Die Grenzen des Wachstums. Pro und Contra
(1974)–Willem Oltmans– Auteursrechtelijk beschermd
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Ernest MandelDer 1923 in Frankfurt geborene Belgier Ernest Mandel ist einer der profiliertesten marxistischen Wirtschaftstheoretiker in Europa. Mandel studierte in Brüssel, Paris und Berlin, wo er an der Freien Universität zum Doktor der Philosophie promovierte. Gegenwärtig lehrt er an der Freien Universität Brüssel. Er ist Sekretär der Vierten (trotzkistischen) Internationale. Wichtige Bücher: Traité d'économie marxiste, 1962 (Marxistische Wirtschaftstheorie); La formation de la pensée économique de Karl Marx, 1967 (Entstehung und Entwicklung der ökonomischen Lehre von Karl Marx); Conseils ouvriers, contrôle ouvrier, autogestion ouvrière, 1970 (Arbeiterkontrolle, Arbeiterräte, Arbeiterselbstverwaltung - eine Anthologie) und Der Spätkapitalismus, Versuch einer marxistischen Erklärung, 1972.
Welchen Eindruck haben Sie vom Bericht des Club of Rome? Die Studie hat mich sowohl befriedigt wie irritiert. Befriedigt, weil diese Herren, die vom Marxismus unbeleckt sind und aus bürgerlichem Milieu stammen, jetzt mit 125 Jahren Verspätung - verglichen mit Marx - entdeckt haben, daß anarchisches, planloses, unbewußtes, ungesteuertes Wachstum nicht nur die Grundlagen des materiellen Wohlstands, sondern sogar die physischen Voraussetzungen für das Überleben der menschlichen Zivilisation bedrohen kann. Es kann nicht nur die physischen Voraussetzungen für das Überleben der menschlichen Zivilisation bedrohen, sondern in der Tat die physischen Voraussetzungen für das Überleben der Spezies Mensch. Marx hat dies praktisch vom Beginn seiner theoretisch-analytischen Arbeit an verstanden; schon als junger Mann schrieb er, der Kapitalismus drohe die Kräfte der Produktion in Kräfte der Destruktion zu verwandeln. Eine der frappierendsten Bemerkungen im 1. Band seines Hauptwerkes Das Kapital besagt, daß die Entwicklung des Kapitalismus ständig die zwei Quellen des Reichtums, die menschliche Arbeit und die Natur, untergrabe und zu zerstören drohe. Jetzt erleben wir, daß kapitalistische Nationalökonomen und akademische Wissenschaftler dies zuletzt auch begreifen. Das ist ein Grund zur Befriedigung. Was mich dagegen stört, ist, daß sie den zugrundeliegenden Mechanismus, der zu diesen Resultaten führt, noch nicht verstanden haben. Daher sind die Schlußfolgerungen, die sie aus ihrer Analyse ziehen, die Lösungen, die sie vorschlagen, teils inadäquat und teils schlimmer als die Übel, die sie kurieren wollen. Was ist der fundamentale Grund für dieses zerstörerische Potential des kapitalistischen Wirtschaftswachstums? Es ist der Widerspruch zwischen partiel- | |
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ler ökonomischer Rationalität und globaler sozioökonomischer Irrationalität, eingebettet in die verallgemeinerte Marktwirtschaft, die die Grundlage des kapitalistischen Systems bildet. Was ist vom kapitalistischen Standpunkt aus rational? Alles, was den Profit unabhängiger Unternehmen vermehrt. Natürlich enthält dieser Mechanismus ein Element der Rationalität. Es wäre töricht zu leugnen, daß er es Unternehmen ermöglicht, ihre wirtschaftlichen Ressourcen (solcherart) zu vereinigen, daß sie Kosten und globale Ergebnisse vorausberechnen können, global jedoch nur vom Standpunkt des jeweiligen Unternehmens aus gesehen. Warum ist dies nur partielle ökonomische Rationalität? Weil jede Firma, die Kosten reduzieren oder Profit maximieren oder Wachstum maximieren will, dies nur tun kann, indem sie Input und Output mit dem Maßstab des Geldes mißt und vergleicht. Alles, was keinen Geldwert hat oder kein Geld einbringt, ist deshalb per definitionem aus der Analyse ausgeschlossen. Ausgeschlossen aus jeder Kosten-Nutzen-Rechnung