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Sechster Brief.
Durch den in meinem letzten Briefe erwähnten Zuwachs an Gehülfen, war unsere Anzahl nun von 5 Erwachsenen und 2 Kindern auf 9 Erwachsene und 2 Kinder gestiegen. Es fehlte uns daher an den nöthigen Wohnungen und auch an den nöthigen Lebensmitteln. Letzteres nur darum, weil wir nach dem schon erwähnten irrigen Grundsatz, uns lieber mit unserer Hände Arbeit, als durch einen Handel mit den Indianern zu ernähren, anhingen. Doch sahen wir in der Folge den Schaden davon ein, kauften den Indianern ihren von Rohr geflochtenen Hausrath und andere ihrer gangbaren Waaren, ingleichen was sie von ihrer Jagd und Fischerey übrig hatten und vorher auf die benachbarten Plantagen trugen, für allerley ihnen nützliche Dinge ab, und hatten hernach niemals mehr Mangel an dergleichen Lebensmitteln, sondern oft mehr, als wir brauchten.
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Ich war nun der einzige unverheirathete Bruder in Saron. Br. Lawatsch hätte zwar gerne gesehen, wenn ich an den zweyten Missionsplatz unter den Indianern an der Corentyn, wo sich zwey unverheirathete Brüder, Vögtle und Mente, befanden, gegangen wäre, damit in Saron lauter verheirathete Missionarien seyn möchten. Allein dieses wollte sich nicht wohl thun lassen, weil sie just damals von dort eine aparte Reise nach Saron hätten anstellen müssen, die nicht ohne einen Aufwand von 60 Gulden geschehen konnte; und überdem die Brüder in Saron mich nicht gern entlassen wollten, weil alsdenn Br. Hollaz der einzige gewesen wäre, der die Indianische Sprache gehörig sprechen und Vorträge an die Indianer thun konnte. Bey der bald erfolgten Abnahme unserer Anzahl war man froh, daß diese meine Versetzung nicht zu Stande gekommen war. Indeß hatte ich von der Vermehrung der Familien in Saron den Nutzen, daß dieselben das Waschen meiner Wäsche auch übernahmen; denn so beschwerlich mir und den beyden Brüdern, Hollaz und Reimann, eine so ungewohnte Arbeit auch war, konnten wir es doch der Schwester Försterin, so lang sie die Wirthschaft allein zu besorgen und für ihren Mann und zwey Kinder
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vollauf zu waschen hatte, nicht zumuthen, es auch für uns zu thun.
Um für die angekommenen neuen Gehülfen die nöthigen Wohnungen zu erhalten, bauten wir einige bisher zu Schuppen gebrauchte Häuser besser aus, und setzten an ein anderes ein Stück an.
Der selige Br. Meerboth, der in der Gemeine das Maurerhandwerk gelernt hatte, - denn eigentlich war er ein Tuchmacher, - suchte sich zuerst eine bessere Wohnung zu verschaffen.
Bisher bestunden unsre Haus- und Stubenwände nur aus angebundenen Latten von der Mannikolpalme, und gewährten allem Ungeziefer freyen Durchgang, weil sie nicht dicht gemacht werden konnten. Statt solcher Latten-Wände machte er sie von dünnem Flechtholz und bewarf sie auswendig und inwendig mit Lehm, den wir am Ufer des Flusses fanden, ihm den Berg hinauf tragen und treten halfen, und Br. Förster, der ein Tischler war, machte die nöthigen Thüren und Fenster. Dem Exempel des Br. Meerboths folgte Br. Reimann, und endlich beklebten wir auch so unsern Hünerstall, weil wir bisher durch die Fledermäuse, die ihnen in der Nacht oft das Blut aussaugten, viele derselben eingebüßt hatten.
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Eine zweyte Verbesserung unserer Wohnungen war es auch, daß wir unsern Fußboden mit Lehm belegten und einer Tenne ähnlicher machten, denn bisher war er nur der gewöhnliche, etwas geebnete Erdboden gewesen.
