| |
| |
| |
Dritter Brief.
Paramaribo ist eine volkreiche Stadt, der Sitz der Regierung der Kolonie Suriname, und zugleich der Hafen, wo alle ankommende Schiffe einlaufen, ihre Ladungen abgeben und Rückfrachten einnehmen, weil alle Produkte des Landes, die ausgeführt werden können, dahin gebracht werden müssen. Damals war man der Meinung, daß jährlich etwa 100 Schiffe ankämen und Ladung erhielten. Ausser den holländischen Schiffen waren die nordamerikanischen die einzigen, welche dahin kommen durften, weil sie Lebensmittel, und die zu den Zuckermühlen nöthigen Maulesel und Pferde brachten. Sie durften aber eigentlich nur Syrup als Rückfracht einnehmen, weil Kaffee, Zucker und Baumwolle nirgends anders als nach Holland auszuführen erlaubt war.
Als mehrere Missionen in den Kolonien Berbice und Suriname errichtet wurden, sahe man die Northwendigkeit ein, in Paramaribo, wohin die Schifffahrt von Holland am häufigsten war, einen vesten Platz zu haben, damit die ankommenden Missionarien dort aufgenommen und an die ihnen bestimmten Plätze abgefertigt, ihnen auch ihre Bedürfnisse, die sie nicht
| |
| |
zu jederzeit aus Holland erhalten konnten, besorgt werden könnten. Zu dem Ende war, in Paramaribo ein eignes Haus von der Missions-diakonie erkauft und in demselben eine Schneiderey durch einige Brüder errichtet worden. Diese hatten nebst dem Auftrag, den dort befindlichen heidnischen Negern das Evangelium zu verkündigen, auch den, sich der ankommenden und bey ihnen zuweilen besuchenden Missionarien anzunehmen, sie zu bewirthen und ihnen ihre Bedürfnisse zu besorgen, welches sie auch jederzeit mit vieler Angelengenheit und Vergnügen thaten; auch endlich, nach langem Warten, bey den Negern in Paramaribo mit dem Evangelio Eingang fanden, so daß im Jahr 1776 der erste Neger von ihnen getauft werden konnte; ja, daß endlich im Jahr 1785 die Regierung, welche der Sache Beyfall gab, den Brüdern ein derselben an der Cummeweine zugehöriges Stück Land, wo vorzeiten ein kleines Fort, Sammelsdyk genannt, gestanden hatte, einräumte, damit sie auch von dort aus den Negern auf den Plantagen das Evangelium verkündigen könnten.
In dem den Brüdern in Paramaribo gehörigen Hause, wohnte auch der Bruder, welchem die Direktion aller in den Kolonien errichteten Missionen aufgetragen war.
| |
| |
Bald nach unserer Ankunft allhier fand sich eine Gelegenheit für meinen Reisegefährten, Gottfried Bezold, auf seinen Posten an der Corenthyn abzureisen. Dort ist er schon im zweyten Jahre aus der Zeit gegangen, und ich bedauerte seinen Verlust gar sehr, weil er ein brauchbarer Bruder war, und es allen Anschein hatte, daß er die Arawackische Sprache gut erlernen würde.
Am 24. Jan. bekam auch ich Gelegenheit, zu meinem eigentlichen Beruf bey der Indianer-Gemeine in Saron an dem Fluß Saramaka abzureisen, indem ein getaufter Indianer, Namens Ignatius, mit einem ungetauften von Saron nach Paramaribo kam, um sich ein und das andere einzukaufen.
