Queeste. Tijdschrift over middeleeuwse letterkunde in de Nederlanden. Jaargang 2007
(2007)– [tijdschrift] Queeste– Auteursrechtelijk beschermd
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Inhalt und Funktion des Dialogus MiraculorumDer Dialogus Miraculorum, das etwa um 1220 entstandene Hauptwerk von Caesarius von Heisterbach, dem literarisch äußerst produktiven Zisterzienser aus dem Siebengebirge,Ga naar voetnoot1 illustriert in insgesamt 746 einzelnen Exempeln eindrucksvoll das mirakulöse Wirken Gottes auf Erden. Doch das umfassende Buch wurde nicht nur innerhalb kürzester Zeit zur Standardsammlung für wunderbare Geschichten, sondern es verbirgt hinter den Wundergeschichten ganz pragmatische Lebensregeln. Demzufolge zeigt es seinen pädagogischen Bezug auch direkt auf den ersten Bliek. Das Buch stellt nämlich ein Gespräch zwischen einem Mönch und einem Novizen dar, in dessen Verlauf in zwölf umfangreichen Kapitein von unterschiedlicher Länge die wichtigsten Punkte des monastischen Lebens behandelt werden. Gestützt wird jede Lektion von einem oder mehreren Exempeln, die zur Nachahmung einladen sollten oder eben gerade vor einer falschen Verhaltensweise warnen, in jedem Fall aber die Theorie einleuchtend illustrierten. Die im Dialogus Miraculorum beschriebenen Gespräche sind einfach, direkt und bisweilen sogar ein wenig überdeutlich, jedoch haben sie immer das Ziel, klerikal wichtige Inhalte zu vermitteln. Sie sollen geistige Nahrung bieten, und sammeln, was sonst verloren ginge, wie es das Motto der Sammlung colligite fragmentes ne pereant bereits andeutet. Dieses Ziel verfolgen sie mittels eines monotonen Schemas von abstrakter Frage, theologischer Erklärung und Bekräftigung dieser Erklärung durch ein konkretes, wunderbares Beispiel. Dass sich bei Caesarius - wie Wagner es beschreibt - eine ‘[...] Sucht, überall ein Wunder zu sehen’ manifestiert,Ga naar voetnoot2 wird dem lebens- und schreiberfahrenen Zisterzienser allerdings nicht ganz gerecht, denn hinter seinen naiv anmutenden Mirakelgeschichten verbirgt sich eine durchdachte Methode. Das monotone Muster nämlich erlaubt es, kategorisch alle möglichen Themen abzuhandeln, den Wiedererkennungswert zu steigern und sogar, die einzelnen Exempel bei Bedarf vom Ganzen des Dialogus abzukoppeln. Zusätzlich zu dieser offensichtlichen Funktionalität jedoch verbergen sich hinter den Wundergeschichten und der damit verbundenen Behandlung bestimmter Glaubensfragen oftmals durch und durch praktische Botschaften, von denen ich hier einige vorstellen möchte. | |||||||||||
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Primäre didaktische ElementeCaesarius bekleidete vermutlich in den Jahren 1219-1222 das Amt des Novizenmeisters, also etwa um dieselbe Zeit, in der der Dialogus Miraculorum entstanden ist; die primäre Zielgruppe für das Werk wird im Kloster, genauer unter den Novizen - also potentielle zukünftige Mönche - und Mitbrüdern vermutet.Ga naar voetnoot3 Man könnte also Caesarius durchaus einen gewissen Selbstzweck für seine Sammlung unterstellen. Er wird außerdem aus seiner pädagogischen Erfahrung heraus sehr gut gewusst haben, was die jungen Mönchsanwärter hören wollten und auch mussten, und vor allem, wie man eine Botschaft am Besten verpacken sollte, damit sie auch gehört wird. Die Mittel, derer er sich zu diesem Zweck bedient, sind so zahlreich wie einleuchtend. Zunächst ist natürlich die Dialogform selbst ein didaktisches Hilfsmittel par excellence.Ga naar voetnoot4 Auch der Aufbau in die schon genannten zwölf Kapitel mit den wichtigsten