sind somit alle ‘kostenlosen Güter’ und menschlichen Werte, Luft, Wasser, Schönheit, Landschaften, Solidarität, Förderung oder Hemmung von Talenten, weil sie alle keinen Preis haben. Deshalb können sie nicht als Kosten angeführt werden. Auf der anderen Seite wird im modernen Kapitalismus eine steigende Zahl von Kosten sozialisiert. Die Firmen brauchen sie nicht zu zahlen, weil die Öffentlichkeit sie bezahlt. Krankheit, die Folgen bestimmter Arbeits- und Lebensbedingungen, Bildung, Voraussetzungen für bestimmte Arten von Arbeit, durch Entlassungen entstandene Arbeitslosigkeit - die Gesellschaft trägt die Hauptlast aller dieser Kosten, nicht der Arbeitgeber. Vom Standpunkt des Arbeitgebers ist es daher vollkommen rational, Entscheidungen zu treffen, die eine erhöhte Verschwendung kostenloser Güter und menschlicher Werte und eine Erhöhung der sozialen Kosten mit sich bringen. Von einem globalen sozialen Standpunkt aus ist es selbstverständlich irrational, eine Million Dollar ‘einzusparen’, indem man Arbeiter entläßt, wenn diese Entlassungen die Gesellschaft zwei Millionen Dollar kosten - von dem menschlichen Elend zu schweigen. Aber vom Standpunkt der betreffenden Firma aus ist es vollkommen rational. Auf dem Grunde dieses Widerspruchs zwischen partieller ökonomischer Rationalität und globaler sozioökonomischer Irrationalität liegt die Frage nach den menschlichen Zielvorstellungen. Welchem Endziel dient jegliche wirtschaftliche Betätigung? Für Marxisten ist die Antwort klar: Das Ziel wirtschaftlicher Aktivität sollte die Vermehrung menschlichen Glücks sein, der größtmöglichen Zahl von Menschen die größtmögliche Menge von Glück zu bringen, um eine möglichst harmonische Entwicklung der menschlichen Fähigkeiten aller Individuen zu ermöglichen. Aber die kapitalistischen Ökonomen und alle die Institutionen der | |
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westlichen Gesellschaft schieben sofort einen Riegel vor und rufen: Nein, nein, nein. Glück, Selbstverwirklichung, Persönlichkeit, das ist nicht meßbar, das kann man nicht quantifizieren, deshalb sind das bloße Abstraktionen, und willkürliche Abstraktionen, das sind Einnahmen, die nicht quantifizierbar sind. Profit kann man quantifizieren. Ressourcen, die einen Preis haben, kann man quantifizieren. Deshalb muß es heißen: Das Ziel wirtschaftlicher Aktivität ist die Maximierung der Einnahmen, ohne Rücksicht auf und unabhängig von Konsequenzen für Glück oder Unglück und die Entwicklung oder Verkümmerung menschlicher Talente. Das ist das eigentliche Übel am Kapitalismus, und das ist auch der Grund, warum das kapitalistische Wirtschaftswachstum das Überleben des Menschen bedroht. Angesichts des heutigen wissenschaftlichen und technologischen Potentials der Menschheit ist es einfach absurd und irrational, die vorhandenen Ressourcen weiterhin nur mit dem Maßstab der Einnahmenmaximierung zu messen, insbesondere der Einnahmen jener, die das Wirtschaftssystem kontrollieren, also der Profitmaximierung.
Das hat auch Heinrich Böll kürzlich geäußert, als er die Frage stellte, welche Art und wie viele Arten von Gewalt sich in und hinter einer Profitgesellschaft verbergen. Das ist es. Die Gewalt, die von einer Profitgesellschaft hervorgebracht wird, genau davon sprechen doch auch Sie. Das Wort Gewalt wäre zu eng. Es handelt sich um die Summe aller Ungerechtigkeiten, Zwänge und Frustrationen, aller Ungleichheit und Verschwendung, aller schlechten, unsozialen, unmenschlichen, unmoralischen Auswüchse einer Gesellschaft, die auf Konkurrenz, auf dem Kampf aller ums Überleben beruht. Dies sind die Erzübel, die letztendlich an der ungeheuerlichen Verschwendung von Ressourcen, menschlichen und materiellen Ressourcen, schuld sind, die heute durch die ökologische Krise zutage tritt.
