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[Nummer 3]
Konrad Merz Ein Winter mit Marsman
‘Da war es, wo Kiriloff und ich vier Monate neben einander auf dem Fuszboden gelegen haben. Er dachte an das eine, ich an das andere.’ Diese Stelle aus Dostojewskys ‘Dämonen’ liest sich mir heut als ob ihre Adresse in Brüssel liegt, wo wir, Marsman und ich, auf dem Fuszboden eines Winters (36/37) vier Monat neben einander gelebt haben. Er dachte an das eine: seine Gedichte, von denen sich damals viele plötzlich im neunten Monat befanden; ich an das andre: meinen zweiten Roman, dessen erster Monat noch immer auf den Coïtus wartete. Marsman steckte nach langer Zeit von Unfruchtbarkeit im Zustand vieler Schwangerschaften. Fast jeden Tag tauchte er auf in meiner mager möblierten Bude; er wehte herein wie der Wind: schon sasz er auf meinem einzigen Stuhl, ich auf dem Tisch, und er las mir ein Gedicht vor das noch nass war. Er mit Kopf immer nach vorn, einer der seine Zukunft nie vergessen konnt, er mit dem Kopf eines ewigen Jünglings. Mittendrin stand er auf, hielt sich mit seinen zu kleinen Fäusten seine zu grosze Sturmlocke fest: ‘er komt weer iets.’ Und verschwunden was dieser Fliegendste Holländer, den ich je mitgemacht habe, nahm sein Gesicht mit und sein Gedicht. Zurück liesz er zerrissne Luft, die gefüllt war mit einer Wärme die nicht verschwindet, auch heute nicht, wenn ich an ihn denke.
m. war ein Freund, der Freunde nötig hatte. Feinde auch, aber die wurden ja in Holland geliefert wie alte Regenschirme. Freunde waren für ihn Menschen denen sogar er glauben konnte dass sie lebendig sind. Marsman war ein neuer Dichter, ein neuer Freund, es gelang ihm nicht ein neuer Mensch zu sein; ein Schicksal das er mit uns allen teilte, mit Freunden und Feinden.
nu flikkert mijn leven mijn lichaam uit.
de eeuwigheid fluit in een kogel voorbij.
(Kiriloff, Kiriloff in de Daemonen!).
Ja, der Tod, sein Thema. Schwer für mich, darüber zu schreiben. Sogar heut noch, wo sein Tod schon fast so alt ist wie sein Leben. Entschuldigen Sie, aber ich war doch millionenmal mehr zum Tode verurteilt als er, bei mir ist es schon eine Chuzpe dass ich überhaupt noch lebe. m. war von Hitler garnicht verurteilt, und doch ist er, gewissermaszen nebenbei, von ihm umgebracht worden. Weil es aber noch schwerer ist, darüber zu schweigen, darum dies: wenn man postum an Marsmans Leben denkt, hat es den Anschein als ob es begonnen hat mit seinem Ertrinken im Meere, als ob der Tod seine Geburt war, ja als ob sein Leben beginnt neun Monat nachdem er totgegangen ist; von da an läuft er rückwärts bis zur Geburt; umgedreht sind seine Tage. Wenige haben das zu seinen Lebzeiten erkannt, nichtmal Ter Braak der doch näher dran war als wir. Ich weisz noch wie Ter Braak seinen Kopf schüttelte, als m. mit 38 sein Verzameld Werk herausgeben wollte. Einmal wird jemand ein Buch schreiben müssen über diese beiden: Marsman der schon immer wuszte, er wird nicht älter als 40. Ter Braak der vieles wissen
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durfte, nur nicht, dass er nie älter wird als 38. m. der nicht leben konnte ohne seinen Tod, mtb der nicht leben konnte mit seinem Tod. Für mich der ich von drauszen kam, bedeuten sie beide zusammen das beste Holland vielleicht vom Zwanzigsten Jahrhundert. Und je weniger sie Holländer sein wollten, desto mehr waren sie es; der eine ein Europäer aus Zeist, der andre Europäer aus Eibergen. Treffen sollt ich Marsman zum erstenmal in der Wohnung von Ter Braak im Haag. m., dieser Dichter der sich im Schweigen übte, stand mir, einem Neuling der sich im Schreiben übte, kritischer gegenüber als der Kritiker Ter Braak. Nachdem Marsman seine Stiefel von den Füszen geschleudert hatte wie immer, wo er ankam, warf er Ter Braak das seinige vor über Merz; ‘Je hebt hem in de hemel getrapt!’ Dankeschön. Danach saszen wir uns gegenüber, Marsman und ich, Holländer und Mof. Und erst als ich ihm beichtete: die ganze Gnade meiner Emigration ist so grosz wie mein Schnürsenkel - falls ich nicht weiter kann, häng ich mich auf daran; erst in der Sekunde richtete er seine Marsman-Augen auf mich: dat de een als hij soms naar den ander ziet bij zichzelven zegt: maar ben ik dat niet? m. lebte wie ein Flüchtling. Ich war Emigrant. Ich war nach Holland geflohen, er floh aus Holland. Das Gedicht war das Land seines Exils. Bis es aus war. Danach musst er in ein andres Gedicht emigrieren. Zu Marsman sagt die Poësie: ‘Nimm mich, ich sterbe. Wenn dann eins von uns beiden gestorben sein wird, bin nicht ich tot, bist dus. Aber dann wirst auch du nicht gestorben sein.’
