Die Grenzen des Wachstums. Pro und Contra
(1974)–Willem Oltmans– Auteursrechtelijk beschermd
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Paul R. EhrlichPaul R. Ehrlich wurde 1932 in Philadelphia geboren. Er lehrt seit 1966 als Professor für Biologie an der Stanford University in Kalifornien. Professor Ehrlich ist Präsident des Zero Population Growth Fund und stellvertretender Vorsitzender des Forschungskomitees des Rocky Mountain Biological Laboratory. Einige seiner Bücher wie The Population Bomb, 1963 (Die Bevölkerungsbombe), zusammen mit R.W. Holm geschrieben, und How to be a Survivor, 1971, zusammen mit R.L. Hamiman verfaßt, standen lange auf den Bestsellerlisten. Gemeinsam mit seiner Frau Anne veröffentlichte er Population, Resources, Environment, 1970 (Bevölkerungswachstum und Umweltkrise).
Reichten die Daten über das Bevölkerungsproblem in Die Grenzen des Wachstums aus, um Ihre Position in der Frage des Bevölkerungswachstums zu veranschaulichen? Nun, sie waren höchst global, aber sie waren völlig ausreichend für den Zweck des Modells, das hier präsentiert wurde. Mit anderen Worten, ich halte sehr viel von den Leuten, die das Buch kritisch geprüft haben, und habe mir die übrigen Dinge, die die Autoren gesagt haben, nicht sehr sorgfältig angesehen.
SkinnerGa naar eind1 beklagte... Sein Buch liest auch niemand. Es paßt jedoch durchaus zu den Aussagen derer, die Die Grenzen des Wachstums erarbeitet haben. Meiner Meinung nach gelangt jeder kompetente Wissenschaftler, der sich mit der Gesamtsituation der Welt befaßt, zu denselben Schlüssen.
Barry CommonerGa naar eind2 nannte Die Grenzen des Wachstums einen Schritt zurück. Commoner scheint nicht die Situation in ihrer Gesamtheit zu sehen, weil seine politischen Überzeugungen es ihm verbieten, die bedeutende Rolle zu akzeptieren, die das Bevölkerungswachstum in der Umweltkrise spielt. Es ist schade, daß ihm in seiner Gruppe kein Ökologe zur Seite steht, der ihn vor solchen Irrtümern schützt. Vielleicht meint er, daß Die Grenzen des Wachstums einen ‘Rückschritt’ für seinen Kreuzzug bedeutet, denn er versucht ja den Leuten einzureden, daß Bevölkerung und Überfluß nicht von Bedeutung sind. In dieser Hinsicht, glaube ich, hat er recht.
Ist die Weltuntergangsprophetie das einzige Mittel, um die öffentliche Meinung zu alarmieren? | |
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Ich glaube nicht, daß jemand mit Absicht Schwarzmalerei oder das Gegenteil betreibt. Vielmehr will man die bestmögliche Diagnose der Entwicklung stellen. Dies hat das Team von Professor Meadows grundsätzlich getan, und dies tue ich auch. Es gibt eine Prognose ab, ist weder optimistisch noch pessimistisch, noch betreibt es Weltuntergangsprophetie. Es verfolgt Trends und sagt dann: Wenn wir unseren Kurs nicht ändern, verläuft die Entwicklung nach unserem Wissen so und sind die Ergebnisse wahrscheinlich schlecht. Die meisten Leute, die sagen, die sogenannten Weltuntergangspropheten seien zu pessimistisch, haben einfach keine Ahnung von den fundamentalen Gegebenheiten der Ökologie. Es gibt Leute, die ein gewisses Verständnis für die bevölkerungspolitische Situation haben, was durchaus einfach ist. Wir vermitteln unseren Studenten der ersten Semester in zwei Vorlesungen alles demographische Wissen zum Verständnis der bevölkerungspolitischen Situation der Welt. Danach ist das Problem eine Sache des Verständnisses der Ressourcen, der ökologischen Zusammenhänge und, was natürlich viel schwieriger ist, des Verständnisses gesellschaftlicher und politischer Systeme. Wir wissen im allgemeinen im physikalischen, biologischen und ökologischen Bereich, wo die Lösungen liegen, aber wir wissen nicht recht, wie man die menschlichen Institutionen so ändern kann, daß rechtzeitig Verbesserungsmaßnahmen getroffen werden.
