Nachricht von Suriname und seinen Einwohnern
(1807)–Christlieb Quandt– AuteursrechtvrijVierzehnter Brief.In meinem letzten Briefe ertheilte Ihnen von der Art, wie die Indianer ihre Kostgründe anlegen, und den hauptsächlichsten Gewächsen, die sie in denselben pflanzen, Nachricht; es wird nun auch nöthig seyn, zu beschreiben, wie sie den Cossabi, als ihr vorzüglichstes Nahrungsmittel, zubereiten. So wie das Pflanzen des Cossabi und die ganze Bedienung desselben in den Kostgründen den Weibern obliegt, wenn der Mann den Busch gefällt und gebrannt hat, so ist auch die Bearbeitung des Cossabibrodes und der Getränke, die sie auch davon machen, allein den Weibern überlassen. Wenn sie die Rinde von der Cossabiwurzel abgeschält haben, welches keine Schwierigkeit hat, weil sie so leicht, wie die Birkenrinde | |
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abzuschälen ist: so wird sie auf einem Reibeisen von Eisen- oder Kupferblech gerieben. Die Indianer haben dazu für ordinair ein besonderes Instrument, welches sie Ässi nennen. Dasselbe machen die weiter im Lande wohnenden Indianer. Es ist ein Bret von weichem Holze, eine Elle lang und etwa 8 Zoll breit. In dieses Bret sind ganz kleine harte Steinchen, vielleicht von zerschlagenen Kristall, deren scharfe Spitzen in die Höhe stehen, dicht neben einander hineingeschlagen und mit einem harten Harze vestgemacht. Die Karaiben bringen dieses Instrument von den erwähnten Nationen, wenn sie zu ihnen des Handels oder Krieges wegen reisen, und allerley europäische Eisenund andere Waaren dahin mitnehmen. Die geriebene Cossabiwurzel wird sodann in Schläuche, von Rohr geflochten, die sich ausweiten und zusammenziehen lassen, gefüllt. An diesen, ohngefähr 3 Ellen langen, Schläuchen, ist unten und oben eine von eben dem Rohr geflochtene Schleife. Die obere Schleife wird, wenn der geriebene Cossabi hineingefüllt ist, an einen in der Höhe befindlichen Nagel gehängt, und in die untere Schleife das spitziggemachte Ende eines Baums gesteckt. Auf diesen Baum setzt sich sodann die Frau, welche den Cossabi gerieben, zieht durch ihre Schwere den Schlauch | |
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zusammen, und nöthigt dadurch den giftigen Saft, durch die kleinen Öffnungen des Schlauchs in ein darunter stehendes Gefäß zu laufen. Wenn der giftige Saft auf diese Weise so viel möglich ausgepreßt worden, wird aus dem wieder ausgeweitetem Schlauch die nun dick und vest gewordene Masse herausgenommen, einige Tage an die Sonne oder auf einem Rost über ihren Heerd in den Rauch gelegt, damit sie noch etwas mehr austrocknet. Wenn sie nun Brod backen wollen, wird eine runde, etwa einen Finger dicke, eiserne Platte, welche sie Budalli nennen, ohngefähr eine Elle im Durchmesser hat und auf einigen Steinen über dem Fußboden liegt, heiß gemacht. Nachdem obenerwähnte Masse durch ein von Rohr geflochtenes Sieb gerieben worden, schüttet man dieses Cossabimehl, das den Sägespähnen ganz ähnlich ist, etwa zwey Finger hoch auf die heisse Platte. Die in dem Cossabimehl noch befindliche Feuchtigkeit macht, daß durch die Hitze das Mehl zusammenbackt, und ein wie ein kleiner Finger dicker Kuchen daraus wird. Durch die Hitze wird auch der im Cossabimehl noch befindlichen Feuchtigkeit die Schädlichkeit benommen. Doch haben diejenigen, welche das Cossabibrod noch ` | |
