2. Zur Herkunft der Fragmente
Die neuen Fragmente Cgm 5249/18, 1b der Bayerischen Staatsbibliothek wurden aus
einem Druck gelöst, über den Dr. H. Hauke mir am 12.9.1989 brieflich
freundlicherweise folgende Einzelheiten mitgeteilt hat: ‘Das Buch 2o A. lat. b. 27, dem die Servatius-Fragmente entnommen sind,
ist heute aufgestellt als 2o Inc. c.a. 1717a. Die Inkunabel
stammt aus dem Kloster Tegernsee. Auf dem Vorsatzblatt findet sich folgender
Eintrag: Attinet monasterio sancti Quirini in Tegernsee 1491. Weiter: Anno
domini etc. 1491 obtulit hunc librum deo et sancto Quirino martiri et patrono
nostro in Tegernsee fr. Leonhardus Esterman de Wasserburg artium liberalium
magister et hic monachus professus eodem anno quo supra [Zusatz:] et obiit anno
1515 31 marcii qui dies fuit vigilia pasce et eodem die fuit tumulatus. Darunter
Inhaltsangabe des Sammelbandes.’ Nach Hertrich
(1988) enthält der Band unter der Textsignatur B-601: ‘Boethius: De
consolatione philosophiae. Mit Kommentar von Pseudo-Thomas Aquinas. Nürnberg:
Anton Koberger, 1486. 06. 23. 2o; GW 4537’.
Nachgebunden ist B-1003, 2: Burlaeus, Gualterus. Der Burlaeustext ist bei Hertrich (1988) noch nicht verzeichnet. Burlaeus war
Philosoph und Verfasser von Aristoteleskommentaren.
Auch die früher aufgefundenen Fragmente wurden - sofern das noch kontrollierbar
ist - beim Einbinden von Inkunabeln benutzt. Das gilt mit Sicherheit für die
Leipziger Bruchstücke (Scharpé 1899, S. 13) und die
verbrannten Münchener Fragmente (Lehmann/Glauning 1940, S.
119), weniger sicher für die zuerst entdeckten Münchener Fragmente (Meyer 1883, S. 146). Über die Herkunft der Thoma-Fragmente ist, wie bemerkt, nichts bekannt. Die jüngste dieser
Inkunabeln wurde 1490 gedruckt. Da der Koberger Druck von 1486 sich in einem
zeitgenössischen Einband befand (einem spätgotischen Schweinslederband, Hertrich 1988), ist es wahrscheinlich, daß die
Servatiushandschrift noch im 15. Jahrhundert zerschnitten wurde. Das geschah in
Bayern, wie aus einer Reihe von Vermerken in den Büchern hervorgeht. Neben
Wasserburg am Inn, nördlich von Rosenheim, sowie Tegernsee sind noch Nürnberg
(Meyer 1883, S. 146), Unholzing bei Landshut und Landshut
selbst (Lehmann/Glauning 1940, S. 119) als Herkunfts- oder
Wohnorte von Besitzern zu vermerken, neben dem Benediktinerkloster Tegernsee das
Dominikanerkloster in Landshut. Zwei Inkunabeln sind Hilfsmittel für Juristen
gewesen: ein Straßburger ‘Modus legendi abbreuiaturas in utroque iure
siue processus iuris’ (Leipziger Fragmente) und ein Nürnberger
‘Vocabularius utriusque iuris’ (Lehmann/Glauning). Die zweite Inkunabel, in der Lehmann/Glauning Fragmente entdeckten, ist ein Druck aus Venedig:
‘Opus inforciati’. Der Inhalt der Bücher macht das Bild also
nicht viel deutlicher, so daß man bei der Suche nach eventuellen weiteren
Fragmenten nicht von einer gezielten Hypothese ausgehen kann.