Zu Anfang April 1771 reisten Geschwister Försters mit ihren zwey Söhnen von uns nach Europa ab. Dadurch wurde unsere Anzahl um 4 Personen verringert, und bald nahm unsere Gesellschaft sehr an der Zahl ab. Denn zu Ende Juny bekam die Schwester Hollaz ein hitziges Fieber, und verschied am 1ten July. Nachdem wir sie begraben, mußte ich mich an eben der Krankheit legen, und man zweifelte gleich an meinem Aufkommen, so daß Br. Hollaz, der zu seiner Zerstreuung und Erholung nach dem Verlust seiner Frau eine Reise nach Paramaribo machte, aufs nicht Wiederschen von mir Abschied nahm. Durch eine zweymalige Aderlässe aber brach sich meine Krankheit, denn ausser Aderlassen und Abführen durch Aloe, als unsrer einzigen Medicin, hatten und wußten wir damals, weil wir Tissots Anleitung fürs Landvolk, welche uns in der Folge viele Dienste leistete, noch nicht hatten, keine andern Mittel.
Nachdem mir der sel. Meerboth zum zweiten mal zur Ader gelassen hatte, mußte er sich
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selbst legen, und verschied schon am dritten Tage den 13. July zu unserm größten Leidwesen. Ich war noch äusserst schwach, und Br. Reimann nebst seiner Frau hatten auch, wiewohl nur kalte, Fieber. Es wurde uns daher sehr sauer, die Leiche am folgenden Tage - denn länger hält sich dort keine Leiche - zur Erde zu bestatten.
Mit vieler Mühe konnte Br. Reimann die zu einem Sarge nöthigen Breter zusammen bringen, weil wir damals noch nicht angefangen hatten, den Indianern das Bretersägen zu lernen, sondern wenn welche gebraucht wurden, spalteten sie einen Baum und behackten die 2 Stücke so lang, bis sie nur so dick wie ein Bret waren.
Durch den Weg auf unsern Gottesacker, obwohl er nicht weit entfernt war, und durch das Leichenbegängniß sehr ermüdet, suchte jedes, so bald wir wieder zu Hause waren, sein Bette; denn die Wittwe des sel. Meerboths, meine nachmalige Frau, welche ihre äussersten Kräfte angewendet hatte, um sich nur so lang auf den Beinen zu erhalten, bis sie ihren seligen Mann zur Ruhe gebracht hatte, mußte sich gleichfalls an einem heftigen hitzigen Fieber legen, so daß man auch ihren Heimgang erwartete, jedoch
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dadurch noch erhalten wurde, daß sich ihre Krankheit in ein kaltes Wechselfieber verwandelte, womit sie aber ein ganzes Jahr zubrachte.
Meine Krankheit war indeß doch gebrochen, und ich fing an, Appetit zu bekommen; weil aber alles zu Bette lag, kümmerte sich niemand ums Essen. Denn ein indianisches Ehepaar, das uns im Hauswesen zur Hand gehen sollte, besorgte nur das Cossabibrod, Holz und Wasser, wusch das Geschirr auf, und kam nur, wenns Essenszeit war, um davon seinen Antheil zu erhalten. Ich suchte mir daher zwey Eyer, schlug sie in eine Pfanne und machte mir zwey sogenannte Ochsenaugen, weil dieses am wenigsten Mühe machte. Allein der Genuß derselben verursachte mir in der Nacht eine so heftige Kolik, daß ich mich nicht zu lassen wußte.
Weil mir bekannt war, daß Br. Reimann noch zwey Heidingerische, oder sogenannte Gesundheitspillen hatte, bat ich ihn, mir eine davon zukommen zu lassen, und erhielt durch dieselbe in kurzer Zeit Hülfe. Weil durch erwähnte Umstände unsere Anzahl nun von 11 auf 5 Personen geschmolzen war, vermißten wir in der Lage, worinn wir uns nun in Saron befanden, den zu seiner Erholung nach Para- | |
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maribo verreisten Br. Hollaz gar sehr, und waren erfreut, ihn nach einigen Tagen wieder bey uns zu sehen.
