Nachricht von Suriname und seinen Einwohnern
(1807)–Christlieb Quandt– Auteursrechtvrij
[pagina 35]
| |
ten Indianern, war nicht ohne Nutzen, denn es kamen mit ihm einige Familien, die er dort dazu ermuntert hatte, zu uns zum bleiben, und bauten sich bey uns an. In unserer Haushaltung war das Mehl schon geraume Zeit alle worden; Br. Förster mußte daher zu Anfang August eine Reise mit einigen Indianern über Wanika nach Paramaribo machen, um etwas zu kaufen. Weil die Indianer das Mehl auf dem Rücken von Paramaribo bis zum Landeplatz an dem Wanikabach, 6 Stunden weit, tragen mußten, konnte es nicht viel seyn, und war nur blos zum Gebrauch in der Küche bestimmt; denn ans Brodbacken, ausser etwa zu einer Festfreude und Delikatesse, durften wir damals noch nicht denken. Unser gewöhnliches Brod bestend in frischgebackenem Cossabi, dessen Zubereitung ich weiterhin beschreiben werde.
Bisher hatte ich eine gute Gesundheit genossen, bekam aber in diesem Monat ein kaltes Fieber. Obwohl man dieselben in Suriname nicht viel achtet und für einen Ankömmling gar für zuträglich hält, weil dadurch, nach ihrer Meinung, die Natur gestärkt und zum Ausdauren in der Hitze geschickter gemacht würde: so belehrte mich doch die Erfahrung eines an- | |
[pagina 36]
| |
dern; denn ich wurde durch das Fieber sehr schwach und matt, und mußte mich daher zu einer Luftveränderung durch einen Besuch in Paramaribo entschliessen, weil zu Ende dieses Monats einige unserer Indianer in ihren eigenen Angelegenheiten eine Reise dahin machen wollten. Diese Reise hatte auch die gute Wirkung, daß ich schon unterwegens mein Fieber verlohr, und in 8 Tagen, denn so viel Zeit brauchte man zur Hin- und Herreise, gesund und gestärkt wieder nach Hause kam. Die ungesundeste Zeit in Suriname ist, wenn im Monat July und August die große Regenzeit aufhört, und der Wind aus den Gegenden, wo Überschwemmungen gewesen sind, die ungesunden Ausdünstungen des Erdbodens und stehen gebliebenen Wassers den Wohnungen zuführt. Dieses war der Fall in Saron, und um so schlimmer, weil hinter unsern Häusern gegen Westen eine mit Busch bewachsene Anhöhe war, welche die von Osten kommende ungesunde Luft aufhielt; denn in Suriname weht beständig der Ostwind, geht bisweilen nur wenig nach Süden und noch seltener nach Norden. Dieser Ursache schreibe ich es daher zu, daß so viele unserer Brüder in Saron aus der Zeit gegangen sind, zumal ihre mehresten Heimgänge zu Ende July und im August vorfielen. | |
[pagina 37]
| |
Selbst auch die Indianer hatten um die Zeit an Krankheiten zu leiden. Wenn man sich daher in Suriname anbaut: so thut man sehr wohl, darauf zu sehen, daß man, wo möglich, gegen Osten etwa einen Busch zum Schutz gegen den Wind stehen lasse, gegen Westen aber den Busch wegschaffe, damit der Wind die ungesunden Dünste wegwehe und sich nicht bey den Häusern aufhalten könne. Denn eben dieses war vermuthlich bey der Mission unter den Freynegern auch die Ursache des Todes so vieler unserer Brüder. Denn ihr Haus war am Fuß einer Anhöhe, die ihnen gegen Westen lag, gebaut. Endlich kamen die Neger, denen es nahe ging, daß sie ihre Lehrer so bald und oft einbüßten, auf den Gedanken, daß die Wohnung Schuld daran seyn könne, brachen das Haus ab, und setzten es auf die Anhöhe, worauf sie weit gesünder waren. Unsre nächsten europäischen Nachbarn war eine Soldatenpost an der Saramaka, eine Stunde über uns, welche Siebenprovinzen genannt wurde. Die Officiers von dieser Post hielten mit uns gute Freundschaft, besuchten uns vor ordinair alle Sonntage und speisten mit uns. Obgleich ihre oftmaligen Besuche uns mancherley Unbequemlichkeiten verursachten: so wa- | |
[pagina 38]
| |
