Literatuur Zonder Leeftijd. Jaargang 20
(2006)– [tijdschrift] Literatuur zonder leeftijd– Auteursrechtelijk beschermd
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Durch Zufall entdeckt
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man versprochenen Bücher erst zu Semesterende. Vielleicht war das auch gut so, denn jetzt konnte ich Hofmans Geschichten frei von literaturwissenschaftlicher Betrachtungsweise allein für mich entdecken. Und da war es wieder: das unmittelbare tiefe Erkennen. In Wort und Bild erkannnte ich eine mir wesensverwandte Welt. Übersetzungen ins Deutsche gab es noch nicht. Ich wollte die Bücher übersetzen und die Hofmansche Welt in ihrer unendlichen Vielfalt und bildhaften Erkennbarkeit für die deutschsprachigen Leser erschließen. Ich betrat einen dornigen Weg. Durchaus passend, ist doch dornenreiches Brommbeergestrüpp ein stets wiederkehrendes Motiv in Hofmans Werk.Ga naar voetnoot1. | |||||||||||||
Von Große Pien bis Schwarz wie Tinte1992 erschien im Georg Bitter Verlag der erste deutsche Hofman-Titel: Das Floß (Het Vlot), übersetzt von Mirjam Pressler, doch unbegreiflicherweise ohne Illustrationen und mit dem Titelbild eines deutschen Künstlers. 1996 folgte eine Taschenbuchausgabe beim Verlag Fischer Schatzinsel, dieses Mal mit Hofmans Illustrationen. Zu Beginn der neunziger Jahre wurde man im Gertraud Middelhauve Verlag auf die bahnbrechende Arbeitsweise einiger niederländischer Bilderbuchkünstler aufmerksam. Wim Hofman bekam den Auftrag, Grote Pien en Kleine Pien für ein großes Bilderbuch neu zu illustrieren. 1993 kam Große Pien und Kleine Pien in meiner Übersetzung heraus. Auch De Stoorworm (Der Störwurm) bekam für die deutsche Ausgabe ein neues Aussehen. Es wurde ein Lesebilderbuch, von Hofman farbig illustriert. Alle folgenden Titel erschienen mit den Illustrationen der Originalfassung. Einige erhielten eine neue Einbandgestaltung. Fast identisch mit dem Original ist die besonders gelungene, bibliophile deutsche Ausgabe von Zwart als inkt. | |||||||||||||
‘Du kannst doch auch verbessern’Der Übersetzer literarischer Texte ähnelt einem Musiker: Er hält sich an das Manuskript, betont die vorgegebenen Akzente und die sich wiederholenden Elemente und gibt dem Werk seine Interpretation. Wer einen Text von Wim Hofman übersetzt - sei es Prosa oder Poesie - hat das Glück, ein musikalisches Textwerk vor sich zu haben. Hier hat jedes Wort, jeder Satz eine bestimmte Klangqualität. Da gibt es Reihenbildungen, Wiederholungen, Variationen, Zwischentöne, Stimmen in verschiedenen Tonhöhen...Es kommt darauf an, die Sprachmelodie | |||||||||||||
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eines Werks herauszuhören und in einer für den deutschen Leser verständlichen und authentischen Form zu interpretieren. Dieses Ziel kann man erreichen, verfehlen oder sogar übertreffen. ‘Je kunt toch ook verbeteren’, sagt Hofman und spricht aus eigener Erfahrung als Übersetzer französischer und deutscher Poesie. ‘Verbessern’ lässt sich der Text eines weniger literarischen Schriftstellers, verbessern kann ein Dichter in seltenen Fällen auch Poesie, wenn die Zielsprache eine bessere Diktion anbietet. Verluste sind unvermeidbar. Demgegenüber gibt es auch Gewinne durch viele Möglichkeiten schöpferischer Eigenleistung, u.a. auch im Hinblick auf die Wiederbelebung fast vergessener Wörter, für die Hofman eine besondere Vorliebe hat. Das oberste Ziel ist und bleibt eine werkgetreue Interpretation. | |||||||||||||