Bey seiner Ankunft wunderte er sich nicht wenig, den Platz so leer zu finden, und noch mehr, da er in die Küche kam, und mich, den er schon unter den Todten suchte, statt des sel. Br. Meerboths daselbst beschäftiget zu finden. Denn weil ich jetzt der stärkste war, mußte ich mich der Küche annehmen, und das, was die Indianer brachten, zu konserviren suchen, damit wir, wenn der Appetit wieder käme, doch etwas zu essen hätten. Er brachte uns die Nachricht, daß unsere aus Europa verschriebene Provision +c. daselbst angekommen sey.
Diese von dort abzuholen, mußten wir unsere große Canu zurechte machen, weil die Sachen nicht übers Land getragen, sondern über die See transportirt werden mußten. Mit vieler Mühe kam Br. Reimann mit Ausrüstung dieses Fahrzeugs so weit zu Stande, daß ich nach vier Wochen die Reise dahin antreten konnte. Weil ich aber nach dem hitzigen Fieber ein schleichendes kaltes Fieber bekam, wurde die Reise mir sehr sauer, sonderlich der Weg von dem Wanika zu Lande nach Paramaribo; denn weil die Reise über See gegen Wind und Strom
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sehr langweilig war, entschloß mich, mit ein paar Indianern den Landweg zu machen. Statt 6 brauchte ich aber 10 Stunden, und mußte, wenn ich an einen queer über den Weg gefallenen Baum kam, mich erst darauf setzen, um ein Bein nach dem andern darüber zu heben. So kam ich Abends sehr spät und äusserst ermüdet bey unsern Brüdern mit der traurigen Nachricht von dem Heimgang des Br. Meerboths an. Die Reise und mein zehntägiger Aufenthalt allhier diente mir zur Wiedererlangung meiner Gesundheit, mußte aber auch hier den Schmerz erleben, daß der Br. Penner auch viel zu früh seinen Lauf beschloß, so daß nun von den acht Brüdern und Schwestern, die im Herbst in Paramaribo angekommen waren, nach einem halben Jahre schon drey verschieden waren. - Dieses war die schwerste Zeit, die ich in Suriname überstanden habe.
Im Oktober desselben Jahres verschied auch in Paramaribo der Br. Lawatsch, welcher den Missionen in Suriname ins Ganze vorstund, und weil er auch das Rechnungswesen dasiger Schneiderey besorgte: so mußte ich zu Anfang des Jahres 1772 dahin reisen, um dieses Geschäft zu thun. Während meines etlichwöchi- | |
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gen Aufenthalts daselbst erhielt ich aus Europa von der Unitäts-Direktion eine schriftliche Ordination zum Diakono, weil es an ordinirten Brüdern fehlte. Da dieses der Fall in Paramaribo war, mußte ich oder Br. Hollaz nun alle 8 Wochen eine Reise dahin thun, um dasigen Brüdern das Abendmahl zu halten, bis aus Europa der Br. Wohn zur Leitung der Missionen in Suriname an des sel. Br. Lawatsch Stelle in Paramaribo ankam.
Br Cleve bediente die Mission unter den Indianern an dem Fluß Corentyn, und war im Begriff, seine 8jährige Tochter in eine Erziehungsansialt in unsern Nordamerikanischen Gemeinen zu bringen, und zugleich mit seiner Frau zu ihrer Erholung einen Besuch daselbst zu machen. Zu dem Zwecke kam er zu uns nach Saron, um bey uns eine bequeme Gelegenheit mit einem Nordamerikanischen Schiffe abzuwarten, und den Br. Hollaz, welcher an seine Stelle nach Corentyn gehen sollte, abzulösen. Allein während seines halbjährigen Aufenthaltes bey uns ging seine Tochter aus der Zeit, und er entschloß sich, an seinen vorigen Posten zurück zu gehen, zumal Br. Hollaz sich sehnte, nach Europa zurück zu kehren, und dazu auch die gesuchte Erlaubniß erhalten hatte.
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Ich erhielt nun den Auftrag, die Indianische Gemeine in Saron zu bedienen, und dasige Haushaltung zu besorgen. Dieses machte meine Heirath nöthig, und ich wurde mit dem Rath unserer Brüder in Europa, nach der bey uns gewöhnlichen Weise, mit der verwittweten Schwester Meerboth, deren Gesundheit in Paramaribo vollkommen wieder hergestellt war, im Merz 1773 getraut.