Glaubensfragen verfolgt das Ziel, alles zu vermitteln, was ein Mönch für sein Leben an monastischem Wissen brauchen könnte. Hierbei geht es nicht um komplizierte theologische Fragen, sondern vielmehr um eine essentielle Grundausbildung, was die Titel der distinctiones bereits nahe legen.Ga naar voetnoot5 Alle denkbaren Situationen, in die ein Mönch im wirklichen Leben kommen kann, werden hier angesprochen, jedes möglicherweise auftauchende Problem wird antizipiert und Lösungsvorschläge werden angeboten. Am Anfang, in Distinctio I, finden sich unter dem Titel de conversione (over de bekering) neben einigen Geschichten über die verschiedenen Motive, in ein Kloster einzutreten, praktischerweise einige grundlegenden Informationen über Geschichte, Grundsätze und Aufbau des Ordens, direkt gefolgt von der im zweiten Großkapitel enthaltenen Versicherung, dass niemand im Stande ist, jederzeit alles perfekt zu machen (Dist. II: de contritione / het berouw). Der junge Novize lauscht also den Unterweisungen seines Mentors und bekommt drei wichtige Signale: a) Jeder Mönch hat seine eigene Motivation, um hier beizutreten, b) dieser Orden hat eine illustre Geschichte und deutlich formulierte Regeln, aber c) weder wird der Orden untergehen, noch die Welt, wenn ein Novize einmal einen Fehler begeht, vorrausgesetzt, er zeigt Reue. Sollte es also einmal vorkommen, dass ein Mönch sich versündigt, kann immer noch jegliche Schuld getilgt werden, sofern der Sünder sein Vergehen wirklich bereut und beichtet (Dist. III: de confessione / de belijdenis van de zonden).Ga naar voetnoot6 Natürlich - so zumindest beschreiben es die Distinctiones IV undV (de tentatione/ over de bekoring und de daemonibus/ de demonen) - ist der Weg eines Mönches steinig und | |||||||||||
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voller Gefahren. Das beste ist es dann, wenn man als Mönch nicht allzu viel weiß und sich an die simplicitas hält (Dist. VI: de simplicitate/ de eenvoud). Für die wenigen Fälie, in denen gar nichts mehr zu helfen scheint, gibt es immer noch Maria (Dist. VII: de Sancta Maria/ over de Moeder Gods) als letztmögliche Instanz der Gnade. Der Rest der Distinctiones behandelt praktische Dinge, die sich bei Gelegenheit als äußerst hilfreich erweisen können. Die Exempel in Dist. VIII-X zum Beispiel können hervorragend als Predigtmaterial benutzt werden, geht es doch in diesen Kapiteln um de diversis visionibus (allerlei visioenen), de corpore Christi (het sacrament van het lichaam en bloed van Christus) und de miraculis (de mirakelen). Und auch die Informationen, die in den Kapiteln de morientibus (over het sterven, Dist. XI) und de praemio mortuorum (de beloning van de gestorvenen, Dist. XII) enthalten sind, werden früher oder später für den Mönch sicherlich noch wichtig werden. Insbesondere die Beichte ist für Caesarius offensichtlich von essentieller Wichtigkeit: Wenn man Dist. II und der dauernden Wiederholung dieser Botschaft im restlichen Text glauben mag, ist nichts mächtiger als aufrichtige Reue. Müsste für den Dialogus Miraculorum ein Leitmotiv festgelegt werden, wäre es sicher die Beichte und die von ihr ausgehende Tröstungserfahrung. Nach der Behandlung aller zwölf Distinctiones ist der Novize schließlich auch durch seinen Informationsstatus bereit für das Leben als Mönch und hat sogar noch wichtige Kenntnisse für eine Zukunft als (Welt-)Geistlicher und/oder Beichtvater erworben. Dass das Lernen in diesem Fall durch die Verpackung als Wundergeschichten zusätzlich noch durchaus angenehm gewesen sein muss, steht außer