Eigen taal no. een.
Weissenfels weiss in seinen Abhandlungen, trotzdem oder gerade weil er ein echter und rechter Sohn und Verehrer der Gymnasialbildung ist, scharf zu unterscheiden zwischen trockner Gelehrsamkeit und lebendiger wahrer Bildung; er sieht in dem Nützlichkeitsstreben unserer Zeit Keime richtigerer und natürlicherer Schätzung menschlicher Bildungswerthe und bleibt dabei trotz realistischer Würdigung realer Werthe im Grunde ein gesunder Idealist. Als klarschauender Pädagoge tritt er auch dem heutzutage herrschenden Grundsatz der nivellirenden Tendenz, die den sogenannten Nebenfâchern gleichen Werth wie den Hauptfâchern zulegt, energisch entgegen, giebt dem einzelnen Fache, was ihm gebührt, aber auch keinen Deut mehr, und vertritt in geistvoller Weise und mit klarem Zielbewusstsein den Grundsatz des multum, non multa, indem er immer wieder betont, dass die Schule nicht mit allem bekannt machen kann, was menschlicher Witz und Aberwitz erfunden hat und täglich noch erfindet. Weissenfels betont als entschiedener Freund humanistischer Bildung, dass die Nebengänge beim Symposion der Schule von guter Wirkung sein mögen, wenn sie maassvoll genossen werden; dass sie aber, zum Hauptgange gemacht, den eigentlich nahrhaften Geisteswissenschaften die Nährkraft hemmen.
Eine treffende Bemerkung am Schlusse des Buches ist in dem Aufsatz ‘über Versetzungen’ von charakteristischer Bedeutung für das ganze Buch; sie lautet: ‘Wäre der deutsche Unterricht das, was er eigentlich sein sollte, so stände bei dem deutschen Lehrer die alleinige Entscheidung über die Versetzung.’ Das ist ein ernstes Wort, eine versteckte Mahnung und ein berechtigter Tadel der Dinge, wie sie nun einmal sind und geworden sind. - Es geht dem deutschen Unterricht eben, wie es unserer Sprache überhaupt ergangen ist. Seit Luthers Bibelübersetzung mussten erst zwei und ein halbes Jahrhundert vergehen, ehe die deutsche Sprache zu feinem Stil und zu einiger Anerkennung gelangte. Damit wird auch der deutsche Unterricht sich trösten müssen. Gut Ding will in Deutschland immer Weile haben. Dass aber W. überall in seinem Buche, besonders auch da, wo er über die Uebersetzungen aus dem Deutschen ins Lateinische spricht, dem Deutschen die Ehre giebt, die ihm gebührt, macht sein treffliches Buch erst recht werthvoll und lesenswerth.
Adolf Matthias,
Deutsche Litteraturzeitung, 4 Mei 1901.