Wir waren aber nun mit dem verwittweten Bruder Reimann, dessen Frau etwa vor einem halben Jahre auch heimgegangen war, in Saron ganz allein. Wir fanden daselbst viel zu thun, und sehnten uns nach baldiger Verstärkung, zumal da ich wegen des so frühzeitig erfolgten Heimgangs des Br. Wohns wieder alle 8 Wochen, zu oben erwähntem Zweck, nach Paramaribo reisen mußte. Während einer solchen Abwesenheit in Paramaribo ereignete sich in den Kostgründen unserer Indianer, etwa eine Stunde von Saron, der betrübte Umstand, daß ein paar Neger zu einigen sich dort aufhaltenden Indianern kamen. Diese hielten die Neger für gewöhnliche von den Plantagen entlausene Neger, gaben ihnen zu essen, und hoften, sie etwa in der Nacht vestnehmen, und dann an die
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Regierung ausliefern zu können. Allein diese Neger, welche vermuthlich von einem nicht gar weit entlegenen neuen, noch unbekannten Negerdorfe her seyn mochten, sahen sich die Zeit aus, erschlugen einen von den Indianern, verwundeten einen andern, der sich aber noch in den nahen Busch rettete, und suchten eine junge lebige Indianerin mit fort zu schleppen, welche sich aber auch noch glücklich ihren Händen entwand.
Nachdem die Neger die in den Häusern der Indianer gefundenen zwey Flinten und andere Sachen geraubt, machten sie sich eilig davon, und ihre Spur, welche andere Indianer suchten, verlohr sich bald in dem unendlichen Busch.
Ben meiner Rückkunft traf ich sämmtliche Indianer voll Furcht und Schrecken an, weil man aus dem Betragen der Neger deutlich abnehmen konnte, daß sie keine gewöhnlichen weggelaufenen Neger waren, welche gemeiniglich furchtsam sind, und sich solcher Handelweisen nicht leicht schuldig machen, wenn man sie nicht zu fangen sucht.
Weil die Indianer befürchteten, daß sich in der Gegend ein Negerdorf angesetzt haben möchte, welche Gewehre und Weiber zu bekommen
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suchten, und von denen man einen Überfall zu besorgen hätte: so ermunterte ich alle Mannsleute, um den Ort von der Furcht zu befreyen, einige Tage alle Büsche, so weit sie kommen könnten, zu durchsuchen, ob sie nicht irgendwo ein solches Dorf finden könnten.
Dieses thaten sie, fanden aber während eines Zuges von vier Tagen keine Spur von einem Negerdorfe, so daß der Aufenthaltsort dieser Neger schon in einer ziemlichen Entfernung von Saron seyn mußte, und die Indianer sich deswegen wieder beruhigten.
Weil die Indianer gewissermaaßen einen Kriegszug vornahmen: so hatte ich Gelegenheit, zu bemerken, wie sie sich in dergleichen Fällen ausrüsten; denn diejenigen, welche keine Flinten hatten, machten sich dazu besondere Pfeile mit vielen Widerhaken, und die jungen Leute bemahlten sich mit rother und andern Farben, und bestreuten das klebriggemachte Gesicht, Kopf und übrigen Leib mit einer Sorte weisser Flaunfedern, damit sie recht kriegerisch aussehen möchten, und hatten auch Gewehre nach indianischer Art bemahlt.
Anmerklich war es mir, daß bey der Gelegenheit gerade der Indianer, welcher aber seit- | |
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dem getauft worden war, getödtet wurde, der, wie ich in meinem fünften Briefe erzehlt habe, einen von den Indianern gefangenen und verwundeten Neger so gleichgültig vollends todt geschlagen hatte.
In dieser Lage war es mir, wegen unserer geringen Anzahl in Saron sehr erfreulich, daß wir um diese Zeit an den zwen Brüdern, Heller und Horn, eine Verstärkung aus Europa erhielten.
Nun-konnte auch der verwittwete Br. Reimann nach seiner mit dem sel. Br. Wohn genommenen Abrede seine Reise nach Europa antreten.