Wieviel Zeit haben wir nach Ihrer Meinung? Nun ja, das hängt davon ab. Wenn Sie fragen, wieviel Zeit wir noch haben, bis es zur völligen Katastrophe in der westlichen Welt kommt, so meine ich, ist der MIT-Bericht zu optimistisch. Ich denke, das wird irgendwann in den kommenden zwanzig Jahren geschehen, vielleicht früher als später, aber das ist schwer zu beurteilen. Es hängt davon ab, wie sich die Dinge entwickeln. Wenn Sie wissen wollen, wann wir mit Gegenmaßnahmen hätten anfangen sollen - wir hätten natürlich spätestens in den dreißiger oder vierziger Jahren damit beginnen sollen. Hätte es beispielsweise in den vierziger Jahren schon Alarmprogramme zur Bevölkerungskontrolle in den unterentwickelten Ländern gegeben, wären sie heute nicht mit den scheußlichen Problemen der Erwerbslosigkeit konfrontiert, zu deren Beseitigung Politologen und Soziologen keinen Weg sehen. Um das Ansteigen der Erwerbslosigkeit zu verhindern, müßte Indien zum Beispiel in diesem Jahrzehnt mehr als 100000 neue Arbeitsplätze pro Woche schaffen. Gewaltige Menschenmengen wachsen in Volkswirtschaften hinein, die ihnen keine Arbeitsplätze bieten können, wir haben enorme Ernährungsprobleme und so weiter. Wir haben seit langem den Zeitpunkt überschritten, zu dem wir Alarmprogramme hätten haben sollen, um unseren Kurs zu ändern. Wenn wir unseren Kurs jetzt zu ändern beginnen, stellt sich als weitere Frage, ob die eingebaute Verzögerung innerhalb des Systems uns nicht | |
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trotzdem vernichten wird. Wir könnten bereits zu weit gegangen sein. Meiner Meinung nach ist das die große Frage, die viele Ökologen beschäftigt.
Und wie steht es mit der Kluft zwischen reichen und armen Kulturen? Allerdings, sie ist ständig gewachsen. Sie weitet sich noch immer aus, und die Antwort der Kurbel-die-Produktion-an-Ökonomen zu diesem Problem, das zwischen den Nationen und innerhalb der Nationen akut ist, besteht darin, daß man dieselbe alte Kurbel noch schneller drehen soll. Alles, was wir nach ihrer Meinung tun können, ist, die Wirtschaft weiter und weiter wachsen zu lassen, so daß sie mehr und mehr zu einer Wirtschaft hoher Durchgangsleistung wird.
Das ist übrigens der Standpunkt, den McNamaraGa naar eind3 auf der Stockholmer Konferenz über Umweltfragen vertrat. Der Gedanke dabei ist, daß wirtschaftliches Wachstum genügend Krumen abwirft, um die Lage der Armen zu verbessern. Aber das ist ein Spiel, das wir versucht haben. Es funktioniert nicht. Wir haben das in den letzten 25 Jahren getan, und wir sehen sehr deutlich, daß sich die Kluft immer mehr ausweitet. Obwohl es keinen endgültigen Beweis dafür gibt, daß es so nicht geht, muß man meiner Meinung nach zu dem Urteil kommen, daß die Methode des ‘ewigen Wachstums’ nicht funktioniert - vor allem, weil sie zu einer ökologischen Katastrophe führt. Wir müssen vielmehr beschleunigt daran arbeiten, ausbalancierte Volkswirtschaften in den überentwickelten Ländern zu schaffen, sogenannte Raumfahrer-Ökonomien. Ferner müssen wir uns mit dem Problem der Umverteilung des Reichtums befassen. Das ist natürlich eines der schwierigsten politischen und sozialen Probleme.
Was halten Sie von der Neugestaltung der Umwelt? Und welche Aufgabe haben dabei die Verhaltensplaner? Die ganze Frage ist natürlich: Wie ändert man das menschliche Verhalten in der Weise, daß es sich stärker am Überleben orientiert?
Dies nannte Skinner das Ziel des Lebens: Überleben. In mancher Hinsicht bin ich ein Anhänger Skinners, obwohl viele seiner spezifischen Lösungen im Moment nicht praktikabel sind. Ich schöpfe eine gewisse Hoffnung daraus, daß der Mensch nicht unbedingt ein aggressiver Verwüster ist, soweit wir es bei der Betrachtung anderer Kulturen erkennen können. Die Frage ist für mich nicht so sehr, wie man die menschliche Natur verändert, obwohl dies eine interessante Frage ist, sondern wie man die menschlichen Institutionen ändert.
