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Erster Brief.
Werthester Freund!
Die Ersüllung Ihres Wunsches, daß ich den Entwurf von der Geschichte meiner Reise nach Suriname und Aufenthaltes daselbst vollends ausarbeiten und dem Druck überlassen möchte, ist zwar aus den in den Vorerinnerungen bereits angeführten Ursachen lange unterblieben; indeß hoffe, daß Sie dieselbe auch noch jetzt gerne in einigen Briefen lesen werden. Meine Landreise war ich zwar Willens zu übergehen, weil Sie aber die Begebenheiten dieser meiner, so zu sagen, ersten Ausflucht der Mittheilung nicht unwerth achteten: so werde dieselbe in diesem ersten Briefe so kurz als sichs thun läßt abfassen. Sollten diese Blätter einem und dem andern noch lebenden Freunde, der mich auf dieser Reise liebreich aufgenommen und un- | |
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terstützt hat, in die Hände kommen: so mögen sie zum Beweise dienen, daß ich seine Wohlthat noch in dankbarem Andenken habe.
Ich war Schulhalter in einer Knaben-Anstalt zu Neudietendorf, als im Jahr 1768 von der Unitäts-Direktion, welche sich damals in Zeyst bey Utrecht aufhielt, der Antrag an mich kam, als Missionär nach Süd-Amerika zu der dasigen Arawackischen Nation in der Kolonie Suriname zu gehen; und zwar vors erste bey der in Saron an dem Fluß Saramaka aus dieser Nation gesammleten Gemeine zu wohnen, und die Sprache zu erlernen.
Verschiedene mir bekannte Umstände ander rer vormals zum Dienst dieser Mission dahin gegangener Brüder veranlaßten bey mir eine gründliche Überlegung, ob ich auch meinem Heiland in diesem Dienste so ergeben seyn wurde, daß ich nicht, die Umstände möchten seyn, wie sie wollten, unverrichteter Sache denselben verliesse und zurück käme. Bey dieser Überlegung bekam ich in meiner Seele die tröstliche Versicherung, daß der Herr, der mich berufen, auch im Stande sey, mich vor Allem, was mir und Ihm zur Schmach gereichte, zu bewahren, und Kraft zu geben, in diesem, wenn gleich beschwerlichen Dienste auszudauren.
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Weil auch die Jahre her mehrere dahin gesandte Missionarien nach einem kurzen Aufenthalt dort ihren Lauf vollendet hatten: so trug ich in meinem Gebet unserm Herrn und Heilande auch die Bitte vor, daß, weil bey meiner Gendung die Absicht sey, daß ich den Heiden das Evangelium verkündigen sollte, Er mir mein Leben dort wenigstens 10 Jahre erhalten wollte, damit ich auch in der Absicht nicht vergeblich hinginge. Diese meine Bitte ging reichlich in Erfüllung, denn ich brachte dort beynach 12 Jahre zu, und kam mit einer solchen Gesundheit wieder nach Europa zurück, über welche ich keine Ursach zu klagen hatte.
Mit dieser Gesinnung trat ich im Juny, in Gesellschaft zweyer andern Missionarien, meine Reise an. Dieselben waren Gottfried Bezold, der auch, so wie ich, einen Kuf zum Dienst der Mission unter den Arawacken bey dem zweiten aus dieser Nation gesammleten Gemeinlein in Hoop an dem Fluß Corentyn erhalten, und Jacob Till, welcher bestimmt war, in Westindien bey der Mission unter den Negern auf St. Thomas zu dienen. Sie hatten von Herrnhut ihren Weg über Neudietendorf genommen, um mich, wenn ich zur Reise fertig wäre, mit zu nehmen.
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Bey ihrer Ankunst hatte ich mich auf die Reise noch gar nicht angeschickt, und weil sie eilen sollten, und mir nicht mehr als einen Tag Zeit liessen: so hatte ich mich über dem Einpacken meiner Sachen und mit dem Abschiednehmen in dasiger Gemeine, die an meiner Bestimmung liebreichen Antheil nahm, zu sehr erhitzt, und wurde schon in Gotha unpäßlich. Es wurde mir äusserst schwer, mit meiner Gesellschaft bis Cassel zu kommen, denn wir machten unsre Reise, so wie sie es schon von Herrnhut aus gethan hatten, zu Fuße. In Cassel mußte mich aber von meiner Gesellschaft trennen, weil ich gar nicht mehr fort konnte, und sie sich nicht aufhalten wollten.