Mit den Brüdern Heller und Horn lebten wir sehr vergnügt in Saron, und weil wir harmonisch mit einander waren, ging im Äussern und Innern alles gut von statten.
Da wir aber von den Indianern in unserm Hauswesen zu wenig Hülfe und Unterstützung hatten, und meiner Frau die Last der häuslichen Geschäfte mit Kochen, Waschen, Kehren +c. zu schwer wurde, ersuchte ich die Missions-Diakonie, uns zu erlauben, ein Negermädchen für unsre Haushaltung zu kaufen. Da ich hoffen konnte, daß keine abschlägliche Antwort auf
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meine Bitte erfolgen würde, und ich bey einem Besuch in Paramaribo eine hübsche Anzahl neu angekommener Neger fand, wagte ich es, ein Mädchen von etwa 14 bis 15 Jahren zu kaufen. Meine dabey zu meinem Heiland gerichtete Bitte, meine Wahl so zu lenken, daß sie auf eine für unsere Umstände passende Negerin, und die auch einmal an Ihn gläubig würde, fallen möchte, ging reichlich in Erfüssung, denn sie paßte gut ein, war uns in unserer Haushaltung sehr nützlich, und nach meiner Rückkehr nach Europa hatte ich auch die Freude, zu hören, daß sie sich gründlich bekehrt habe, getauft worden, und einige Zeit darauf in Glauben an Jesum selig verschieden sey.
Die Brüder Heller und Horn, ersterer von Profession ein Segelmacher, und letzterer ein Tischler, waren sehr fleissig, ein größeres Fahrzeug zu bauen, womit wir, wenn wir unsere Provision von Paramaribo abholen mußten, auch etwas dahin zum Verkauf bringen könnten, um der Missions-Diakonie unsern Unterhalt erleichtern zu helfen; denn wir hatten nun durch den Handel mit den Indianern mancherley in Paramaribo gangbare Waaren angeschaft, und trugen auch darauf an, durch unsere Indianer, und durch die bey uns vorbeyrei- | |
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senden Neger, die sich oft lange bey uns aufhielten, Breter sägen zu lassen, um sie mit erwähntem Fahrzeug nach Paramaribo zum Verkauf zu bringen; denn dazu war das alte Fahrzeug zu klein, und konnte auch nicht zum Segeln auf der See gebraucht werden.
Die erste Reise mit dem neuen Fahrzeug über die See machte ich mit meiner Frau. Wir hatten es ziemlich stark mit Bretern und andern Indianischen Waaren beladen. Als wir aber an die See kamen, fanden wir, daß dasselbe sehr schlecht segelte, und sonderlich bey dem oft verkommenden Laviren nicht gut zu wenden war, welches machte, daß wir wegen des starken Stroms längst der Küste immer wieder viel zurückgetrieben wurden, und daher zu den 11 Meilen vom Munde der Saramaka bis an den Mund der Suriname 9 Tage auf der See brauchten. Wir hatten auch ein Corjar mitgenommen, um es zugleich zu unsern Keisen über Berlin durch die Para dahin zu bringen. Die Indianer, welche in demselben fuhren, waren zurückgeblieben, um noch etwas zu jagen, und hatten bey der Gelegenheit einen weggelaufenen Neger gefangen. Als sie uns auf der See einholten, lagen wir eben bey dem schönsten Wetter vor Anker. Als ich den Neger von fern bemerkte, fragte ich meine Indianer,
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ob sie nicht auch einen Neger auf dem Fahrzeuge sähen, und bestärkte dadurch unwissend einen Aberglauben der Indianer, welche, wenn sie auf der See sind, zu gemissen Sachen ganz andere Namen haben, weil sie, nach ihrer Meinung, auf der See einen Sturm kriegen, wenn sie die Dinge mit den auf dem Lande gewöhnlichen Namen nennen, auch haben sie, wenn sie auf der Jagd sind, andere Namen für das Wild, und glauben, daß, wenn sie die gewöhnlichen Namen brauchen, sie das Wild verscheuchen. Ich bemerkte an ihnen bald, daß ich einen Sprachfehler gemacht hätte, weil sie ganz bestürzt wurden und mir nicht antworteten.
