Die Grenzen des Wachstums. Pro und Contra
(1974)–Willem Oltmans– Auteursrechtelijk beschermd
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Noam ChomskyNoam Chomsky hat in den letzten Jahren durch seine linguistischen Forschungen Weltruf erlangt. Seine radikale Kritik an der amerikanischen Außenpolitik machte ihn zu einem der einflußreichsten Sprecher der Neuen Linken in den USA. Chomsky wurde 1928 in Philadelphia, Pennsylvania geboren. Er promovierte an der Harvard University mit einer Arbeit über Transformational Analysis. 1961 trat Chomsky am MIT eine Doppelprofessur in den Fachbereichen Ausländische Literatur und Linguistik sowie Elektronik an. Zu seinen bekanntesten Werken zählen: Aspects of the Theory of Syntax, 1965 (Aspekte der Syntax-Theorie); Cartesian Linguistics, 1966 (Cartesianische Linguistik); Language and Mind, 1968 (Sprache und Geist); American Power and the New Mandarins, 1969 (Amerika und die neuen Mandarine); At War with Asia, 1970; Problems of Knowledge and Freedom, 1971 (Probleme von Erkenntnis und Freiheit) und Studies on Semantics in Generative Grammar, 1972.
MIT-Computer haben Die Grenzen des Wachstums produziert - ein erster Schritt, der auf den Weg zum globalen Gleichgewicht führen soll. Wie brauchbar finden Sie diesen Ansatz zur Lösung der Probleme unserer Welt? Ohne jetzt auf die empirische Zulänglichkeit der Meadows-Studie einzugehen, kann es, glaube ich, keinen Zweifel daran geben, daß ihre Hauptaussage qualitativ richtig ist, daß nämlich dem Wachstum auf Grund natürlicher, chemischer oder physikalischer Gesetze Grenzen gesetzt sind. Es wäre dümmlicher Optimismus, einfach darauf zu vertrauen, daß sich die Technologie weiterentwickeln und jedes Problem meistern wird, das durch die Beschränktheit der Ressourcen und die begrenzte Fähigkeit des ökologischen Systems, Verschmutzung und Zerstörung zu verkraften, entsteht. Davon kann keine Rede sein. Ohne Zweifel wird das irrationale wirtschaftliche Wachstum eines Tages an die Grenzen der Naturgesetze stoßen; dieser Zeitpunkt dürfte nicht einmal sehr fern sein. Diese Aussicht hat enorme gesellschaftliche Konsequenzen. Der entscheidende Punkt, der meines Wissens in der Meadows-Studie überhaupt nicht erwähnt wird, ist, daß mit dem Schwinden der Hoffnung auf unbegrenztes Wachstum ein Hauptinstrument der gesellschaftlichen Kontrolle verlorengeht. Die Vorstellung, daß die Wirtschaft ad infinitum weiterwachsen wird, ist ein sehr wirksames Mittel gewesen, um beispielsweise Forderungen nach Umverteilung des Volksvermögens in Schach zu halten. Dessen war man sich auch durchaus bewußt. Walter Heller, Vorsitzender des Gremiums | |
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wirtschaftlicher Berater unter Präsident John F. Kennedy, wies ausdrücklich darauf hin, daß die Idee des unbegrenzten Wachstums geeignet sei, Konsensus statt Konflikt herbeizuführen, weil sich damit Forderungen nach Umverteilung des Reichtums niederschlagen lassen, die sicher kommen würden, wenn man nicht hoffen könnte, sein Leben auf andere Weise zu verbessern. Die Privilegierten lassen natürlich Gerede über Umverteilung nur so lange zu, als es sich in Rhetorik erschöpft. Sie sind nicht bereit zuzusehen, wenn aus Reden Handeln wird, was bedeutet, daß, sobald die Grenzen des Wachstums erreicht sind, ein erbitterter Klassenkrieg ausbrechen könnte, in dem die ungeheuren Vernichtungsmittel, die den Privilegierten zur Verfügung stehen, gegen alle jene eingesetzt werden, die die Privilegien antasten, seien es Länder der Dritten Welt, die sich aus der vom Westen kontrollierten Weltwirtschaft lösen wollen, oder unzufriedene Gruppen in den Industrieländern selbst.