Frage. Besonders die jüngeren Brüder ‘prefer action in the exempla to long theological expositions, sententiae’,Ga naar voetnoot7 und profitieren damit also mit am meisten von dem besonderen Genre. Um jedoch den Dialogus Miraculorum nicht wie eine Sammlung zufällig aneinander gereihter Mirakel erscheinen und den Schüler einen Zusammenhang erkennen zu lassen, wird die Zusammenstellung überdies geschickt als thematischer Cluster präsentiert: Dist. X, 41: Ex quo loqui coepi de aquis, ostendere tibi volo, quanta Deus miracula etiam nostris temporibus operatur est in illis. Dist. X, 39: Monachus Ende want ic vanden waeteren hebbe begonnen te spreken soe wil ic di weten laten hoe grote wonderlike myerakelen dat god bi onsen tiden inden water ghewrocht heeftGa naar voetnoot8 | |||||||||||
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Auf diese Art und Weise entsteht zwar durchaus der Eindruck eines eher alltäglichen Gesprächs zwischen väterlichem Freund und Protegé, dennoch bleibt die Themenverwandtschaft der Inhalte garantiert. Und es erweist sich als kluge Vorgehensweise, versichert doch der Novize ein ums andere Mal wie ungemein sinnstiftend er seine Unterweisungen findet. Nebenbei wird der Schüler in die didaktische Vorgehensweise eingeweiht, womit er im Stande wäre, die memorierten Begebenheiten und die damit verbundenen Lektionen seinerseits weiterzugeben - offensichtlich eine Methode mit Tradition, denn unser Mönch deutet an, dass er nicht der erste ist, der hier von Gebrauch macht: Dist. VII, 13: Referam tibi de hoc exemplum, quod me audisse recolo a magistro meo in probatione. Ic seldi daer een exempel van segghen dat ic ghehoert hebbe van minen meester als mi noch wel ghehoeghet in mynen proeueliaer
Und wer nähme nicht gerne den Rat eines älteren, erfahrenen Freundes an, der wiederum seinerseits von den Erfahrungen eines noch älteren und vertrauenswürdigen Freundes profitiert? Auch dies gehört zur didaktischen Methode: Eine Quellenangabe erscheint auch dann plausibel, wenn die betreffende Person dem Schüler nicht bekannt ist - der weise Meister ist Sicherheit genug.Ga naar voetnoot9 Selbstverständlich jedoch gibt es immer Unbelehrbare... | |||||||||||
Warnen und drohenWenn die oben beschriebene Methode des Generationen überschreitenden guten Rates nicht funktioniert, kann der Dialogus Miraculorum durchaus deutlicher werden. Caesarius ist sich offensichtlich auch nicht zu schade, in diesen Fällen seine Botschaft mit Drohungen und Horrorszenarien an den Schüler zu bringen, besonders wenn es sich um Regeln handelt, die seiner Meinung nach dringend befolgt werden sollten. In dieser Vorgehensweise gibt er im Grunde nur einem überaus menschlichen Verhaltensmuster nach: Um die Wichtigkeit bestimmter Vorschriften zu betonen, wird mit Sanktionen bei Nicht-Befolgen gedroht. Wenn also vertraute Gespräche und sanfte Didaxe nicht helfen, dann vielleicht Angst. Von Dist. V de daemonibus/ over de demonen bleibt nach dem Lesen so ein übler Nachgeschmack von ubique diabolus, im Mittelalter eine echte und tief sitzende ‘Realangst’.Ga naar voetnoot10 Das Fleisch ist schwach, das wusste auch Caesarius, daher warnt er in Dist. IV die Novizen eindringlichst vor möglichen Verführungen: Wenn ihr z.B. während der | |||||||||||