Der Neger war kaum bey uns an Bord gestiegen, als sich sogleich ein heftiges Gewitter mit Sturm und Regen erhob. Es hatte allen Anschein, daß wir mit unserm sehr schwer beladenen Fahrzeug zu Grunde gehen würden, denn wegen der darinn geladenen Breter von dem dortigen schwerem Holze zu Fußböden, hatten wir keinen bequemen Platz zum Auschöpfen des Wassers lassen können, und mußten uns blos auf eine von Br. Heller gemachte sehr mangelhafte Plumpe verlassen, die aber doch gute Dienste leistete.
Unser Glück bey diesem Sturm war der erstaunt heftige Regen, welcher die Wellen nie- | |
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derschlug, so daß dieselben nicht sehr ins Fahrzeug schlagen konnten, und wir also nicht viel anderes Wasser, als was durch den heftigen Regen hineinkam, auszuplumpen hatten. Wir waren mit den Indianern herzlich dankbar, daß uns der Heiland aus dieser augenscheinlichen Lebensgefahr errettet hatte, und gingen sogleich, als das Gewitter vorüber war, näher ans Land, denn wir lagen ziemlich weit in der See vom Lande ab.
Weil diese Reise so langwierig war, ging ich nach vollbrachten Geschäften in dem mitgebrachten Corjar durch die Para bis zur Plantage Eintracht, und dann zu Lande nach Saron. Allein auf dem Landwege bekamen wir einen sehr heftigen Regen bey einem starken Gewitter, so daß kein Faden an uns trocken blieb; und weil wir erst zu Mittag von der Plantage abgehen konnten, erreichten wir mit vieler Mühe nur die im Busch, etwa nur 2 Stunden von Saron, gelegenen Indianerhütten, in denen wir übernachten mußten, aber kein Auge zuthun konnten, weil wir in den Büschen voll Pataterläuse und Holzböcke, deren Bisse ein unaustehliches Jucken verursachen, geworden waren, und uns in der Dunkelheit nicht davon reinigen konnten. Denn mit diesem Ungeziefer sind alle niedrigen Gesträuche angefüßt,
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und fallen auf die Menschen und Thiere, die sie berühren, welches man, sonderlich wenn es dunkel ist, nicht vermeiden kann.
Sehr froh waren wir, daß dieser so übel ausgefallene Rückweg ohne Nachtheil für unsere Gesundheit war; indem die Indianer mit dem großen Fahrzeug eben so bald als wir in Saron ankamen, und eine bequeme Reise gehabt hatten. Denn so langweilig und schwer oft die Reise über die See von der Saramaka in die Suriname ist, weil man in der See gegen den Wind und Strom laviren muß, so leicht und geschwind geht diese Reise von der Suriname nach der Saramaka, weil man den Ostwind und Strom, der nach dem Mexikanischen Meerbusen geht, mit sich hat. Die Indianer brauchten daher zu den 11 Meilen, mit denen wir auf dem Hinwege 9 Tage zugebracht hatten, weniger als einen Tag, und bedauerten sehr, daß wir nicht bey ihnen geblieben wären, weil wir alsdann alles erlittenen Ungemachs überhoben gewesen wären.
Im Anfang des Jahres 1774 kam Bruder Frommelt aus Nordamerika zur Leitung der Missionsanstalt in Suriname zu uns. Um ihn mit der hinterlassenen Wittwe des sel. Bruder Wohn zu trauen, ersuchte er mich, nach Paramaribo zu kommen. Auf dem Rückwege that
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meine Frau, die im dritten Monat schwanger war, und bey der Gelegenheit noch gern einen Besuch in Paramaribo hatte machen wollen, in einem Sumpf, den wir durchwaden mußten, einen Fehltritt und schweren Fall, der für sie bey den Umständen von üblen Folgen und die Gelegenheit zu ihrer nachmaligen Kränklichkeit war, zumal wir noch 3 Stunden in der größten Hitze zu gehen hatten, und bey unsrer Ankunft in Saron mit der Nachricht empfangen wurden, daß der Br. Horn, den wir mit Br. Heller krank zurück gelassen, verschieden und schon begraben sen.
