Grund-richtig-Volkommene, doch kurtz gefaßte Nider-Teutsch-, oder Holländische Grammatica
(1716)–Matthias Kramer– Auteursrechtvrij
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Der Nider-teutschen (Holländischen) Grammatica oder Sprach-Lehre, Erste Haupt-Lehr, vom Aussprechen, Lesen und Schreiben. | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Wie die Nider-teutsche (Holländische) Buchstaben und Sylben) müssen ausgesprochen und gelesen werden?DJe Niderländer (Holländer) brauchen zu ihrer Sprach und Schrift folgende Buchstaben, als:
a, b, c, d, e, f, g, h, i, j, k, l, m, n, o, p, q, r, ʃ, (s) t, u, v, w, x, y, z.
Die Niderländer brauchten vor Alters, und ihrer viel noch heut zu Tage, im Schreiben, und zuweilen auch im Drucken, einer Art Buchstaben, welche die Lesung der Worte, denen, so dessen ungewon seynd, schwer machet, worunter zuvorderst das e, für welches sie allezeit ein verkehrtes ə machen: Aber diese Weise zu schreiben ist nunmehr zimlich veraltet; im Drucken aber gar zu Grunde gangen; und bedienen sie sich heut zu Tage, beyde im Schreiben und im Drucken der Latinischen Buchstaben, weilen sie jederman, und fast jede Nation lesen kann. Sonsten aber brauchen die Nider-teutschen noch auf diese Stunde im Drucken nach Belieben, einer gewissen Form von Litern sowol Versalien als andern, welche unsern hoch-teutschen | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Druck-schrift; oder noch eigentlicher, denen ur-alten so genannten Mönchen-schriften gleich kommen. | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Rechte Aus-sprach der einzeln nider-teutschen Buchstaben.Die Aussprach der Buchstaben, it. Sylben und Diphtóngen der nidert. oder holländischen Wörter, ist unserer hoch-teutschen fast gleich: Was sie aber disfalls mit der unsern ungleich lautendes und besonders haben, wird aus folgenden Reguln können erkläret, und erlernet werden.
a, b, c, d, e, f,
Diese Buchstaben lauten in allen dero Sylben wie bey uns; und brauchts keiner Exempel..
g.
Der Buchstab g, in den Sylben ga, ge, gi, go, gu, it gl. gr. lautet im Holländischen wie bey uns j oder ch, als: Gave Gabe, Geven geben, Gieten, giessen, God GOtt, Gulden Gülden, Glad glatt, Graf Grab & lis: Jave oder Chave, Jeven oder cheven, Jiten oder chieten, Jod, Julden, oder chulden, Jlad Jraf &c. Nota. So lautet g auch in gh, und in den Sylben ghe, ghi.
h, i, j, k, l, m, n, o, p, q, r,
Diese Buchstaben lauten in allen dero Sylben, wie bey uns; und brauchts hier abermal keiner Exempel.
s.
Der Buchstab s in denen Sylben: sa-, se-, si-, so-, su-, it, in denen Sylben: as, es, is, os, und us, lautet wie bey uns; braucht auch keiner Exempel.
v, w, x,
Diese Buchstaben lauten in allen dero Sylben wie bey uns: brauchts also auch keiner Exempel.
u.
Der Buchstab u lautet in allen dessen Sylben, wie bey uns Hoch-teutschen das ü, als: U euch, Uw euer, Üchtend Morgen-stund, Dun dünn, Durven dörfen, Geluk Glück, Gunnen Gönnen, Lucht Luft, Mugge Gölse, Nu nun, Vrucht Frucht, Vullen füllen &c. lis ü, üw, üchtend, dün, dürven, glück, günnen, Lücht, Mügge, Nü, Vrücht, vüllen &c. | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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y,
Der Buchstab y lautet in holländischer Sprach ei- oder ey-; als: By bey, Byten beissen, Bly froh, Bryzelen bröseln, malmen, Dyk Dich (Damm) Gy ihr (it. du) Grypen greiffen, Hy er, ydel eitel, Lyden leiden, Lyf Leib, Myn mein, Nypen kneipen, (pfetzen) Pyl Pfeil, Pyn Pein, Pyp, Pfeiff, Ryden reiten &c. Ryk Reich, Ryp reiff, Smyten schmeissen, Spyten verdriessen, Styf steif, Vyf fünf, Vyge Feige, Vry frey, Wy wir, Wyf Weib, Wyn Wein, Zy sie, Zyde Seite, Zyn sein &c. lis: bey, beiten, bley, breyseln &c. &c. &c.
