Tijdschrift voor Nederlandse Taal- en Letterkunde. Jaargang 2
(1882)– [tijdschrift] Tijdschrift voor Nederlandse Taal- en Letterkunde– Auteursrechtvrij
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Zur Mnl. conjugation.Kluge hat Q F. 32 nachgewiesen dass ein besonderer typus des ablautes, welcher auf einem praesens mit ursprünglicher endbetonung beruht, im germanischen in einzelnen spuren, zb. in got. trudan, noch erhalten ist. Kürzlich machte dann Sievers Beiträge 8,83 anm. darauf aufmerksam dass auch rinnan vermutlich diesem typus angehörte gelegentlich eines aufsatzes, in welchem er für das verbum kommen das gleiche zu erweisen sucht, und s. 86 anm. äussert er sich dahin dass für eine ganze reihe anderer praesentia mit doppelconsonant am wurzelende vielleicht durchgang durch eine ältere gestalt mit dem reflex der schw. stufe des wurzelvocals anzunehmen sei. Aus grundformen wie r̥nvá, meint Sievers, seien durch rollentausch zwischen r̥ und n solche wie rn̥vá, runná hervorgegangen. Ich vermutete schon länger dass -das mnl. uns das organische praesens in diesem und wenigstens noch einem zweiten worte erhalte, und da es von wichtigkeit ist die übrig gebliebenen spuren im allgemeinen verwischter entwickelungszüge der sprachgeschichte zu sammeln, so verlohnt es sich etwas näher auf die frage einzugehen, wenn sich die vermutung auch keineswegs über gerechte zweifel erheben lässt. Man hat wol mit lauter stimme einwand erhoben gegen die annahme dass sprachformen, die auf irgend einem gebiete innerhalb der indoeuropäischen gemeinschaft sich zeigen, auf einem räumlich oder zeitlich, oder in beiden hinsichten, weit getrennt liegenden gebiete auch erhalten sein könnten, während auf allen näher liegenden ihre spuren nicht mehr angetroffen werden. | |
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Im princip teile ich dies bedenken nicht; ich meine dass die gesetze der sprachgeschichte uns zu solchen annahmen berechtigen; aber ich gebe zu dass dergleichen facta zu den äussersten seltenheiten gehören und warne selbst vor der allzu eilfertigen anknüpfung an das entfernte. Ein germ. *runnô muss sich im mnl. in der regel als ronne darstellen. Vielleicht ist es zufällig dass ich nur den infinitiv mit dem vocal o belegen kann: lopen ende ronnen (: connen possunt) Rb. 241, ronnen (:) Sp. 16, 14, 40; 33, 40, 85; 38, 81, 66; ontronnen (:) 35, 14, 82; ronnen (:) Alex. 10, 122. An einer früheren stelle 8, 901 (ich citiere nach meiner im drucke befindlichen ausgabe) ist dieselbe form von den schreibern beseitigt worden. Es steht als du die werrelt heves dor ronnen soustu dor vechten ende dor winnen, es ist jedoch zu lesen verwonnen: dorronnen. Wenn die form nur im reim erscheint, müssen wir wol schliessen dass sie zu Maerlants zeit dem lebendigen gebrauche in derjenigen sprache, welche er zu schreiben sich bemühte, nicht angehörte. Doch könnte sie auch von den schreibern an anderen stellen entfernt sein. Kilian kennt sie noch am ende des 16. jahrhunderts, er hat rennen, rinnen, ronnen und runnen gleichbedeutig als currere, manare, coagulare. Mehr im schwang war, wie es scheint, zu Maerlants zeit das verbum ginnen mit o im praesens, dessen sinnliche bedeutung incidere gleichfalls noch lebendig war (vgl. J. Grimm Zs. für d. Alterth. 8, 18 f.). Beghonnet incipit (: jonnet) Nat. bl. 3, 525; beghonnen incipere (:) 5, 1512; Franc. 8643, wo der herausgeber ändern will; Rb. 29608 ist begonnen vielleicht als part. praet. aufzufassen (vgl. Anz. f. deutsch. Alterth. und d. Litter. VII, 20), könnte jedoch auch infin. sein. Begonnen für beghinnen im versinneren hat die var. B Wap. Mart. 2, 42; v.d. Levene ons Heren 4024 steht (si) beghennen; beghennen für beghinnen ist zwar nicht unmöglich, aber es könnte doch auch leicht für beghonnen verlesen sein. Nat. bl. 3, 2632 lesen wir von der möve sine beghert ghene dinghe me ❘ tetene dan van ver- | |
