meines Lebensberufes, des philologischen Studiums. Ich darf hoffen, dass dieser Gegenstand Ihnen, indem Sie nachsichtig mich anhören, nicht unangenehm sein werde, da er die Grundlage der hiesigen Bildung stets gewesen und Sie selbst sich damit beschäftigt haben.’ Findest Du es nicht anmassend, dass ein Redner die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer bloss seiner selbst wegen verlangt? Ich kann nicht leugnen, dass mir diese Forderung, nach fremdem Plan eine Auseinandersetzung eigner Absichten anzufertigen, die ganze Rede sehr verbitterte. Jedoch ich machte sie und zwar, was schwer war, nach der Regel so kurz, dass sie bequem auf anderthalb Bogen ging, feilte an der Lateinität und war nur ziemlich zufrieden, bis ich sie Kirchner vorzeigte und er sie für sehr gelungen erklärte. Nun fiel mir beim Durchlesen erst auf, wie schimpflich ich mit der Sache umgegangen war. Immer hatte ich nur Kirchner'sche Phrasen, immer seine Propädeutik angeschrieben, nie eigenes gebracht. Ich trug heute die Rede vor, mit innerem Abscheu und Grausen und wunderte mich, als sie gut befunden ward. Wegen dieser Arbeit muss ich mich verachten - und doch kann ich mir eine gewisse Entschuldigung nicht versagen.’
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