Als ich nach Brüssel reiste, bestand mein Gepäck aus Marsmans Wintermantel (im Auftrag der Lunterenschen Tanten von Riena m.; nebenbeigesagt war für Marsman ganz Holland ein Land von Tanten). Am Bahnhof erwarteten mich Marsman und Greshoff, Watt und Halfwatt. Für m. und mich, beide von Beruf: Ausländer, entpuppte Brüssel sich als eine Stadt die uns nichts übelnahm; erstens nicht die guldenleichte Miete (ich zahlte 4½ Gulden pro Monat, inclusive Gebrauch von Kachel, Koffie und Hospita, wie das damals hiesz); zweitens nichtmal dass wir uns bei keiner Polizei anmeldeten: ich weil ich nicht konnte, er weil er nicht wollte. Und m. wanderte durch Brüssel in dem Mantel den ich mitgeschleppt hatte. Er war einer den das Land seekrank machte, nicht die See die sein Element war, Welle, Wind, ‘Ewige Wiederkehr’, und auch Tinte.
Die Ewige Wiederkehr stammt von Nietzsche; man muss sie in Deutsch aussprechen, obwohl es schrecklich ist, Deutsch zu sprechen wenn man ans Ende von Marsman denkt und an das von Ter Braak. Beide waren Schüler von Nietzsche. Marsman eher der von ‘Also sprach...’ und ‘Ich bin kein Mensch, ich bin Dynamit’, Ter Braak war der Lehrling von Nietzsches ‘Gott ist tot’, von seiner Psychologie, von seiner Analyse der Ranküne, von seinem ‘Der Leib wars, der am Leib verzweifelte’. Marsman und Ter Braak sprachen mit zweiter Zunge Deutsch; übrigens ein so deutsches Deutsch wie ichs heut von keinem holländischen Literaten mehr zu hören bekomm (of dit een ongeluk is, is een andere kwestie). Von Marsman (bei den Herrnhutern in Zeist erzogen) weisz ich dass er mal in die Schweiz auswandern wollte, weil er ein Dichter in Deutsch werden wollte. Ter Braak war einst mit einer Deutschen verlobt, wenn auch nur aus Versehen. Das Deutsche sollte ihnen beiden zum Fatum werden ‘auf einem Schicksal ein Schicksal stehend’ sagt Nietzsche der es wissen muss. Ihre Freundschaft mit dem Emigranten Merz war eine aus dem letzten Stadium, aus dem des Protestes: ‘Querido die de pest aan de moffen heeft - niet alleen aan de nazi's - vindt je minimaal moffsch. wat moet je toch onvriendelijks over je vaderland hooren en wat verdraag je het goed!’, so Marsman an mich.