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dronkenen man, ❘ so ontgonnet sine in doghen dan mit der var. ontgint, in der lat. vorlage primo petit oculum in cadavere; Sp. 15, 61, 20 heisst es maer teerst dat hi quam t Alexandrien ❘ so dede hi van soens (= 's soens) paertijen, ❘ die sijn broeder hadde gewonnen ❘ an die zuster, al ontgonnen ❘ entien broeder slaen te doot als übersetzung von fratris filium, statim ubi Alexandriam ingressus est, fautoresque pueri trucidari jussit. Die herausgeber meinen, Maerlant habe trucidare nicht wörtlich übersetzt und fassen ontgonnen als synonym von veronnen = benijden auf, Kil. ontgunnen = male favere. Est ist aber nicht zu zweifeln dass M. wol wörtlich übersetzte und ontgonnen, ontginnen eine bedeutung hatte, die es zur übersetzung von trucidare hier tauglich machte. Falsch ist vielleicht das van im zweiten verse. Ein schw. participium zu ontgonnen = anschneiden finden wir bei Janssen en van Dale, Bijdr. tot de oudheidkunde en gesch. 5, 116 van dat hij (der fisch) eerst sal hebben ghesijn ontghontGa naar voetnoot1). Begonnen (inf.): ghewonnen Walew. 10754. Die form ist im fläm. noch heute nicht ausgestorben. De Bo s. 94 führt begunnen = incipere an mit beispielen, welche die volle lebendigkeit der form dartun, zb. imp. begun enen keer; ableitung begunneling, | |
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auch mnl. subst. begonne (dat.)(:) Stoke 1, 634. Aus dem Köln.dialect verzeich net Weinhold Mhd.gramm.§52 gleichfalls die form begunnen. Für ein älteres gunno (aus ghn̥vâ̍ oder ghn̥jâ̍?) lässt sich eventuell auch das praeteritum gonþa, gonsta geltend machen. Obwol schon Grimm aao. s. 17 sich sehr entschieden in dem sinne ausdrückte dass diese formen kein unorganischer auswuchs seien und s. 18 anm. sagte ‘began coepi und gan faveo haben ausser den buchstaben nichts gemein (vgl. D W B 1, 1296), haben viele sich nicht abhalten lassen, jene praeteritalformen trotzdem für analogiebildungen nach gunnan (= giunnan) gonda gonsta zu erklären. Ginnan hat mit der verhältnismässig späten contraction gunnan in der bedeutung gar nichts und auch in der form nicht so viel gemeinsam, um den gedanken an diese analogiewirkung aufkommen zu lassen. Dass später irgend ein praesens gan ein praet. gonda hat, kann doch ein praet. bigan nicht veranlassen sich in bıgonda umzuwandeln! Wenn auch jetzt hier und da noch einer die bodenlose hypothese widerholt, so zweifelt man im allgemeinen doch nicht mehr daran dass gunþa eine alte form ist (s. Begemann zur Bedeut. des schw. Praeteritums s. 181, Verner Zs. für deutsch. Alterth. 21, 426, Paul Beitr. 7, 144 anm. 2; Möller ebend. 464). Möller betrachtet gunþa als den abkömmling eines alten t praeteritums mit endbetonung. Das un wäre demnach die regelrechte entwickelung eines n̥. Wer aber der hypothese vom t praeteritum nicht beipflichtet, wie will der das o, u in der form, überhaupt ihr entstehen erklären? Paul aao. scheint geneigt das st. praet. als eine analogiebildung zu fassen. Aber welche berechtigung haben wir zur annahme eines solchen verhältnisses? Auch die geschichte beider formen (vgl. Lachmann z. Iwein 3560, Grimm aao.) spricht nicht im mindesten dafür. So weit sich daraus überhaupt etwas schliessen lässt, bezeugt sie dass das germ. beide als gleichberechtigt und gleichbeliebt überkommen hat.Ga naar voetnoot1) | |
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Am einfachsten erklären sich die tatsachen, wenn wir annehmen dürfen dass das verbum einmal den ablaut uauu gehabt habe, und ausgleich nach beiden seiten eingetreten sei (vgl. Kluge QF 32, 122 f. und 147 f.), einerseits durch ein neues praesens ginnô, anderseits durch ein neues praet. mit dem vocal des alten praesens. Mnl. ronnen, gonnen könnten also alte formen sein. Allein man muss die frage stellen, ob sie nicht etwa in folge secundärer veränderungen zufällig zu der ähnlichkeit mit einer zu vermutenden älteren gestalt gelangt sind. Bei ronnen wird man an einen einfluss der liquida denken, wie er beim engl. run auch wol anzunehmen ist. Und in der tat kann man auch fürs nl. die möglichkeit der dunklen färbung eines hellen vocales durch ein vorangehendes r nicht in abrede stellen. Wir haben bei gedehntem vocal röse für rese, bei kurzem rudder für ridder, runt (bos) für rint. Es muss jedoch einigermassen auffallen dass ronnen für rinnen, wenn es eine auf dialectischer aussprache beruhende form ist, den schreibern nicht aus der feder fliesst. Bei gonnen ist die gleiche möglichkeit lange nicht im selben masse sicher. Wir haben göne und gone für gene, hier ist aber einfacher nasal und ausserdem haben sich die formen vielleicht in tonloser stellung entwickelt; das gleiche gilt von home, hun neben heme, hen. Auch bei dem holl. sunt für sent (sanctus) ist vermutlich die unbetontheit in anschlag zu bringen. Bei ummer und nummer für emmer, nemmer (auch ommer) haben wir freilich auch die färbung in betonter stellung; vielleicht aber ist von beiden nur nummer lautlich entwickelt und ummer abgeleitet, und dann kann das anlautende | |