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Messe einschlaft, kriechen fürchterliche Tiere wie etwa Schlangen auf euren Körpern herum (Dist. IV, 32) oder noch schlimmer, Jesus wird persönlich erscheinen, um euch zu schlagen (Dist. IV, 38). Abgesehen von der wenig pazifistischen Rolle des Gottessohnes werden hier natürlich auch ernste monastische Probleme offenbar, denn natürlich forderte der harte Tagesablauf seinen Tribut. Wenn man nun aber gar den Orden verlässt, weil das Leben im Kloster vielleicht insgesamt zu hart ist, wartet in der weltlichen Umgebung ein grausamer Tod (Dist. I, I4-I5; V, 17).Ga naar voetnoot11 Ein erschöpfter junger Mönch, der sich den Belastungen des Klosterlebens eventuell nicht mehr gewachsen fühlt und mit dem Austritt geliebäugelt hat, wird an dieser Stelle angesichts der schrecklichen potentiellen Folgen sehr gut darüber nachdenken, ob er den Orden verlassen sollte. Mit dem Tod nämlich ist keinesfalls alles durchstanden oder in irgendeiner Weise Schonung zu erwarten, denn auch post mortem kann ein Sünder auf schrecklichste Art misshandelt und verstümmelt werden (Dist. IV, 22). Wenn es also die rechte Lust am Glauben oder die Freude an der Gemeinschaft und den Wundergeschichten nicht mehr vollbringen den Mönch aufrecht zu halten, dann schafft es vielleicht die blanke Angst, denn unerschütterlich gilt: Einmal Mönch, immer Mönch. Das zeigt nicht zuletzt die Geschichte von dem entlaufenen Mönch, der in seinem Grab auf wunderbare Weise seine weltliche Kleidung gegen ein Mönchsgewand tauschte (Dist. II, 3). | |||||||||||
GebrauchsanweisungenCaesarius kann jedoch deutlich mehr als die Novizen nur in Angst und Schrecken zu versetzen und auf diese Weise Disziplin zu erzwingen. Er ist auch der freundliche Magister, der die Probleme junger Mönche kennt und ihnen eine helfende Hand auf dem Weg zu einem zufriedenen Klosterleben bieten will. Unter der Oberfläche der Exempel verbirgt sich nämlich in vielen Fällen ein simpler praktischer Rat, um den Herausforderungen des täglichen Lebens in einer Klostergemeinschaft zu begegnen. In Dist. V, 44 schildert der Dialogus Miraculorum zum Beispiel, wie die Anrufung von Maria, und/oder Jesus den Teufel in die Flucht jagt, der vorher noch ein kleines Mädchen quälte. Auf den ersten Blick ist das Verjagen des Teufels mit dem Namen des Gottessohnes natürlich das am häufigsten vorkommende Wunder, doch auf den zweiten Blick wird hier keine andere Aussage getroffen, als dass die Konzentration auf die Essenz des Glaubens jede andere Idee, bzw. jede Angst und Bedrohung ausblenden kann. Noch praktischer wird das Werk in Dist. III, 25, wo ein sterbender Novize wegen der Abwesenheit des Abtes beim Prior beichten muss, aber auf wundersame Weise dem Abt im Traum erscheint und darin beichtet. Lektion eins, aus der Klosterverwaltung: Wenn der Abt außer Haus ist, nimmt der Prior dessen Aufgaben wahr. Lektion zwei, Sonderfallregelung: Auch in besonders schweren Fällen muss diese Vertretung genügen, sollte eine Seele damit unzufrieden sein, wird sie sich anderweitig Gehör | |||||||||||
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verschaffen. Auch auf welche Art und Weise die Beichte abgenommen werden muss, wird im Dialogus Miraculorum ausführlich besprochen. Dist. III, 27f. enthalten eine genaue Gebrauchsanweisung für die Beichte, gerichtet an zukünftige Beichtväter. So werden hier nacheinander die Wichtigkeit des Beichtgeheimnisses, die Bedeutung der mündlichen Beichte und die Integrität des Beichtvaters eingehend besprochen. Selbstverständlich könnten die jungen Mönche Informationen zu diesem Thema auch in einem Manuale finden, allerdings sind die Sachverhalte dort nicht so eindrucksvoll beschrieben und sicherlich nicht mit Mirakelmaterial unterlegt. Außer zur Beichte beinhaltet der Dialogus Miraculorum überdies noch praktische Tipps für