z,
Der Buchstab z lautet bey denen Holländern so gelind als bey den Frantzosen, nemlich fast wie bey uns das s, oder ss; dahero es auch kommen, daß die meisten, vor diesem mit sa, se, si, so, su, it. sw (zu Anfang eines Worts) schreibender Sylben, zu unserer Zeit, mit za, ze, zi, zo, zu, zw, geschrieben werden; als: Zand Sand, Zee See, Zien sehen, Zon Sonne, Zucht Sucht, Zwaan Schwan, Zwak schwach, Zweeten schwitzen, Zwemmen schwimmen, Zwieren schwermen, Ezel Esel, Blaazen blasen, Raazen rasen &c. lis: Sand, See &c. nicht: Zand, Zee &c. | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Rechte Aussprach gewisser Sylben in dieser Sprache.ij,
Der Buchstab, oder vielmehr die Buchstaben ij lauten fast wie ein gedoppeltes ii, als: Gelijk gleich Huwelijk Heirat, Kostelijk köstlich, Vryer freyer (Junger Gesell) Schrijven schreiben, Schijnen scheinen, Blyven bleiben, Zijn seyn, Bewyzen beweisen, Blijken blicken, Stryden streiten &c. lis gleichsam: Jeliick, Hüweliick, kosteliick, Vriier, ssjriiven, ssjiinen, bliiven, siin, bewiisen, bliicken, sstriiden &c. Nota. Von dem fernern Unterschied zwischen dem Laut und Gebrauch des holländischen y, und dem ij, werden wir vielleicht vor Endigung dieser Ersten Haupt-Lehr, oder sonst an einem Ort noch etwas zu sagen haben.
sch-
Die Sylbe sch- lautet in holländischen Worten gleichsam wie ssj- oder schg-, als: Schade Schade, Schelm Schelm, Schip Schiff, Schotel Schüssel, Schragen Schra- | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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ge, Schreede Schritt, Schrikken schrecken, Schrobben schrubben, Schubbe Schuppe, Schudden schütten, Schueren schäuren, Schutten schützen &c. lis: ssjade, ssjelm, ssjipp, ssjotel &c.& Nota. Dieser Laut der Sylbe sch-, wie auch der folgenden läst sich besser hören, als schreiben.
sl-, sm-, sn-, sp-, st-, sw-,
Das s in diesen Sylben lautet wie bey uns ss; lauten also diese Sylben: ssl-, ssm-, ssn-, ssp-, sst-, ssw-, und nicht: schl-, schm-, schn-, schp-, schp-, scht-, schw-, wie bey uns, als: Slabben schlappern, Slecht, schlecht, Slim schlim, Slot Schloß, Sluys Schleuse &c. lis: sslabben, sslecht, sslim, sslot, ssluys &c. Smade Schmach, smelten schmeltzen, Smit Schmid, Smooren schmoren, smukken schmucken &c. lis: ssmade, ssmelten, ssmid, ssmoren, ssmükken &c. Snappen schnappen, Snel schnel, Snyden schneiden, Snodder Schnuder (Rotz) Snuffelen schnüffeln &c. lis: ssnappen, ssnell, ssnyden, ssnodden, ssnüffeln &c. Spade Grab-schaufel, Spel Spiel, Spinnen spinnen, Splinter Splitter, Spoore Sporn, Spraak Sprach, Spreeken sprechen, (reden) Springen springen, Spronk Sprung, Spruyt Sproß, Spuyt Sprütze &c. lis: sspade, sspel, sspinnen &c. &c. Stad Stadt, Steen Stein, Sticht Stift, Stok Stock, Straat Strasse, Strekken strecken, Strik Strick, Stroo Stroh, Struyk Strauch, Stuk Stuck &c. lis: sstad, ssteen, ssticht, sstock, sstraat &c. Nota. An statt der Sylb sw- (welche ssw- lautet) schreibt man heut zu Tage zw- wovon Vid. an seinem Ort. | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Rechte Aussprach der gedoppelten Buchstaben.Nota. Wir setzen als bekannt voraus (1) daß die Buchstaben a, e, i, (y) o, u, Vocales (Selbst-lautende) und die übrige; nemlich: b, e, d, f, g, h, j, k, l, m, n, p, q, r, s, t, v, w, x, z, Consonanten, (Mit-lautende) seyen (2) daß die gedoppelte Vocalen (sie mögen von einerley Gattung oder verschieden seyn) Diphtongen (ein-sylbige Zwey-lauter) genannt werden.
