Gellert und Holland
(1928)–W.J. Noordhoek– Auteursrecht onbekend
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Beziehungen zwischen Deutschland und HollandEs wird sich in der Folge zeigen, daß die Holländer in der zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts sich ihre Kenntnis des deutschen Geisteslebens im Wesentlichen durch Übersetzungen erwarben. Eine Frage, die sich also zunächst aufdrängt, ist: wie stand es damals um das Studium und die Kenntnis der deutschen Sprache? Heutzutage wäre eine solche Frage überflüssig: ist doch jeder Gebildete imstande ein deutsches Buch zu verstehen. Damals aber ließ die Kenntnis des Deutschen, auch in den gebildeten Ständen, fast alles zu wünschen übrig. Der vornehme Holländer las Französisch, zur Not Englisch, die deutsche Sprache aber kam für ihn kaum in Betracht. Bezeichnend für diese Sachlage ist ein Katalog der Haager Buchhändler Gosse und Pinet, der Herausgeber der Vierteljahrsschrift Bibliothèque des Sciences et des Beaux Arts. Dieser 1766 erschienene Katalog enthält die Titel vieler französischen und lateinisched Schriften, aber keinen einzigen deutschen. Auch ohne Kenntnis der deutschen Sprache konnten übrigens die Leser der Bibliothèque einen Eindruck von der zeitgenössischen deutschen Literatur bekommen. Derselbe Band der Bibliothèque des Sciences et des Beaux Arts, der den eben genannten Katalog enthält, ist ein Inhaltsverzeichnis der ersten 24 Jahrgänge. Dieses Verzeichnis nennt Werke von Abbt, Lessing, Gellert, Geszner, Rabener. Schlägt man die betreffenden Bände auf, dann findet | |
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man manchmal recht ausführliche Ankündigungen. Nur ist dabei charakteristisch, daß der deutsche Titel immer ins Französische übertragen wird. Bei lateinischen Schriften hielt man das offenbar für überflüssig. Die Deutschlosigkeit des Haager Katalogs stimmt sehr wohl mit andren Tatsachen überein. So gab es in dem vornehmen Hause D.J. van LennepsGa naar voetnoot1) keine deutschen Bücher, nur französische und englische. Johan Valckenaar konnte kein Deutsch. Gijsbert Karel van Hogendorp mußte deutsche Nachrichten für seine Freunde ins Holländische übersetzen. Sogar Betje WolffGa naar voetnoot2) begnügte sich mit Übertragungen von Haller, Hagedorn, Geszner und noch im Jahre 1776 gesteht sie, daß sie nicht imstande ist, Jerusalems Werke im Original zu lesen. Auch Frans van Lelyveld, der Mitbegründer der Maatschappij der Nederlandsche Letterkunde, verlegt sich erst verhältnismäßig spät auf das Studium des Deutschen, wofür ihm sein Freund van Goens Gottscheds Grammatik empfiehlt. Von dieser Grammatik erschien 1772 eine holländische BearbeitungGa naar voetnoot3). Der Ankündigung in den Vad. Letteroef. (1772, I, 47, 48) entnehmen wir Folgendes: ‘Nademaal het naburige Duitschland, in de latere jaren, een aantal van schrijvers heeft uitgeleverd, welker schriften de aandacht der leesgierigen ook onder andere volken trekken | |
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en men zich aldaar meer dan voorheen gezet heeft, om in de eigen tale van 't land, of het Hoogduitsch, te schrijven, zo is het leeren der Hoogduitsche sprake in onze dagen, voor hen, die dezer tale vreemd zijn, van merkelijk meer belang geworden, dan men zulks in vroeger tijd wel geoordeeld heeft.’ Das Interesse für die deutsche Sprache und die darin erschienenen Schriften war offenbar im Wachsen begriffen. Mußte die Verbreitung dieser Grammatik der Kenntnis des Deutschen zugute kommen, auch die viva vox spielte dabei eine Rolle. WilleGa naar voetnoot1) erinnert an die nicht unbeträchtliche Zahl deutscher und ungarischer Studenten, die damals in Utrecht studierten, während auch viele Professoren deutscher Herkunft waren. So hatte schon 1740 Christian Wolff einen Ruf nach der Utrechter Universität erhalten. Auch in Leiden wurde Deutsch studiert; nach 1755 wurden elf deutsche Sprachlehrer eingeschrieben und noch vier andre, die auch deutsche Stunden gaben. Um die Wende des Jahrhunderts ist man soweit, daß vornehme Holländer die Erziehung ihrer Kinder nicht wie früher französischen und schweizerischen, sondern deutschen und ungarischen Hofmeistern anvertrauen. Nahm das Interesse für die deutsche Sprache zu, ein Gleiches gilt, natürlicherweise, für die deutsche Literatur. Frans van Lelyvelds Briefe an van Goens bieten darüber Interessantes. Der Leidener Kaufmann schreibt, 1769, seinem gelehrten Freunde: ‘Gij zijt tegenwoordig zoo geteutoniseerd en, gelijk het thans in Parijs de mode is, verzot op alles, wat uit Duitschland komt. Mendelssohn (van Goens übersetzte, 1769, dessen Abhandlung Über das Erhabene und | |
