur an einen Stock bevestiget ist, in | |
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den Leib, womit sie es am Sinken hindern konnten. Es war ein männliches Thier, und der ganze Ort hatte reichlich davon zu essen. Weil es vor unserm Hause geschossen wurde, bekamen wir davon eine Hinterkeule, wovon wir das mehreste einsalzten. Das Fleisch schmeckt wie Rindfleisch. Auf einer Reise nach Paramaribo fanden mir auch eines vor Sonnenaufgang im Fluß. Einer meiner Indianer gab ihm mit einigen kleinen Kugeln, Laufer genannt, einen Schuß in den Kopf; es tunkte gleich unter, kam nicht mehr zum Vorschein, und ist wahrscheinlich eine Speise der Fische geworden. Wenn man diese Thiere zu zähmen suchte: so könnten sie vielleicht nützliche Hausthiere werden; denn sie sind ungemein schnell im Laufen, und wahrscheinlich auch stark. Wir hatten von einem Indianer ein junges, von ihnen zahm gemachtes Tapier erhalten, verkauften es in Paramaribo, und hörten nachher, daß dieses glücklich nach Holland und in des Prinzen von Oranien Menagerie gekommen sen.Ga naar voetnoot*) | |
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Die bisher erwähnten Thierarten sind diejenigen, von deren Jagd uns die Indianer zu unserm Unterhalt etwas verkauften. Ausserdem giebt es noch einige Thiere, welche von den Indianern auch gegessen werden. Das Schildferken, Armadillo, oder Gürtelschwein, Ind. Geessi, welches in der Erde wohnt. Das Stachelschwein, welches weit längere Stacheln hat, als der hiesige Stacheligel. Die Stacheln sind blau und die Spitzen gelb. Das Faulthier, ind. Hau, hält sich auf den Bäumen auf, woselbst es auch seine Junge in | |
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den Hohlungen verwahrt. Es lebt von den Blättern der Bäume, und steigt des Tages nur einmal von dem Baume, auf welchem es sich eben befindet, herunter, wenn es von der Natur dazu getrieben wird, vermuthlich, um die unten zu seiner Nahrung gehörigen Blätter nicht zu verunreinigen. Wenn die Indianer ihn auf einem Baume gewahr werden, hauen sie den Baum um, um seiner habhaft zu werden. Es hat an jedem Fuß zwey lange Klauen, und was es damit faßt, läßt es nicht wieder los; man muß sich daher, wenn man es lebendig, wie gewöhnlich, bekommt, sehr in Acht nehmen, daß es einen nicht irgendwo fassen kann. Seine Bewegung ist äusserst langsam, die Gefahr für ihn mag so groß seyn, wie sie will. Das Fleisch essen die Indianer gern. Die Affen, deren es dort verschiedene größere und kleinere Sorten giebt, werden von den Indianern auch gegessen. So große, wie in Afrika, giebt es in Suriname nicht. Der größte, ind. Ittuli, ist der sogenannte Brüller, weil er in den Wäldern einen gewaltigen Lerm macht. Er ist ganz rothgelb, aber doch nicht größer, als ein großer Spitzhund. Sie find bösartig und lebendig schwer zu bekommen, weswegen ich in Europa noch keinen von der Sorte gesehen habe. | |
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Eine Sorte, Püddi genannt, wird häufig nach Europa gebracht, und ich habe sie oft bey den Bärenführern gesehen. Diese Sorte gewöhnt sich leicht an Menschen, und ist leicht zu allerley possirlichen Künsten abzurichten. Ein ganz schwarzer Affe, Coeta, ind. Horde, ziemlich so groß wie die Ittuli, hat ein ganz glattes rothes Gesicht, und von allen die mehreste Ähnlichkeit mit dem Menschen, ist aber bey weitem nicht so behende und lustig, wie der Püddi. Die kleinste Sorte, ind. Issirriri genannt, ist so klein, daß man einen zwischen den Händen verbergen kann; wird sehr anhänglich an die Menschen, ist possirlich und dabey reinlich, da die übrigen Affenarten sehr unreinlich sind, und man sie deswegen nicht gern in den Stuben hat. Die Ameisenfresser, deren es zwey Sorten giebt, werden, so viel ich weiß, von den Indianern nicht gegessen. Diese Ameisenfresser haben einen sehr langen spitzigen Kopf. Sie leben blos von Ameisen, daher ist die Öffnung des Mauls auch nur klein. Aus demselben können sie eine lange Zunge in die Ameisenneste hineinstecken, und wenn sie voll von denselben | |
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ist, ziehen sie die Zunge wieder zu sich. Auf die Weise verzehren sie viele Ameisen. Es könnten aber von der unendlichen Menge Ameisen, die in Suriname sind, gar viele Ameisenfresser leben, sonderlich von den so schädlichen weissen Ameisen oder Holzläusen, die alles, was nicht Metall, Glas oder Stein ist, verzehren. Die eine und größte Sorte von den Ameisenfressern hat ein buntes Fell und sonderbaren großen Schwanz, an welchem die obern langen Haare gerade in die Höhe stehen, und die untern eben so herunter hängen, wodurch er eine platte Gestalt erhält. Die Indianer sagten, daß dieser große Schwanz dem Thiere zu einer Unterlage diene, wenn es schliefe. Es kann nicht schnell laufen, weswegen auch einmal unser Bruder Horn eines bey dem Schwanz ergriff, und es so lang halten konnte, bis ein in der Nähe befindlicher Indianer dazu kam, und es tödtete. Der Indianer warnte ihn aber, dieses niemals zu thun, denn wenn ihn das Thier mit seinen Klauen hätte fassen können: so würde es ihn nicht wieder losgelassen haben, bis er oder das Thier gestorben wäre; denn es hat so lange Klauen wie das Faulthier, und wenn es von einem Tiger angefallen wird und es den Tiger nur mit seinen Klauen packen | |
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kann: so kann sich derselbe von ihm nicht wieder losmachen, sondern muß mit ihm sterben. Von der zweyten Sorte habe ich keine größere, als einer Katze, gesehen. Sie ist ganz grau wie eine Ratze, und hat auch einen solchen Schwanz. Von den Tigern, die meines Wissens das einzige große reissende Thier in Suriname sind, vor welchen Menschen sich zu fürchten haben, habe bereits im siebenden Briefe, und vom Wassermenschen und der Seekuh im achten Briefe gelegentlich einige Nachricht ertheilt. Füchse und wilde Hunde finder man dort zwar auch häufig. Erstere sind dem Hausgeflügel und kleinem Wilde schädlich. Die wilden Hunde sollen bisweilen in Gesellschaft auf großes Wild ausgehen, weswegen die Indianer sie auch gern, wenn sie einen jung fangen können, zu Jagdhunden aufziehen und brauchen. Ich bleibe +c. |
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