Nachricht von Suriname und seinen Einwohnern
(1807)–Christlieb Quandt– Auteursrechtvrij
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genswünschen der Brüder begleitet, in einem Lichter dahin ab. Lichter sind plattbodige Fahrzeuge, welche nicht tief im Wasser gehen, und dazu gebraucht werden, um den tief gehenden Schiffen, die bey Amsterdam kaum ihre halbe Ladung einnehmen können, weil sie mit voller Ladung über die seichten Stellen in der Suydersee, zwischen Amsterdam und dem Texel, nicht kommen können, - die völlige Ladung zuzuführen. Eben so dienen sie auch, die ankommenden Schiffe im Terel halb auszuladen, damit sie hernach etwa mit der halben Ladung selbst nach Amsterdam gehen können. Weil dieses der letzte Lichter war, der Kapitain Gerbrands selbst mit demselben ans Schiff ging und die kleine Kajüte innen hatte: so mußten wir Passagiers uns sehr schlecht behelfen, und bekamen beym Koch in seiner sehr kleinen Küche, in welcher wir vier Personen mit genauer Noth liegen konnten, für gute Bezahlung in den zwey Nächten, die wir auf dem Lichter zubrachten, ein Lager auf dem bloßen Fußboden; denn unsre Betten waren unter den übrigen Sachen im Lichter verpackt. Den ersten Tag gingen wir Abends bey der Insel Wiringen vor Anker. Den 15ten war bis Mittag gänzliche Windstille und Nachmittags wehete er sehr schwach. | |
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Weil wir daher spät in die Nähe unsers Schiffs kamen und nicht mehr ausladen konnten, mußten wir nochmals vor Anker liegen bleiben, bis es den andern Tag in aller früh geschehen konnte. Unser Schiff war eine neue dreymastige Fregatte, die 35 Kanonen führen konnte. Mit dem Kapitain und noch einem Passagier hatten wir die schöne geräumige Kajüte inne; weil aber der Kapitain einem jeden von uns eine Bettstelle in derselben aufschlagen ließ: so wurde sie dadurch ziemlich enge. Am 19ten hätten wir mit einem schönen Südost-Winde aus dem Texel auslaufen können, allein der Kapitain wollte erst sehen, ob er auch Bestand haben würde, und wartete bis zum 21ten, an welchem der Wind ganz Ost und so stark wurde, daß man die Anker nicht aus dem Grunde kriegen und die Boote, welche seine Frau und Kinder vom Schiff abholen sollten, von der Texelinsel nicht abfahren konnten, worüber auch dieser Tag verstrich, und Abends sich der Wind nach Süden wandte. Erst am 23ten bekamen wir wieder Ostwind, lichteten früh den Anker und fuhren voll Freuden aus dem Texel, denn auch für die Matrosen ist es sehr erwünscht, wenn sie bald aus dem Texel kommen können, weil von da an ihr Lohn berechnet wird, wenn sie | |
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auch widrigen Windes willen wieder umkehren und in den Texel einlaufen müßten. Diese Freude wäre aber beynah in ein allgemeines Trauren verwandelt worden, weil der Lots bey einer der letzten Tonnen, die zur Bezeichnung der seichten Stellen mit einem Anker im Grunde bevestiget sind - das Schiff so nahe an dieselbe angehen ließ, daß wir, statt auf der rechten, auf der linken Seite der Tonne über eine Sandbank gehen mußten, über welcher bey hoher Fluth nur 18 Fuß Wasser steht, da doch unser Schiff 17½ Fuß tief ging. Alles erschrack, wurde blaß und bleich, und der Kapitain, welcher, seine letzten Briefe zu schreiben, in der Kajüte war, und, wie gewöhnlich, dem Lots das Kommando allein überlassen hatte - rung bey dem Anblick die Hände und hielt sein Schiff für verlohren. Nächst der Hülfe Gottes hatten wir die Erhaltung des Schiffes der Aufmerksamkeit des Steuermanns zu danken. Dieser ließ gleich die Segel gegen einander stellen, und weil zugleich beynah eine Windstille einfiel, und die Ebbe (oder wie sie sagen, das Fallwasser) eintrat: so trieb das Schiff ganz stille über die Sandbank weg, ohne den Grund zu berühren. Als die Sache so gut ablief, berühmte sich der Lots noch damit, daß er das Schiff auf der | |
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linken Seite der Tonne über die Sandbank geführt habe; sein Sohn aber, der in einiger Entfernung vom Schiffe im Lotsboote fuhr, um seinen Vater abzuholen, wenn er seinen Dienst geleistet hätte, bezeugte, daß, als er dieses gesehen, er sich schon fertig gemacht habe, um bey dem höchst wahrscheinlichen Scheitern des Schiffes sich sogleich ins Wasser zu stürzen, weil sein Vater und er bey dem guten Wetter und Winde nichts zu seiner Entschuldigung hätten anführen können.
