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Achter Brief.
Wegen der Kränklichkeit meiner Frau, welche schon in Saron ihren Anfang genommen hatte, war ich genöthigt, mit ihr eine Reise nach Paramaribo zu machen, um dort einen erfahrnen Arzt zu suchen. Diesen fanden wir an dem Herrn D. Nicenius, der mit 500 Mann holländischer Truppen ins Land gesandt worden war, indem diese die Kolonie bey Bekriegung einer Parthie weggelaufener Neger, die sich in den Wäldern an dem Fluß Kottika vestgesetzt hatten, und von da aus die Plantagen beunruhigten und manche zerstörten, unterstützen sollten. Von den Expeditionen dieser Truppen hat Herr Steding in seiner Schrift von seinem Aufenthalt in Suriname ausführliche Nachricht gegeben.
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Durch die vom Herrn D. Nicenius meiner Frau angerathene Mittel bekam ich Hoffnung, daß sie durch deren Gebrauch allmählig wieder ihre Gesundheit erlangen könnte, und entschloß mich, mit ihr auf meinen Posten an der Corentyn, unserer geringen Anzahl wegen, und weil damals dort keiner der arawacktischen Sprache so mächtig war, daß er die Bedienung der Mission hätte übernehmen können zurück zu kehren.
Bey der Gelegenheit kaufte ich auch einen Neger für unsere Haushaltung und unsere mannbar gewordene Negerin, weil wir bemerkten, daß die Indianer ihr nachgingen und wir dergleichen Unordnungen gern vorbeugen wollten.
Diese Reise machten wir durch die Flüsse, indem es um die Zeit zu gefährlich war, dieselbe in einem indianischen Fahrzeuge über die See längst der Küste zu unternehmen.
Die Reise durch die Flüsse, zu der man gewöhnlich 11 bis 14 Tage braucht, geschieht auf folgende Weise:
In der Corentyn, einem sehr großen und breiten Flusse, der aber viele Inseln und Untiefen hat, und daher mit großen Schiffen gleich von der Mündung an nicht gut befahren werden kann, fährt man mit der Ebbe bis an den
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Mund. Hierzu braucht man ein und einen halben Tag.
Trifft man am Munde der Corentyn die Fluth: so geht man mit derselben ein Stück über die See in die Neuker, von den Indianern Mikieli genannt, hinein, und braucht dazu 1½ bis 2 Stunden. Die Neuker ist nicht breit, jedoch tief und ohne Inseln, könnte ein ziemliches Stück hinaufwärts mit Barken befahren werden, und würde zur Anlegung von Plantagen sehr bequem seyn, war aber damals ganz unbewohnt. Wenn man in diesem Fluß ein paar Tage hinauf fährt, kommt man durch den sogenannten Durchschnitt in die Wojombe. An diesem Fluß ist eine Korporalspost mit 2 Mann.
Weil zwischen der Neuker und Wojombe niedriges Land und viel stehendes Wasser ist, haben die Posthalter von Corentyn und Wojombe mit wenig Kosten einen Durchschnitt oder Verbindung beyder Flüsse machen können, durch welche kleine Fahrzeuge und indianische Canus gehen können, ohne ausladen zu dürfen.
Von der Post an der Wojombe, wo man gemeiniglich bey dem damals sehr freundschaftlichen Posthalter, Herrn Wiedner, einen Tag ruhete, kommt man nach einer Fahrt von einem halben Tage in die Cupaname, einem großen
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und tiefen Fluß, ohne Inseln, in welchem große Schiffe einlaufen können, und der zur Anlegung einer Kolonie sehr geschickt wäre.
Als die Engländer vor alten Zeiten noch Besitzer von Suriname und der übrigen Flüsse waren denn sie traten dieses Land an Holland für Neuyork ab, hatten sich bereits an der Cupaname einige Kolonisten angebaut und Cacao-Plantagen angelegt, welche sie aber auf Befehl der holländischen Regierung verlassen mußten, weil der Verkauf der Produkte an andere Nationen dort nicht gehindert werden konnte. Von den auf den verlassenen und verwüsteten Plantagen noch nicht ganz erstorbenen Bäumen brachten uns die Indianer noch oftmals Cacaobohnen zu Kaufe.
Aus der Cupaname kommt man wieder in die See, und nach einer Fahrt von einer Stunde mit der Fluth in die Saramaka, einem ebenfalls beträchtlichen, zwar nicht so tiefen und breiten Flusse, wie die Cuppaname, aber doch für ziemlich große Schiffe befahrbar und zu Anlegung von Plantagen sehr geschickt.