Bertrand Russell hat einmal gesagt, es werde so lange keine wirkliche Freiheit in der Demokratie geben, bis diejenigen, die die Arbeit verrichten, ihre Betriebe selbst verwalten. Von dieser Art von Klassenkampf sprechen auch Sie. Das ist richtig. Es ist denkbar, daß sich Kapitaleigner damit abfinden, daß Arbeiter die Kontrolle über ihre eigene Sozialversicherung ausüben. Das nennen sie dann vielleicht Mitbestimmung, wie in der Bundesrepublik. Sobald es aber darüber hinaus um eine wirkliche Teilhabe an Betriebsführung und Profit, um Entscheidungen über den Kurs eines Unternehmens und die Art der Produktion geht, wird man das selbstverständlich nicht akzeptieren. An diesem Punkt wird es zum ernsten Kampf kommen, zu einem Kampf, der durch die Aussicht auf unbegrenztes Wachstum unterdrückt worden war.
Wie erklären Sie sich den Hagel von Protesten gegen Die Grenzen des Wachstums seitens Wirtschaftswissenschaftlern wie SamuelsonGa naar eind1 oder Kaysen?Ga naar eind2 Es ist sehr auffallend, daß die liberalen und progressiven Ökonomen im großen und ganzen negativ auf die These reagiert haben, daß dem Wachstum gewisse Grenzen gesetzt sind. Der Grund ist, glaube ich, genau der von Walter Heller angeführte, den ich zitiert habe. Solange man, wie er sagte, nicht von Hinz stehlen muß, um Kunz zu bezahlen, solange alle gewinnen, tritt der Konsensus an die Stelle des Konflikts, wie er ganz richtig bemerkte. Solange man jedem versprechen kann, daß sein Los morgen besser sein wird, solange haben auch die Unterprivilegierten und Enteigneten Gründe, eine Gesellschaft zu akzeptieren, die sie stark benachteiligt. Aber diese Gründe verschwinden, wie Heller | |
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und andere liberale Wissenschaftler genau wissen, sobald diese Aussichten nicht länger bestehen.
Glauben Sie, daß sich H.G. Wells Traum von großzügigen Ingenieuren, die die Welt mit vollkommener Güte regieren werden, eines Tages erfüllen wird? Weitaus eher glaube ich mit einigen Einschränkungen an eine frühere Prophezeiung, nämlich jene Bakunins und einiger anderer linker Gesellschaftskritiker, da Bakunin die wissenschaftliche Intelligenz als neue Klasse begriffen hat. Dies wäre die despotischste, autoritärste, skrupelloseste Klasse, die je über die menschliche Gesellschaft geherrscht hätte, sie würde über die Ressourcen von Reichtum und Wissen gebieten und die ungebildeten Massen zwingen, nach dem Schlag der Trommel zu leben und zu arbeiten, so oder so ähnlich schrieb er. Ich glaube jedoch, daß eine Einschränkung gegenüber Bakunins ursprünglicher Voraussage über den Aufstieg einer neuen Klasse gemacht werden muß, die meines Wissens die erste derartige Prophezeiung war. Die gleiche Einschränkung gilt auch gegenüber den zahlreichen späteren Varianten von Leuten wie John Kenneth GalbraithGa naar eind3 oder Daniel BellGa naar eind4, die eine Verschiebung der Macht in die Hände der technischen Intelligenz feststellen wollen. Meiner Meinung nach stimmt es nicht, daß eine wirkliche Verschiebung der Macht in die Hände einer technischen Elite stattfindet. Was in dieser Phase der industriellen Gesellschaft passiert, ist, daß die technische und wissenschaftliche Intelligenz, Galbraiths gebildete und wissenschaftliche Klasse, denjenigen sehr bedeutsame Dienste leisten kann, die die entscheidenden Institutionen der Gesellschaft tatsächlich besitzen und leiten. Sie stellen ihnen die Errungenschaften der Wissenschaft, der Technik, des wissenschaftlichen Managements und so weiter zur Verfügung. Weit bedeutsamer ist jedoch, daß sie die autoritäre Kontrolle über Reichtum und Institutionen legitimieren, indem sie sie in die Aura der Wissenschaftlichkeit hüllen. Jeder weiß, daß Wissenschaft gut und edel und wertvoll ist, und jeder erstirbt in Respekt vor technischem Expertentum. Wenn die Intelligenz den Eindruck erwecken kann, daß die autoritäre Machtausübung seitens der Privilegierten und angeblich Talentierten eine notwendige Gegebenheit des modernen Lebens ist, dann ist es ihr gelungen, genau diese Art von Privileg zu legitimieren. Dies ist wahrscheinlich der wichtigste Beitrag, den sie im Dienste der Macht und des Privilegs leistet.