Der Kapitain äusserte, auf befragen: was bey erfolgtem Unglück dem Lots wiederfahren wäre? daß, wenn er den Schaden nicht bezahlen könnte, wie es bey diesem der Fall war, er das Leben hätte einbüßen können; setzte aber hinzu, daß man nicht mehr Nutzen davon gehabt haben würde, als wenn man eine Laus todtdrückte.
Die Unachtsamkeit des alten Lots wurde durch den vielen Branntwein, den er bey den Matrosen bekommen hatte, veranlaßt, denn diese waren bey der Freude, bald aus dem Texel zu kommen, damit sehr freygebig.
Wir benutzten nun auch die Abfahrt des Lots, um unsern Brüdern in Zeyst von unsrer Abfahrt aus dem Texel Nachricht zu ertheilen. | |
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Den 24ten ging der Wind wieder nach Süden, wir mußten den Tag in den Wind segeln und rückten wenig fort. Abends waren wir doch so weit, daß wir das Feuer bey Dower sahen und nun in den Kanal einlaufen wollten; weil wir aber, nach der irrigen Meinung des Kapitains, schon zu nahe waren, wandten wir, wider Willen des Streuermanns, um, mußten hernach wegen kontrairen und heftigen Windes in der Nordsee herum kreuzen, und konnten erst den 29ten in den Kanal einlaufen.
Die Ursach, daß der Kapitain bey Dower wieder umkehrte, war, daß er nur ein Feuer auf dem Leucht-Thurme sah, in welchem Fall man schon in großer Gefahr ist, zu stranden; allein es war nur erst das eine Feuer angezündet worden, und daher sein Irrthum entstanden.
Im Kanal hatten wir vielen und heftigen West- und Nordwestwind, und mußten in dem engen Raum beständig laviren, um keiner Küste zu nahe zu kommen. Weil derselbe sehr voll anderer Schiffe war, kamen wir in einer Nacht zweymal in Gefahr, an andere Schiffe zu stoßen. Einmal berührten schon die Segelstangen eines großen englischen Schiffes die unsrigen, und weil auf unserm Schiff darüber eine große Bestürzung entstand, und der Kapitain | |
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vor Schrecken sich auch nicht gegenwärtig war, so rief der Englische ihm zu, was er zu thun habe, wodurch wir glücklich wieder aus einander kamen. In einer Nacht war der Sturm so heftig, daß der Kapitain befürchtete, er würde die Masten kappen müssen. Das Schiff wurde so gewaltig hin und her geworfen, daß alles, ob man gleich die Sachen und Bettstellen auf den Fall gut bevestiget hatte, losriß, und wir Mühe hatten, uns in unsern Bettstellen zu erhalten. Endlich, nachdem wir 14 Tage im Kanal zugebracht, verliessen wir denselben am 12. November mit einem schönen Ostwinde. Mit abwechselnden günstigen und kontrairen Winden, auch vielem Calm, erreichten wir am 1. Dec. die Insel Madera und den 3. Dec. die Canarischen Inseln, segelten zwischen zweyen durch und passirten am 9ten den Tropicum. Von den hier gewöhnlichen Lustbarkeiten des Schiffsvolks mit dem Taufen und Naßmachen kauften wir uns jede Person mit 2 Gulden und ein paar Flaschen Branntwein los, durften uns aber doch nicht auf dem Verdeck sehen lassen, wenn wir nicht mit Seewasser begossen werden wollten. Den 10ten sahen wir die ersten fliegenden Fische und in den folgenden Tagen auch die sie | |
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verfolgenden Delphins, von welchen die Matrosen einige fingen, und uns zu einer erquickenden Kost dienten, weil wir nichts als Salzfleisch hatten. Den 15ten, nach einer Stille von etlichen Tagen, bekamen wir heute einen schönen Ostwind, der bis zum 25ten anhielt, mit welchem wir täglich 30-40 Meilen fortrückten. Den 24ten und 25ten erinnerten wir uns mit dankvollem Herzen der Menschwerdung Gottes, unsers Heilandes, dessen Bekanntmachung auch bey den unwissenden Heiden die Absicht dieser unsrer Reise war. Obgleich wir am 24ten den sechsten Grad Norderbreite erreicht hatten, sahen wir doch noch kein Land. Den 27ten fing das Wasser an sich zu verändern, und wurde grünlich; wir fanden aber beym Lotsen noch keinen Grund. Um die Kraft des Wassers in der Tiefe zu zeigen, machte der Steuermann folgendes Experiment. Er band eine mit einem Gorkstöpsel vest zugemachte gläserne Flasche an das Lotbley, und ließ sie mit demselben 130 Klafter tief sinken. Als die Flasche wieder heraus kam, war der Stöpsel heraus und die Flasche voll Wasser. Das zmeyte mal machten wir die Flasche mit einem noch bessern Stöpsel zu, und | |