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Naive in den schönen Wissenschaften!) mag een groot, of althans zeer duister philosooph zijn, dichter lijkt hij mij niet. De oppercriticus Pieter Fontein zei eens, zelf zou ik dat niet durven uitspreken, dat er aan alles van die Duitschers altijd zoo iets mofs is. O, lieve Goensje, stuift zoo niet op!’Ga naar voetnoot1) Man sieht, Lelyveld ist kein blinder Verehrer alles Deutschen, wohl ist er sehr für Gellert eingenommen, das ist ‘sein Mann’. Schade, daß er Zweifel an der Gründlichkeit seiner deutschen Studien erregt: er spricht nämlich stets von De Abt van Verdienste van Gellert, wo er augenscheinlich Thomas Abbts Vom Verdienst meint. ‘Dat er aan alles van die Duitschers altijd zoo iets mofs is’, war in Holland lange Zeit die allgemeine Ansicht gewesen. In den letzten Dezennien des achtzehnten Jahrhunderts jedoch tritt bei sehr vielen ein Umschwung der Stimmung ein. Zwei Deutsche mögen das beweisen. Der erste, ein Ungenannter, schreibt in Deutsches Museum vom Mai 1776 Briefe aus Holland, angeblich eine Antwort auf die Frage, wie es mit der deutschen Literatur in Holland stehe. An erster Stelle erwähnt er die verwirrende Zahl der Übersetzungen, auch solcher Sachen, die in Deutschland gar keine Beachtung gefunden haben. ‘Nichts ist vor einem holländischen Übersetzer sicher’. Besonders beliebt sind die Übertragungen der theologischen Werke Jakobis, Mosheims, Millers, Schuberts, Sacks, Spaldings. Namentlich lobt er das Werk eines Amsterdamer Buchhalters, Herrn Carull, der Jerusalems Betrachtungen in verdienstvoller Weise übersetzte. Neben den theologischen Werken finden auch die philosophischen Schriften von Leibniz, Wolff, Sulzer, Mendelssohn | |
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holländische Leser. ‘Man liest und schätzt ihre Schriften und es scheint, alsob besonders die Wollfische Philosophie allmählich einiges Terrain (gewiß zum Vorteil der mit ihr verschwisterten Wissenschaften) auch in Holland gewinnen werde.’ Die Liebhaberei für die deutsche schöne LiteraturGa naar voetnoot1) ist, zumal in Amsterdam, fast zur Mode geworden und Gellert, Zachariä, Wieland und sogar Klopstock werden in der Damenwelt gelesen. Unstreitig trägt das deutsche Theater das Seinige dazu bei. Der zweite Deutsche, den wir zu Worte kommen lassen, ist der Lieutenant in Ver. Niederl. Diensten, J. Grabner, der seine Briefe Über die Vereinigten Niederlande 1792 in Gotha herausgab. In wohlwollendem Tone beschreibt er darin manches, was dem Ausländer in Sitten und Bräuchen der damaligen Holländer bemerkenswert erschien. Was er dabei von der Literatur sagt, ist recht oberflächlich, daß aber Gellert bei den Niederländern die Stelle eines Nationalfabeldichters vertrat, war auch dem flüchtigen Beobachter klar geworden. Über das wahllose Übersetzen schreibt er in auffallender Übereinstimmung mit seinem Landsmann in Deutsches Museum: ‘Vor zwanzig Jahren übersetzte man nichts als französische und englische Werke, seit zehn Jahren aber herrscht die Manie jedes deutsche Meßprodukt so schnell als möglich Holländisch herauszugeben. Die Buchhändler führen in den Zeitungen täglich die lustigsten Klopffechte- | |
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reien wegen der Priorität, einen Wisch, den oft in Deutschland niemand als der Verfasser und sein Verleger kennt, ins Niederländische übersetzen zu lassen, Streitigkeiten, die aus der lächerlichen Buchhändlergewohnheit entspringen, daß derjenige Fabrikant, der die Übersetzung eines Buches zuerst ankündigt, auch allein das Recht hat, solche zu besorgen’Ga naar voetnoot1). Man war hier demnach von einem Extrem ins andre geraten: einst eine ausgesprochene Abneigung gegen alles Deutsche, jetzt ein massenhaftes Übersetzen von Reifem und Unreifem, gegen das freilich die führenden Zeitschriften wiederholt Protest einlegten. Ob die Übersetzer sich der Schwierigkeit ihrer Aufgabe bewußt waren, ist nicht einmal zweifelhaft. Der patriotische Vielschreiber Gerrit PaapeGa naar voetnoot2) z.B., Anstreicher seines Zeichens, glaubte sich schon nach fünf Privatstunden imstande Wielands Abderiten zu übersetzen. Richtiger urteilt Willem de ClercqGa naar voetnoot3) in seiner bekannten Abhandlung über den Einfluß der fremden Literatur auf die unsrige. Er warnt vor unbefugten Übersetzern und behauptet, daß vielleicht keine Übertragung schwerer ist als die aus reinem Hochdeutsch in reines Niederdeutsch (Holländisch). Muß man ihm in dieser Beziehung beistimmen, auch in andrer Hinsicht erscheint seine Meinung als durchaus begründet. Er spricht nämlich von einem Nationalhaß, der in seiner Zeit bei vielen deutschen Gelehrten, deren Werke hier doch so fleißig studiert werden, gegen alles Holländische bemerkbar ist. Von diesen Gelehrten sagt er: ‘Zoolang zij nog met | |
