Gellert und Holland
(1928)–W.J. Noordhoek– Auteursrecht onbekend
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Gellert als Dichter Geistlicher LiederDie geistliche Poesie hat sich bei den zünftigen Dichtern niemals eines guten Rufs erfreuen dürfen. Freilich hat das seinen guten Grund. Auf diesem Gebiet ist viel gesündigt worden. Manche geistlichen Lieder könnten zu der Auffassung führen, daß zwischen dem religiösen Inhalt und der poetischen Form ein schroffer Gegensatz bestehen müßte, und der fromme Gedanke muß dann über die mangelhafte Form hinweghelfen. Es ist schwer, hier richtig zu urteilen. Für diese Art der Poesie ist der Inhalt ungleich wichtiger als bei der weltlichen Dichtung. Es ist möglich, daß das religiöse Bedürfnis voll und ganz befriedigt wird, während der künstlerische Sinn dabei zu kurz kommt. Was fällt nun mehr ins Gewicht, die Religion oder die Kunst? Von der Antwort, die der Beurteiler auf diese Frage gibt, wird seine Ansicht über ein geistliches Lied abhängen. Gellert schreibt über diese Poesie sehr Lesenswertes in der Einleitung zu seinen geistlichen Oden und Liedern. Auch er konstatiert die geringe Beliebtheit dieser Dichtungsgattung bei bedeutenderen Dichtern. Er sucht den Grund dafür in einer gewissen Überhebung des gelehrten Poeten, der diese Lieder unter seiner Würde glaubt. Der Rationalist aus Gellerts Zeit mag über manches geistliche Lied die Achseln gezuckt haben, von seinem Standpunkt mit Recht. Hier ist Gellert der Mann, der die Rolle des Vermittlers | |
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spielt. Selbst ist er äußerst korrekt in der Form, aber diese Korrektheit der eigenen Verse hindert ihn nicht daran ein holpriges Gedicht aus älterer Zeit zu loben, wenn das Ganze auf das religiöse Gemüt den Eindruck des wahrhaft Empfundenen macht. Kann ein regelwidriges Volkslied den Hörer ergreifen, wie sollte das nicht der Fall sein, wo die erhabensten Empfindungen des menschlichen Herzens nach Ausdruck ringen? Keine Ode des Horaz oder Pindars tröstete den Utrechter Professor WesselingGa naar voetnoot1) auf seinem Sterbebett, sondern ein veraltetes Liedchen von Nikolaus Hermann: Wenn mein Stündlein vorhanden ist. Für Gellert war der Inhalt wichtiger als die Form; er ist aber, wie gesagt, weit davon entfernt die Form zu vernachlässigen. Für ihn ist das geistliche Lied, das nach Inhalt und Form den strengsten Anforderungen entspricht, das Höchste, was in der Poesie geleistet werden kann. Gellert will ja die Poesie zur Dienerin der Moral oder vielmehr der Religion machen, auch an die Musik denkt er in diesem Zusammenhang. Seinen Liedern legt er gern eine altbekannte Melodie zugrunde, während C.P.E. Bach u.a. durch sie zu neuen Kompositionen angeregt wurden. Die Sangbarkeit der meisten Gellertschen Lieder ist nicht ihr geringster Vorzug. Das gesungene geistliche Lied ist das Ideal Gellerts. Bekannt sind seine WorteGa naar voetnoot2): ‘Scaliger sagt von einer gewissen Ode des Horaz, daß er lieber der Verfasser derselben als König von Arragonien sein möchte. Ich weiß alte Kirchengesänge, die ich mit | |