andere Gelegenheiten, wie etwa: Niemand darf ohne die notwendigen Weihen Messe halten (Dist. III, 32). Oder: Sei freundlich zu jedem, der dich besucht, denn du weißt nie, ob der Besucher nicht vorhat, dem Kloster später einmal eine beachtliche Summe Geld zu hinterlassen (Dist. IV, 71). Oder aber auch: Gegen Depressionen kann erhöhte Selbstdisziplin ein probates Mittel darstellen (Dist. IV, 28), sollte diese erste Maßnahme jedoch nicht von Erfolg gekrönt sein, und sollte der Mitbruder trotzdem der melancholia anheim fallen, ist die besondere Aufmerksamkeit jedes Bruders, und besonders der Obersten vonnöten (Dist. IV, 41). In Dist. VII, 3, in dem von einer gläubigen Frau und ihrem trinkenden, gewalttätigen Mann erzählt wird, werden den jungen Klerikern sogar Verhaltensvarianten angeboten, falls sie einmal Zeuge häuslicher Gewalt werden sollten: Nicht einmischen, sondern jemanden aus der ‘Chefetage’ (also einen Abt, Prior oder erfahrenen Priester) rufen - über den Gewalttäter wird in der Episode übrigens letztendlich der Bann ausgesprochen. Wie intelligent verpackt die Botschaften des Caesarius bisweilen sein können und wie metaphorisch ein Exempel konstruiert sein kann, sollen nun insbesondere drei Exempel zeigen, auf die an dieser Stelle genauer eingegangen werden soll. Dist. VI, 31 trägt in der niederländischen Neuübersetzung von Bartelink den sehr treffenden Titel ‘Een kluizenares zocht Christus in een spleet en vond Hem’.Ga naar voetnoot12 Hinter dieser poetischen Überschrift verbirgt sich eine Erzählung, die schon beinahe als Parabel des wahren Glaubens gelesen werden kann: Magister Johannes, nunc Abbas sancti Trudonis, cum tempore quodam in Saxonia inclusam sibi familiarem visitaret, et illa fleret, ait: Quid habes, mulier? Quare lacrimaris? Respondente illa: Ego perdidi Dominum meum, devotionis fervorem notans, Abbas sciens illam feminam esse sanctam, ioculariter subiunxit: Circui angulos cellulae tuae, et dic: Domine, ubi es? responde mihi; forsitan in aliquo foramine muri reperies eum. Quae verba simplicia simpliciter intelligens, post discessum illius parietes cellulae circuiens, et sicut edocta fuerat, dilectum invocans, quem quaesivit invenit, et quod perdiderat recepit. Saepe Deus gratiam suam subtrahit, ut avidius quaeratur, et inventa diligentius custodiatur. Post annos aliquot cum idem Johannes eam iterum visitaret, et de statu eius inquireret, illa hilariter respondit: Optime. Gratias vobis ago, quia sicut me docuistis, ita Dominum meum inveni. Qui cum verbum non intelligeret, et illa, secundum quod praedictum est, ad memoriam ei cuncta revocaret, subrisit, Christum glorificans, qui simplicibus se conformat. | |||||||||||
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Meyster iohan deken van aken doe hi op een tijt visentierde inden lande van sassen. een clusenaerster dye hem vriendelic was ende screyede. Sprac hi tot haer. wat deert di. Waer om screyestu Sy antwoerde. Ic heb mynen heer uerloren. ende si meende die vuericheit der deuocien Ende want die meyster wel wiste. dat sy een heilich wijf was. so sprac hi voertelick [Fol. 244rb] tot haer Ganc om die winkel dynre cellen ende segghe: Heer waer bistu. machschien du selsten vijnden in een gat der mueren. Sy uerstont dye sympele woerden mit sympelheit Nae dien dat hi van haer ghegaen was: ghinc sy om die wantte, ende riepe haren ghemynden an. ende dien si sochte vant sy. ende datsy uerloren hadde creech sy weder. Dicke ontrecket god sijn glorie. op dat mense te begheerliker soeke. ende wanneer mense gheuonden heuet te uliteliker bewaer ¶ Nae een deel iaren doe die selue meyster iohannes haer echter visentierde. ende haer vraechde na haren state. antwoerde sy hem blidelic. het gaet my seer wel. Ic dancke v. want also ghi my leerde also vant ic mynen here Doe hi dat woert niet en uerstont. ende sijt hem alle totter memorien brochte lachte hi ende glorificierde christum die hem gheliket den sympelenGa naar voetnoot13