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dien hunner landgenootenGa naar voetnoot1) instemmen, die den stijl van van der Palm nog eenigszins kon dulden, doch zich echter beklaagde, dat de Taal zoo plat klonk, moet ieder binnen zijn eigen gevoelens verschanst blijven en treurig ware het, indien wij onze zuivere moedertaal door den invloed eener Taal lieten besmetten, wier geheele woordvoeging en samenstelling hemelsbreed van de onze verschilt’Ga naar voetnoot2). Auch Koszmann hatGa naar voetnoot3) in seiner Leidener Antrittsrede, einige geringschätzige Äußerungen berühmter Deutschen, wie Herder, A.W. von Schlegel, Lichtenberg zusammengestellt; am schlimmsten aber treibt es C.H. SchmidtGa naar voetnoot4) in seiner Theorie der Poesie: ‘Einige meiner Leser’, sagt er, ‘sind vielleicht unzufrieden, daß ich von den Holländern nichts sage, als überhaupt, daß auch sie Poeten haben. Diese bitte ich, sich von einem Holländer ihre Neugierde befriedigen zu lassen. Er wird ihnen, wenn sie ihm ihre Unwissenheit in der holländischen Literatur bekennen, mit solcher Grobheit die Fruchtbarkeit seines Vaterlandes an Originalgenies beweisen, daß sie weiter keinen Beweis verlangen werden’. Auch wir brauchen keinen weiteren Beweis, daß das Wort ‘Holländisch’ für deutsche Ohren damals einen ähnlichen Klang hatte, wie ‘Dutch’ noch heutzutage in gewissen, unser Nationalgefühl verletzenden, Ausdrücken für englische. Un-Ga naar voetnoot5) | |
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geachtet dieser Geringschätzung von seiten der Deutschen, wuchs der Strom der Übersetzungen hier bald ins Uferlose und nahm man, auf diesem indirekten Wege, an dem, in der Einleitung geschilderten, geistigen Leben der Zeit lebhaften Anteil. Die zahlreichen Versuche Religion und Vernunft mit einander zu versöhnen, die diesbezüglichen WerkeGa naar voetnoot1) Mosheims, Michaelis', Nösselts, Jakobis, Bonnets, erschienen bald in holländischem Gewande und die oft recht stattliche ZahlGa naar voetnoot2) der Bände war für den seine Pappenheimer kennenden Verleger kein Hindernis. Besonders günstig aufgenommen wurde hier: Verhandelingen over de voornaamste waarheden van den godsdienst vom Abt JerusalemGa naar voetnoot3). Die Nederlandsche Bibliotheek, eine Zeitschrift, die sich die Befestigung und Verteidigung der christlichen, namentlich der reformierten Religion zur Aufgabe machte, sah in Jerusalem den Verteidiger des Glaubens gegen | |
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die Übergriffe der Vernunft und der Briefschreiber aus Holland in Deutsches Museum hatte von Kennern gehört, daß diese Übersetzung ein ebenso großes Meisterstück sei, wie Lublink de Jonge's Übertragung von Young's Nightthoughts. Eine große Verehrung für Jerusalem hegte auch unsre Betje Wollf: ‘Die groote man zou mij tot een christinne gemaakt hebben, indien ik voor vele jaren niet reeds dat geloof uit overtuiging mijner ziel en met mijn geheele hart had omhelsdGa naar voetnoot1), und Aagje Deken schreibt: ‘Jerusalem heeft de eerste plaats in haar hart, zoowel als in haar verstand; dit belet haar echter niet Lavater, dien zij voor een zeer groote en zeldzame Genie houdt, recht te doen’Ga naar voetnoot2). Eine besonders tolerante Richtung vertrat Töllner mit seinen Proeven van den tegenwoordigen smaak der Hoogduitschers in zaken van Godgeleerdheid en WijsbegeerteGa naar voetnoot3). Der eben erwähnte Briefschreiber, der die Übersetzung des Herrn Petsch lobt, ist der Meinung, daß ‘in einem Lande, wo gesunde Philosophie noch so sehr in der Wiege liegt’, die Töllner'schen Schriften schwerlich Eingang finden werden und der Ausgang gab ihm recht, mußte doch Petsch im Vorwort zum zweiten Bande selbst gestehen, daß der erste wenig Erfolg gehabt hatte. Der Übersetzer versuchte bei der Gelegenheit darzulegen, daß Töllner keine Sozinianischen Begriffe betreffs der Gottheit Christi und des Versöhnungswerkes verfechte und schloß: ‘Laßt uns Gottes herrliche Offenbarung in der Schöpfung und Unterhaltung recht oft predigen, aber laßt uns daneben die in der Erlösung nicht unterlassen’. Diese Art zu predigen werde zu oft versäumt; einerseits | |