ren sie uns doch in so fern nützlich, daß sie in Paramaribo beym Gouverneur von uns und unserer Arbeit zur Bekehrung der Heiden gute Zeugnisse ablegten, und uns das Gouvernement geneigt erhielten. Dieser Soldatenposten war etwa 20 bis 24 Mann stark, und war dort um der Freyneger willen angelegt worden, weil dieselben unter ihrem Kapitain Massinga vor einiger Zeit eine an dem Bach Corropine gelegene Plantage überfallen und die Sklaven weggeführet hatten. Zuerst war diese Post ganz dichte bey Saron angelegt worden, und unsre Brüder hatten davon mancherley Beschwerden; man fand aber bald, daß die Freyneger demohngeachtet oberhalb Saron durch den Busch zu den Plantagen gingen und mehrere Sklaven zum Weglaufen reizten. Die Regierung entschloß sich daher, einen schon vor mehrern Jahren von der Plantage Rama an der Suriname bis an die Saramaka angelegten Weg, wo diese beyden Flüsse nicht mehr als 6 Stunden von einander entfernt waren, wieder aufhauen und reinigen zu lassen. An diesem Wege, den man das Oranienpad, d.i. Oranienweg, nannte, waren alle halbe Stunden Soldatenposten von 6 bis 10 Mann angelegt, und auf Siebenprovinzen und | |
[pagina 39]
| |
Rama waren die Hauptposten. Diese Soldatenposten sollten verhindern, daß die Neger nicht durch den Busch auf die Plantagen kommen könnten, denn oberhalb diesem Wege waren keine Plantagen. Die nämliche Absicht hatte man schon vor mehreren Jahren mit Anlegung dieses Weges gehabt, als man einer beträchtlichen Anzahl Schweizer, die ins Land gekommen waren, und sich in demselben etabliren wollten, längst diesem Wege Land anwies, und ihnen Vorschüsse that, um sich anbauen zu können. Allein diese Kolonien gingen bald ein. Denn die Breter und Pfosten, die sie mit ihren wenigen Negern - denn jede Familie soll 2 Sklaven von der Regierung bekommen haben - hätten machen können, konnten sie doch nicht auf die Plantagen oder nach Paramaribo bringen, weil die Bäche zu klein zum Beschiffen und nicht aufgereimt waren; überdem starben die mehresten von ihnen, und die übrigen verliessen ihre Wohnungen wieder, nachdem sie ihre Vorschüsse verzehrt hatten. Als ich einstmals diesen erneuerten Weg bereiste, um nach Rama zu kommen, sahe ich die noch einzig übriggebliebene, nicht weit von Rama gelegene Kolonie der Schweizer, Carolinenburg genannt, welche eine Stadt werden | |
[pagina 40]
| |
sollte, und zu dem Ende alle Stadtgerechtigkeiten, einen Rath und Bürgermeister erhalten hatte. Es hatten sich auch daselbst mehrere Bürger angebaut. Allein durch schlechtes Leben, Streit- und Proceßsucht wurden sie bald zu Grunde gerichtet, und ich fand dort nur noch eine Holzplantage, nebst einigen Überbleibseln der Bürger-Wohnungen. Obgleich man oben erwähnten Weg von der Suriname bis an die Saramaka mit vielen Kosten erneuert und mit Soldatenposten besetzt hatte, so ist er doch nach einigen Jahren wieder verlassen worden, weil die Soldaten auf ihren vom Busch umgebenen Posten, und wegen der vielen Strapazen, die sie mit Wachen, täglichen Patrollen und den von den Hauptposten zu holenden Proviant auszustehen hatten, krank wurden und starben, zumal sie dort selten frische Kost haben konnten, sondern von Salzfleisch, Zwieback und Graupen leben mußten; denn sich selbst mit Anpflanzung von Bananen u.s.w. zu bemühen, waren sie zu träge. Überdem hatte man bemerkt, daß diese Soldatenposten wenig Nutzen brachten, weil die Freyneger auf der andern Seite der Saramaka durch den Busch, und in dunkeln Nächten auf dem Flusse selbst mit ihren Corjaren vor der Post vorbey und doch auf die unterhalb | |
[pagina 41]
| |
