De geheimtalen
(2002)–J.G.M. Moormann– Auteursrechtelijk beschermd
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Over de Tiöttensprache zijn we bijzonder goed ingelicht door een boekje van de heer Louis Stüve: Die Geheimsprachen, insbesondere Die Tiöttensprache, Recke i. Westf. 1923. Persoonlijk onderzoek heeft de gegevens van de heren H. en L. Stüve bevestigd. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
TiöttenspracheWir haben in nachfolgendem alles zusammengetragen, was über diese Sprache zu ermitteln war und uns aus unserer eigenen Tiöttenzeit in Erinnerung geblieben ist. So haben wir denn auch die Geschichte der Tiötten in kurzen Zügen zu zeichnen versucht. All denen, die uns durch Mitteilungen unterstützt oder in anderer Weise Dienste leisteten, sei auch an dieser Stelle gedankt. Der Sprachforscher Kluge ist der erste gewesen, der die Tiöttensprache entdeckt hat. Gedrucktes hat über diese Sprache nicht vorgelegen. Die westfälischen Kaufleute haben es verstanden, die Sprache wirklich geheim zu halten. Selbst Frau und Kinder daheim waren nicht eingeweiht. Es ist daher nicht zu verwundern, dasz mancher in der Heimat sehr erstaunt war, als er durch Aufsätze und Berichte in Zeitungen und Zeitschriften von der Existenz einer Geheimsprache der Tiötten Kenntnis erhielt. Wenn der Sprachforscher in der Vorrede zu seinem umfangreichen Werke sagt, es sei wohl ausgeschlossen, dasz jemand ebensoviel Zeit und Kosten für die Beschaffung der Quellen verwendet habe, wie er es getan, oft genug vom Glück und Zufall begünstigt, so trifft dies auch auf die Erforschung der Tiöttensprache zu. Denn zu diesem Zweck hat Kluge (im Sept. 1900) eigens eine Reise nach Westfalen u.z. nach Mettingen unternommen. Dort kam er an die richtige Adresse und konnte wichtiges Material sammeln. Der Zufall wollte, dasz er hier auch von einem Wörterverzeichnis hörte, das ein Tiötte niedergeschrieben hatte. Es wurde ihm, begleitet von einem aufklärenden Bericht, übermittelt. Das gesamte Wörterverzeichnis, welches Kluge in seinem Werke über diese Sprache veröffentlicht, umfaszt rund 250 Wörter und einige Satzbildungen. Einleitend schreibt Kluge im Anfang (Seite 442) unter ‘Krämersprachen’ dazu folgendes: 5. Nordwestfälisches Bargunsch oder Humpisch. Völlig verschieden von dem südwestfälischen Schlauszmen der Sauerländischen Hausierer ist eine nordwestfälische Geheimsprache, die Tiöttensprache, oder das Bargunsch (Burgunsch, Bergunsch), oder Humpisch (auch Humpes) von Kaufleuten aus der Gegend nördlich von Ibbenbüren. Das Städtchen (Dorf) Mettingen ist der eigentliche Herd dieser Tiöttensprache, aber auch die benachbarten Orte Reckel, Hopften und Riesenbeck gehören hinzu. Tiötten nennen sich in ihrer Sprachweise die Kaufleute dieser Orte, sofern sie Ihre Geschäfte in Mecklenburg, Pommern, Brandenburg und der Provinz Sachsen haben. Geschäfte dieser Tiötten befinden sich z.B. auch in Kiel, Husum, Eutin, Oldesloe, Lübeck, Hamburg, Hildesheim, Stendal, Gardelegen, Greifswald, Deutsch-Krone, Erxleben, Helmstedt usw. usw., auch in Amsterdam, Leeuwarden usw. Diese westfälischen Kaufleute leben fern von der Heimat und von ihren Familien ihren Geschäften, aber sie kehren alljährlich bei den Ihrigen zu längerem Besuch ein. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Mündlicher Ueberlieferung zufolge wanderten Hausierer aus diesen Orten schon seit 200 Jahren nordwärts; man will auch von einem Privileg für Hausierhandel mit Messern wissen, das Friedrich der Grosze den Mettingern gegeben haben soll. Unzweifelhaft ist das Bargunsch ein Krämerlatein, wie das Pleisznen der Killertäler und das Schlauszmen der Sauerländer. Aber die Verhältnisse stimmen doch nicht ganz. Denn heute, wo allerdings das Bargunsch seine Blütezeit offenbar längst hinter sich hat, sind die Geschäfte entwickelt zu groszen Kaufhäusern; auch daheim herrscht Wohlstand, Reichtum. Wer Land und Leute nördlich von Ibbenbüren kennt, weisz das Entgegenkommen wie auch das Behagen in den Familien der Tiötten zu schätzen. Einem Besuch dort verdanke ich manches Material; anderes beruht auf Aufzeichnungen, die ums Jahr 1866 Herr Heinrich Stüve in Lübeck (damals in Oldesloe) gemacht und Herr Louis Stüve in Lübeck mir zur Verfügung gestellt hat. Kleinere Aufzeichnungen von H. Grimme in Freiburg in der Schweiz und Julius Schwering in Münster stehen mir zur Verfügung. Im allgemeinen ist folgendes Material durch mehrere dieser Quellen gesichert (folgt Glossar). Auch in sonstigen norddeutschen Landesteilen finden wir Tiötten, die den von Kluge angeführten Orten (und noch einigen andern) des Kreises Tecklenburg, zumal der früheren Obergrafschaft Lingen, entstammen. Von den Ortschaften, wo sich Tiötten ansiedelten, seien noch folgende erwähnt: Schönberg in d. Pr., Friedrichstadt, Heide, Trittau, Geesthacht, Marschacht, Lüneburg, Mölln i. Lbg., Boitzenburg i.d. U., Gramzow, Treptow a.d. T., Angermünde, Locknitz, Schöningen, Greifenhagen, Fiddichow, Seehausen, Schwedt a.d. O., Althaldensleben usw. usw.; ferner Dokkum, Franeker, Harlingen, Heerenveen, Groningen usw. Zur Geschichte der in Norddeutschland zerstreut wohnenden Tiötten sei folgendes mitgeteilt: Unweit der Ortschaft Mettingen am Nordhang der Ausläufer des Wesergebirges, nicht weit von der hannoverschen Grenze, an der Landstrasze die von Recke nach Ibbenbüren führt, befand sich vor etwa 250 Jahren ein groszes Manufacturwarenlager ‘Bunke auf der Haar’ genannt. Von diesem Lager entnahmen kleine Leute und auch Bauernsöhne Waren, die sie hausierend in das Land hinaustrugen und an den Mann zu bringen suchten. Der Boden jener Gegend ist wenig ergiebig, weite Heideflächen durchziehen das Land. Vor Jahren gab es auch noch keine Bergwerke und Steinbrüche, die lohnenden Verdienst abwarfen, und keine Städte, die den Ueberschusz der Landbevölkerung in sich aufnahmen. Die Regierung verbot den Bauern das Halten von Heuerleuten fast gänzlich. So kam es, dasz sich verhältnismäszig viele Söhne kleiner Leute durch den Handel im Umherziehen ernähren muszten. Auch Bauernsöhne wandten sich diesem Gewerbe zu, da sich die Erbfolge in Westfalen dahin entwickelt hatte, dasz stets nur ein Sohn, in der Regel der älteste, den ganzen Hof erhielt, während die Geschwister mit mehr oder minder kleinen Summen abgefunden wurden und sich andere Erwerbszweige suchen muszten. Bei der Dürftigkeit der Bevölkerung sahen die Händler sich nun genötigt, sich immer weiter über die Heimat hinaus zu wagen. Das Hausieren bot in damaliger Zeit jedoch erhebliche Schwierigkeiten. Denn im deutschen Lande sonderten sich nicht allein