‘Onvriendelijk’ klang mir auch, was ich - damals ein zu junger Jüngling - an maximal Kritischem von ihm zu kauen bekam. m. war der erste der den Anfang meines zweiten
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Buchs gelesen hatte; seine Antwort: ‘je gaat je gang maar.’ Als das Ms dann fertig war, kamen von m. Kritiken los die so militant wie interessant waren. Mein Thema heiszt leider: der Ernst der so ernst ist, dass man ihn nur einem Humoristen anvertrauen kann. Nun sagt schon Chaplin: ‘Alle Clowns sind alte Leute.’ Weil ich das Leben meiner Lächerlichkeit von der verkehrten Seite betreten musst, von der Kindheit, entdeckte m. darin viel ‘Kinderachtigheid’. Heut weisz ich: er hatte recht. Konnt er etwa wissen, dass mein Tod eine viel längere Geduld haben wird als seiner?
Zum Zwecke meiner Entmoffung schrieb m. mir Bücher vor die ich sofort einzunehmen hatte, Französisches, Englisches, Russisches: ganz undeutsche Heilmittel; eine Art Verälterungskur, damit sogar einer wie ich mal erwachsen werden möcht als Mensch!
An dieser Stelle fällt mir die Anekdote ein: Marsman in der vorhitlerischen Zeit anwesend bei einer Hitlerversammung. Bei m. wars Neugierde: weil er m. war, weil es München war, weil es Hitler war. Zum Schluss brüllten alle Tausende aus einem Biermund Heilhitler, nur nicht die zwei da hinten, m. und ein Freund. Auf allen Vieren krochen Bayern mit Bierseideln auf die zwei zu die sitzen geblieben waren: ‘Aufstehn!’ Marsman: ‘Dat verdom ik!’ Die Hitleristen: ‘Hitlergrusz! Arm raus!’ Marsman: ‘Eerder hak ik hem af!’ Unverständliches unbayrisch. Bis die zwei, ziemlich unbeschädigt, sich aus dem Staub machen konnten, total taub für die nächsten tausend Jahre; ‘aber warte mal...!’
Später solite m. mal einen Artikel von mir über Kleist mit seinem Namen unterschreiben, weil ein deutscher Emigrant damals in Holland nicht enthüllen durfte dass der hysterische Mörder Hitler ein hysterischer und historischer Mörder war, ist, sein wird. Marsman hats unterschrieben für mich, leider auch für sich.
Am liebsten würde ich hier Schluss machen; da lese ich seine Widmung in meinem Exemplar von Paradise Regained: ‘in herinnering aan een winter van vriendschap in Brussel. Kerstmis 1936’, und ich merk dass ich noch garnichts erzählt hab davon. Was tun schon zwei einsame Fuszgänger abends zu Brüssel; sie gebrauchen ihre Füsze. m., dieser Wanderer, gebraucht viele Füsze und immer dieselben Lippen. Schlagwörter schüttete er daraus. Unterwegs erschreckte er eine Frau mit der Mitteilung: ‘Vrouwzijn is 'n rotbaantje!’ (in Wirklichkeit handelte es sich bei dieser Diagnose um seine Frau Riena die jeden Monat beinah Mutter war und niemals ganz). Vor einem Hause blieb m. stehn, blickte nach oben: ‘hier heeft Baudelaire gewoond.’ Das hatt ich noch nie gesehn bei m.: er stand, schwieg, sein Schweigen verbeugte sich. Aber nun jener Abend bei den Brüsseler Literaten; da kamen wir an im Taxi. m. sprang raus, lief weg wie immer. Der Chauffeur schrie ihm hinterher: ‘Monsieur!’ Konnt der wissen, dass Monsieur ein Mann ohne Taschen war? Bezahlen tat Madame. Wir gastierten bei unsern Belgiern; diese waren gutkonserviert, bessergekleidet, am besten parfümiert. Dazwischen Marsman, ohne Kragen, im blaugestrickten Schipperstui; ein Mast im Salon. Die Eingeladnen wurden aufgeladen mit billigen Reden, teurem Wein. Alle Gespräche drehten sich um einen Flamen mit dem kostbaren Namen Urbain van de Voorde. Ter Braak hatte grad entlarvt, dass dieser seine Gedichte gestohlen hatte van dem deutschen Gottfried Benn. Für die Belgier war der falsche Van de Voorde nicht der richtige Kuchen. Sie begannen feierlich den Spiegel zu zerschmettern, den der Holländer ihrem gefälschten Dichter vorgehalten hatte. De ertönte die Stimme von Marsman wie eine Schiffsposaune:
‘Wat Ter Braak schrijft is absoluut geen flauwe kul, als u dat maar weet!’ Sie sollten es erst wissen, als es zu spät war; Van de Voorde wurde nicht nur ein Plagiator vom Herrn Benn, sondern auch vom Herrn Hitler.