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sah Petsch vernunftlose Schwärmerei, andrerseits den reinen Deismus, den Lavater als ‘ein emporbrausendes, christusleeres Christentum’ kennzeichne. Die Toleranz Töllners war nicht nach dem Geschmack der Ned. Bibliotheek, die vor diesen überaus duldsamen Männern und deren mehr oder weniger bedeckten Angriffen auf die wichtigsten Glaubenssätze, aufs nachdrücklichste warnteGa naar voetnoot1). Das Predigen von Gottes herrlicher Offenbarung in der Schöpfung und Unterhaltung, von dem Petsch spricht, war damals recht beliebt. Nicht etwa, daß man die Schönheit der Natur im modernen Sinne bewunderte, es war vielmehr die Zweckmäßigkeit alles Erschaffenen, die die höchste Bewunderung erregte und....das Dasein und die Weisheit Gottes beweisen sollte. Dieser physiko-theologische Beweis veranlaßte eine ganze Reihe Schriften mit ausführlichen Naturbetrachtungen, die auch den frommen Holländer erbauten. Dennoch sagt HettnerGa naar voetnoot2) mit Recht, daß in dieser Literatur, trotz all ihrer Frömmigkeit, der Rationalismus, der Denkglaube, an die Stelle der auf Wunder und Offenbarung gestützten Rechtgläubigkeit getreten ist. Von den Übersetzungen einschlägiger Schriften nennen wir nur Bonnets Beschouwing der NatuurGa naar voetnoot3) und die umfangreiche Bijbel der NatuurGa naar voetnoot4), die | |
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zwölf Bände von 600-700 Seiten zählte. Daß man sich hier nicht mit Übersetzungen derartiger Werke begnügte, beweist das bekannte Buch des Zutphener Pfarrers Martinet: Catechismus der NatuurGa naar voetnoot1), während auch W.E. de Perponcher De Wijsgeer der Natuur en der OpenbaringGa naar voetnoot2) veröffentlichte.Ga naar voetnoot3) Erforschten die Verfasser dieser Schriften die Natur gleichsam wie eine Bibel, auch die Bibel selbst wurde nach englischem Muster, wie wir in der Einleitung erwähnten, in Deutschland der Gegenstand gründlicher, philologischer Untersuchungen. Besonders der Göttinger Orientalist Michaelis tat sich auf diesem Gebiete hervor und seine zahlreichen Werke wurden regelmäßig ins Holländische übersetzt. So erschien, 1798, in Dordrecht bei A. Blussé & Zn., der 22. Band seiner Übersetzung des Alten Testaments und in den siebziger und achtziger Jahren eine Einleitung in die Schriften des alten und neuen BundesGa naar voetnoot4); auch dem Mosaischen RechtGa naar voetnoot5) wurde ein stattliches Werk gewidmet. | |
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Theologisches und mit der Theologie Verwandtes wie etwa KirchengeschichteGa naar voetnoot1), fand hier wißbegierige Leser. In weit geringerem Maße war das, wenn wir dem Verfasser der Briefe aus Holland trauen dürfen mit philosophischen Werken der Fall. Freilich hatte Petsch Leibniz' TheodiceeGa naar voetnoot2) übersetzt und war Christian WolffGa naar voetnoot3) schon 1740 nach Utrecht berufen worden, trotzdem aber, behauptet der Briefschreiber, daß die gesunde Philosophie in Holland noch in der Wiege liege und vielleicht nie mit ihrer älteren Schwester, der Theologie, einig leben werde. Letzteres möchte man schließen aus der heftigen Schrift eines anonymen ‘Liebhabers der Wahrheit’: De Waarheid van zijn luister beroofd door de Philosophie van Wolff: in zijn werktuigelijke wereld, waardoor Arminius opnieuw herleeftGa naar voetnoot4). In Deutschland war, unter ausländischen Einflüssen, und infolge philosophischer und psychologischer Forschungen die neue Wissenschaft der Ästhetik entstanden. Dem in der Einleitung Gesagten möchten wir noch etwas über die Übersetzung von Batteux' Les beaux Arts réduits à un même principe hinzu- | |