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nicht gewohnt sind, an Blähungen zu leiden, wenn sie frischgebackenen Cossabi geniessen. Bey dem von den Negern gebackenen Cossabi, wie er in Paramaribo auf die Tafeln der Europäer kommt, ist das nicht zu besorgen, weil sie das Mehl mehr trockenen, und hernach nochmals in einem hölzernen Mörser stampfen, wodurch es weit feiner und das Brod angenehmer wird. Wir liessen uns alle Morgen auf indianische Manier einen frischen Kuchen backen. Von demselben ward, wenn er noch warm war, ein Theil mit Butter beschmiert, und so beym Kaffee als unser Frühstück gegessen. Frisch gebacken hat der Cossabi einen angenehmen und kuchenartigen Geschmack; allein wenn er getrocknet ist, könnte man ihn leicht für zusammengebackene Sägspähne halten. Bey alledem wird er doch häufig so genossen, indem er, wenn man ihn wie Zwieback in die Brühe der gekochten Fische und Fleisches taucht, sehr gut zu essen ist. Ist aber ein Europäer krank gewesen und hat kein anderes als Cossabibrod, so erholt er sich sehr langsam. Weil wir unsre Indianer, wenn sie für uns arbeiteten oder Reisen machten, allemal beköstigen mußten: so waren wir genöthiget, uns immer mit einem guten Vorrath von getrocknetem Cossabibrod, welches wir meh- | |
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rentheils von ihnen kauften, zu versehen. Da man aber für lange Reisen nicht so viel, als gebraucht wird, mitnehmen kann: so versorgt man sich mit dem von ihnen sogenannten Bijuruman oder Manniockmehl, welches besonders zu der vorseyenden Reise zubereitet wird.
Hierzu wird das Mehl eben so zubereitet, als wollte man Brod backen, statt dessen packt man es aber in Queken, die sie von Rohr wie Netze flechten, und inwendig mit Blättern ausfüttern. In dieselben wird das Mehl vest eingestampft. Wenn sie unterwegens stille liegen, backen sie auf einer mitgenommenen kleinen eisernen Cossabiplatte oder in einer eisernen Pfanne von diesem Cossabimehl kleine Kuchen zu einer oder zwey Mahlzeiten. Es ist aber dieses Brod bey weitem nicht so angenehm wie das von frischem Mehl gebackene Brod, weil dasselbe durch die Länge der Zeit einen säuerlichen Geschmack bekommt. Von dem aus frischem Mehl gebackenem Cossabibrod bereiten die Indianer auch ihre Getränke, wovon sie dreyerley Sorten haben, Ebeltir, Illihiti und Baiwar. Das Ebeltir ist der tägliche und ein gesunder Trank. | |
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Wenn sie zu dem Behuf von dem frischen Cossabimehl etwa fünf Kuchen, wie oben beschrieben, gebacken haben, wird von der Frau, die das Ebeltir macht, etwa ein halber Kuchen fein gekaut, und nach und nach in ein Calabas gethan. Zu gleicher Zeit kocht sie den aus den Wurzeln ausgepreßten giftigen Saft, wodurch er unschädlich wird. Wenn dieses geschehen, werden die übrigen Kuchen mit dieser gekochten Cossabibrühe und dem gekauten halben Kuchen zu einem Teig geknetet, und derselbe in eine Queke, wie das Bijuruman, gefüllt, und oben gut mit den Blättern verpackt und zugebunden. Wenn dieser Teig etwa 4-5 Tage in den Queken gestanden hat, wird er säuerlich, welches durch das Gekaute bewirkt wird, und sie darum thun müssen, weil sie keinen Sauerteig oder Hefen haben. Die Karaiben machen das Ebeltir, ohne etwas Gekautes hinzuzuthun. Sie legen nämlich die fünf gebackenen Cossabikuchen ganz heiß auf einander, lassen sie so etliche Tage stehen, bis sie ganz beschimmelt sind, und kneten sie dann mit der gekochten Cossabibrühe zu einem Teig. Dieses Ebeltir ist aber bey weitem nicht so wohlschmeckend, als das auf obige Art bereitete. | |
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Wenn man nun trinken will, nimmt man eine Hand voll aus der Queke, thut es in eine Calabas, gießt frisch Wasser dazu und rührt es gut unter einander, und so trinken es die Indianer mit sammt dem Satze. Wir liessen uns aber kleine von Rohr geflochtene Siebe machen, durch welche das Getränk mit zugegossenen Wasser durchgeseigt wurde, so daß der ausgewässerte Satz zurück bleiben mußte. Dieser Trank hat das Ansehen und Geschmack einer Buttermilch, und ist sonderlich in dem heissen Klimat sehr gesund und nahrhaft. Wenn die Indianer auf Reisen gehen, wird von diesem Ebeltir allemal ein guter Vorrath zubereitet, weil sie in demselben Trinken und Essen beysammen haben; dauert aber die Reise länger als 2 bis 3 Mochen: so wird er sehr sauer und bekommt auch Maden, sonderlich wenn die Schmeißfliegen haben dazu kommen können.