Diese beyden Flüsse kommen eigentlich in einen Mund zusammen und werden nur durch eine Landspitze getrennt, auf welcher man zur Vertheidigung beyder Mündungen bequem ein Fortreß anlegen könnte. Nach einer Fahrt von
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etwa 1½ Tage in der Saramaka kommt man an die Mündung der Wanika, die aber nur von kleinen Fahrzeugen, z.E. indianischen Canus und Böten, befahren werden kann. Von der Mündung dieser Bach kommt man in ein paar Stunden an den Landeplatz, wo die Bach so klein ist, daß man sie nicht weiter befahren kann. Hier mußte man damals seine Fahrzeuge aufs Land ziehen, und was man nicht mit nach Paramaribo nehmen konnte oder wollte, im Busch verstecken, welches aber bisweilen von andern Reisenden, Indianern und Negern, gefunden und weggenommen, auch wohl oft von den weissen Ameisen, wovon dort alle Büsche voll sind, ganz zerfressen und verderbt wurde. Gegenwärtig soll an der Mündung der Wanika auch eine Soldatenpoft und dieser Bach durch einen Kanal mit der Suriname verbunden worden seyn, so daß man wenigstens in der Regenzeit meist bis Paramaribo mit kleinen Booten fahren kann.
Von dem Landeplatz an mußte das, was man mit zu nehmen hatte, von den Indianern auf dem Rücken 6 Stunden durch den Busch getragen werden.
Vermuthlich ist zwischen der Neuker und Wojombe, die durch den Durchschnitt verbunden worden, eine Landsee mit vielen Inseln; denn
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man bemerkt während der Fahrt in dieser Gegend, daß das Wasser sehr tief ist, und zwischen den Landspitzen oder Inseln weit ins Land hineingeht, weswegen man sich auch leicht, wie die Indianer sagen, in den Krümmungen verirren kann; und weil es, nach der Sage der Indianer, in diesen Gewässern viele Meerwunder, z.B. Wassermenschen, von den Indianern Lukku kujaha, d.i. wilde Menschen, genannt, geben soll: so sind sie bey der Fahrt in diesen Gegenden sehr furchtsam, und wagen sich nicht, die Gegenden weiter hin zu untersuchen.
Weil ich es noch von manchem habe bezweifeln hören, daß es Wassermenschen oder Menschen ähnliche Geschöpfe im Wasser gebe: so will, diesen Punkt betreffend, hier anführen, was ich davon gehört habe. Der Posthalter, Herr Wiedner, ein glaubwürdiger Mann, erzehlte mir auf seinem Posten an der Wojombe, als ich auf dieser Reise bey ihm war, daß, als er einmal an seinem Landeplatz, wo die Boote anlegten, stand, ein Wassermensch, an den erhabenen Brüsten sehr kenntlich, vom weiblichen Geschlecht, nahe am Ufer in die Höhe gekommen sey. Es hatte ein ordentlich menschliches Gesicht von brauner Farbe, so wie auch der übrige Theil des Leibes braun war, und auf dem Kopfe gewöhnlich langes Haar. Er ging in
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sein Haus, welches ohngefähr 50 Schritte vom Ufer stand, holte eine geladene Flinte, und wollte es schiessen, wovon ihn die gegenwärtigen Indianer sehr abmahnten, weil sie großes Unglück davon befürchteten. Als er aber dennoch seine Flinte darauf anlegte, tauchte es sich wieder unters Wasser. Indeß hatte er Zeit genug gehabt, sich dieses Geschöpf anzusehen und konnte die Sage bestätigen, daß es wirklich den Menschen ganz ähnliche Thiere im Wasser gebe.
Auch erzehlte mir Br. Dehne, der ehedem als Missionär ganz allein ein Jahr lang in Ephraim, an der Bach Kuiwi, welche etwa eine halbe Tagereise unterhalb Hoop in die Corentyn fällt, wohnte, daß einstmals ein Wassermensch, auch von weiblicher Gestalt, am Ufer zum Vorschein gekommen sey. Erst hatte es die Haare übers Gesicht hangen, tunkte aber den Kopf wieder unter, schlug die Haare zurück und spie Wasser gegen ihn aus. Es war auch bräunlich, hatte ein schönes Gesicht, und volle, fleischichte Brüste.
Eine auch hieher gehörige Geschichte erzehlten mir einige glaubwürdige Indianer:
In dem Fluß Berbice fischten einige Indianer mit einem großen Netze, und bekamen in demselben einen weiblichen Wassermenschen ge- | |
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fangen. Sie legten es in ihr Corjar, die ohngefähr so groß sind, wie hier zu Lande die aus einem Baum ausgehöhlten Fischer-Kähne, um es dem Europäer, für den sie fischten, zu bringen. So oft sie es auf den Rücken legten, drehte es sich allemal um, als wenn es sich schämte, wie die Indianer sagten. Da sie aber bald an Ort und Stelle waren, that es in ihrem Corjar einen Sprung, und kam so wieder ins Wasser.