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fügen. Johann Adolf Schlegel, der Vater der beiden Romantiker, der ebenso wie der Dichter Ramler, dieses Werk verdeutschte, fügte seiner Übertragung höchst bedeutende Anmerkungen bei. Batteux hatte die Nachahmung der schönen Natur als Zweck der Kunst bezeichnet, jedoch nicht näher bestimmt, was unter der schönen Natur zu verstehen sei. Schlegel sieht in dem Kunstwerk keine ‘Ausbesserung’ der Natur, sondern der sinnliche Ausdruck der inneren Empfindung. Die Nachahmung der Natur ist nicht Zweck, sondern Mittel der Kunst. Interessierten die Holländer sich nur mäßig für die ars recte cogitandi der Wolffianer, die Kunst des schönen Denkens, die ars pulchre cogitandi war mehr nach dem Geschmack einiger, freilich hervorragenden, holländischen Geister. Zuerst verdient auf diesem Gebiete der Name Mr. H. Van Alphens genannt zu werden. Er übersetzte F.J. Riedels Theorie der schoone Kunsten en WeetenschappenGa naar voetnoot1) und fügte, außer einer ausführlichen Einleitung, viele eignen Gedanken hinzu. Diese bahnbrechende Arbeit Van Alphens erregte einen Sturm der Entrüstung, hatte er es doch gewagt deutsche Dichter höher zu schätzen als die vaterländischen Poeten. Die Ned. BibliotheekGa naar voetnoot2) nannte seine Einleitung ‘zeer vernederend voor onze natie’ und erklärte sich, von dem gehässigen Ton abgesehen, durchaus mit dem Inhalt einer BroschüreGa naar voetnoot3) einverstanden, in der ein Anonymus sich über Van Alphen hermachte. Wohlwollend ist die Kritik W.E. de Perponchers, der schon 1770 | |
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die Gedanken Batteux' und andrer Ästhetiker zu den Grondbeginselen van de algemeene wetenschap der schoonheid, samenstemming en bevalligheidGa naar voetnoot1) zusammengefaßt hatte. Im Wesentlichen stimmt er mit Van Alphen überein und seine drei Brieven aan Van Alphen wurden denn auch in den zweiten Band der Van Alphen'schen Riedelübersetzung aufgenommen. Es liegt auf der Hand, daß Bilderdijk Van Alphens Vorliebe für die deutschen Dichter nicht teilte. Ganz seiner deutschfeindlichen Gesinnung entsprechend, heißt es in den Najaarsbladen (II, 112, 113):
Van Alphen, 't klinkt wat hard, indien ik U beschuldig,
Gij hadt gevoel voor 't schoon, een dichtgeest, dien ik huldig;
Maar ach! het scherp vergif, aan Duitsche teelt gehecht,
(Die knoflookgeur, bederf van zelfs het best gerecht!)
Vervalschte uw zuivren smaak, die eindlijk niets kon lijden,
Bestempeld met het merk van onveraarte tijden,
Maar vaadren eenvoud en der Grieken eedle pracht
Voor bont livrei versmaadde en stijve Zwitserdracht.
Ja, beter was uw zang, dan oordeel over 't zingen.
Ach, hadt ge ons nooit vergast op Riedels mijmeringen,
Den Duitschren les, noch spraak, noch voorbeeld, afgeleerd,
Noch met hun schoolgezwets de schoone kunst onteerd!
Für Bilderdijks Standpunkt hinsichtlich der Ästhetik ist folgende BriefstelleGa naar voetnoot2) wichtig: ‘Wij moeten ook van 't gevoel reden kunnen geven. Wij expliceeren dus de pijn van een lichamelijke inflammatie enz. verstandelijk en waarom dan ook niet het zielsgevoel van schoon en onschoon? Ik erken | |
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dus die wetenschap onder de mooglijkheden, onder de desideranda, maar ik ben er ver van af een onderwijs, en vooral op zijn Duitsch, in de zoogenaamde aesthetica goed te keuren, Uwe aanmerking is ook zeer goed: hoe kan men kunstmatig leeren gevoelen?’ Bilderdijk fühlte ganz richtig, daß Poesie sich nicht erlernen läßt: ‘Dichterlijke geestdrift kent niemand, dan hij, die tot Dichter geboren is’Ga naar voetnoot1). Ebensowenig wie der Verfasser der Vrijmoedige Aanmerkingen konnte der Zierikzeeer Arzt und Bürgermeister J. MacquetGa naar voetnoot2), der 1780 in Utrecht Proeven van Dichtkundige letteroefeningen over den smaak in de poezije veröffentlichte, Van Alphen seine Geringschätzung der holländischen Dichter verzeihen. Unschwer zu erraten ist, wen er meint mit den ‘nijdige en doorgaans onkundige menschen, die hunne oppervlakkige uitspraken als orakels willen gehouden hebben en op zulk een meesterachtigen toon alles beslissen, dat men zich over hun stoutheid moet verwonderen’. Er empfiehlt den Dichtern das Studium der Natur und der Alten. Auch Feith, der, wie wir später sehen werden, Van Alphens Neigung für die deutsche Literatur teilte, zeigt in seiner Verhandeling over het heldendicht eine gewisse Angst vor metaphysischen Haarklaubereien und empfiehlt daher nur französische Werke über die Ästhetik. Bellamy, der junge Dichter, schätzte Sulzers Wörterbuch höher als Van Alphens Theorie, trotzdem aber, sagt er in seinem Brief aan den Hr. en Mr. Hieronymus Van Alphen over de onlangs uitgekomen Mengelingen in Proza en Poezij (1783), daß durch Van Alphens Werk unstreitig der Geschmack | |