Bottomline: Eine Klausnerin klagt bei ihrem Beichtvater, sie habe ihren Herrn verloren. Er rät ihr, überall in ihrer Zelle nach ihm zu suchen, möglicherweise befinde er sich ja in einer Mauerritze. Sie folgt seinem Rat und - oh Wunder! - findet ihn in der Tat genau dort, wo der Beichtvater es vermutete. Was ist geschehen? Modern erklärt hat eine Frau, die in ihrem Leben nichts anderes hatte als nur ihren Glauben, genau den verloren - eine Katastrophe von unvorstellbaren Ausmaßen. Gar nicht verwunderlich ist es hingegen, dass ihr Beichtvater (ihr einziger Vertrauter, vermutlich der einzige Mensch, den sie überhaupt regelmäßig zu Gesicht bekommt) ihr rät, überall zu suchen, bis zur letzten Ecke ihrer Behausung und ihrer Seele. Irgendwo muss der Grund noch verborgen liegen, weshalb die Frau dieses Leben voller Entbehrungen auf sich genommen hat - und tatsächlich, in einem winzigen Spalt in der Mauer findet sie das wieder, was sie verloren glaubte. Die Mauerritze ist hierbei durchaus wörtlich und sinnbildlich zu verstehen - zum einen muss sie ein Inventar dessen aufmachen, was sie hat (um festzustellen, dass das nicht viel ist und in der Welt ‘draußen’ vermutlich auch nicht mehr viel auf sie wartet), zum anderen ist sie ein Symbol für den winzigen Funken, der wieder stark genug werden muss, um sie für ihren Glauben brennen zu lassen. Und es ist sicher kein kleines Wunder, dass sie so mit ihrem Klausnerleben weitermachen kann. Und die Lektion für den Novizen? - Niemals aufgeben, es gibt einen Grund, den Weg des Glaubens zu wählen und keinen anderen. Auch Dist. IV, 95 handelt vom Zweifel an der Richtigkeit des klerikalen Lebensweges. Hier ist es ein junger Mönch, der per carnis incentiva graviter fuisse tentatum (‘door vleselijke prikkel werd bekoord’)Ga naar voetnoot14 und dies seinem Prior beichtet. Dieser empfiehlt ihm, er solle, wenn sich die nächste Versuchung ankündigt, dem bösen Geist (denn wer sonst könnte für derartige Verlockungen verantwordich sein?) die Worte Diabole, confessor meus praecipit tibi, ut cesses met tentare (‘Ga weg, duivel, mijn biechtvader beveelt het’) entgegenschleudern. Diese Methode verfehlt ihre Wirkung nicht: Der Dämon erscheint, wird angebrüllt und fährt davon. | |||||||||||
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Vor allem funktionierte sie aber aus einem sozialen Grund. Dieser junge Mönch teilte sich nachts einen Schlafsaal mit seinen anderen Brüdern, alle in, kurz vor oder gerade außerhalb der Pubertät - einer Phase ihres Lebens also, in der sie sich für alle möglichen Dinge begeistern konnten, sicher aber nicht für Disziplin und Enthaltsamkeit. Mitten in der Nacht also überkommen unseren jungen Mönch gewisse pubertäre Träume und mit ihnen die Ahnung, dass es vielleicht außerhalb der Klostermauern wirklich spannende Dinge zu erleben gäbe - und er brüllt aus Leibeskräften gegen den unsichtbaren Dämon an. Ein lauter Schrei kann in einem Schlafsaal schon rein akustisch nicht ungehört bleiben und innerhalb einer Gemeinschaft, in der Nächstenliebe und Mitgefühl eine essentielle Rolle spielen, sicherlich auch nicht emotional. Seine Brüder werden sicherlich alle zu ihm gerannt sein und