Auf einer Versammlung der holländischen Jungarbeitergewerkschaft fragte MansholtGa naar eind1 die Anwesenden, ob sie bereit seien, den Reichtum unseres Teiles der Welt mit den unterentwickelten Ländern zu teilen. Sie antworteten: Ja, aber nicht, solange das kapitalistische System herrscht. Mansholt wurde dann gefragt, warum er noch an der Spitze des Systems arbeite. Er erwiderte, das sei die einzige Möglichkeit, um etwas von innen zu tun. Ich bin anderer Ansicht. Ich bin anderer Ansicht, weil die Irrationalität des Systems so groß, so monströs und allumfassend ist, daß man es nicht von innen ändern kann. Wenn man das System von innen zu verändern sucht, wird man nur eines erreichen, nämlich neue Wider- | |
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sprüche, neue Formen der Verschwendung, neue Formen der Ungerechtigkeit an die Stelle der alten zu setzen. Ich will Ihnen nur ein Beispiel nennen. Die große ökologische Krise hat unter den Wirtschaftswissenschaftlern heftige Diskussionen ausgelöst. Von Apologeten des kapitalistischen Systems ist folgender Vorschlag gemacht worden: Da viele der Fehlentscheidungen über Technologie und Investitionen, die zu der Umweltkrise geführt haben, durch kostenlose Güter verursacht werden, schaffen wir doch einfach die kostenlosen Güter ab. Wenn die Luft etwas kostet, wenn das Wasser etwas kostet, dann wird die Verschwendung dieser Ressourcen aufhören. Die Folgen können Sie sich ausmalen. Wir werden zahlen müssen, um atmen zu dürfen, dabei ist die Erwartung, daß dadurch die Luftverschmutzung beseitigt würde, nicht einmal gerechtfertigt. Denn unter den gegenwärtigen Wirtschaftsbedingungen ist die Macht der großen Monopole so groß, daß sie alle zusätzlichen Kosten, die ihnen für Luftverschmutzung auferlegt werden, auf die Verbraucher abwälzen können. Die breite Masse würde schließlich für ihre Fehlentscheidungen zahlen. Das würde diese Fehlentscheidungen nicht aus der Welt schaffen.
Sie haben kürzlich mit Mansholt diskutiert. Welche Einstellung haben Sie zu ihm? Er tut, was er kann, als Sozialdemokrat, als liberaler Reformer. Er ist ein netter Mensch, ich ziehe ihn natürlich Konservativen, Reaktionären und Faschisten vor. Es ist ein ‘kleineres Übel’ für die Gesellschaft und die Arbeiterbewegung, von solchen Menschen verwaltet zu werden, und nicht von Reaktionären, aber sie können kein Problem lösen. Die Bilanz seiner Agrarpolitik in der Europäischen Gemeinschaft ist eine eindeutige Bestätigung meiner Behauptung. Die globale Irrationalität des Wirtschaftssystems, in dem wir leben, erweist sich klar an dieser schrecklichen Entwicklung, die sich in den letzten sieben, acht Jahren in der Landwirtschaft vollzogen hat, weil wir gezwungen sind, innerhalb der Marktwirtschaft zu verharren, in Kapitalpreisen, Kapitaleinnahmen und Kapitalinvestitionen zu rechnen. Erst mußte Butter vernichtet werden, weil angeblich zuviel Butter da war, 250000 Tonnen unverkäufliche Butter in der EWG. Dann hieß es, eine Viertelmillion Kühe müsse geschlachtet werden, weil angeblich zu viele Kühe vorhanden waren, die zuviel Butter produzierten. Dies war bereits eine Obszönität - in einer Welt, in der so viele Menschen hungern, in der nördlichen Hemisphäre Nahrungsmittel zu vernichten, unter dem Vorwand, es sei örtlich zuviel vorhanden, um es mit Profit verkaufen zu können. Aber nach ein paar Jahren machten diese weisen Administratoren eine schokkierende und unvorhergesehene Entdeckung: Wenn man weniger Kühe hat, bekommt man weniger Kälber, und wenn man weniger Kälber hat, hat man weniger Fleisch. Jetzt sind sie darauf gekommen, daß in | |
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Westeuropa ein Defizit von einer Million Tonnen Fleisch (Kalb- und Rindfleisch) besteht, und die Fleischpreise steigen und steigen. Wäre es nicht tausendmal vernänftiger gewesen, den tatsächlichen Butter- und Fleischbedarf der Europäer zu errechnen, den Bauern ein von Preisschwankungen unabhängiges Einkommen zu garantieren und der Dritten Welt die Produktionsüberschüsse zu schenken? Selbst von einem rein ökonomischen Standpunkt aus wäre diese Lösung mit weniger Verschwendung verbunden gewesen als die ständigen Zyklen von Überproduktion und Unterproduktion, Schleuderpreisen und Wucherpreisen, die Herr Mansholt in den letzten Jahren der EWG bescherte. Nicht weil er es wollte, sondern weil er als Verwalter dieser kapitalistischen Marktwirtschaft dazu gezwungen war.