Wie soll man den komplexen biologischen Regelkreis des menschlichen Gehirns global zu beeinflussen suchen? Wo soll man mit der Beeinflussung des menschlichen Geistes beginnen? Ich glaube, der beste Weg zur Beeinflussung des menschlichen Geistes ist durch Darlegung von Beweisen und Argumenten, durch | |
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Überzeugung und Erklärung. Dies sind die weitaus wirksamsten Techniken der Beeinflussung. Sicher stimmt es, daß man eine entsprechende Verhaltenstechnologie entwickeln könnte, die einen Raucher veranlassen würde, das Rauchen aufzugeben. Aber ebenso unzweifelhaft ist, daß man durch eine rationale Erklärung, warum man es aufgeben sollte, zur gleichen Schlußfolgerung kommen kann. Der richtige Weg der Beeinflussung ist der durch die Kunst der Überzeugung; dem ist nichts Tiefschürfenderes hinzuzufügen. Mit jeder anderen Form der Beeinflussung des menschlichen Verstandes leistet man bloß jenen Vorschub, die auf andere Zwang ausüben wollen. Letztlich, meine ich, sollte man eine Gesellschaft anstreben, in der Wahl und Entscheidung in den Händen freier, miteinander verbundener Menschen ruhen. Genau der Methoden der Verhaltensingenieure, der Techniken des militärischen Verhörs und des Gefängniswärters wollen wir uns eben nicht bedienen. Es ist wichtig, sich nicht von den betrügerischen Vorspiegelungen der Wissenschaftler einfangen zu lassen, die etwas anderes behaupten.
Würden Sie SkinnerGa naar eind5 nicht darin zustimmen, daß das Überleben gegenwärtig der höchste Wert auf unserer Erde ist? Er sagt genauer, das Überleben einer Kultur sei der höchste Wert dieser Kultur. Dieser Ansicht stimme ich selbstverständlich nicht zu. Ich glaube, es wird sehr einschneidende Veränderungen und Transformationen kultureller und gesellschaftlicher Institutionen geben müssen. Veränderungen, die man eher als Ersetzung einer Kultur durch eine andere denn als deren Fortbestand bezeichnen könnte. Aber das Überleben der Gattung bleibt natürlich ein Wert.
Arnold Toynbee hat vor der Germanisierung Amerikas gewarnt. Die USA sind heute der zweitgrößte staatliche Wirtschaftskomplex in der Welt. Wie stellen Sie sich seine künftige Entwicklung vor? Es gibt keine einfachen oder auch komplizierten Reformen zur Veränderung der gegenwärtigen Lage. Da ist einmal die offene Aggression wie im Falle Vietnams, die im Grunde nichts anderes ist als ein traditioneller Kolonialkrieg, in dem die Vereinigten Staaten eine radikale nationalistische Bewegung zu zerstören suchen, die nach Unabhängigkeit strebt und ihre Gesellschaft aus der von den USA beherrschten Weltwirtschaft ausgliedern möchte. In traditioneller Weise sind die USA nicht bereit, dies zu dulden, und setzen ihre riesige Kriegsmaschinerie ein, um die einheimische nationalistische Bewegung zu zerstören. Alles wie gehabt. Das Ausmaß ist neu, aber das Phänomen ist aus der Geschichte bekannt.