Eine andre Sache war der kleine Krieg von Marsman gegen Goethe. Er nannte den ‘Olympier’ eine deutsche Krankheit, ein Denk- | |
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mal mit Schimmel. Ich, ein Nebbichdeutscher, dem man sein Deutschland geraubt hatte, konnt nicht ertragen, dass man ihm auch noch den grössten deutschen Dichter entwenden wollt. Ich zog aus, den holländischen Poeten Marsman zum Glauben an den deutschen Poeten Goethe zu bekehren. Mit der Bibel von dessen Gedichten, was schon falsch war. Na und? Wo bekommt man in einer Brüsseler Bibliothek (z.B. von Greshoff oder Nijkerk) noch einen Goethe in Goldrand! Endlich entdeckte eine Schwester von Ter Braak im Bücherwald von Maurice Roelants einen eingestaubten Goethe. Ich pflanzte Papierschnitzel auf jedes Gedicht, das Goethe für Marsman geschrieben haben konnte. m. antwortete ein Ja zu wenigen (z.B. zum Prometheus), ein Nein zu den meisten. Es war eine kalte Dusche, die wir mit trocknen Kleidern überstanden, Goethe besser als ich.
Dazu muss ich sagen: Marsman hat ein recht sich vor den Deutschen abzuschliessen: sie werden ihn ermorden.
An dem Dichter Marsman war erstaunlich, dass er denken konnte, auch lachen, auch trinken. Aber kurz. Alles Lange war ihm langweilig. Von Essen und Trinken gesprochen: als m. noch in Utrecht wohnte, nahm der Brabander und Biertrinker Van Duinkerken jedesmal wenn er utrechtete bei den Marsmans das Riena-Menu ein (ich erinnre mich an viel weisze Bohnen). Eines Tags erzählte m. dem Jan Engelman: ‘Van Duinkerken hat gestern bei mir gegessen.’ Engelman: ‘Unmöglich. Er hat bei mir gegessen.’ Es zeigte sich: er hatte sowohl als auch, und zwar jedesmal. Ein Diner Marsman plus ein Diner Engelman machten zusammen ein Diner Van Duinkerken. Übrigens machte Marsman von den beiden andern auch seine Summe; sie lautete: ‘Engelman is katholiek, Van Duinkerken echter Rooms; het verschil ligt in de differentie.’
Wie ein Witz sieht es aus, dass Marsman Jurist war. Und kein schlechter. Als er zum erstenmal die heiligen Hallen der Advokaten betrat - Mr. Marsman - sagte einer dort zum andern: ‘Sinds wanneer worden hier snotneuzen toegelaten?’
Am erstaunlichsten war für mich der Krieg den m. gegen seinen eignen Leib führen musste. In seinem Corpus steckte alles was er an einem Feind hasste: Schwäche, Krankheiten, schlechte Lungen, onbetrouwbaarheid. Eines Abends musst ich als sein Stellvertreter auftreten bei einem Essen das die Binnendijks mit den Marsmans in einem italienischen Restaurant verabredet hatten. Marsman im Bett, er hatte einen jener Anfälle, deren Geheimnis er mir ins Ohr flüsterte: dann ists als ob ein Spiesz langsam durch seine Mitte gedreht wird, mitten durch seine Hoden, ein Eisen schraubt sich durch sein Fleisch, spieszt den Mann m. auf - ‘nog één nacht, nog één uur, nog één tel.’ Diese Anfälle hatte er nicht oft, aber Angst vor ihnen immer. Hier ein Wort zum Fall Slauerhoff. Dabei muss ich sagen: ich kenne dieses Wort nur aus m.s Mund, und auch den muss ich aus meinem Gedächtnis holen. Dort spielt sl. mehr einen Fremden als einen Freund, einen der ‘slecht en recht een onverdraagzaam leven’ zu tragen hatte. Slauerhoff als Trauzeuge bei der Hochzeit der Marsmans: er begann damit, dass er viel zu spät kam, noch bekleidet mit Krankenhausluft und Resten vom Spitalkostüm. Während der feierlichen Verbindung der Geschlechter traktierte sl. die Anwesenden laut mit der Geschichte eines Geschlechtskranken, den er grad behandelt hatte. Slauerhoff schrieb das Wort Syphilis in die Hochzeit von Marsman ein. Der sollte es ihm nicht vergessen und nicht vergelten. Dann: ein Sonntagmorgen. m. besucht die Slauerhoffs. Katastrophenstimmung. sl. sitzt auf keinem Stuhl, er sitzt hoch oben auf dem Schrank, ein orientalischer Götze: sein Mund Nirwana, sein Körper Stein. Seine Frau, die Tänzerin Darja Collin, windet
ihre Arme, aber nicht zur Musik von Tschaikowsky, sondern zum Schweigen van sl. Stunden so. Endlich ist sl. so freundlich, sich wieder auf die Erde zu begeben; er demonstriert dem
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Gast einen kostbaren Dolch aus dem Osten: lautlos drückt er die Spitze auf m.s Brust: ‘Indien ik het hem niet uit de hand had geslagen, ik zweer het je - hij had doorgestoken.’