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n der hauptfactor gewesen sein. Ausserdem dürften wir auch von mm nicht ohne weiteres auf die gleiche wirkung von nn schliessen. So viel ist sicher dass nasalverbindungen im nl. in der regel ein helles und kein dunkles timbre verraten. Gonnen wäre aber auch auf die möglichkeit einer analogiebildung hin zu prüfen. Auf diesem wege kämen wir eher zu einem wahrscheinlichen resultat, indem begonnen von begonde begonste abgeleitet sein kann nach der analogie von connen und onnen. Doch macht sich auch hier ein bedenken geltend. Die erklärung lässt sich nämlich nicht so ganz einfach auf ontgonnen mit der sinnlichen bedeutung übertragen, da wir nicht wissen, in wie weit davon schw. formen in gebrauch waren. Da wir also bei dem versuche die fraglichen formen als spätere entwickelungen zu erklären immerhin auf schwierigkeiten stossen, so muss die möglichkeit ihrer auffassung als alter gebilde bestehen bleiben. Weit geringer ist die wahrscheinlichkeit bei zwei anderen verbis, nämlich bornen neben bernen und trucken neben trecken. Bei brinnan (vgl. Curtius Grundzüg. 15 303) hat wol auch einmal ein praesens mit sw. vocalstufe bestanden. Allein das nl. bornen erklärt sich genügend als spätere unter dem einflusse des anlautenden b und der folgenden r-verbindung entstandene nebenform von bernen, und die schwachen formen bornde, ghebornt als auf gleiche weise entstanden aus bernde, ghebernt. Das vorhandensein der schw. formen auch bei intransitiver bedeutung beruht auf einer vollständigen verquickung von bernen = brinnan und bernen = brannjan. Bei trucken könnte man an das urslav. dirgati bei Joh. Schmidt voc. 2, 22 denken unter dem vorbehalt dass in demselben g nicht aus gh entstanden und von Schmidt mit unrecht nl. tergen hd. zergen verglichen seien, und danach ein urgerm. trukjan construieren. Allein das nl. trucken und die ganze flexion des wortes lassen sich auch überzeugend anders erklären. Dem st. mhd. trechen, trach, trâchen, getrochen sollte mnl. treken, trac, traken, getroken entsprechen. Daneben kan ein schw. trecken (trakjan) bestehen. Beide verba | |
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nun sind vollständig zusammengefallen, was form und bedeutung betrifft. Der infin. treken praes. treke sind im Lekensp. öfter belegt und durch den reim gesichert (vgl. das glossar), ferner zb. te trekene (:) Heelu 4458. Aber andere, so Maerlant, kennen nur trecken, trecke. Das praet. trac, traken ist ganz gewöhnlichGa naar voetnoot1), auch bei Maerlant, daneben schw. trecte ganz in den gleichen bedeutungen. Part. getroken (:) steht Leksp. 3, 26, 156, daneben aber häufiger getreken 3, 3, 817; 3, 4, 209; 3, 13, 9. Getreken belegt das schwanken des vocals im part. vor k in den german. dialecten, es ist für getroken unter einfluss von gesteken und vielleicht von gereken eingetreten. Maerlant kennt nur das schw. getrect. Im nnl. flectiert das verbum trekken, trok, trokken, getrokken, und dieselben formen für plur. und part. praet. finden sich auch nicht selten bereits in den mnl. hss., plur. auch trukken Lksp. 2, 54, 23 var. Die wandlung in der flexion beruht auf analogie. Zunächst attrahierte der infin. trekken ein part. mit kurzem vocal nach der analogie der klasse wie helpen, winnen und dann erzeugte weiter das part. getrocken den plur. praet. trocken nach der gleichen analogie. Die nebenformen im praesens und schw. praet. mit u statt e entstanden unter dem einfluss des anlautenden tr und des dem vocal folgenden gutturals; denn im nl. lässt sich mehrfach dunkles timbre für die gutturalen nachweisen. Einige beispiele für die formen: inf. getrucken (: stucken) Velth. 2, 38, | |
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47; tructe conj, praet. Lksp. 1, 6, 37; trucke conj. praes. Wap. Mart. 3, 229 var; neufläm. inf. trokken neben trekken, aber auch subst. trok und truk neben trek (De Bo 1186, 1190).
Bonn, den 1. November 1881.
johannes franck. |
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