Von Paramaribo bis an die Wanika, einem beträchtlichen Bache, der in die Saramaka fällt, mußte ich zu Fuße gehen. Es war gerade die kleine Regenzeit, daher stand der größte Theil des Busches, durch den unser Weg ging, unter Wasser, und ich mußte beynah 4 Stunden beständig, und oft über den halben Leib, im Wasser gehen. Mit dergleichen Wanderungen, und der Gegend ganz unbekannt, fiel mir dieser erste Marsch sehr schwer, und ich mußte mich in dem ganz überschwemmten Busche, wo ich die Indianer oft aus den Augen
| |
| |
verlohr, nur nach dem von ihnen trüb gemachten Wasser richten; bekam aber auch die Hände oft voll von den spitzigen Stacheln, wenn ich ausgleitete und geschwind einen Baum ergriff; denn in den niedrigen Orten giebt es eine Art Palmbäume, deren Stämme mit lauter großen Stacheln wie mit Nadeln umgeben sind. Weil die Spitzen derselben so fein wie Nadelspitzen sind und gleich in der Haut abbrechen, sind sie nicht gut wieder herauszubringen, sondern müssen mehrentheils aus den Händen herausschwären. Als wir endlich nach einem Marsch von 6 Stunden an die Wanika kamen, fand ich ein sehr kleines Corjar, in welchem ich sehr still sitzen mußte, damit das Wasser auf den Seiten, wo es etwa nur 2 Zoll über demselben erhaben war, nicht hineinliefe. Nach einer Fahrt von 3-4 Stunden in diesem Bach erreichten wir die Saramaka, und am 27ten früh kamen wir in Saron an. Ich fand die Wohnungen unsrer Brüder weit besser, als ich sie mir im Busche erwartet hatte. Allein in meiner Wohnung fand ich weiter nichts als eine Bettstelle und einen Stuhl. Einen Tisch mußte ich mir selbst machen, indem ich 4 Pfähle in den Boden, der nur Lehm war, schlug, und ein paar alte Breter darauf nagelte, um doch schreiben zu können. In Saron fand ich vor mir den
| |
| |
Br. Elias Hollaz als Missionarium, und als seine Gehülfen ein Paar Verheirathete, Namens Försters, mit einem Kinde, welche die Haushaltung besorgten, und einen Unverheiratheten, Gottfried Reimann. Von ihnen allen wurde ich mit brüderlicher Liebe und mit Freuden über die neue Verstärkung aus Europa aufgenommen. Auch die Indianer waren über meine Ankunft sehr erfreut, und kamen, mich zu bewillkommen.
Weil ich früh ankam, hatte ich gleich das Vergnügen, der Frühversammlung der Indianer beyzuwohnen, welche Br. Hollaz in ihrer Sprache hielt. Es war für mich ein lieblicher Anblick, ein Häuflein gläubiger Indianer beysammen zu sehen, ihren Heiland mit dem Gesang arawackischer Verse loben zu hören, und des Wohlgefallens und der Gegenwart Gottes, die mein Herz dabey inne wurde, verstchert zu seyn.
Es war nun meine erste Sorge, die Sprache der Indianer sobald als möglich zu erlernen; denn ausser dem Br. Hollaz, welcher damals auch noch keine sonderliche Fertigkeit in derselben erlangt hatte, weil er erst seit einem halben Jahre, nothgedrungen, Vorträge zu thun angefangen hatte, indem sein Vorgänger, Namens Schirmer, aus der Zeit ging - waren
| |
| |
die Brüder Förster und Reimann, beyde Tischler, nicht im Stande, Vorträge zu thun, hatten sich auch nicht sehr gemüht, darinn weiter zu kommen, sonderlich, weil sie in anderer häuslichen Arbeit vollauf zu thun fanden. Vey Erlernung der Sprache kam es mir sehr zu statten, daß der sel. Br. Schuhmann in Berbice eine Grammatik, ein Wörterbuch und einige Übersetzungen aus der Lebens- und Leidensgeschichte unsers Heilandes hinterlassen hatte. Ich las daher fleissig, schrieb mir die Worte auf, lernte sie auswendig, und suchte dieselben bey meinen Besuchen in den Indianer-Häusern anzubringen, um den rechten Accent in der Aussprache von ihnen zu hören, und mehrere dazu zu lernen. Den Indianern war dieses überaus angenehm, und sie gaben sich alle Mühe, mir zur baldigen Erlernung ihrer Sprache behülflich zu seyn, sonderlich einer, Namens Levi, ein verständiger Indianer, der von Jugend auf bey den Brüdern gewesen war, und daher auch etwas Deutsch gelernt hatte.
Auf die Weise kam ich so weit, daß ich es schon im May wagen konnte, eine kurze zu Papier gebrachte Rede an die Indianer zu halten, oder vielmehr abzulesen; weil Br. Hollaz für gut fand, die ehemals in Berbice getauften und nach der Zerstörung unsrer dortigen Mission
| |
| |
nach der Marotake gezogenen Indianer zu besuchen. Als ich noch einmal so meine Rede vom Papier ablas, ermunterten mich die Indianer, mit ihnen zu reden, ohne es aufzuschreiben, weil sie die vorkommenden Fehler schon erklären und meinen Sinn gut fassen könnten. Durchs Abschreiben der vorhandenen Übersetzungen, des Wörterbuchs und den Umgang mit den Indianern kam ich denn in der Sprache immer weiter, und war dem Heiland herzlich dankbar, daß Er seinen Segen dazu gab, daß ich den Zweck meines Hieherkommens, den Indianern das Heil bringende Evangelium verkündigen zu künnen, immer mehr erreichte.