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klopften denselben so viel möglich hinein. Ohnerachtet nun noch ein gutes Srück des Stöpsels aus der Mündung der Flasche hervorragte, und nicht hatte hinein gebracht werden können: so war er dennoch von der Gewalt des Wassers hinein gedrückt worden, und die Flasche kam mit demselben und mit Wasser angefüllt wieder heraus. Vermuthlich hatte sich das Wasser beym ersten Versuch, wegen seiner mehrern Kraft, durch eine sehr feine Öffnung neben dem Stöpsel in die Flasche hinein gedrängt, und die dadurch zusammen gedrückte Luft den Stöpsel heraus getrieben; beym zweiten Versuch mag aber das Wasser neben dem Stöpsel keinen Weg in die Flasche gefunden, und daher durch seine Kraft denselben hinein getrieben haben. Dieses Experiment scheint mir darum eine Erwähnung zu verdienen, weil man gemeiniglich glaubt, daß das Wasser keine Zusammendrückung, wie die Luft, leide, und in der Tiefe nicht elastischer als auf der Oberfläche desselben sen. Mehrere Versuche konnten wir nicht machen, weil der Steuermann die Matrosen, obgleich wir sie dafür mit ein paar Flaschen Branntwein bezahlten, mit dem Heraufziehen der 130 Klafter langen Leine nicht mehr bemühen wollte. | |
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Vielleicht würde man etwas anderes gefunden haben, wenn man den Stöpsel mit einer Blase oder einem Stück Leder gut verbunden hätte, welches vielleicht von andern Reisenden versucht werden kann. Am 2ten Januar 1769 bekamen wir das Land zu Gesicht, fuhren an der Küste hin, passirten zwischen den sogenannten Constabels - zwey aus der See hervorragende Klippen - durch, wo das Schiff meist im Moder ging, und kamen den 4ten Januar in Paramaribo an. An der Küste gingen wir des Nachts allemal vor Anker, um nicht bey der Suriname, die an der Mündung kein besonderes Zeichen hat, durch den starken Strom längst der Küste vorbey getrieben zu werden. Es war ungemein angenehm, das Land nicht weit von sich und die Bäume mit den schönen zinnoberrothen Vögeln angefüllt zu sehen. Bald sahen wir auch, als wir bey Bramspünt, wo eine Soldatenpost ist, welche der Kolonie die Ankunft eines Schiffes durch einen Kanonenschuß anzeigt, zum letzten male vor Anker gingen, die rothgefärbten Indianer in ihren kleinen Fahrzeugen Fische fangen, und freuten uns, balde bey ihnen zu seyn. Von hier ging der Steuermann mit unsern Pässen ans Fortreß Neu-Amsterdam, und | |
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brachte, nebst zwey Soldaten, etwas von den Landesfrüchten mit. Die Soldaten blieben die Nacht auf dem Schiffe, bis wir den andern Tag bey dem Fortreß vorbey kamen, um zu verhindern, daß keine Waaren heimlich, ohne die gewöhnlichen Abgaben zu entrichten, in die Kolonie gebracht würden. Das Fortreß Neu-Amsterdam, so wie auch das alte bey Paramaribo, wurden jedes mit 9 Kanonen begrüßt, und erhielten eben so viel zum Gegengruß. So wurden auch, als wir mit dem Kapitain vom Bord des Schiffs abfuhren, 9 Kanonen gelöst. Der Empfang bey unsern Brüdern in Paramaribo war auf beyden Seiten sehr liebreich. Den andern Tag begaben wir uns zum Kommandeur oder Obersten des sämmtlichen dortigen Militärs, welcher in Abwesenheit des Gouverneurs den ankommenden Passagiers den Eid der Treue abnimmt. Weil die Brüder in der Kolonie von Ablegung eines Eides befreit sind: so wurde von uns statt dessen der Handschlag angenommen. Hiermit schliesse die Begebenheiten meiner Seereise, und bin +c. |
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