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ihren Melodien lieber verfertigt haben möchte als alle Oden des Pindar und des Horaz. Man wird es mir nicht zutrauen, daß ich die Meisterstücke des menschlichen Witzes verachte, aber wenn es selbst die heidnischen Dichter für eine Pflicht oder für eine Ehre gehalten, die Poesie ihrer verderbten Religion zu widmen: sollten sich christliche Dichter zu keiner Pflicht, zu keiner Ehre machen, für eine göttliche Religion zu dichten?’ Sich der geistlichen Poesie zu widmen ist mithin für den christlichen Dichter Ehrenpflicht. Aber die christliche Gesinnung allein genügt nicht. Sehr nüchtern urteilt GellertGa naar voetnoot1): ‘Man kann ein sehr gutes Herz, auch Verstand und Wissenschaft und doch einen üblen Geschmack besitzen’. Gellerts erste Forderung ist allgemeine Deutlichkeit, dann eine gewisse Stärke des Ausdrucks, die nicht sowohl die Frucht und der Schmuck der Poesie als die Sprache der Empfindung und die gewöhnliche Sprache des denkenden Verstandes ist. Es soll in geistlichen Liedern zwar die übliche gewählte Sprache der Welt herrschen, aber noch mehr, wo es möglich ist, die Sprache der Schrift. Dann unterscheidet Gellert Lehroden und Oden für das Herz, je nachdem sie sich mehr an den Verstand oder an das Herz richten. Weiter bleibe der Inhalt Hauptsache. Ausdrücklich sagt Gellert, daß man bei den geistlichen Gesängen, die nicht wie die andren Arten der Poesie das Vergnügen zu ihrer Hauptabsicht haben, für den Wohlklang weniger besorgt sein soll als für das Nachdrückliche und Kräftige: ‘Das Ohr leide bei einer kleinen Härte, bei einem abgerißnen e, bei einem nicht ganz reinen Reime, wenn nur das Herz dabei gewinntGa naar voetnoot2). Dennoch geben Gellerts | |
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Freunde ihm gern das Zeugnis, daß er auch die Form seiner Lieder nach Kräften pflegte. Er fühlte selbst wohl, daß sie sich nicht alle gleich gut singen ließen, fand sich aber schon belohnt genug, wenn man sie mit Erbauung lesen konnte. Ebenso wie mit seinen Fabeln erreichte Gellert mit seinen geistlichen Gesängen die weitesten Kreise. Der Bauer sang sie hinter dem Pfluge, der Hausvater las sie seiner Familie vor, die Gemeinde sang sie in der Kirche. Die schönsten wurden alsbald in das Evangelische Gesangbuch aufgenommen. Noch heute sind sie daher unvergessen. Beachtenswert ist der Aufsatz Über Lavater und GellertGa naar voetnoot1), in dem Dr. K.J. Nitzsch diesen verehrten Dichtern des 18. Jahrhunderts noch im Jahre 1857 das größtenteils verlorene Ansehen wiederzugewinnen sucht: Er schreibtGa naar voetnoot2): ‘Nach Vilmars Urteil sind die Gellertschen Fabeln der Anfang des Besseren, die Lieder aber der Anfang des Verfalls. Trotzdem scheinen die Fabeln sich mehr ins Gedächtnis des deutschen Volkes zurückzudrängen als die Lieder’. Nitzsch hebt hervor, daß Gellert sich einer apologetischen Pflicht gegen sein Volk bewußt ist: ‘Bildung und Christentum sollen sich nicht abstoßen, noch getrennt neben einander stehen und gehen, sondern sie sind einander zugänglich und verwandt, sie sind eins’ (S. 58). Besonders die Lehrgedichte enthalten manches, was den Orthodoxen zu rationalistisch klang und es läßt sich kaum leugnen, daß Gellert, trotz seiner aufrichtigen Herzensfrömmigkeit, in seinen religiösen Anschauungen den Einfluß seines Jahrhunderts verrät. Auch bei ihm nimmt die Vernunft einen Ehrenplatz ein. Doch nimmt der | |