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verbessert sei. So anregend wirkte das Studium von Riedels Theorie auf BellamyGa naar voetnoot1), ‘daß sich dieser zu der Herausgabe seines Poetischen Spectators entschloß, während Feith und sein Freund Kantelaar den guten Geschmack verbreiten wollten durch ihre Vierteljahrsschrift Bijdragen ter bevordering der Schoone Kunsten en Wetenschappen (1793-1796), bei der Wielands Teutscher Merkur Pate gestanden hatte. Auch in G. Brender à Brandis' Taal-, Dicht- en Letterkundig Kabinet (1781-'84) machte sich Van Alphens Einfluß geltend. 1783 erschienen darin ästhetische Abhandlungen, z.B. Marmontel, De Weetenschappen van een Dichter; J.A. Schlegel, Over den oorsprong der schoone kunsten. Van Alphens Digtkundige Verhandelingen (1782), die ziemlich kühl aufgenommen wurden, werden hier aufs nachdrücklichste empfohlenGa naar voetnoot2). Abgesehen von diesen erfreulichen Erscheinungen stand das große Publikum den Leistungen Van Alphens auf ästhetischem Gebiete ziemlich teilnahmlos gegenüber. Macquet und seine Anhänger vertraten den allgemeinen Standpunkt. Als Neuerer, besonders auf dem Gebiete des Dramas, verdient noch der Pastor C. van Engelen Erwähnung. Dieser studierte Lessings Hamburgische Dramaturgie und verwertete die neuen Gedanken über das Wesen des Dramas in der Einleitung zu seiner Spectatoriale Schouwburg, (1775-1793) | |
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einer Sammlung von Schauspielen, die das Theater in den Dienst der Moral stellen sollten. Moralisieren war bekanntlich der Zweck vieler literarischen Produkte der damaligen Zeit und in diesem kennzeichnenden Zug liegt der Grund, weshalb sich die deutsche Popularphilosophie so gern mit Sokrates verglich. Man meinte, gleich ihm, die Philosophie erst vom Himmel auf die Erde gerufen zu haben. Daher legt z.B. Mendelssohn, dessen SchriftenGa naar voetnoot1) hier übersetzt und freundlich, wenn auch nicht eingehend beurteilt wurden, im Phädon seine Betrachtungen über die Unsterblichkeit dem griechischen Philosophen in den Mund. Es gab sogar einen Sokratischen Krieg. Der Rotterdamer Prediger Petrus HofstedeGa naar voetnoot2) nämlich hatte in zwei Büchern für die Sorbonne Partei ergriffen, die Marmontels Bélisaire verurteilt hatte, weil in dem 15. Kapitel dieses Werkes die tugendhaften Heiden selig gesprochen wurden. Die holländischen Schriften veranlaßten eine Neue Apologie des SokratesGa naar voetnoot3) oder Untersuchung der Lehre von der Seligkeit der Heiden’ von J.A. Eberhard (1772), der die Tugend als die einzige Quelle der menschlichen Seligkeit betrachtete. Diese Streitfrage, die nebenbei | |
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beweist, daß die holländischen theologischen Schriften auch in Deutschland Beachtung fanden, wurde von Friedrich dem Groszen in eigentümlicher Weise entschieden. Er antwortete nämlich auf eine Beschwerdeschrift Hallescher Bürger: ‘Ich will, daß Sokrates selig und Eberhard euer Pfarrer wird’Ga naar voetnoot1). Ungeachtet dieser königlichen Entscheidung schrieb Mr. H. Van Alphen, der sich des Beifalls der Utrechter theologischen Fakultät erfreuen durfte, eine Widerlegung von Eberhards Apologie: Eenige leerstukken van den protestantschen Godsdienst verdedigd. (1775). Kann hier von einer ausführlichen Besprechung der damaligen moralisierenden Literatur nicht die Rede sein, auf ein paar bedeutende Erscheinungen müssen wir noch hinweisen. Zunächst auf A.H. Niemeyers' ‘Characterkunde van den Bijbel’Ga naar voetnoot2), ein Werk, das Betje Wolff aufs herzlichste empfiehlt: ‘U, Mevrouw, is bekend, dat de karakterkunde van den Bijbel, door den Heer Niemeyer Hoogduitsch geschreven, werkelijk vertaald wordt: ik bid U, geef U zelf het genoegen om het U, zo rasch het wordt uitgegeven te bezorgen; en laat uw zoon, vóor men hem den bijbel doet lezen, eerst dat treflijk boek lezen’Ga naar voetnoot3). Für die Tendenz Niemeyers sei hervorgehoben, daß ihm die Bibel, so wenig er ihre Göttlichkeit antasten will, doch hauptsächlich als Material zur Menschenkenntnis dient. | |
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Diese Kenntnis des menschlichen Herzens wurde auch aufs kräftigste gefördert durch die damals so zahlreichen spectatorialen Schriften. Obwohl man in Holland eine ganze Reihe derselben aufzählen konnteGa naar voetnoot1), hielt man es offenbar für nötig auch deutsche ähnliche Schriften, wie der Freund (von Gellerts Freund Cronegk), der Mensch, der Eremit ins Holländische zu übersetzen. Besser läßt sich dies verstehen von den satirischen Werken RabenersGa naar voetnoot2), die von Hettner die Spitze der moralischen Wochenschriften genannt und von Goethe, bekanntlich, mit warmen Worten gelobt wurden. Die dritte Auflage erschien