Zum Illihiti, oder Pernau, wie mans auch nennt, werden die Cossabikuchen dunkelbraun oder beynah schmarz gebacken. Wenn alsdann auf oben beschriebene Weise der giftige Cossabisaft gekocht und ein halber Kuchen gekaut worden, werden hiermit die übrigen Kuchen | |
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durchknetet und sodann so viel heisses Wasser dazu gegossen, als Illihiti werden soll. Wenn dieses eine Weile gestanden, wird es durch einen eigends dazu aus Rohr geflochtenen Sack durchgeseigt und in große Krüge gefüllt. Nach zwey Tagen fängt es an zu gähren und ist dann trinkbar. Im Geschmack hat es mit dem Bier sehr viel Ähnlichkeit, und ist auch berauschend. Das Baiwar wird auf eben die Weise wie das Illihiti zubereitet, nur bleibt der Satz darinnen und wird mit getrunken. So wie das Illihiti, ist auch das Baiwar berauschend, sonderlich wenn es schon sauer geworden ist, weswegen sie auch den Branntwein in ihrer Sprache Bureharu, oder etwas saures, nennen.Ga naar voetnoot*) | |
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Vom Illihiti machen sie gemeiniglich nur wenig, weil es mühsamer zu machen und auch kostbarer ist. Zu den jährlichen Liebesmahlen mit unsern getauften Indianern am Heidenfeste den 6. Januar liessen wir gemeiniglich diesen Trank machen. Dieses thaten die Weiber, und bucken auch das Brod zu den Liebesmahlen. Die Mannsleute hingegen gingen auf die Jagd oder auf den Fischfang. Brachten sie etwa ein oder zwey Hirsche oder wilde Schweine, oder einige von den großen Fischen, Eimor genannt, von denen einer gemeiniglich 12 bis 16 Pfund wog: so wurde dieses in unserer Küche gekocht, und in so viele Stücken getheilt, als wir Personen bey dem Liebesmahl erwarteten. Bey demselben wurden dann diese Stücken Fleisch | |
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oder Fisch auf den Brodportionen, etwa zwey Hände groß, von den Saaldienern herumgetheilt, und so auch der Trank in Calabassen. Das Kochen des Fleisches und der Fische in so großer Menge war für unsre kleine Haushaltung und Einrichtung etwas sehr beschwerliches. Wir schlugen daher den Indianern vor, künstig die Liebesmahle blos mit Kaffee un Cossabibrod anzustellen, und daß sie ihre Beyträge in Gelde, welches sie manchmal auf den benachbarten Plantagen erhielten, oder in ihren Waaren, z.B. in gesponnener Baumwolle, einen oder einen halben Schilling am Werth, dazu geben möchten - ein halber Schilling beträgt in hiesigem Gelde 1 gl. 8 pf. - allein dazu hatten sie keine Lust, denn das Geldgeben war den Indianern nicht gemüthlich, weil sie schon aus Erfahrung wußten, daß sie in Paramaribo alle ihre Bedürfnisse dafür bekommen können. Wir mußten also bey den oben erwähnten Methode, die Liebesmahle mit ihnen zu halten, verbleiben.
Zum eignen Gebrauch machen sie gemeiniglich Illihiti, nur wenn sie eine schwere Arbeit, sonderlich das Buschfällen zu ihren Cossabifeldern, vollendet haben; den Baiwar aber, wenn sie Saufgelage anstellen. Mehrentheils | |
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geschieht dieses, wenn sie weite Reisen anstellen wollen, oder von einer solchen zurückkamen.
Weil sie von dem Baiwar, wenn sie davon betrunken werden wollen, viel trinken müssen: so ist es bey solchen Saufgelagen der wilden Indianer gewöhnlich, daß, wenn sie schon eine gute Portion getrunken haben, sie den Unterleib zusammenbrücken und den Baiwar wieder ausspeien, um noch mehr trinken zu können. Es ist sehr unangenehm, zuzuschen, wie sie sich zum Erbrechen zwingen, indem die Frau schon mit einem neuen Calabaß voll Baiwar vor ihnen steht, welchen sie denn unmittelbar darauf wieder in den Leib schütten.