Ausserdem fand ich zu anderweitiger Beschäftigung Arbeit genug; denn weil das Gras dort sehr üppig wächst: so hatten wir genug zu thun, die Wege in der Nähe unserer Häuser und um die Häuser herum vom Grase rein zu halten, damit sie nicht ganz von Gras und Ranken-Gewächsen überzogen würden, und das Ungeziefer, sonderlich Schlangen, in der Nähe nicht zu sehr überhand nehmen möchte, wie auch, daß man, sonderlich des morgens, sobald man nur aus dem Hause ging, von dem vom Thaue triefenden oder vom Regen noch nassen Grase nicht ganz durchnäßt würde. Ausserdem hatten wir in der Nähe unserer Häuser einige
| |
| |
Pflanzungen von Pisang oder Bananen, Teier und Pataters, ingleichen von Kaffee- und Cacao-Bäumen angelegt, welche es ebenfalls nöthig machten, daß sie des Jahres zwey bis dreymal umgehackt würden, damit sie nicht im Grase erstickten. Weil nun alle diese und mehrere andere Arbeit durch uns drey unverheirathete Brüder verrichtet werden mußte, denn der Br. Förster hatte mit der Haushaltung vollauf zu thun, und die Indianer zu der Arbeit mit der Hacke, welche bey ihnen nur die Weibsleute thun, auch nicht vor Bezahlung zu haben waren: so richtete ich mich so ein, daß ich mich früh mit dem Sprachlernen, und von 8 bis 10 Uhr mit dem Reinmachen der Wege und der Gewächse in unsern Kostgründen beschäftigte. Alsdann war das Hemde vom Schweiß, bey der dortigen großen Hitze, zum auswinden naß. Ehe man an eine andere Arbeit geht, wobey man nicht mehr in solcher Bewegung bleibt, ist es sehr nöthig, daß man ein trockenes Hemde anziehe, und daß man sich dieses zur Erhaltung der Gesundheit nicht verdrüßen lasse, so oft man schwitzig geworden ist. Dieses habe ich in Suriname jederzeit mit großem Nutzen beobachtet.
Bis Mittag wandte ich dann meine Zeit zum Schreiben an, und so auch Nachmittags,
| |
| |
wenn das Wetter es nicht erlaubte, die Indianer in ihren Häusern zu besuchen.
Als ich bey dieser Eintheilung meiner Zeit in Erlernung der Sprache gute Fortschritte machte, bekam Br. Reimann, mit dem ich zusammen wohnte, auch mehr Lust dazu, und ich suchte ihn möglichst darinn zu unterstützen; sahe aber bey der Gelegenheit, wie schwer es ist, eine Sprache ordentlich zu erlernen, wenn man in der Jugend nichts von der Grammatik gelernt hat, daher ich es nicht genug empfehlen kann, es bey unsern jungen Leuten darauf anzutragen, daß sie wenigstens eine Idee von grammatikalischer Erlernung einer Sprache bekommen.
Am 5ten Febr. hatte schon das Vergnügen, der Taufe meines Reisegefährten von Paramaribo beyzuwohnen. Das Gefühl der bey dieser Verhandlung waltenden Gnade und Gegenwart Gottes war meinem Herzen sehr wohlthuend, und machte mir meinen Beruf noch schätzbarer. Ich bin auch versichert, daß ein jeder Christ, der einer solchen Verhandlung beywohnt, nicht ohne Rührung bleiben würde, wie mir dieses auch in den Folge von mehreren Officiers, die uns manchmal von einem in unserer Nähe gelegenen Soldatenposten besuchten und
| |
| |
den Taufhandlungen beywohnten, bezeugt worden ist.
Den 11. März kam der Br. Cleve, welcher als Missionär bey den Indianern in Hoop an der Corentyn, dem zweyten Missionsplatze unter dieser Nation, wohnte, zum Besuch bey uns an, um, vermöge eines Auftrags vom Br. Lawatsch in Paramaribo, welcher damals die Missionen in Suriname überhaupt zu berathen hatte, eine Visitation in Saron zu halten.