dem Soldatenposten an den Bächen gelegenen Plantagen gingen. Als die Regierung sich daher entschloß, diese so beschwerliche und wegen des hinzuschaffenden Proviants so kostbare Postenkette aufzuheben, wurde wieder in Saron ein Sergantenposten errichtet, der zwar Anfangs nur mit wenigen Mann besetzt war, in der Folge aber, als die Freyneger aufs neue unruhig zu werden anfingen, bis auf 50 Mann mit einem Officier vermehrt wurde. Dieses war nicht nur für die Mission sehr beschwerlich, sondern wurde auch mit Ursach, daß die Indianer den Ort verliessen, und diese Mission ganz aufgehoben werden mußte, wie im neunten Briefe erzehlt werden wird. Im October bekamen wir einen Besuch von einigen Rathsherren und dem Obersten der Surinamschen Truppen von Paramaribo, nebst einigen Pflanzern der nächsten Plantagen, welche den oben beschriebenen und nun kürzlich fertig gewordenen Weg von der Suriname bis an die Saramaka besichtigten, und auch unser Etablissement bey der Gelegenheit gern sehen wollten. Sie waren überaus freundschaftlich, lobten das Unternehmen, die Indianer zum Christenthum zu bringen, und versprachen uns allen | |
[pagina 42]
| |
Schutz und Unterstützung, wenn wir dessen benöthiget wären. Herr Burius, ein Hannoveraner, der in ihrer Gesellschaft, und Besitzer einer Holzplantage, Berlin genannt, war, ermunterte uns, einen Weg über die Savonnen, - so nennt man die Gegenden, die nur mit Gras und kleinem Gesträuch bewachsen sind, - und durch die Wälder zu seiner Plantage, die oben an dem Fluß Para lag, zu suchen. Er versprach uns, daß wir auf derselben gute Ausnahme und ein Fahrzeug finden sollten, so oft wir nach Paramaribo reisen wollten. Denn in der Kolonie Suriname, in welcher die Plantagen alle nur an den Flüssen und großen Bächen angelegt sind, geschehen alle Reisen zu Wasser. Weil wir nun oft nach Paramaribo zu reisen hatten, um ein und das andere Bedürfniß von dort zu holen: so war uns dieses freund-schaftliche Anerbieten sehr willkommen, und ich machte mich bald mit dem Br. Reimann und einigen Indianern auf, diesen Weg zu suchen. Wir suchten nach dem Kompaß, auf die uns nach Osten zu gelegene Plantage durch Büsche und dazwischen gelegene Savonnen zu kommen, mußten uns aber durch viele Büsche durchhauen und viele starke Bäche durchwaden. Nachdem wir so den ganzen Tag gegangen und | |
[pagina 43]
| |
Abends um 5 Uhr an den letzten Busch kamen, wie wir nachher fanden, entsiel den Indianern der Muth, dem Kompaß zu folgen, und meinten, derselbe belüge uns, wie sie sagten.. Wir waren unsrer Sache nicht gewiß, und mußten ihnen also folgen, weil sie sich in den Wilonissen doch allemal eher als ein Europäer zureche zu finden wissen. Wir gingen also mit ihnen lange Zeit längst dem Busche hin, und fanden endlich einen Weg, der aus demselben heraus kam, gingen demselben nach, und kamen an die zunächst an Berlin gelegene Plantage, Eintracht genannt. Hier erhielten wir einen Neger zum Wegweiser, und erreichten endlich, sehr ermüdet, Abends nach 7 Uhr die gesuchte Plantage. Hier wurden wir von dem Direkteur derselben, Herrn Wittig, einen Erfurther, der sich wunderte, daß wir durch den wilden Busch den Weg zu ihm gefunden hätten, sehr freundschaftlich aufgenommen, und ruheten bey ihm einen Tag von unsern gehabten Strapazen aus. Die Indianer, welche den Tag zur Jagd benutzten, suchten zugleich den nächsten Rückweg, und fanden, daß, wenn wir an der Stelle, wo wir von unserm Kurs nach dem Kompaß abgingen, uns nur noch etwa 100 Schritte durch den Busch durchgehauen hätten, wir auf einen be- | |
[pagina 44]
| |