aa-, ee-, ii-, oo-, uu-,
Diese gedoppelte gleiche Vocal-buchstaben, lauten auch gedoppelt; das ist, etwas gezogen, wie bey uns, und brauchts hierzu keiner Exempel. | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Nota 1. An statt aa-, schrieb man vor diesem: ae, lautete aber dennoch wie aa. Nota 2. Von denen überstrichelten hoch-teutschen dreyen Vocalen ä, ö, ü; wissen die Holländer nichts; wie imgleichen, von denen Sylben pf-, tsch-, ttz- &c. als welche ihnen zu hart fallen.
-bb-, -dd-, -ff-, -gg-, -kk-, -ll-, -mm-, -nn-, -pp-, -rr-, -ss-, -tt-,
Diese gedoppelte gleiche Consonant-buchstaben lauten auch gedoppelt, wie bey uns; braucht dahero auch keiner Exempel.
-au-, -ay-, -ey-, -ie-,
Diese Diphtongi lauten wie im Hoch-teutschen, als: Nauw genau, Benauwt &c. Kay Ufer mit Steinen bepflastert etc. Geyt Geiß Ziege &c. Reyken reichen, Niet nicht &c.
-eu-
Der Diphtong eu- lautet wie bey uns das ö, und im frantzösischen das eu, als: Beul Scharf-richter, Beurs Beutel, Deugd Tugend, Deur Thür, Geur Geruch, Heup Huft, Keur Wahl, Leugen Lüge, Neus Nase, Neut Nuß, Reuk Geruch, Reus Riese &c. lis: Böl, Börs, Dögd, Dör, Gör, Höp, Kör, Lögen, Nöt, Röck, Rös &c.
-oe-
Der Dipht. oe- lautet wie bey uns das u, als: Bloed Blut, Boek Buch, Boer Bauer, Doek Tuch, Doen thun, Hoed Hut, Hoek Winckel, Hoen Hun, Hoer Hur, Koek Kuchen, Koel kühl, Moed Mut, Moeten müssen, Noemen nennen, Oeffenen üben, Poel Pful, Roede Ruht, Roepen ruffen, Toe zu, Voeden nähren, Voegen fügen, Voet Fuß Zoeken suchen, Zoenen küssen, Zoet süs &c. lis: Blud, Buck, Bur, Duck, dun, Hud, Huck, Hun, Hur, Kuck, Kul, Mud muten &c.
ou-
Der Dipht. ou- lautet fast wie bey uns das au-, oder gleichsam o-u-, als: Gout Gold, Houden halten, Hout Holtz, Houwen hauen, Koud kalt, Kousse Strumpf, Kouten schwätzen, Mouwe Ermel, Rouw rauh, Rouwen reuen, Smout Schmaltz, Stout stoltz, Touw Seil, Vouwen falten, Woud Wald, Vrouw Frau, Zout Saltz &c. lis: Gaut, oder Go-ut, hauden, Haut, hauen, kaut, Kausse, kauten, Maue &c. &c. &c. | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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ue-
Der Dipht. ue- lautet wie bey uns üe-, als: Dueren, dauren, Hueren mieten, Muer Mauer, Schuer Scheuer, Schueren schäuern, Vuer Feuer, Uer Uhr (Stund) Zuer sauer &c. lis: Düeren, hüeren, Müer, Schüer, schüern, Vüer, üer, Züer &c. Nota. Der Dipht. ue-, wird itzund zierlicher uu- geschrieben und gesprochen, nemlich: Duuren, Huuren, Muur, Schuur, Schuuren, Vuur, Uur, Zuur &c. lis: düüren &c.