Herbert MarcuseGa naar eind2 zitiert Sie in Zusammenhang mit der Frage der Arbeiter und der permanenten Revolution. Inwieweit können die Arbeiter in diesem Teil der Welt zu einer rationaleren Gesellschaftspolitik beitragen? Letzten Endes hängt alles von der Arbeiterklasse ab. Sie ist die einzige Klasse, die imstande wäre, die Gesellschaft von Grund auf anders zu organisieren, als sie es heute ist. Sie wäre dazu imstande, aber ich zweifle, ob sie es tun wird. Sonst wäre ich nicht in der revolutionären Bewegung, in der ich bin. Ich glaube, daß die Arbeiter gebildet, organisiert und auf ihrem Weg unterstützt werden müssen. Sie verfügen als einzige Kraft über das nötige physische und gesellschaftliche Potential, um Produktion und Konsumption auf eine radikal andere Basis zu stellen, als dies in der Marktwirtschaft der Fall ist, eine Basis, die Marx als Genossenschaft der Produzenten bezeichnete. Produzenten und Konsumenten einer Gesellschaft sollten im voraus bewußt, überlegt, demokratisch und wohlinformiert Prioritäten und Art des Einsatzes der ökonomischen Ressourcen festlegen. Dadurch würden 95 Prozent all jener Vorgänge eliminiert, die zu der ökologischen Krise führten. Nur durch eine solche Wirtschaftsform - eine sozialistische Planwirtschaft auf der Grundlage demokratischer Selbstverwaltung - kann man des anarchistischen, krebsartigen Wachstums Herr werden und es durch gezähmtes Wachstum, wie ich es nennen würde, ersetzen, ein Wachstum, das auf der Basis bestimmter vorrangiger Ziele unter die Kontrolle der Menschheit gestellt wurde.
Ist die Expansion der Technologie die Hauptursache der gegenwärtigen Umweltkrise oder der gefährlichen Situation auf unserem Planeten? Nein, das glaube ich nicht. Die Technologie hat der Menschheit gewaltig geholfen, sie hat das Leben erleichtert und eine sozialistische Gesellschaft möglich gemacht, eine Gesellschaft gleicher und freier Menschen. Schlecht an der Technologie war ihre irrationale Unterwer- | |
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fung unter private Profitinteressen. Ich würde sagen, in den letzten dreißig oder vierzig Jahren haben die destruktiven Folgen der Technologie zugenommen, auf Grund einer, wie man jetzt sieht, irrationalen Entwicklung. Es ist falsch zu sagen, jede Weiterentwicklung der Technologie erhöhe die Gefahren für die Umwelt.