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Theologe Nitzsch den Dichter gegen allzu heftige Angriffe in Schutz. Bloß um in möglichst weite Kreise vorzudringen, gebraucht Gellert Ausdrücke wie ‘gutes Gewissen’, ‘Vergnügen’, ‘Pflicht’. Doch redet der Dichter eine deutliche Sprache im Passionslied (S. 154): Vereint mit Gott, ein Mensch gleich uns auf Erden,
Und bis zum Tod am Kreuz gehorsam werden;
An unsrer Statt gemartert und zerschlagen,
Die Sünde tragen;
Nitzsch lobt die Einfalt und Schönheit der Gellertschen Lieder und schließt kräftig: ‘Indem er nicht nach hohen Dingen trachtete, sondern sich herunter hielt zu den Niedrigen, hat er Großes erreicht. Zeitliche Laune, kunstrichterlicher Verdruß, Vorurteil gegen jedes Gewächs des Aufklärungsjahrhunderts und gar einseitige Vorliebe für Trotzigeres und Überschwenglicheres, wenn auch Abgeschmackteres werden ihm davon nichts nehmen können, ächte Wertschätzung des kräftigeren Ältern ihm davon nichts nehmen wollen’. (S. 76). Dabei bleibe es; ein Dichter ersten Ranges ist Gellert nicht, aber seine Lieder bleiben für viele verwandten Seelen ein wertvoller Besitz. Ebenso wie die Fabeln wurden auch die Lieder Gellerts in mehrere Sprachen, ins Französische, Dänische, Russische, Holländische übersetzt. J.E. GraveGa naar voetnoot1) besorgte die Übersetzung in unsre Sprache. Er hat das Versmaß des Originals nicht immer beibehalten und dadurch der Sangbarkeit ernstlich geschadet. Die Ned. BibliotheekGa naar voetnoot2) begrüßt diesen Versuch mit herzlichen Worten, | |
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beanstandet aber manches Platte und Regelwidrige und fordert die ‘Kenner der Dichtkunst’ auf, sich auch der religiösen Poesie zu widmen. Diese Aufforderung läßt für das damalige Holland auf ähnliche Verhältnisse schließen wie Gellert sie für Deutschland in seiner mehrfach besprochenen Einleitung erwähnte. Dennoch dürfen hier einige Namen von Männern genannt werden, die sich auf diesem Gebiete Verdienste erworben haben. Zunächst D. Ahasverus van den Berg, Pfarrer in Arnheim. Dieser hat sich nach Kräften bemüht den Kirchengesang durch die Einführung eines Gesangbuches zu verbessern. Freilich stieß er dabei auf zähen Widerstand, war man doch kaum noch an die neuen Psalmen gewohnt. Bevor das neue kirchliche Gesangbuch zustande kam, veröffentlichte Van den Berg vier BändchenGa naar voetnoot1) Proeven van geestlijke Oden en Liederen. Das erste Bändchen enthält nichts von Gellert und zwar auf Wunsch einiger Amsterdamer Dichter, die eine vollständige Übersetzung der Gellertschen Lieder im ursprünglichen Versmaße vorhatten. Diese ‘Amsteldamsche dichters van naam’, wie van den Berg sie nennt, sind wohl dieselben wie die Fabelübersetzer. Es findet sich nämlich in der Meyerschen Ausgabe der Fabeln von 1774 folgende Anzeige: ‘Nog zal bij hem (Meyer) eerstdaags uitkomen: Gellert's Mengelschriften, welk werk gevolgd staat te worden door een dichtkundige vertaaling van deszelfs Liederen, met de fraaye muziek, daartoe gecomponeerd’. Es ist offenbar nichts daraus geworden. Van den Berg beschwert sich wiederholtGa naar voetnoot2) darüber, hatte er doch aus lauter Höflich- | |