hier schon 1777. Einen den moralischen Wochenschriften verwandten Inhalt hatte Matthias Claudius' Wandsbecker BoteGa naar voetnoot3), nur daß sich der Verfasser in einem volkstümelnden Ton gefiel, der dem Leser bald zuwider wird. Moral predigten auch die Zedelijke Brieven tot Verbetering van het Hart des Altonaer Professors Johann Jakob Dusch. Johan Lublink de Jonge, der bekannte Übersetzer, half dem Amsterdamer Buchhändler P. Meyer, in dessen Verlag sie 1767 und 1771 erschienen, bei der Übertragung. Moral im Gewande einer Erzählung bot Wielands Jugendfreundin Sophie von la Roche mit ihren Nieuwe Zedelijke VerhaalenGa naar voetnoot4) gleichfalls A.G. Meiszner mit seinen Leerrijke Verhaalen en ZamenspraakenGa naar voetnoot5), aus denen Feith den Stoff | |
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zu einigen seiner Zedelijke Verhalen (1788-'89) schöpfte. Waren diese moralisierenden Schriften größtenteils für Erwachsene bestimmt, im Zeitalter der Aufklärung entstand auch eine reiche Erziehungsliteratur. Locke und Rousseau hatten in Deutschland eine tiefe und nachhaltige Wirkung ausgeübt und besonders Johann Bernhard Basedow wollte die Ideen Rousseaus in der Praxis anwenden. Durch die Hilfe des Fürsten Leopold war es ihm möglich in Dessau eine Erziehungsanstalt zu gründen, dessen menschenfreundlicher Zweck durch den Namen ‘Philantropin’ angedeutet wurde. Hier sollten sich Basedows Methodenbuch und Elementarwerk in der Praxis bewähren. Wie schon Locke, der Arzt, empfohlen hatte, wurde die Körperpflege nicht länger vernachlässigt und im Rousseauschen Sinne suchte man zur Natur zurückzukehren, auch durch Abhärtung des Körpers. Mit wertlosem Gedächtniskram wurde gründlich aufgeräumt, alles sollte durch Anschauung erlernt werden. Die Sprachen, auch die alten, sollten dem Schüler in dem fremden Idiom beigebracht werden. Aus sittlichen Gründen durften die Schüler nur Chrestomathieen lesen, daher auch nicht die ganze Bibel. Fichte, in der neunten Rede an die deutsche Nation, sagt, daß die Philantropine von der übersinnlichen Welt ganz und gar schweigen und lediglich einige Geschicklichkeit für die Geschäfte der sinnlichen Welt bewirken. Das Nützlichkeitsprinzip herrschte zu sehr vor. Trotz der vielen Mängel wurde Basedows Unternehmen von den berühmtesten Männern der Zeit unterstützt. Es entstanden eine Reihe von Philantropinen: zu Heidesheim unter dem später berüchtigten Aufklärer G.F. Bahrdt, die Militärschule zu Colmar unter Pfeffel und Lerse (vgl. F. Lienhards Roman ‘Oberlin’!), die Erziehungsan- | |
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stalt von J.H. Campe in Trittow und die Stiftung C.G. Salzmanns zu Schnepfenthal. Diese pädagogischen Experimente erregten in Holland lebhafte Teilnahme, wenn auch nicht immer Bewunderung. So wurde z.B. das Bahrdtsche Philantropin verspottet in einer Broschüre: Verdediging der Eere van het Philantropijn te Heidesheim en van Dr. J.F. Bahrdt, getrokken uit het 10de, 11de en 13de stuk van de Heidesheimsche Paedagogische courantGa naar voetnoot1). Verdientes Ansehen genoß auch hier Julius Heinrich Campe, ehemaliger preußischer Feldprediger, der verehrte Lehrer der berühmten Brüder Alexander und Wilhelm von Humboldt. Er hatte das Dessauische Philantropin aus den Händen seines Gründers Basedow übernehmen müssen, hatte sich aber, schon nach einem Jahre, außer stande gesehen, dieser Anstalt wieder aufzuhelfen. In Trittow übernahm er die Erziehung einiger vornehmen, jungen Leute, deren Zahl die einer großen Familie nicht übersteigen durfte. Von dem Jahre 1778 an erschienen von seiner Hand epochemachende Erziehungsschriften. Als ihm 1787 die Leitung der ehemaligen Waisenhausbuchhandlung übertragen wurde, machte er daraus ein wirksames Mittel zur Verbreitung seiner pädagogischen Ideen. Ihm gebührt auch das Verdienst, die besten pädagogischen Schriftsteller zur gemeinsamen Arbeit vereinigt zu haben. Unter seiner Leitung stand nämlich die Zeitschrift Allgemeine Revision des gesammten Schul- und Erziehungswesens (1785-1791), die ‘ein vollständiges Erziehungs- und Unterweisungssystem’ entwarf. Auch durch erläuternde Übersetzungen z.B. von Lockes Thoughts concerning education und Rousseaus ‘Emile’ machten sich diese | |