zahllose Einzelstaaten durch besondere Grenzabgaben ab, sondern | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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auch die Stadtbezirke erhoben an ihren Grenzen besondere Gefälle. Dazu kam noch der Mangel an Gewerbefreiheit. Da kam ihnen ihre Geheimsprache wohl zu statten. In dieser Sprache warnten sie sich gegenseitig vor Gefahr, wenn z.B. der Stübber (Polizist) oder der Stübbesnobbes (Gendarm) ihnen auf den Fersen war. Die Bezeichnung für die Beamten ist darum in ihrer Sprache auch recht vollständig. Um sich möglichst zu sichern, führten die Tiötten z.T. ihre Notiz- oder Auftragbücher in der Geheimsprache. Die Tiötten bereisten Norddeutschland zunächst, indem sie ihre Waren teils auf dem Rücken, teils auf dem Wagen mit sich führten. Zuerst sollen es, nach Erzählung alter Tiötten die Kesselhändler und Kesselflicker, auf humpisch ‘Gorentiötten’ gewesen sein, die Norddeutschland bereist haben. Es folgten dann hauptsächlich Manufakturwarenhändler. Wenn sie sich einen bestimmten Kundenkreis erworben hatten, so machten sie sich auch wohl seszhaft. Ursprünglich lieszen die Tiötten ihre Familien in der Heimat zurück und besuchten sie nur zu den hohen Festzeiten und in der flauen Geschäftszeit im Sommer. Ja im Sommer, wenn die Tiötten da waren, dann gabs Leben im Dorf! Ihre Haupterholung bestand in Kegelschieben. Im Laufe des 19 Jahrhunderts siedelten sich dann aber mehr und mehr Tiöttehfamilien in Norddeutschland an. Jetzt haben sich die Verhältnisse wesentlich geändert. Alte Tiöttengeschäfte sind ausgestorben, andere sind in fremde Hände übergegangen, wieder andere haben sich zu groszen Kaufhäusern entwickelt. Auch von einem Umherziehen mit Waren ist natürlich nicht mehr die Rede. Es lassen aber auch heute noch viele dieser Geschäfte die Landkundschaft durch ihre Reisenden mit Mustern aufsuchen (strücheln). Diese, vornehmlich aus dem katholischen Münsterlande eingewanderten Tiöttenfamilien, bildeten vielfach die ersten Ansätze zu den zahlreichen katholischen Gemeinden, die seit Mitte des vorigen Jahrhunderts nach und nach in Norddeutschland entstanden sind. Wenn das oben Gesagte im allgemeinen auch für die aus dem Kreise Tecklenburg stammenden ‘holländischen’ Kaufleute - hauptsächlich kommt Mettingen in Betracht - zutrifft, so ist der Ursprung des Hausierhandels in Holland doch ein anderer. Er wird, nach Erzählung in Mettinger Tiöttenkreisen, auf die Hollandgänger (Torfbagger und Grasmäher) zurückgeführt. Aus den Hollandgängern wurden Hausierer und das hatte folgende Bewandtnis: Bei dem mehrmonatlichen Aufenthalt alldort muszten die Hollandgänger natürlich auch ihre Wäsche waschen lassen. Nun aber stand zu damaliger Zeit die Leinenindustrie im Kreise Tecklenburg in hoher Blüte. Fast in jedem Hause wurde gesponnen und gewebt, sodasz die Hollandgänger mit guter Leibwäsche ausgestattet werden konnten. Das prächtige feine westfälische Leinen gefiel den holländischen Frauen und wurde viel bewundert. Aber dabei blieb es nicht. Sie baten die Hollandgänger, ihnen von dem Leinen doch auch ein Quantum mitzubringen. Ein findiger Kopf ist wohl auf den Gedanken gekommen, dasz man mit dem Leinen ein Geschäft machen könne, und brachte gleich ganze Stücke mit. Das Leinen fand guten Absatz, und die