Hauptsächlich thun sie letzteres, wenn sie von weiten Reisen, sonderlich nach dent spanischen Drinokofluß, zurückkommen, um, wie sie meinen, das schädliche, was sie etwa in diesem fremden Lande in sich gezogen, wieder weg zu schaffen; un da sie sich in ihren Krankheiten mehrentheils der Brechmittel bedienen: so erreichen sie durch obiges Verfahren, nebst der Absicht, sich zu betrinken, auch die, sich zu reinigen. Haben sie nur die Absicht, sich ohne Erbrechen zu betrinken: so suchen sie etwas Branntwein zu erhalten, trinken dazwischen etwas davon, und sind dann bald besoffen. | |
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Während die Männer so trinken, bleiben die Weiber nüchtern, und entfernen aus der Nähe der Männer alle ihre Gewehre und schädliche Instrumente, damit sie einander, wenn sie betrunken sind, keinen beträchtlichen Schaden zufügen, oder Todtschläge vorkommen können; denn in der Trunkenheit wachen alle ihre mit einander gehabte Verdrüßlichkeiten auf, und sie suchen dann auszuführen, wozu sie sich bey nüchternem Muthe nicht entschliessen können, indem die Arawacken überhaupt eine sehr sanftmüthige Nation sind. Ich kannte einen Mann, dem andere beygebracht hatten, daß seine Frau ihm untreu gewesen sey. Weil er sie dafür abstrafen wollte, es aber bey nüchternem Muthe nicht thun konnte, unternahm er eine Reise, um sich Branntwein zu kaufen, sich zu betrinken und seine Frau schlagen zu können. Den ausgepreßten giftigen und tödtlichen Cossabisaft benutzen die Indianer auch noch zu ihrem Pfeffertopf, den sie Hatti nennen. Denn obgleich eine Tasse voll von diesem Cossabisaft einen Menschen in einer Viertel- oder halben Stunde tödten würde: so wird er doch ganz unschädlich, sobald er gehörig gekocht ist. Vermuthlich tödtet er nur wegen seiner sehr blähenden Kraft, weil Thiere, wenn sie die | |
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Blätter fressen, oder von dem Cossabisafte saufen, erstaunlich aufgetrieben werden, und dann sterben, wie unsre Brüder im Anfang, da die Cossabifelder noch in ihrer Nähe waren, an einer Ziege bemerkt haben, welche die Blätter gefressen hatte. Ich fand einst in einem Indianerhause die Einwohner damit beschäftiget, einem jungen wilden Schweine, das sie aber zahm gemacht hatten, Wasser in den Hals zu giessen, und hörte, daß es von dem Cossabisafte gesoffen habe, und sterben würde, wenn sie das nicht thäten, so daß er also mit Wasser verdünnt, auch unschädlich wird. Es ist daher auch gefährlich, in der Nähe der Indianerhäuser Vieh zu halten, weil ihre Häuser immer ganz offen sind, sie die Töpfe mit dem Cossabisafte ohne Sorge offen stehen lassen, und also das Vieh in ihrer Abwesenheit leicht dazu kommen kann. In den durchs Kochen unschädlich gemachten Cossabisaft thun die Indianer den rothen spanischen Pfeffer, den sie auch in ihren Kostgründen und bey ihren Häusern pflanzen. Solchen in der Cossabibrühe mit etwas Fleisch oder Fisch gekochten Pfeffer nennt man einen Pfeffertopf, und denselben haben sie beständig vorräthig. So oft sie essen, wird auch der Pfeffertopf dazu gebracht, und wenn sie sonst kein | |
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Fleisch oder Fische haben: so begnügen sie sich blos damit, und tunken ihren Cossabi darein. Ein erst angekommener Europäer würde glauben, daß sein ganzer Mund wund werden würde, wenn er nur ein paar Bissen von solchem in den Pfeffertopf getunkten Cossabi essen sollte; indeß haben sich doch viele Europäer daran gewöhnt, und oftmals kommt derselbe auch auf die vornehmen Tafeln Ich bleibe +c. |
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