gefragt haben, was ihm fehle. Im darauf folgenden Gespräch wird unser junger Freund dann begriffen haben, dass er mit seinen Phantasien keinesfalls alleine dasteht und sogar die älteren Brüder, die er respektiert, dieses Problem hatten oder sogar noch haben. Er wird sich in seiner Bruderschaft verstanden und geborgen fühlen: Ein Mönch weniger, der in diesem Alter die Sehnsucht nach der Außenwelt nicht besiegen kann und dem Kloster eventuell verloren geht. Der Gruppendynamik wird diese Episode sicher auch nicht abträglich gewesen sein, schließlich verbinden gemeinsame Erfahrungen ungemein. Der Ordensbruder, der einen nachts tröstet, wird zum Freund, und da alle dieselben Probleme haben, fühlt man sich auch eher als Teil des Ganzen. Und auf gar keinen Fall sollte an dieser Stelle vergessen werden, dass die ganze Geschichte in einer Sammlung steht, die sich durchaus auch an Jugendliche in derselben Situation wie der beschriebene junge Mönch richtet... Caesarius behält also die Realitäten des Klosterlebens im Bliek - und er weiß auch sehr gut, dass zu viel von etwas oft genau so ungesund ist, wie zu wenig von derselben Sache. In Dist. IV, 81 verkleidet sich der Teufel als Engel und bringt einen Mönch dazu, in überaus asketischer Weise zu fasten.Ga naar voetnoot15 Der Mönch wird wahnsinnig: Sicut referre solent nostri senioares, in Hemmenrode sub specie angeli daemon cuidam monacho minus circumspecto per aliquot dies in mensa formam dimidii panis ostendit, et ne plus simul sumeret dissuasit. Obedivit ille daemoni, et post breve tempus tantam debilitatem corporis incurrit, ut in sensu deficeret et periret. Als te segghen pleghen onse oude moniken tot hemeroede vertoende die boese gheest onder schijn eens enghels enen monic die hem niet ghenoech en [Fol. 161va] bewaerde. in een form van hemelschen broede. een wijl tijt ouer die tafelen. ende ontriet hem dat hi niet meer eten en soude Hi was ghehoersam den boesen gheeste ende nae cortter tijt quam hy in so groter crancheit sijns houedes. dat hi verghinc in sinen synnenGa naar voetnoot16
Die Botschaft lautet: Ja, junger Mönch, halte dich an deinem Glauben fest, übe dich in deinen religiösen Verpflichtungen und Ritualen, aber pass auf dich selbst auf. Gott wünscht einen wachsamen Geist, auch deine Zweifel sollen dir zugestanden werden, | |||||||||||
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aber ohne einen gesunden Körper kann auch dein Geist nicht existieren. So predigt Caesarius für den monastischen Alltag nicht so sehr die mit Wundern bekrönte Auszeichnung im Glauben, für die er hier reichlich Beispiele angibt, sondern viel mehr pragmatisches Maßhalten. Um die Alltäglichkeit dieses Handelns herauszustellen, bedient sich Caesarius im Umfeld seiner Zuhörerschaft: Die Quellen, die er benennt, könnten den Novizen tatsächlich eines Tages begegnen, die Geschichten spielen sich zu einem Großteil in der Nähe von Heisterbach ab und die Wunder geschehen im Einklang mit den Mythen des Volksglaubens. So erlaubt er sich bisweilen sogar, Heilige sehr plastisch zu beschreiben, obwohl dies nach strengem zisterziensischen Reglement im Grunde nicht zulässig istGa naar voetnoot17 und er bringt auch immer wieder die Reliquien der Heiligen ins Spiel, die für den Volksglauben eine so unermessliche Rolle spielen.Ga naar voetnoot18 Caesarius bleibt also immer in Kontakt mit der Lebensrealität seines Zielpublikums. | |||||||||||