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keit einige Übersetzungen von seiner Hand zurückgehalten. Einige Lieder sind sowohl von Van den Berg wie von Van Alphen (in seiner Stichtelijke Mengelpoezij) übersetzt worden, z.B. das Weihnachtslied: ‘Auf, schicke dich’, die Prüfung am Abend: ‘Der Tag ist wieder hin’. Man kann sich beim Vergleichen der beiden Übersetzungen des Eindrucks nicht erwehren, daß es keine falsche Bescheidenheit ist, wenn Van den Berg in der Einleitung von seinem ‘natuurgaafje’ spricht. Dennoch fanden seine Lieder treue Leser, die ihn zu immer neuen Übersetzungen anregten. Nicht nur Gellert, auch Lavater, Cramer, Klopstock wurden übertragen. Dem Arnheimer Pastor gebührt das Lob, daß er selbst Hand ans Werk gelegt und den Erbauungsbedürftigen eigene und fremde sangbare Lieder geboten hat. Auch über die theoretischen Anforderungen, die einem geistlichen Liede gestellt werden müssen, hat er nachgedacht. Diese Gedanken veröffentlicht er im Jahre 1802 unter dem TitelGa naar voetnoot1): Gedachten over geestlijke Oden en Liederen, inzonderheid tot gebruik bij den openbaren godsdienst. In diesem Büchlein gibt Van den Berg erst die Ideen einiger bekannten Liederdichter wie Munter, Ewald, Klopstock und Gellert, ‘der bei den Holländern fast ebenso bekannt ist, wie bei den Deutschen’ (S. 58). Gellerts ganze Einleitung zu seinen geistlichen Liedern ist hier übersetzt. Viel Wichtiges hat der Übersetzer nicht hinzuzufügen. Auch er unterscheidet Lehrgedichte und Kirchenlieder in engerem Sinne. Auch er empfiehlt die Sprache der Bibel; besonders eine Strophe abzuschließen seien Bibelsprüche recht geeignet; die Sprache soll so sein, daß der gemeine Mann sie | |
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versteht: die Poesie sei eine Dienerin im Hause des Herrn und solle sich keinen allzu weltlichen Putz erlauben. Es gereicht den holländischen Dichtern nicht zur Ehre, meint er, daß die meisten geringschätzig auf das geistliche Lied herabsehen und man gezwungen ist sich ans Ausland zu wenden. Vondel wäre wohl der Mann gewesen das geistliche Lied zu heben, bei ihm hört man auch in religiösen Sachen die Sprache des Herzens. Revius und Lodensteyn findet Van den Berg veraltet, Vollenhove zu weitschweifig, während andre wie Boddaert, Voet, Schutte bei ihren geistlichen Liedern nicht an den Gemeindegesang gedacht haben. Sein Rat (S. 125) charakterisiert ihn selbst: ‘Jonge dichters, wier eerste vlucht doorgaands de hoogte zoekt, of die in den overdreven sentimenteelen toon van den tegenwoordigen tijd vallen, zullen hun verbeeldingskracht en stijl moeilijk in die palen dwingen kunnen, in welke wij gezien hebben, dat zich de dichter van een goed kerklied houden moet. Wij zouden dat meer verwachten van dichters, bij wien de aandrift, door de jaren en de oefening, merkelijk getemperd is.’ Ähnliche Betrachtungen über geistliche Lieder und ihre Dichter finden wir in Van Alphen und Van de Kasteele's Stichtelijke MengelpoezijGa naar voetnoot1). Sie treten mutig für diese christliche Poesie in die Schranken und schreiben: ‘Maar noch ons gebrekkig zingen, noch het klein getal dergenen, die in den uitmuntenden rei van Neerlands Dichterdom hun lier aan Jezus hebben gewijd en daarin hun eer stellen, dat zij in de schaduw van Gods vleugels vroolijk zingen, moet iemand doen denken, dat de geestelijke Dichtkunde binnen nauwe palen | |