Man hat die Schaffung eines Weltbevölkerungsinstituts vorgeschlagen. Ich habe keine Einwände gegen Institute und Ausschüse, aber ich bin | |
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offen gesagt auch nicht davon begeistert. Institute, Kommissionen, Akademien und dergleichen sind die Standardantworten des Wissenschafts- und Politik-Establishments, das die Welt in den vergangenen 25 Jahren gelenkt und immer weiter heruntergewirtschaftet hat. Es sind die Leute, die keinen Weg für die Abrüstung finden. Es sind die Leute, die keinen Weg finden, die Zerstörung der Vereinigten Staaten durch das Auto zu verhindern. Es sind die Leute, die keinen Weg finden, das stetige exponentielle Wachstum des Energieverbrauchs um fünf bis acht Prozent pro Jahr in den USA zu stoppen. Mit anderen Worten: Wenn man sich die Mitglieder der amerikanischen Akademie der Wissenschaften, der amerikanischen Bundes- und Staatenregierungen, der britischen Regierung ansieht - sie sind unfähig, den Kurs zu ändern. Zu erwarten, daß man das System ändert, indem man immer mehr systemkonforme Institutionen einsetzt, ist einfach hirnverbrannt. Wir haben über diese Leute eine Theorie, die wir die ‘Ich bin der Beweis’- Theorie nennen. Anders gesagt: Die Tatsache, daß sie die Spitze des Systems bilden, ist für diese Leute der Beweis, daß das System perfekt ist, denn sonst wären sie ja nicht zur Spitze aufgestiegen. Sie sind die letzten in der Welt, von denen wir erwarten dürfen, daß sie die Dinge ändern.
John R. PlattGa naar eind4 meint, man solle die Wissenschaftler mobilisieren, diese Aufgabe in Angriff zu nehmen. Ich stimme mit ihm überein, daß wir die Wissenschaftler mobilisieren müssen, um mit dieser Krise fertig zu werden, genauso wie wir es im Zweiten Weltkrieg getan haben. Aber zunächst müssen wir das Volk und dann die Politiker mobilisieren.
Aber wir befinden uns in einem Kriegszustand. Der Punkt ist der: Solange die Politiker und das Volk nicht feststellen, daß wir uns im Kriegszustand befinden, mobilisiert man auch nicht die Wissenschaftler. Wissenschaftler sind die konservativsten Menschen in der Welt. Sie sind dazu erzogen, in ihren Laboratorien zu bleiben und zu tun, was ihnen die Politiker sagen, und ihren Mund zu halten. Es gibt seltene Ausnahmen, doch von dreihunderttausend Wissenschaftlern haben sich mindestens zweihundertfünfundneunzigtausend völlig an die Industrie oder die Regierung verkauft.
Das Establishment. Ja, natürlich. Sie werden gar nichts mobilisieren, sie haben ihre Posten. Sie wollen das Raumfahrtprogramm ankurbeln und versuchen, es auf vollen Touren zu halten. Wie Sie wissen, arbeiten sie in der NASA wie wild an allem möglichen Unsinn. Man darf nicht erwarten, daß die Wissenschaftler die Initiative ergreifen. | |
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Welche Rolle spielen hierbei die Medien? In den USA gehören die Medien mit Haut und Haar denselben Leuten, die an der Aufrechterhaltung des Status quo interessiert sind. Eines der Probleme ist die Befreiung der Medien von der Kontrolle durch Unternehmen wie General Motors. Das ist ein sehr ernstes Problem. Es mag durchaus lösbar sein, aber man kommt wieder zum selben Punkt zurück: Wenn man die Medien verändern will, muß man die Politik ändern. Die Medien werden von der Federal Communications Commission kontrolliert, die natürlich zum großen Teil von den Leuten beherrscht wird, die überwacht werden sollen. Die Füchse bewachen den Hühnerstall. Wir kommen immer wieder auf die Politik zurück. Die Ökologie ist relativ einfach, die Demographie ist so einfach, daß man es kaum glaubt. Politik und Soziologie hingegen sind sehr kompliziert und schwierig.
Ich vermute, Sie erwarten auch nicht allzuviel von der Weltkonferenz über Bevölkerungspolitik 1974? Es könnte etwas Gutes dabei herauskommen. Es war ein Wunder, daß es die Konferenz für Umweltfragen in Stockholm gab, vier Jahre nachdem die ersten Politiker das Wort Ökologie lernten. Stockholm besaß einen gewissen Propagandawert, aber im Grunde hatte es nur wenig unmittelbare Wirkung. Die Berichterstattung in den USA über Bobby Fishers Schachspiele war erheblich ausführlicher als die Berichterstattung über die Umweltkonferenz, daher...
Aber eine Bevölkerungskonferenz könnte ein Schritt in die richtige Richtung sein. Es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Aber es ist so, als wenn jemand mit einem Fingerhut das Wasser ausschöpft, während das Schiff sinkt. Man kann sagen, jeder Fingerhut voll Wasser, den man über Bord gießt, ist eine Hilfe. Aber wenn das Wasser zehntonnenweise in der Minute eindringt und man drei, vier Fingerhüte voll pro Stunde ausgießt - nun ja, es ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber diese Art, sich zu retten, ist nicht gerade ermutigend. |