Um zu erfahren, wie weit unsere getauften Indianer in ihrer Erkenntniß und christlichem Wandel gekommen wären, sprach er mit ihnen einzeln, und auch hernach mit den europäischen Brüdern. Er ließ sichs angelegen seyn, mit uns, in Absicht unsrer Haushaltung und der Beschäftigung eines jeden, eine solche Einrichtung zu verabreden, wodurch den Mißverständnissen, die in gemeinschaftlichen Haushaltungen, wie sie auf Missionsplätzen eingeführt sind, leicht entstehen können, zumal wenn man sich, wie es damals bey uns der Fall war, in der Kost sehr einschränken muß - vorgebeugt werden konnte, damit die höchstnöthige Harmonie, Liebe und Vertrauen zu einander nicht gestört würde.
Da wir an einem fischreichen Fluß und mitten in einem vom Wilde angefüllten Busche wohnten: so hätten wir von den Indianern
| |
| |
überflüssig mit dergleichen Lebensmitteln versorgt werden können, wenn damals nicht die irrige Idee unter uns geherrscht hätte, daß es besser sey, unser Bestehen durch Feldarbeit und Pflanzungen, als durch den Handel mit den Indianern, zu suchen, da doch Europäer in einem so heissen Klima, wie Suriname, das im 5ten und 6ten Grade nordlicher Breite liegt, ohne Sklaven nicht vom Feldbau leben können, und die Indianer sich, wie schon erwähnt worden, zu solcher Arbeit nicht brauchen lassen. Die Indianer trugen daher das, was sie mit der Jagd und Fischerey erwarben, auf die benachbarten Plantagen und nach Paramaribo, weil sie sich dafür das, was sie brauchten, und bey uns nicht immer bekamen, anschaffen konnten. Eben so machten sie es mit der von ihnen gesponnenen Baumwolle und dem aus Rohr geflochtenen Hausrath.
Dieses hatte auch noch die üble Folge, daß die Indianer oftmals, statt nützlicher Bezahlung, sich Branntwein geben ließen, und mit zu Hause brachten, welches zu mancherley Unordnungen Anlaß gab, und uns bisweilen Unannehmlichkeiten mit ihnen zuzog, weil wir nicht anders konnten, als sie genau zu nehmen, wenn sie sich etwa betrunken hatten.
| |
| |
Um uns jedoch mit Wildpret und Fischen zu besorgen, hielten wir zwey Jäger. Denen gaben wir Flinten, Pulver und Bley, und noch eine jährliche Bezahlung, bestehend in so viel Messern und Salz, als sie brauchten, nebst 4 Ellen blauen ostindischen Kattun, Salpuris genannt. Dafür waren sie verbunden, uns von dem, was sie erjagten, die Halfte zu geben Sie gingen aber gemeiniglich nur auf die Jagd, wenn sie es selbst nöthig hatten, oder wenn sie etwas auf die Plantagen tragen wollten, und so hatten wir das Nachsehen.
Jene irrige Idee, welche wahrscheinlich ihren Grund in den ersten Anfängen der Mission hatte, als die Missionarien noch keine, oder nur wenige Indianer um sich hatten, machte der Missionsdiakonie die Besorgung der Missionarien auch kostbarer, denn man verschrieb jährlich, wie es auf den Plantagen zu geschehen pflegt, Salzfleisch aus Europa, ohnerachtet es in einem so heissen Lande nicht so gesund wie frisches Fleisch, und auch unangenehm zu essen ist.
Als wir daher nach ein paar Jahren von dieser Idee ab- und freyere Hand bekamen, fielen manche, wegen unsers Durchkommens gehabte Schwierigkeiten weg, und wir konnten,
| |
| |
zur Erleichterung der Missionsdiakonie, noch etwas verdienen.
Unsre Handlungswaaren bestunden in Matrosenmessern, deren die Indianer sehr viele brauchen, und immer eines in ihrem Gurte stecken haben, Fischangeln, Äxten, Hauern, einer Art kurzer Schwerter, welche sie zum Fällen des schwachen Holzes brauchen, wenn sie zu einem Cossabifelde den Busch fällen wollen, Hacken, Scheeren, Spiegeln, Corallen für die Weiber zu ihrem Staate, Pulver und Bley und ostindischen blauen Kattun +c. letzteres vorzüglich, um die Indianer für größere Dienste, die sie uns bey nöthigen Reisen und beym Holzfallen leisteten, zu bezahlen.
Nächstens ein mehreres. Leben Sie indeß wohl +c.
|
|