Weil ich nicht wußte, wo einige mir bekannte Freunde der Brüder wohnten und mein Reisegeld nicht weit gelangt haben würde, wenn meine Krankheit ernstlich gewurden und ich genöthiget gewesen wäre, im Wirthshause zu bleiben: so ging ich mit einigem Kummer in der Gasse vor dem Wirthshause ein wenig hin und her mit dem Seufzer zu unserm lieben Herrn, mir in dieser Verlegenheit zu Hülfe zu kommen, und wie sehr wurde ich überrascht, als der damalige Unterofficier Georgi, gegenwärtig Gastwirth in der Gemeine zu Gnadau bey Barby, den ich in Neudietendorf hatte kennen ler- | |
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nen, mir begegnete und mich brüderlich grüßte. Als ich ihn von meiner Lage unterrichtete, erzählte er mir, daß er von der Parade käme und beym Eingang in diese Gasse, welche er sonst niemals passirte, eine Anforderung bey sich gewahr worden wäre, durch dieselbe nach Hause zu gehen; weil er aber um des Umwegs willen in seine Caserne, auf die Anforderung nicht achtend, seinen gewöhnlichen Weg fortsetzte, habe sich die Anforderung in seinem Gemüth stärker erneuert, so daß er sich entschloß, umzukehren und der Anforderung zu folgen. Er brachte uns zu einem in Cassel wohnenden Bruder, bey welchem ich mich mit meiner Gesellschaft verabschiedete und Paderborn und Münster zu unsrer Wiedervereinigung vestsetzte, wenn ich bald im Stande seyn sollte, ihnen nach zu reisen. Ich ging mit meinem Freunde Georgi in seine Caserne, und als ich mich mit ihm und einem andern seiner Bekannten von meinem Vorhaben, als Missionär unter die Heiden zu gehen, unterhielt, sank ich vom Stuhl ohne Bewußtseyn in ihre Arme, und konnte mich nicht genug wundern, als ich etwa nach einer Stunde wieder zu mir kam, mich auf der Ruhebank meines Freundes liegen zu sehen. Er verschafte mir bey einem andern Freunde, Namens Weidling, einem Becker, ein gutes Nachtquartier,
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und diese Ruhe, nebst einer den andern Morgen früh veranstalteten Aderlässe, that so gute Wirkung, daß ich es wagen konnte, nachdem ich mich noch etwas in der Stadt umgesehen, mit der zu Mittag abgehenden Post meiner Reisegesellschaft nach zu eilen.
Allein wie es bey dergleichen Verabredungen auf Reisen oft geschieht, daß sie selten pünktlich erfüllt werden, so ging es auch das mal. In Paderborn kamen sie eher an, und warteten mich nich ab, und in Münster, als ich nach langem Warten nicht anders denken konnte, als daß sie einen andern Weg genommen haben müßten, weil ich doch nur ein paar Stationen auf der Post gefahren und den übrigen Weg zu Fuß gemacht hatte, ging ich vor ihnen aus der Stadt. Ausserhalb der Stadt kam ich mit einigen beurlaubten Soldaten zusammen, und setzte den Tag mit ihnen meinen Weg bis gegen Abend fort.
Meine Reisegefährten, die endlich balb nach mir in Münster ankamen, und fanden, daß ich mit Soldaten gegangen wäre, waren voll Kummer, daß ich Werbern in die Hände gerathen seyn möchte, zumal sie bald nichts mehr von dem Wege, den ich genommen hätte, erfahren konnten. Erst in Zeyst hatten wir die Freude, einander wohlbehalten wieder zu finden.
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Die mich begleitenden fünf katholischen Soldaten fingen mit mir Religionsgespräche an; ich bemerkte aber bald, daß es gefährlich ist, sich mit ihnen in solche Unterredungen einzulassen, und suchte sie auf den Hauptpunkt unsers Glaubens zu führen, und sagte zu ihnen, daß sie mit mir darin gewiß eines Sinnes seyn würden, Jesum Christum, den Sohn Mariä, als unsern alleinigen Heiland und Seligmacher anzusehen, Ihn zu lieben und zu ehren. Hierdurch wurden sie besänftiget, und als ich in einem Dorfe für sie das Mittagsessen bezahlte, schieden wir gegen Abend freundschaftlich von einander.
Hierauf setzte ich meinen Weg in dem wüsten Westphalen alleine fort. In dem ersten Nachtquartier an der holländischen Gränze, wo ich sehr ermüdet ankam, nahm man mich sehr freundschaftlich auf, und es that mir sehr wohl, daß man sich nun mit den Leuten vertraulich unterreden konnte. Früh morgens überredete mich der Wirth, weil ich doch ermüdet wäre, mich seines Fuhrwerks mit einem Pferde bis Dödeken zu bedienen. Dieses kostete mich einen Laubthaler, und verursachte mir für einen so kurzen Weg eine zu starke Abnahme meines Reisegeldes.
In Dödeken konnte ich mich, da ich ins Wirthshaus trat, gleich mit dem Wirth zu Ti- | |
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sche setzen, und weil ich nichts apartes verlangte, sondern gern mit dem, was sie eben hatten, vergnügt war, durfte ich nur wenig bezahlen, da man sonst in Holland nicht so leicht davon kommt.