Auch meine eigene Erfahrung scheint es mir zu bestätigen, daß es im Wasser den Menschen sehr ähnliche Geschöpfe gebe. Ich machte einst in Hoop mit ein paar Brüdern und meiner Frau eine Spazierfahrt auf der Corentyn. Als wir ein ziemliches Stück den Fluß hinunter gefahren waren und sich ein starker Wind erhob, mit welchem wir zurück segeln konnten, sahen wir, als wir mit Aufsetzung des Segels beschäftiget waren, zwey menschenähnliche Köpfe aus dem Wasser herauskommen, und hörten einen dem Lachen ganz ähnlichen Laut. Indianer konnten dort und so weit im Strome nicht ohne eine Fahrzeug seyn. Das braune Gesicht und schwarzen Haare konnte ich deutlich erkennen; ob sie aber kurzes oder langes Haar hatten, konnte ich nicht unterscheiden. Denn weil der Wind stark und wir auf dem Wasser etwas
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furchtsam waren, konnten wir von ihrer weitern Ähnlichkeit mit dem Menschen nichts bestimmtes sagen. Unsre Furchtsamkeit veranlaßte einige Erzehlungen der Indianer, daß dergleichen Wassermenschen Corjare mit Indianern umgeworfen, und einige von ihnen ins Wasser hinunter gezogen hätten.
Auf dem Rückwege von Paramaribo schossen die Indianer in der Neuker ein junges Kalb einer Seekuh, (Lamantin, ind. Kuimoro) welches die Mutter, so zu sagen, noch im Arme trug; denn die Seekühe haben vorn an beyden Seiten der Brust 2 große Floßfedern oder Arme, mit denen sie sich fortrudern, die Jungen mit denselben an sich halten, und zu ihrer Nahrung die Äste von den an den Ufern defindlichen Sträuchern, die sich dem Wasser nähern, herunter ziehen.
In der Neuker, welche damals wenig befahren wurde, waren diese Thiere nicht so scheu wie in andern Flüssen, und kamen auch am Tage zum Vorschein.
Als die Indianer erwähntes junge Lamantin in dem Arm einer alten gewahr wurden, banden sie in der Geschwindigkeit an einen Pfeil mit Widerhaken eine Schnur, und an das andere Ende ein leichtes Bretchen, trafen auch das Junge richtig. Weil wir nun an dem schwim- | |
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menden Bretchen sehen konnten, wo das Alte mit dem Jungen in der Tiefe des Wassers fortging, fuhren wir demselben nach, und sobald es mit dem Jungen wieder zum Vorschein kam, denn sie müssen, um Luft zu schöpfen, nach einiger Zeit wieder an die Oberfläche des Wassers kommen, bekam es wieder einen Pfeil. Bald nach dieser zweyten Verwundung ließ das Alte ihr Junges fahren, welches sich dann unter die Sträucher der Ufers zu retten suchte. Als wir es an der Schnur in unser Fahrzeug zogen, gab es einen Laut von sich, und wir bemerkten auch an jeder Seite des Kopfes eine kleine Öffnung, welches die Ohren seyn mußten, so daß diese Thiere wie die Seehunde auch müssen hören können.
Dieses Thierchen war etwa 1½ Elle lang und mochte etwa 20 Pfund wiegen. Die Indianer meinten, es könne nicht über 8 Tage alt seyn. Das Fleisch war überaus fett und sehr wohlschmeckend.
Der Kopf ist einem Kopfe einer Kuh nicht unähnlich, der übrige Leib aber sehr unförmlich.
Wenn die Indianer darauf ausgehen, eine Seekuh zu schiessen, worinn sonderlich die Warauische Nation am geschicktesten ist: so warten sie die hohe Fluth bey dem Neumonden ab, weil diese Thiere sich alsdann den Ufern am
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mehreften nähern, um das Laub an den am Ufer stehenden Bäumen desto besser erreichen zu können.
Sie bedienen sich zu dieser Jagd einer Harpun, die mit einer Schnur an einen Stock von leichtem Holze bevestiget ist. Diese Harpun werfen sie nur mit der Hand, und ist das Thier getroffen, so geht die Harpun los und der schwimmende Stock zeigt dem Indianer, wo das Thier im Wasser geht, um es weiter verfolgen zu können.
Oftmals schickt man die Indianer mit den auf etliche Tage für sie erforderlichen Lebens-mitteln auf diese Jagd aus, und sie kommen mit leeren Händen zurück, weil diese Thiere sehr auf ihrer Huth sind, und sich nicht leicht so nahe kommen lassen, daß die Indianer die Harpun auf sie abwerfen können.
Einstmals bekamen wir von der in unserer Nähe gelegenen Soldatenpost, Auleara genannt, die Hälfte einer solchen Seekuh, die unsrer Haushaltung sehr nützlich war, denn von dem Specke derselben konnten wir einen guten Theil räuchern und zum Gebrauch verwahren. Die Ribben von diesem Thier sind ausserordentlich hart und weiß, und können als Elfenbein gebraucht werden. Die Haut ist grau und hat nur hin und wieder einige Haare.
Ich bleibe +c.
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