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beperkt is!’Ga naar voetnoot1) Van Alphen ist unbedingt dichterisch begabter als der Arnheimer Pastor. (Wir nennen hier bequemlichkeitshalber nur Van Alphen und lassen die Frage, welche Lieder von Van de Kasteele verfertigt sindGa naar voetnoot2), unbesprochen). Für van Alphens geistliche Dichtung ist besonders Gellert das Vorbild. Daß er dessen Regeln in glücklicher Weise befolgt, bescheinigt ihm ausdrücklich der Rezensent der Ned. BibliotheekGa naar voetnoot3): ‘over 't geheel beantwoordt deze poesie aan de regelen, die de groote Gellert daarvoor geeft.’ Ebensowie Gellert erwartete Van Alphen viel von der Verbindung der Poesie mit der Musik. Er hat denn auch bei seiner Übertragung zwölf Gellertscher LiederGa naar voetnoot4) das Versmaß des Originals genau berücksichtigt, mit der ausgesprochenen Absicht die Bachsche Musik auch für die holländischen Gesänge verwenden zu können. Diese Liebe zur Musik veranlaßte auch Van Alphens berühmte Kantate De Starrenhemel und De Doggersbank, während der Ästhetiker Van Alphen sich über das Verhältnis der Musik und der Poesie in seinen Aanmerkingen bij gelegenheid der voorgaande cantaten verbreitetGa naar voetnoot5). Es müssen hier einige VerseGa naar voetnoot6) von Van Alphen angeführt werden, in denen der Dichter seine Verehrung für Gellert ausspricht. Gellert gehört zu seinen ‘unbekannten Freun- | |
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den’, an die Van Alphen auf seinem Studierzimmer denkt. En zou ik niet den vroomen Gellert roemen,
Hij leefde en leeft ook nog voor mij.
Ik mag met Cronegk hem mijn vriend en leeraar noemen;
Wat mensch was trouwer vriend, dan hij?
Of heeft hij nu dat teder hart verloren?
Ligt dat gezonken in het graf?
Neen, vrienden na zijn dood geboren,
Wijst nooit een Gellert af.
Ik agt mijn Gellert hoog, ver boven valsche vrinden,
Wier pen, gedoopt in zagt venijn,
Mijn hart en brein vervoeren of verblinden,
Ja meer dan menschenhaters zijn.
Geen geest, geen smaak heeft op mijn hart vermogen,
Die deugd en godsdienst lagen legt;
Of ons, door droefheid neergebogen,
Een eeuwigheid ontzegt.
Wurden mehrere Lieder von Gellert mit Erbauung von der Gemeinde gesungen, Van Alphen bestimmte besonders für den Kirchengesang ein Bändchen Proeve van liederen en gezangen voor den openbaren godsdienstGa naar voetnoot1). Seine Absicht, dem neuen Liederbuche Beiträge zu liefern, spricht er folgendermaßen aus: ‘Het is goed, dat David verzamelt, opdat Salomo de handen des te ruimer, onder het bouwen, hebbe’Ga naar voetnoot2). Leider hat der Dichter die Einführung des neuen Liederbuches (1805) nicht mehr erlebt. Zu seinen darin aufgenomme- | |
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nen Liedern gehören auch einige Übersetzungen von Gellert, z.B. Kruiszang ‘Leer mij, o Heer! Uw lijden regt betrachten’, Eerste Kerslied, (‘Komt blij van geest’), Tweede Kerslied (‘Dit is de dag, dien God ons schenkt’). Van Alphens Jugendfreund, Mr. P.L. van de Kasteele, der bekanntlich an der Stichtelijke Mengelpoezij mitarbeitete, gab 1790 selbst GezangenGa naar voetnoot1) heraus, aus denen auch einige für das neue Liederbuch gewählt wurden, so: ‘Kom, Christenschaar, kom knielen wij voor Jezus onzen Koning’, und ‘Daar is die zegenrijke nacht’.... Übrigens ist hier Gellerts Einfluß weit geringer als der Klopstocks, der sofort ins Auge springt. Man lese nur: De Mensch bij God. Wat ben ik bij U? Ondenkbare! Eeuwige!