uy- (ui-)
Der Dipht. uy- (ui-) lautet bey uns gleichsam eu-, oder eui-; als: Buyk Bauch, Buyten aussen (draussen) Duyf Taube, Duyken ducken, Duym Daum, Duyster finster, Duyzend tausend, Huys Hauß, Huyt Haut, Kuymen seuftzen, Kuyper Küfer, (Büttner &c.) Kuyt Fisch-milch, Luyer Kinds-windel, Luys Laus, Muys Maus, Ruyk Geruch, Ruym Raum &c. Ruyter Reiter, Schuyt Nachen (Schiff) Schuyven schieben, Tuyn Garten, Zuyden Süden, Zuygen saugen, Zuypen sauffen, Zuyveren säubern &c. lis: Bruck oder Bruik, Bruten, Druf, drucken &c. und so fortan. Nota 1. Es gibt in dieser Sprache und dero Schrift einige Triphtongi (drey-fache, in einer Sylbe lautende Vocalen) als: aey-, aew, eew, iew-, oey-, oeu-, und ouw- &c. aber dero Aussprach gibt sich selbst, dafern man nur die Diphtongos recht aussprechen gelernt habe. Nota 2. Wir haben bey etlichen Aussprach-reguln mit Fleiß der Exempel mehr gesetzt als nöthig; werdens auch noch hinfort in dieser Grammatica thun, damit einer sich nicht nur desto besser üben; sondern ihm auch zugleich viel Wörter könne bekannt machen. | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Orthographia (Recht-schreibung) der Wörter in holländischer Sprache.Gleich wie unter allen Dialectis (Mund- und Schreib-arten) unserer hoch-teutschen Sprache, die Ober- oder Hoch-sächsische (Meißnische &c.) für die best- und reineste gehalten wird; also ist unter denen Sprach- und Schreib-weisen der Nider-teutschen, die Holländische vor allen andern zu preisen; und dieser Ursachen wegen lehren wir in diesem Buche einen hoch-teutschen Lands-mann die Fundamenta, oder Grund-reguln der Nider-teutschen, das ist, der Holländischen, und, um noch praeciser zu reden, der Amsterdamischen Sprache; allwo selbige mehr als sonst irgend durch | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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eine hoch-löbliche Societät der Gelehrten, als da seynd, die annoch lebende Herren Willem Sevel, François Halma, Moonen, und andere vortrefflich excolirt, gereinigt,und regulirt worden ist.
Gleich wie aber die Gelehrten in Teutschland in der Schreib-art einiger Buchstaben und Sylben sehr verschieden; ja über Dem was recht, und was nicht recht geschrieben seyn solle, kein geringer Streit ist; also gehets im nider- oder holländischen Schreib-wesen auch; drum theilen wir die Holländische Orthographiam (Schreib-weise) in zwey Gattungen; in die Alte nemlich, und die Neue: Durch die alte verstehen wir die jenige, so seit 80. und mehr Jahren in der, von Jhro Hochmög. Hrn. Hrn. General Staaten der vereinigten Niderlanden approbirten holländischen Ubersetzung der Evangelisch-Reformirten Bibel gehalten; nachmals auch in der Evangelisch-Lutherischen beybehalten worden; und noch biß auf diese Stunde in vielen Büchern und Schriften gehalten wird. Die Neue ist die, worinnen von obbemelten gelehrten Männern einige Reformation geschehen, auch einige, in gewisser Sylben für überflüssig und allzuhart auszusprechen erkannte Buchstaben ausgemustert worden seynd.
3. Von des Pöbels, des Weibs-volcks, und anderer ungelehrt-, verderbt- und ungereimter Art zu schreiben geschicht von uns billig keine Meldung, sondern halten uns an die Neue, als die best-orthographische.
Damit man aber wisse, worinnen der Unterschied zwischen der alt-, und neuen Schreib-art meistens bestehe; so diene folgende Vorstellung:
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Nebst diesem bestehet sie auch darinn (1) daß die kurtzen e final ausbleiben, es sey dann Sache, daß entweder die Formation des Casus obliqui, oder eines Plural, oder endlich der Wol-laut solches erforderte. (2) Daß man in denen Sylben Sa-, Se-, Si-, So-, Su-, Sw-, an statt des S, das gemeinlich z brauche, und za-, ze-, zi-, zo-, zu-, zw-, schreibe. Jedoch stehets es einem jeden frey, aus beyden Schreib-arten, derjenigen zu folgen, die ihm am besten anstehe; ich rahte aber zu der Neuen, wovon wir beyde, ein Leß- und Schreib-Exempel vorstellen wollen, nemlich den Christlichen Glauben, und die zehen Gebote GOttes; und auf jene Seite die rechte Aussprach mit hoch-teutschen Buchstaben beysetzen.
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