Sie scheinen ähnlich wie Barry CommonerGa naar eind3 zu argumentieren. Ja, ich glaube, Commoner und einige andere Ökologen haben viel zu einem besseren Verständnis dieses Problems beigetragen, sie versuchen, von den mystischen und irrationalen Ansätzen, wie ich es nennen würde, wegzukommen. Alles begann mit der unverantwortlichen Anwendung der Technologie, einer Anwendung, die sich nicht auf richtige Berechnungen und Beurteilungen des menschlichen Wohlergehens stützte, sondern sich in verantwortungsloser Weise einigen mächtigen Privatinteressen unterordnete. Ich will Ihnen zwei Beispiele nennen. Das eine ist die Entwicklung des Automobils. Viele verschiedene Arten von Autos waren möglich. Der Typ, für den man sich entschied, hätte unter Vermeidung der Luftverschmutzung, die uns so zu schaffen macht, entwickelt werden können. Die Entwicklung erfolgte auf unverantwortliche Weise auf Grund von Entscheidungen der Schlüsselmonopole in den USA, machtvoll unterstützt durch die Regierung. Das zweite, von Commoner zitierte Beispiel betrifft die Ablösung der Seife durch die Detergenzien. Dies hat mit der Entwicklung der chemischen Industrie in den letzten dreißig Jahren zu tun. Hier reicht der marxistische Volkswirtschaftler dem Biologen und dem Ökologen die Hand. Commoner weist darauf hin, daß die chemische Industrie einen wahren ökologischen Alptraum hervorgebracht habe, wirft sie doch eine Flut immer neuer Produkte auf den Markt, deren Langzeitwirkung auf die Umwelt keinesfalls erforscht ist. Der marxistische Volkswirtschaftler erklärt, warum. Die monopolistischen Extraprofite, mit denen wir es heute zu tun haben, werden in der Hauptsache durch die Erträge technischer Innovationen erzielt. Man muß ständig neue Produkte auf den Markt bringen, um solche Übergewinne zu erzielen. Sie fließen nicht unbegrenzte Zeit, meist nur fünf oder sechs Jahre lang. Commoner erklärt, daß man mehr als sechs Jahre braucht, um die Auswirkungen der neuen Produkte auf die Umwelt zu studieren. Hier haben Sie ein Miniaturmodell des Zusammenhangs zwischen Kapitalismus, Profitmotiv und ökologischer Krise.
Was werden die nächsten zwanzig Jahre dem Menschen bringen? Ich glaube, das Ende des 20. Jahrhunderts wird entscheidend für die Geschichte der Menschheit sein. Wir stehen schon seit mehreren Jahrzehnten vor der großen Wahl, die die klassischen Marxisten auf die Formel Sozialismus oder Barbarei brachten. In der Vergangenheit hat | |
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man das für eine Propagandaformel gehalten. Wir wurden Zeugen des Zweiten Weltkriegs. Wir wurden Zeugen von Auschwitz und Hiroschima. Wir leben unter der Drohung des Atompilzes. Jetzt leben wir außerdem unter der Drohung einer Umweltkatastrophe, die der Meadows-Bericht den Menschen zu Recht ins Bewußtsein rief, ob seine Berechnungen nun richtig oder zu pessimistisch sind. Wir haben klar begriffen, daß diese Alternative, Sozialismus oder Barbarei, sehr konkret geworden ist. Diese Frage wird wahrscheinlich vor Ende dieses Jahrhunderts entschieden werden. Die Menschheit kann sich nicht länger den Luxus freien Unternehmertums im Weltmaßstab leisten, das heißt einer freien, verantwortungslosen Ausbeutung der vorhandenen Rohstoffe. Eine weltweite, geplante sozialistische Wirtschaft muß an ihre Stelle treten. Diese muß mit mehr Demokratie und größerer Freiheit für den einzelnen einhergehen. Das ist meine Überzeugung. Es muß sich unter solchen Umständen vollziehen, denn es gibt keinen Anführer, kein ‘Organisationsteam’ und keinen Computer, die drei Milliarden Menschen diktieren könnten, was sie zu tun haben. Man kann dieses Problem nur lösen, indem man Bedingungen herbeiführt, unter denen die Menschen diskutieren und selbst entscheiden, welche rationalen Maßnahmen ergriffen werden sollen. Zunächst, wie die Prioritäten lauten und wie hart man bereit ist, für sie zu arbeiten. Keine durch Zwang auferlegte Entscheidung wird auf lange Sicht tragen. |