tretenen Weg gekommen wären, auf welchem die Neger die beschlagenen Balken nach der Plantage zu schleppen pflegten, und welche Wege allemal in gerader Linie nach den Plantagen angelegt werden. Auf diesem Wege kehrten wir nach Saron zurück, und fanden, daß wir ins ganze nur 6 Stunden dazu brauchten. In der Folge benutzten wir diesen Weg zu unsern Reisen nach Paramaribo ofte, weil wir auf den Plantagen, längst dem Fluß Para, wo, wie überhaupt in Suriname, die Gastfreyheit eingeführt ist, von den Direkteurs auch beswegen besonders freundschaftlich aufgenommen wurden, weil viele Leute es schätzten, daß wir uns im Lande aufhielten, um die Indianer zum Christenthum zu bringen. Am 27ten Oktober verschied eine verheirathete Indianerin, Mariane. Ihre letzten erbaulichen Äusserungen und der liebliche Blick ihrer Leiche zeigten, daß sie mit Freuden und im Glauben an ihren Erlöser aus der Zeit gegangen sey. Der 6te Januar 1770, als das erste Hetdenfest, welches ich unter einer Zahl gläubig gewordener Heiden beging, war mir ein überaus festlicher Tag, weil an demselben drey Personen, ein Ehepaar, Philippus und seine Frau, | |
[pagina 45]
| |
Philippine, ingleichen Lea, Conrads Frau, durch die Taufe zur Gemeine hinzugethan wurden. Den 28ten Januar gingen einige, weit oberhalb Saren wohnende Freyneger, deren Kapitain Massinga war, in 4 Corjaren vor unserm Ort vorbey, den Fluß hinunter, um 12 gefangene Neger nach Paramaribo zu liefern. Es waren dieses einige von den Negern, welche besagte Freyneger vor ein paar Jahren verleitet hatten, von ihren Eigenthümern zu entlaufen, und die sie nun alle, vermöge des mit ihnen gemachten Friedens, wieder ausliefern sollten. Sie lieferten aber nur die untauglichen aus, und hatten die besten zurück behalten. Diese Freyneger brachten auch einen Indianer, Namens Gottfried, mit, welchen sie im Jahr 1761 geraubt hatten, als sie Saron überfielen, 8 Personen auf dem Platz tödteten, die Häuser abbrannten, und 11 Personen, nämlich einige Weiber und Kinder, mit fortschleppten. Er war der einzige Sohn unsers Indianers Ignatius, der noch mit seiner Frau bey uns lebte, und ihn wieder einmal zu sehen, oft verlangt hatte. Er war nun erwachsen, und hatte schon bey den Negern geheirathet. Der Vater wünschte sehr, seinen Sohn wieder zu bekommen, und die Neger machten ihm | |
[pagina 46]
| |
Hoffnung, ihn für eine gute Bezahlung wieder los zu geben. Er ging daher mit den Negern, in Begleitung des Bruder Reimanns, um sein Gesuch bey der Regierung zu unterstützen, nach Paramaribo. Die Herren im Rathe und der Gouverneur waren sehr geneigt, ihn los zu machen, liessen seinen Sohn vor sich kommen, und boten ihm an, ihn los zu machen, wenn er es verlangte. Er sagte aber, er wolle lieber bey den Negern bleiben, weil er schon geheirathet hätte. Heimlich hatte er aber zu einem Indianer gesagt, er dürfe nicht sagen, daß er gern bey seinem Vater bleiben möchte, weil ihm die Neger gedroht hätten, daß sie ihn alsdann gleich umbringen würden. Sie hatten ihn auch beständig im Auge, aus Furcht, daß er ihnen davon laufen und etwas von ihren Geheimnissen verrathen möchte. Der Vater kam also unverrichteter Sache wieder zu Hause, doch mit der ihm von den Negern gemachten Hoffnung, daß sie ihm ihren Sohn, wenn sie wieder nach Hause gingen, auf einige Zeit überlassen wollten. Allein als sie ein paar Wochen nachher wieder zurück kamen, brachten sie ihm denselben meist in den letzten Zügen ins Haus, woselbst er auch bald aus der Zeit ging, nicht ohne Verdacht, daß ihm die Neger Gift beygebracht hätten; denn sie besorgten, daß er sich endlich | |
[pagina 47]
| |
doch einmal frey machen, und dann gelegentlich den Europäern als Wegweiser zu ihren Dörfern dienen möchte. Wir begruben ihn als einen unserer Getauften auf unserm Gottesacker. Bey der Gelegenheit erfuhren wir auch, daß die Indianer-Weiber, welche die Neger mit den Kindern geraubt hatten, unterwegens fleissig mit einander gesungen und gebetet hätten, so daß die Neger ganz unruhig darüber wurden, und es ihnen verboten, aus Furcht, daß der Gott der Indianer sie für den Raub bestrafen möchte. Ich bleibe +c. |
|