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Pädagogen verdient. Der annotierte EmileGa naar voetnoot1) (1789) erschien 1790 in holländischem Gewande. Die Erläuterungen ermöglichten diese Ausgabe, denn das ursprüngliche Werk war 1762 von den Staaten von Holland verboten worden. Eben diese Erläuterungen waren jedoch nicht nach dem Geschmack der Vad. Letteroefeningen. Der Rezensent schreibt: ‘De aanteekeningen hebben soms een duisterheid en dorheid, die bij het flikkerende en leevendige van Rousseaus stijl dermaate afsteekt, dat veelen den Text boven de aanteekening zullen verkiezen’Ga naar voetnoot2). Einen gewaltigen Erfolg in der ganzen, gebildeten Welt hatte Campe mit seinem RobinsonGa naar voetnoot3) und seinen mit der Entdeckung AmerikasGa naar voetnoot4) anfangenden Reisebeschreibungen. Durch diese wollte er die Jugend von allerhand romantischer und arkadischer Lektüre abhalten und ihr in angenehmer Weise nützliche Kenntnisse beibringen. Ein gleichfalls beliebter und äußerst fruchtbarer pädagogischer Schriftsteller war der Leiter der Schnepfentaler Erziehungsanstalt C.G. Salzmann, der Verfasser des damals bekannten Romans Carl von Carlsberg oder über das menschliche ElendGa naar voetnoot5), dem in den Vad. Letteroef. eine recht günstige Rezen- | |
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sion zu teil wurde ‘als niets, of tenminste zeer weinig, van die onmanlijke en laffe verliefdheden behelzende, thans de geliefkoosde voorwerpen van het Duitsch vernuft. Deze Roman is vol nuttige lessen....’Ga naar voetnoot1). Ein Gegenstück zu dieser Schilderung menschlichen Elends führte den Titel: Der Bote aus Thüringen, Bilder menschlicher GlückseligkeitGa naar voetnoot2), während auch Der Himmel auf ErdenGa naar voetnoot3) ein Bild rationalistischer Glückseligkeit gab. Verzichten wir auf ein Herzählen der sehr vielen erbaulichen und pädagogischen Schriften dieses Verfassers, eine Ausnahme machen wir für Conrad Kiefer oder Anweisung zu einer vernünftigen Erziehung der Kinder. Ein Buch für das VolkGa naar voetnoot4). Dieses Buch ist deshalb bemerkenswert, weil andre pädagogische Schriftsteller, wie Basedow, Campe und namentlich C.F. Weisze mit seiner Zeitschrift der Kinderfreund (1775-1782)Ga naar voetnoot5) immer die ‘honestior juventus’ im Auge hatten; hier wird die Erziehung eines Bauernkindes geschildert. Allein stand Salzmann in diesem Streben freilich nicht. Goethes Schwager Schlosser schrieb einen Katechismus der Sittenlehre für das Landvolk (1771) und der Freiherr von Rochow mehrere Schulbücher für die ländliche Jugend, die auch ins Holländische übersetzt wurden. | |
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Diese SchriftenGa naar voetnoot1) machten hier einen derartigen Eindruck, daß der Organisator unsres nationalen Unterrichts, Adriaan van den Ende, von Rochows Erziehungsanstalten in Reckan besuchte und als Pfarrer in Roozendaal das Gesehene für seine Schulreform verwertete. Auf sein Schulgesetz haben die Ideen von Rochows zweifelsohne bedeutenden Einfluß ausgeübtGa naar voetnoot2). Auch unser Landsmann J.H. Swildens hatte die deutsche einschlägige Literatur studiert, bevor er sein Vaderlandsch A-B boek voor de Nederlandsche JeugdGa naar voetnoot3) erscheinen ließ. Er wollte der Jugend der breiten Volksklasse in anziehender Weise die Grundwahrheiten der Religion und der Moral vermitteln, sie in ‘neutraler’ Weise zu gesellschaftlichen und christlichen Tugenden erziehen. Die Schlagwörter seiner Moral sind: Gesetz, Pflicht und TugendGa naar voetnoot4). Sein Büchlein erlebte 1785 eine zweite Auflage. Als eine geniale Figur, die sich mit großer Selbstaufopferung der Erziehung des Volkskindes widmete, muß noch der Schweizer J.H. Pestalozzi genannt werden. Sein ‘Buch für das Volk’ Lienhard und GertrudGa naar voetnoot5) wurde hier übersetzt (1786) und gün- | |
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stig beurteilt. Auch die Schriften von Pestalozzis Landsmann, dem Züricher Stadtarzt J.K. HirzelGa naar voetnoot1), wurden hier in holländischer Übertragung gelesen; De Wijsgeerige Landman enthält sogar eine Antwort auf einen Brief des Amsterdamer Pastors Hulshoff, der sich nach den pädagogischen Ideen des philosophischen Bauern Klein Jogg erkundigt hatte. Es war unsre Absicht im Vorhergehenden ein Bild des geistigen Lebens aus dem Zeitalter zu entwerfen, in dem Gellert ein großer Mann war, wir haben darauf die Berührungspunkte zwischen deutscher und holländischer Kultur hervorgehoben und gehen jetzt daran die Werke Gellerts einer genaueren Untersuchung zu unterziehen, wobei für uns der Einfluß auf die holländische Literatur das Wesentliche ist. |
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