Hollandgänger gelangten bald zu der Einsicht, dasz der Leinenhandel mehr einbringe als das mühevolle Torfbaggern und Grasmähen. Zuerst führten sie nur Leinen, später aber auch Wollsachen, zumal für Fischer. Die deutschen Hausierer | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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erhielten von den Holländern die Bezeichnung: ‘Fyndoekspoepen’. Die alten holländischen Tiötten trugen ihre Waren in einem sogen. ‘Ripert’, einem rücksackartigen Sack, gewöhnlich aus schwarzem Manchester, auf dem Rücken. Ihren Wohnsitz behielten die holländischen Kaufleute in der Heimat. Viele besorgten dort in der geschäftsflauen Zeit ihre Landwirtschaft. Die Tiöttengeschäfte entwickelten sich mit der Zeit zu wohlangesehenen Kaufhäusërn. Das Ladengeschäft trat immer mehr in den Vordergrund, und so wurde es mit der Zeit gewissermaszen zur Notwendigkeit, den Wohnsitz gänzlich nach Holland zu verlegen. Auch mag bei manchen Tiötten die strengere Handhabung der Militär- und Steuergesetze in den 80er Jahren dazu beigetragen haben, ganz nach Holland überzusiedeln. Mit der Seszhaftmachung der Tiötten und Einführung der Gewerbefreiheit hatte natürlich die Geheimsprache der Tiötten erheblich an Bedeutung verloren. Selbst in ganz alten Tiöttengeschäften wird sie heute kaum noch verstanden, höchstens kennt man noch einzelne Ausdrücke. Diese Sprache, die Kluge als eine ‘höchst seltsame und wortreiche’ bezeichnet, ‘und durch ihren Wortschatz auf ein 400-jähriges Alter hinweist’ würde jedenfalls in wenigen jahren gänzlich verschollen gewesen sein, wenn sie der Sprachforscher nicht ans Licht gezogen hätte. Doch nun zur Sprache selbst. Durch den Aufbau unterscheidet sich die Tiöttensprache von verschiedenen anderen Geheimsprachen. In keiner anderen haben wir Stammwörter gefunden, die bei Zusammensetzungen verwendet werden. Fidel z.B. bedeutet ‘Stadt’.
Das Eigenschaftswort fitsen heiszt so viel wie ‘grosz, gut’. Fitsenfidel ist daher ‘Hauptstadt’. Fitsentroppe ist ‘Gott’, da troppe ‘Herr’ heiszt. Kloddentroppe ist ‘der König’. Das Wort klodde für ‘Land, Erde’ lehnt sich wahrscheinlich an das niederdeutsche kluten an (vergl. Reuter ‘Klutenpedder’). Kloddenruscher ist ‘der Geometer’. Für ‘Wein’ hat man drei Bezeichnungen: Fitse klar, fitse plump und fitse funksen. Andere Zusammensetzungen sind:
Die Herkunft der einzelnen Ausdrücke ist nicht immer zu verfolgen.Ga naar eindnoot398 Viele sind anderen Geheimsprachen entnommen oder nachgebildet. Unter den zahlreichen Gaunersprachen, die Kluge in seinem Werk anführt, finden wir häufig Anklänge. Das schon erwähnte butten ‘essen’ treffen wir schon an im Niederdeutschen Liber Va- | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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gatorum von 1510. Dort heiszt es: botten ‘ethen’. In der Gründlichen Nachricht von 1714 steht: Butten ‘Essen’. Aehnlich im Hennese Fleck: bott ‘Essen’. Viele Wörter sind auch fremden Sprachen entlehnt. Das Wort hutse, hutsche ‘Mann, Bauer’ stammt aus dem Spanischen: huesped ‘Wirt, Fremder’ und ist auch in andere Geheimsprachen übergegangen. So heiszt im N[iederdeutschen] L[iber] V[agatorum] houtz ‘bur’. Ebenso im Jenisch der Eifler Hausierer: houtz ‘Bauer’. Das Wort kasse ‘Haus’ stammt ebenfalls aus