Von da ging ich durch Duisburg nach Arnheim. Unterwegs legte ich mich ermüdet auf eine Wiese am Wege, und stärkte mich durch einen halbstündigen Schlaf. Auf meinem weitern Wege traf ich mit einem sogenannten Seelenverkäufer zusammen, der mich für Ostindien anwerben wollte, und mir die dabey zu erlangenden Vortheile sehr glänzend abmahlte. Allein ich war durch Erzehlungen mit dergleichen betrüglichen Anträgen und Geschichten schon hinlänglich bekannt, und daher sehr auf meiner Huth, mich nicht von ihm irgend wohin locken zu lassen, welches sie gern mit Versprechungen von guter Bewirthung und bergl. zu thun pflegen. Als wir endlich in einen Gasthof einkehrten, um unsern Durst bey dem warmen Wetter zu stillen, und er sahe, daß ich mich nicht leicht zu etwas, wobey er mich in seine Gewalt bekommen könnte, würde bereden lassen, zeigte er mir seine von den General-Staaten erhaltene Vollmacht, Leute anwerben zu dürfen, und versicherte mich, daß ich nicht mit einem Betrüger zu thun hätte, dergleichen viele herum
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gingen, und die Angeworbenen wieder an Andere für ein Stück Geld verkauften; wollte ich mich aber von ihm anwerben lassen: so wolle er einen mit mir zu machenden billigen Akkord richtig halten. Auf die ihm sodann ertheilte Nachricht, daß ich in Zeyst schon mein Unterkommen habe, schieden wir freundschaftlich aus einander.
In Arnheim, wo ich Abends ankam, wurde ich wieder etwas krank, und entschloß mich daher, auf Zureden des freundschaftlichen Wirthes, mit der früh nach Utrecht abgehenden Post meine Reise nach Zeyst fortzusetzen, kam auch daselbst Abends um 5 Uhr, sehr dankbar für so manche auf dieser meiner einsamen Reise von meinem lieben Herrn erfahrene Bewahrung und Durchhülfe, wohlbehalten an; denn da ich sonst noch keine Reise allein gemacht hatte: so war ich oft nicht ohne Sorge, ob ich so alleine auch das Ziel meiner Reise glücklich erreichen würde.
Hätte mich dieser letzte Tag im Holländischen nicht einen Dukaten gekostet: so würde mein Reisegeld, bestehend in 10 Thalern, gerade zugelangt haben, ohnerachtet Anfangs die mir zugestoßene Unpäßlichkeit mich nöthigte, mich ein paarmal der Post zu bedienen. Denn wenn es damals nicht dringende Umstände erforderten, machten die Missionarien ihre Rei- | |
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sen zu Fuße, welches der Missions-Diakonie die Reisekosten beträchtlich erleichterte. Hierauf war also auch mein Reisegeld, bey den damaligen wohlfeilen Zeiten, berechnet; heute zu Tage aber würde es selbst bey der äussersten Sparsamkeit nicht möglich seyn, damit eine so weite Reise zu unternehmen. Dieses macht also gegenwärtig die Reisen der Missionarien viel kostbarer und schwerer.
Weil die Abfahrt des Schiffes, mit welchem wir von Amsterdam nach Suriname reisen sollten, sich verzögerte: so hatten wir noch das Vergnügen, die Rückkunft der Unitäts-Direktion, welche vor ein paar Monaten zum Besuch der Brüder-Gemeinen in England, dahin gereist war, in Zeyst abzuwarten und von derselben an die für uns bestimmten Orte abgefertiget zu werden.
In Zeyst bekam ich ausser dem Br. Bezold noch zu Reisegefährten nach Suriname den Br. Schemes, welcher ehedem als Missionär in Jamaika gewesen, und Bruder Krohn, einen Schneider, welcher der Mission schon vorher in Suriname mit seiner Profession gedient hatte, zum Besuch nach Europa gekommen war und nun gern wieder dahin zurück ging.
In Amsterdam, wohin wir uns auf Verlangen unsers Schiffkapitains am 7. Oktbr. be- | |
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gaben, verzögerte sich unsre Abreise noch bis zum 14ten, und weil die Gemeine in Zeyst am 13ten das heilige Abendmahl begehen sollte: so veranstaltete die Unitätsdirektion, daß wir vor unserer Abreise in Amsterdam auch noch unsern Antheil daran erhielten.
Wir genossen dasselbe daher am 12ten in Beyseyn einiger in Amsterdam wohnhaften Brüder zur Stärkung unsers Glaubens und Bevestigung in der Bruderliebe und Gemeinschaft mit ihnen, die wir mehrentheils mit dem Gedanken verliessen, daß wir sie nicht eher als dereinst in der Ewigkeit bey unserm lieben Herrn wieder sehen würden.
Weil sich hiermit die Begebenheiten meiner Landreise schliessen: so werde in meinem nächsten Briefe Ihnen die Vorkommenheiten meiner Seereise, welche, obgleich viel weiter, doch weit weniger Stoff zu Erzehlungen darbieten wird, mittheilen, und bleibe +c.
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