Aber gibt es einen merklichen Trend zur Germanisierung Amerikas? Nicht weil sie Nazis sind. Sondern weil nichts anderes zur Verfügung | |
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steht. Es gibt keine andere Möglichkeit des staatlichen Eingreifens in die Wirtschaft als die Produktion von Abfall. Das hat mit der Tatsache zu tun, daß die Regierung mit ihren Handlungen nicht den wirklichen Herrschern ins Gehege kommen darf. Die Regierung wird zum Beispiel nicht große Summen in Massenverkehrsmittel investieren, wenn die meisten der großen Unternehmen ihre Profite aus der irrationalen Verwendung des Autos ziehen. Noch wird die Regierung irgend etwas Nützliches produzieren, weil sie damit den privaten Imperien Konkurrenz machen würde, die die Wirtschaft beherrschen. Außerdem muß der staatliche Eingriff in die Wirtschaft vom Steuerzahler geduldet werden, der die Rechnung bezahlt. Übrigens haben die gleichen liberalen Volkswirtschaftler einen der regressivsten Steuergesetzentwürfe der Neuzeit in den USA eingebracht. Der Steuerzahler pariert, wenn er meint, daß sein Leben in Gefahr sei, also ist er stets gewillt, für Rüstungsausgaben zu zahlen. Die Staatsreligion ist mächtig genug, um den Bürger zum Gehorsam zu zwingen, wenn das nationale Prestige auf dem Spiel steht wie im Falle des Wettlaufs in den Weltraum; er ist auch dafür bereit zu zahlen, wenigstens eine Zeitlang. Aber diese verschiedenen Voraussetzungen staatlicher Eingriffe in die Wirtschaft - daß sie nicht mit den Interessen der herrschenden Gruppen kollidieren, sondern ihnen dienen; daß sie für den Bürger akzeptabel sind, der für sie bezahlen muß -, wenn man sie sich näher ansieht, ergibt sich der zwingende Schluß, daß sich diese Eingriffe auf die Produktion von militärischem Ausschuß, von Rüstungsmaterial beschränken müssen, das irgendwann einmal verwendet wird, wie in Indochina.
Philip Handler, der Präsident der Amerikanischen Akademie der Wissenschaften, wies darauf hin, daß sich die in der Akademie vereinigten Wissenschaftler häufig der sprachlichen Kluft, die sie trennt, gar nicht bewußt sind. ‘Sie wären nicht imstande zu definieren, was sie trennt’, sagte er zu mir. Wäre es mit Hilfe Ihres Gebiets der kognitiven Psychologie und Linguistik möglich, diese immer noch vorhandene Kluft zwischen Politikern, Diplomaten und Wissenschaftlern zu überwinden? Es wäre falsch zu glauben, daß die Linguistik und die kognitive Psychologie dazu beitragen könnten. Es ist ein interessantes und wichtiges Gebiet. Ich widme ihm meine intellektuellen Energien. Aber die Probleme, von denen sie sprechen, werden wir nicht lösen können. Es ist irreführend und hat mit der Subversion der Wissenschaft zu tun, die ich vorhin erwähnt habe, zu glauben, daß dies eine Angelegenheit sei, die von wissenschaftlichen und technischen Experten gelöst werden kann. Die Antwort auf diese Frage muß jeder einzelne Mensch selbst geben. Es bedarf keines tiefen Einblicks in die Mysterien der Wissenschaft, um es zu begreifen. Die Menschen stehen unter ideologischer | |
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Kontrolle, die von der in ihrer Gesellschaft herrschenden Privilegienund Machtstruktur bestimmt wird. In den Vereinigten Staaten gibt es eine offizielle Staatsideologie, die täglich propagiert und den Leuten von Kindheit an eingedrillt wird. Selbstverständlich müssen alle diejenigen, die sich dieser Ideologie nicht entziehen können, sehr entstellte und verzerrte Ansichten über alle Geschehnisse haben, über Ereignisse des täglichen Lebens ebenso wie über das Weltgeschehen und die Dinge, die vor ihren eigenen Augen passieren. Ich glaube, das gleiche gilt auch von jeder anderen Gesellschaft. Man kann sich nur helfen, indem man versucht, gesellschaftliche und politische Vorgänge verstehen zu lernen, und zu sehen, wie Macht ausgeübt wird. Die Wissenschaft kann dazu keinen signifikanten Beitrag leisten. Die Daten stehen den Leuten zur Verfügung. Sie müssen sich entschließen, ihren Verstand zu gebrauchen, sich von ideologischen Zwängen zu befreien, den Betrug und die Verdrehungen zu durchschauen, die jedem Machtsystem, unserem ebenso wie allen anderen, immanent sind. Die Menschen müssen selbst herausfinden, was ihnen kein Wissenschaftler sagen kann, nämlich unter welchen Bedingungen ein menschenwürdiges Leben möglich ist und wie diese Bedingungen herbeizuführen sind.