Etwa ein Vierteljahr nachher kam Bruder Reimann, der in Europa wieder geheirathet hatte, zu uns zurück, und wurde durch Bruder Frommelt und seiner Frau, welche gern in Saron besuchen wollten, begleitet. Br. Frommelt, der ein starker Mann und noch niemals krank gewesen war, bekam wegen des vielen Schwitzens in dem heissen Lande den sogenannten rothen Hund, der zwar sehr beschwerlich aber nicht gefährlich ist; indeß hatte er sich auf seiner Reise nach Saron bey einem Gewitter mit einem starken Regenguß und Winde erkältet, und der rothe Hund war zurückgetreten. Seine gute Natur trieb aber die Krankheits-Materie, wie in Suriname oft geschieht, nach den
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Füssen zu. Nach unserer Erfahrung riethen wir ihm, auf die Geschwulst und sich ansetzenden Geschwüre die Blätter von dem dort wachsenden Wunderbaum (Calapat) zu legen. Hierdurch zog sich die Materie noch mehr dahin, und er hätte wahrscheinlich mit einem kranken Bein noch manches Jahr leben können. Allein er war zu ungeduldig, weil er besorgte, daß er wegen des nun noch kränkern Beins länger, als seine Absicht war, in Saron möchte aufgehalten werden, und ließ sich ein vertheilendes Pflaster auf das Bein legen. Dieses hatte die üble Folge, daß das Bein in einer Nacht heil wurde, er aber dagegen ein sehr heftiges bösartiges Fieber bekam, und nach 3 Tagen verschied. Wegen Heftigkeit der Krankheit, ging auch die Verwesung seiner Leiche so schnell vor sich, daß wir es bey dem Begräbniß am andern Tage - wegen des Geruches - kaum aushalten konnten, und ich, da ich viel um ihn seyn mußte und er in meiner Stube krank lag, mich an derselben Krankheit auch bald legen mußte. Durch des Heilands Hülfe, und die nach Tissot, den wir seit einiger Zeit bekommen hatten, schleunig angewandten Hülfsmittel, indem wir die Kranktheit nun als ein bösartiges Fieber kannten, wurde ich bald wieder hergestellt. Die nun schon zum zweitenmal zur Wittwe gewor- | |
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dene Schwester Frommelt begab sich mit ihrem Töchterlein von ihrem ersten Manne, welches sie mit nach Saron gebracht hatte, wieder nach Paramaribo zurück, und den Br. Heller, mit dem wir in der besten Harmonie und Liebe gelebt, und der uns in unserer vorherigen Einsamkeit zur großen Unterstützung im Innern und Äussern gewesen war, hatten wir nach des sel, Br. Frommelts Anweisung zur Hülfe der Mission in Hoop an der Corentyn, woselbst der Br. Cleve heimgegangen war, abgeben müssen.
Wir waren also nunmehro in Saron mit Geschw. Reimanns alleine, und bedienten diese Mission mit ihnen gemeinschaftlich.
Weil aber die Umstände sowohl dieser Mission als der in Hoop erforderten, daß eine Veränderung mit denen bey denselben angestellten Missionarien gemacht würde, verabredete Br. Kersten, welcher bischer die Mission unter den Freynegern bedient und nun nach dem Heimgang des Br. Frommelts von der Unitäts-Direktion den Auftrag erhalten hatte, die Berathung sämmtlicher Missionen in Suriname zu übernehmen, mit uns, daß ich mit meiner Frau nach Hoop ginge, und Geschwister Vögtle an unsre Stelle nach Saron kämen.
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So schwer es uns auch wurde, das Indianer-Gemeinlein in Saron, bey welchem ich meist 7 Jahre zugebracht hatte, und welches damals in einem blühenden Zustande war, mich liebte und mit ihrer Folgsamkeit erfreute, zu verlassen: so konnte dem Drang der Umstände doch nicht widerstehen, und ließ mir den Wechsel, den auch Geschw. Vügtle gern annahmen, gefallen.
Wir schickten uns daher zu dieser Reise an, welche Geschwister Kerstens, die auch gern das Indianer-Gemeinlein in Hoop besuchen wollten, mit uns machten.
Ich bleibe +c.
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