Wiens naam te noemen geen Seraph vermag!
'k Verdwijn als een stofje voor 't oog van den Seraph!
Wat ben ik bij U?
Auch die reimlosen Verse von Aan God (S. 5) und 't Feest der Christenen (S. 12) sind durchaus Nachahmung Klopstocks. Der Anfang dieses letzten Gedichtes genügt, dies zu zeigen: Toen de Almagt weerelden, duizenden voortbragt,
En de aarde neerzonk, onder die duizenden,
Vast op haar grondvest; vierden Gods Englen,
Schepping! Uw Geest.
Freilich das schöne Jesus gebooren (S. 17): Daar is die zegenrijke Nacht,
Waarin 't gesternt, met nieuwe pracht,
En 't Englenheir, met nieuwe vreugd,
Zich over Jezus komst verheugt,
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erinnert stark an Gellerts Weihnachtslied: ‘Dies ist der Tag, den Gott gemacht’ -, wie denn überhaupt die gereimten Verse mehr in dessen Ton gehalten sind. Ein andrer vaterländischer Dichter, der sich die geistliche Poesie angelegen sein ließ, war Rhijnvis Feith. Ebensowie Van Alphen veröffentlichte er 1804 mit Rücksicht auf die bevorstehende Reform des Kirchengesangs Proeven van eenige GezangenGa naar voetnoot1). In einer ausführlichen Einleitung, betont er die Notwendigkeit einer neuen Liedersammlung für den kirchlichen Gesang. Er verspricht sich eine segensreiche Wirkung von einem vielgesungenen geistlichen Liede und erinnert dabei an die Volkstümlichkeit der Gellertschen Lieder in Deutschland. Bei der Erwähnung von Gellerts Einteilung in Lehroden und Oden für das Herz, zeigt sich Feith der Lehrode, freilich in kurzer Fassung, auch für den Kirchengesang nicht abhold. Ein solches Lied könnte dazu beitragen der Gemeinde den Hauptgedanken der Predigt noch einmal einzuprägen. Feiths Stimme galt viel in der Versammlung, die das neue Gesangbuch vorbereitete, aber Lehroden in eigentlichem Sinne sind doch nicht darin aufgenommen worden. Freilich ist die Grenzlinie nicht immer scharf zu ziehen. Mancher Gesang enthält so viel des Dogmatischen, daß er dadurch der Lehrode sehr nahe kommt. Von Gellert bietet Feiths Proeven nur die freie Bearbeitung ‘eines der schönsten Lieder’: De dagelijksche herinnering aan den doodGa naar voetnoot2). Es braucht übrigens keiner großen Anzahl Übersetzungen, auch für Feith die Bedeutung Gellerts darzulegen. Abgesehen | |
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noch davon, daß Feith ebenso wie Gellert seinen Liedern Melodien bekannter Gesänge zugrunde legte, daß er sich ebenso wie van Alphen an einigen Kantaten versuchte, der Geist, der aus den Versen des holländischen Dichters spricht ist dem des verehrten deutschen aufs innigste verwandt. Lieder wie: ‘Hoe zacht zien wij de vroomen, den dood hier zonder schromen, Blijmoedig tegengaan’ oder das bekannte: ‘Uren, dagen, maanden, jaren’ könnten von Gellert verfaßt worden sein. Dieselbe Geistesverwandtschaft zeigen Van den Berg, Van Alphen, Van de Kasteele. Auch in ihren Liedern fühlt man die Herzensfrömmigkeit, die Gellerts geistliche Poesie, sogar über die Schranken seiner Kirche hinaus, so beliebt machte. Das Oben gesagte berechtigt uns von einer gewissen Blüte der geistlichen Dichtung in Holland am Ende des 18. Jahrhunderts zu sprechen. Zugleich aber glauben wir gezeigt zu haben, daß es Gellert ist, der auf Inhalt und Form dieser Poesie sein unverkennbares Gepräge gedrückt hat. |
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