Eine ganz andre Begegnung: die mit Arthur van Schendel. Wir saszen in der Taverne, dem Hauptquartier von Greshoff zu Brüssel: Marsman, Greshoff und ich. Greshoff teilt mit: gleich wird Van Schendel erscheinen. Dazu muss man wissen: Marsman hatte grad in der letzten Nummer von ‘de Groene’ den letzten Roman von Van Schendel zerrissen. m. wollte diesem Van Schendel jetzt nicht in die Augen sehn, stand auf. In der Sekunde steht das Bild vom lieben Gott in der Eingangstür: Van Schendel. Seine Haare weisze Wolken, wie gemalt zum Sonntag; er kommt herein wie eine Figur aus seinem Roman, begrüszt jeden mit seiner dezenten Freundlichkeit, m. nicht anders als uns. Keine Bitterkeit, keine Rankune. Später musste m. zugeben: van Schendel hat uns Unterricht gegeben in Niveau.
Dazu eine Parallele: Den Haag, ‘Cultclub’, Mittwochmittag. Ter Braak neben mir. Uns gegenüber Stuiveling. Der hatte grad in irgendeinem Artikel Gedichte von Marsman zerrissen. Vor uns Erdbeeren, rot wie Blut. Ter Braak fixiert Stuiveling durch den kritischen Kneifer. Schweigen. Stuiveling rückt auf seinem Stuhl hin und her unter dem Wort das mtb nicht spricht mit ihm. Endlich Ter Braak: ‘Stuiveling, wat heb je eigenlijk tegen Marsman. Alleen maar, dat hij 'n te groot dichter is voor jou?’ Das Rot aus den Schüsseln steigt nach oben, begräbt Stuivelings gesicht unter Erdbeeren.
Und zum Schluss: Rien. Kann man denn über M. sprechen, wenn man über Riena schweigt? Sie war von aussen eine Schooljuffrouw mit Brille; stand vor der Klasse, in der später auf allen Plätzen Henny Marsman sitzen sollte. Sie war für ihn: die Erde, das Brot, das Portemonnaie, die Schreibmaschine; sie war der Hafen eines Hafenlosen.
roept voor de derde keer.
Als dann die ‘Berenice’, beladen mit Holländern von den Hitlers zu Tode torpediert worden war - der Ozean das Grab des Dichters und aller andern, ausgesondert zwei - da wurde Riena mit geschundenen Wunden nach England geschleppt, Marsmans Witwe. Und den Rest wissen wir ja: Marsman hat seinen Tod gekannt, gesehen, gedichtet:
ik wil op de rotsen te pletter slaan
en versplinteren in open zee.
Die Jahre nach dem Hitlerkrieg sind nicht mehr dieselben wie die Jahre davor. Marsman ist derselbe geblieben. Er wird durch meine Tür kommen; er wird auf meinem einzigen Stuhl sitzen wie in Brüssel. Ich werde älter sein als er, zum erstenmal; mein Haar grau, seins so blond wie immer. Und fragen wird er: ‘wat schrijf je daar?’ Ich werde antworten: über Marsman. Und wieder wird er mein Manuskript durchfliegen mit unruhigen Augen. Seine Haut die zart war ist hart. Dann wird er mir das Papier zurückgeben. Und sagen wird er: ‘verscheur het!’
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