dem Spanischen (casa ‘Haus’). Im N.L.V. heiszt Kasz ‘ein hus’. Dort heiszt bucht ‘Geld’, humpisch buchte (punen) ‘Geld’; kot ‘ein witt Pennig’, humpisch kot ‘Schilling’. Trappert ‘Pferd’ kehrt in verschiedenen Geheimsprachen wieder. Mussen, muschen ist dem Spanischen entlehnt (moza ‘Mädchen’), ebenso knossen ‘kennen’, span. conocer; fimes ‘ja’, spanisch si; kabbes ‘Priester, Pastor’, im Deutsch. Lib. Vag. von 1510: Kabas ‘Haupt’, spanisch cabeza ‘Haupt, Vorsteher’; porsch ‘Schwein’, franz. porc; pen ‘Brot’, franz. pain, lat. panis; lims ‘Hemd’, franz. linge ‘Wäsche’; plymse ‘Feder’, franz. plume. Andere Wörter sind unverändert aus dem Holländischen übernommen, z.B. gojen ‘werfen’; stalen ‘Proben’. Lustern ist westf. Platt, holländ. luisteren; olms ‘alt’ ist wohl angelehnt an das niederdeutsche olt, olmig. Das Wort Tiötte ist zurückzuführen auf das gotische tiuhan, altsächs. tiohan ‘ziehen’. Ein Tiötte ist also ein ‘umherziehender Kaufmann (Hausierer)’. Besonders häufig finden wir in der Tiöttensprache Anklänge an das Lateinische, namentlich in Ausdrücken, die kirchliche Dinge betreffen. Es ist dies teils durch die Religionszugehörigkeit der Tiötten zu erklären, teils aus der damals allgemeinen weiten Verbreitung lateinischer Ausdrücke. Schon erwähnt haben wir das Wort sankse für ‘Kirche’, das aus sanctus, sancta (ecclesia) gebildet ist. Ferner nostern ‘beten’ aus dem Anfange des pater noster ‘Vater unser’; pojen ‘trinken’ von potare; grannig ‘viel’ von grandis; moll ‘tot’ von mortuus; for ‘Markt’ von forum usw. Bei vielen Wörtern scheint eine Eigenschaft oder Tätigkeit oder ein gewisses Merkmal für die Bildung bestimmend gewesen zu sein z.B. bei
Zur weiteren Kenntnis der Tiöttensprache seien noch folgende Wörter erwähnt:
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Hier auch einige Sätze. Die Geheimsprache besteht hauptsächlich aus Deckwörtern. Die niederdeutschen Wörter bleiben in den Satzbildungen unverändert. De Tiötte versnüfft, bat dat grüseken quäszt - ‘Der Kaufmann versteht, was das Mädchen spricht’ (für wat steht hier bat). In nobbeshutsche sinen tispel giff't 'n fitsen butt - ‘Im Bauervogtskrug gibts ein gutes Essen.’ Knos den hutsche? - ‘Kennst du den Mann?’ Quäsz humpisch - ‘Sprich die Tiöttensprache.’ Hutsche bant lunsch - ‘Der Kunde ist schlecht.’ Spur pritz- ‘Geh weg.’ Oft werden nur einzelne Ausdrücke in die Rede eingeflochten, z.B.: der Reisende kommt Samstags vom Strücheln zurück, und der Chef fragt: Roedel gut? Ok ornlich punen kregen? (roedel ‘Handel’, punen ‘Geld’). Es gibt überall faule Kunden, und der Chef fragt weiter: Hätt de Kröger in Xdörp al bequ[i]nten? Ne, in sinen Tispel is nix mehr los. So? dann mott he blott' waren (bequinten ‘bezahlen’, blotten ‘mahnen’). So reichhaltig auch der Wortschatz der Tiöttensprache ist, so fehlt darin doch noch manche Bezeichnung. Man muszte sich daher mit den vorhandenen Wörtern behelfen und ihnen verschiedene Deutungen geben. So heiszt z.B. plügge ‘Buch, Brief, Zoll, Zinsen’. Sanksen heiszt ‘in die Kirche gehen’. Es kann aber auch ‘heiraten’ bedeuten, z.B. Is dat grüseken sankset? - ‘Ist das Mädchen verheiratet, getraut?’ Diese Beispiele mögen genügen, um den Gebrauch der Geheimsprache und ihren praktischen Wert darzutun. Wie schon bemerkt, sind schon viele Ausdrücke aus den Geheimsprachen Gemeingut des Volkes geworden, und vielleicht hat mancher schon dieses oder jenes Wort gebraucht, ohne zu wissen, dasz es einer Geheimsprache entstammt (vergl. Kundensprache). Wer kennt nicht die Ausdrucksweise: In die Bucht springen! Es heiszt soviel wie ‘aushelfen’, ursprünglich ‘mit Geld aushelfen’ (Bucht, Büchte ‘Geld’). Der Verfasser dieser Abhandlung hörte noch vor einigen Jahren im Lauenburgischen den Ausdruck Buttkipe. Es ist dies die Bezeichnung für eine hohe geflochtene Holzkiepe mit Deckel und Tragschnur, in welcher das Essen zufelde getragen wird. Wir haben es hier offenbar mit dem im Rotwelschen oft vorkommenden Butt ‘Essen’ zu tun. Der Besitzer der Buttkipe konnte natürlich keine Aufklärung über | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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das Wort Butt geben. Uebrigens ist die Buttkipe auch im Holsteinischen bekannt, doch wird man auch hier das seltsame Wort nicht zu deuten wissen. So bilden die Geheimsprachen einen steten Jungborn für unsere Gemeinsprache. Viele Ausdrücke sind bildlich, zumal in der Kundensprache. Denn der Deutsche liebt es, sich in Bildern auszudrücken. ‘Ich bin nicht im Bilde’ ist ja heute eine beliebte Redeweise. Die Bilder werden aus allen Berufen und Ständen entlehnt und bedürfen keiner Erklärung. Denn, wenn jemand sagt: Dem bin ich aufs Dach gestiegen, dem habe ich den Kopf gewaschen, das Fell versohlt, so wird er von jedem verstanden. Auch der für uns so unglücklich verlaufene Weltkrieg, unter dessen Folgen wir noch heute seufzen, hat unsern Wortschatz bereichert mit: dicke Luft, hamstern usw. Aber auch einige unglücklich gewählte Wortbildungen haben sich eingeschlichen. Erwähnt sei nur Gestehungskosten. Ich will gerne ‘gestehen’, dasz mir der Sinn des Wortes lange recht unklar war. Entstehungs- und Erzeugungskosten ist jedem verständlich. Da vergleiche man die Wortbildungen der Geheimsprachen! Z.B. das mit(Galgen)humor gewürzte Wort der Kundensprache für ‘Seiler’: Galgenposamentier, oder aus der Tiöttensprache die (freilich wenig schmeichelhafte) Bezeichnung für ‘Müller’: Rumpsnicker! (snicken ‘stehlen’). Nun hat die Tiöttensprache ausgedient. Aber hie und da haben sich vielleicht doch noch einige Ausdrücke erhalten. Und sollte jemand auf Reisen zwei Herren sprechen hören: hier is nix to quinten, oder: knos dat grüseken? so sind es sicher Tiötten. Hört er aber in einem Kaufmannsgeschäft, dasz die jungen Leute sich zuflüstern: butten, pojen, oder dasz der Chef dem jungen Manne zuraunt: nobis luken, oder, hutsche flackt, oder, ich geh zur sanks, so kann er versichert sein, dasz er sich in einem alten Tiöttenhause befindet. Die Tiöttensprache ist ausgestorben, aber die Tiöttengeschäfte stehen zum Teil noch in hoher Blüte. Die Tiötten haben es verstanden, durch Biederkeit und zähe Ausdauer sich aus kleinen Anfängen emporzuarbeiten und eine überall - im In- und Auslande - geachtete Stellung zu erringen. Möge es ihnen vergönnt sein, ihren alten Grundsätzen getreu, auch unter den neuzeitlichen Verhältnissen ihren guten Ruf zu wahren und weiter zu wirken zum Wohle des Vaterlandes. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Vollständiges Wörterverzeichnis
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