Aber nachdem ein Drittel der Menschheit Analphabeten sind, es in einem Drittel der Erde überhaupt keine Schillen gibt und die Erdbevölkerung bis zum Jahr 2000 sieben Milliarden erreicht haben wird, wie soll uns das gelingen, wenn wir überleben wollen? Das Hauptproblem des Club of Rome-Berichts stellen nicht die unterentwickelten Länder dar. Es liegt in den fortgeschrittenen Industriestaaten, wo die Menschen gebildet sind, wo sie ihre riesigen materiellen und intellektuellen Ressourcen für die Zerstörung, die Vergeudung und so weiter einsetzen. Hier müssen sich die Menschen den ideologischen Einflüssen entziehen, die das Denken über diese Dinge verfälschen. Man kann die Verantwortung nicht auf die Wissenschaftler abschieben, und mart kann sie nicht auf die analphabetischen Bauern der Dritten Welt abschieben. Die Verantwortung liegt in den Handen jedes Bürgers der entwickelten Industriegesellschaft.
Wie sehen Sie die Entwicklung in der näheren Zukunft? Wenn die Grenzen des Wachstums, die ohne Zweifel existieren, in diesem Zeitraum offenkundig werden, dann wird es, glaube ich, in den Industriegesellschaften zu ernsten sozialen Spannungen kommen, da die große Masse der Unterprivilegierten, Enteigneten und Unterdrückten erkennen wird, daß sie keinen Grund mehr hat, ein System der Ungleichheit und Ungerechtigkeit zu akzeptieren, das sie benachteiligt. Sobald dieser Grund weggefallen ist, werden sie beginnen, die ideologischen Prämissen zu untersuchen und sie ebenso in Frage zu stellen wie die institutionellen Strukturen, durch die sie unterdrückt und ungerecht | |
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behandelt werden. Sobald sie damit beginnen, wird man ihnen mit Gewalt entgegentreten, denn die Mächtigen und Privilegierten werden nie dulden, daß diese Privilegien ernsthaft angetastet werden. Den Ausgang dieses Kampfes kann ich nicht vorhersagen. Sicher wird es vom Stand des Bewußtseins und der Organisation abhängen, die zu dem Zeitpunkt erreicht sein werden, wenn man die Forderungen nach Gleichheit und Gerechtigkeit mit massiver Gewalt niederschlagen wird. Übrigens glaube ich, daß etwas Ähnliches auf internationaler Ebene passieren könnte. Genauso wie die Privilegierten und Wohlhabenden in einer bestimmten Gesellschaft zum Schutz ihres Privilegs Zwang und Terror und Gewalt anwenden werden, sobald die ideologischen Kontrollen nicht mehr wirken, gilt dies auch für das Verhältnis zwischen den fortgeschrittenen Industriegesellschaften und den sogenannten Entwicklungsländern, die sich häufig überhaupt nicht entwickeln. Wenn ein Staat der sogenannten Dritten Welt beschließt, sich aus dem weltumspannenden System auszugliedern, das ihn benachteiligt, und seine beschränkten materiellen und menschlichen Ressourcen zu seinem eigenen Nutzen zu verwenden, dann kann man mit einem hohen Grad von Wahrscheinlichkeit vorhersagen, daß die Privilegierten der Welt ein solches Verhalten nicht dulden und mit Gewalt dagegen vorgehen werden, wie sie es beispielsweise in Vietnam 25 Jahre lang versuchten. Ich erinnere mich an eine Studie, eine der sehr wenigen Studien wirtschaftspolitischer Aspekte der amerikanischen Außenpolitik, übrigens von einer konservativen Gruppe. Darin wird absolut zutreffend festgestellt, daß die Hauptgefahr des Kommunismus die mangelnde Bereitschaft oder Fähigkeit der kommunistischen Staaten sei, die Industrienationen des Westens zu ergänzen, das heißt ihre Weigerung, ihre Rolle im Spiel des ‘relativen Vorteils’ zu spielen - ihre rückständige und dienende Rolle. Das sei die Hauptgefahr des Kommunismus, und das stimmt auch. Was wir kommunistisches System nennen, sind Gesellschaften, die eine Art Selbsthilfeprogramm der Entwicklung betreiben, mit Mobilisierung der Bevölkerung und irgendeiner Form von autoritärer Kontrolle. Unser Haupteinwand gegen sie ist, daß sie nicht mehr den Industriestaaten des Westens zuarbeiten. Tritt diese Tendenz an irgendeinem anderen Ort der Welt auf, dann wird man diese Gefahr wenn nötig mit Gewalt abwenden, durch Einsatz aller technischen und wissenschaftlichen Hilfsmittel, die einem zur Verfügung stehen. Ich glaube, dies sind Überlegungen, die sich in den nächsten fünfzig Jahren als plausibel erweisen werden. |
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