Mission erfülltDass seine Rechnung aufgeht, zeigt Caesarius mit dem Ausruf des Novizen in Dist. V, 27: ‘Hoe meer ik hoor, des te min wil ik zondigen’ - das eigentliche Ziel der großangelegten Belehrung ist also schon erreicht, bevor die Wunder auch nur zur Hälfte erzählt sind. Der Dialogus Miraculorum ist auch von seiner Erzählstruktur her deutlich als volksnah zu bezeichnen, denn sein stilus simplex richtet sich klar gegen die komplexen Argumentationen der religiösen Theoretiker.Ga naar voetnoot19 Seine enorme Verbreitung mit mehr als hundert noch erhaltenen lateinischen Abschriften besonders aus dem 15. Jahrhundert spricht dafür, dass dieser Stil ankam.Ga naar voetnoot20 Für das späte Mittelalter kann aufgrund der Überlieferungssituation davon ausgegangen werden, dass das Werk zur Grundausrüstung einer guten Klosterbibliothek gehörte. Die Gründe hierfür können neben der thematischen Attraktivität auch bei der sprachlichen Gestaltung gesucht werden, der Dialogus ist nämlich in recht verständlichem Latein gehalten. Theoretisch konnte also jeder im Kloster das Buch gebrauchen, und vermutlich wurde es auch reichlich benutzt - für die Tischlesung, die eigene Lektüre der Mönche und vor allem als Quelle für Predigten und Traktate. Dass Caesarius seine Botschaft mit Hilfe der Mirakel und der wunderbaren Elemente äußerst geschickt zu verpacken verstand, so dass man sich die Einzelgeschichten immer wieder gerne anhörte, versteht sich dabei von selbst. Novizen, die Fragen hatten und damit nicht zu ihrem Prior zu gehen wagten, konnten sich somit an ihren ‘virtuellen’ Lehrmeister Caesarius und sein schlaues Buch | |||||||||||
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wenden, um schließlich zusammen mit dem Novizen aus dem Dialogus Miraculorum erfreut auszurufen: Etiam si de his dubitassem, amodo dubitare non possem!/Al hadde ic daer twifelachtich van gheweest mer voert an en mach mi daer niet van twifelen (Dist. IX, 65). Die einfache Struktur der Exempel, gepaart mit ihren sensationellen Wunderelementen sorgten für Verständlichkeit und besonders auch für Nachhaltigkeit. Das Erwähnen einer konkreten Begebenheit förderte den mnemotechnischen Effekt, und damit auch die praktische Umsetzung der Lektion, die in der Geschichte enthalten war. Und falls am Ende doch noch Fragen offen bleiben, hat Caesarius eine exemplarische Fortsetzungsgeschichte parat: Daer op wil ic di antwoerden mitten naeuolghenden exempel (Dist. X, 5). | |||||||||||
SamenvattingDe Dialogus Miraculorum, het rond 1220 ontstane hoofdwerk van Caesarius van Heisterbach, is opgebouwd als een gesprek tussen een monnik en een novice, waarbij in twaalf omvangrijke hoofdstukken de basale wetenswaardigheden voor de clerus aan bod komen. De in de Dialogus Miraculorum beschreven gesprekken zijn eenvoudig, direct en soms misschien zelfs overduidelijk, maar er altijd op gericht belangrijke inhouden aan het publiek - de novicen - door te geven. Zij volgen een eenvoudig schema: abstracte vraag, theologische uitleg en versterking daarvan door een concreet, wonderbaarlijk voorbeeld. Caesarius was zelf novicenmeester en had ongetwijfeld een goed zicht op de realiteit en problemen van het kloosterleven. Precies daarom gaat heel vaak achter de wonderverhalen een meer praktische raad schuil. Hij bereikt zijn publiek op verschillende manieren, door te dreigen of te waarschuwen, of ook wel met een eenvoudige richtlijn die op een pedagogisch handige manier de jonge novicen op miraculeuze wijze een weg uit hun problemen toont.
Adresse derAutorin: Institut für Niederländische Philologie Alter Steinweg 6/7 d-48143 Münster | |||||||||||
Literaturverzeichnis
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