Brotwarzen, Blutpulver und BittergeistIn niederländischen Fachkreisen wird oft von Übersetzungsstrategie gesprochen. Eine Strategie setzt einen genauen Plan voraus, der alle Eventualitäten einkalkuliert. Für Hofmans Prosa ist nach meiner Erfahrung eine Strategie kaum anwendbar. Es gibt ständig überraschende Wendungen sowie eine Fülle von hintersinnigen Gedanken und kulturellen Anspielungen, die man erst nach mehrmaligem Lesen erkennt, manchmal auch gar nicht. Tiefes Nachdenken, um den Geist und die Seele des zu übersetzenden Werks zu erfassen, geht dem eigentlichen Arbeitsprozess voraus. ‘Ik moet er eerst diep over nadenken.’ Diese von Hofman oft wiederholten Worte habe ich immer im Gehör. Die Liebe zur Übersetzungskunst und das Verständnis für die Grundregeln der praktischen Arbeit verdanke ich Elmar Tophoven, dem Inspirator und Gründer des Europäischen Übersetzerkollegs in Straelen. Von ihm habe ich gelernt, wie präzise und geschmeidig man mit dem Text umgehen muss. Sein akribisches System der Textanalyse hilft mir, den Text im Sinne des Autors zu verstehen und Fehler zu vermeiden. Hofmans Geschichten enthalten eine Menge Stolpersteine. Was mache ich zum Beispiel, wenn er mit erfundenen Wörtern spielt? Sie tauchen einzeln, gehäuft und ganz unvermutet auf. Hier ein Beispiel aus Zwart als inkt, blz. 117:
Scheerlingpoeder had ze, pijlgif, dodelijke
paddestoelen, zwartgroen hout
met giftige splinters. Doosjes
met papegaaisnavels en kraainagels,
zaadkorreltjes van de doornappel, gedroogde
apennavelstrengetjes, busjes met hiplichten,
teerbloed, stinkend mierzuur, konijnine,
broodwratten, bloedpoeders, geest van zout.
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Schwarz wie Tinte, Seite 117:
Schierlingspuder hatte sie, Pfeilgift, todbringende Pilze,
schwarzgrüne Hölzer mit giftigen Splittern. Schachteln
mit Papageienschnäbeln und Krähenfüßen, mit den
Saatkörnern des Stechapfels und getrockneter
Affennabelschnur. Sie hatte Döschen mit Hopslichtern,
Teerblut, stinkender Ameisensäure, Kaninchin,
Brotwarzen, Blutpulver und Bittergeist.
Auf Seite 110 gibt es ein anderes Problem:
Voorbij zweefde de zon, kwam terug
als een harige zak, zwarte sterren vielen in het bos.
Een harige zak machte mich stutzig. Der Ausdruck ‘harige zon’ kommt aus der Seefahrt und bedeutet ‘schlechte Sicht’. Auf meine Nachfrage erfuhr ich, dass hier eine Bibelstelle aus der Apokalypse angesprochen ist. Ich zog sechs verschiedene Bibelausgaben, eine Konkordanz und einen Pastor zu Rate, um für diese Textstelle eine angemessene Übersetzung zu finden. Bei Zwingli heißt es ‘ein härenes Trauergewand’, bei Luther ‘ein härener Sack’.
Meine Version: Schwarz wie Tinte, Seite 110
Die Sonne entschwand, kam zurück
in einem von Trauer umflorten Gewand.
Schwarze Sterne fielen in den Wald.
Und was mache ich mit den skurrilen Namen, geschöpft aus den merkwürdigsten Gedankenverbindungen wie zum Beispiel ‘Abbenaal’ (Wikkepokluk, Seite 139)? ‘Mein Bruder ist Ab und seine Frau heißt Aaltje’, erklärt Hofman. ‘Abbenaal’ lässt sich auch im Deutschen gut aussprechen und bleibt original erhalten. Ein anderes Beispiel aus De mist in - In den Nebel hinein: Den Namen ‘De gebroeders Beurtelings’ - hat Hofman im Telefonbuch gefunden. Hierfür musste ich nach einem deutschen Äquivalent suchen. Was bietet sich an? Jedes Wort hat zwei Grundqualitäten: den Klang und die Bedeutung. ‘Gebrüder Wechselmann’ hätte der Bedeutung entsprochen, aber nicht den Klang - die Alliteration - berücksichtigt. Ich entschied mich für ‘die Gebrüder Büxenschütz’ - auch aus | |||||||||||||
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einem Telefonbuch. Dieses sind nur zwei Beispiele aus vielen noch komplizierteren Namensschöpfungen. Nach oft stundenlangen, sogar wochenlangen Überlegungen und lautem Lesen - ‘je moet hardop lezen,’ sagt Hofman immer wieder - muss der Übersetzer sich für eine endgültige Version entscheiden. Tophoven spricht von dem Glück der Entscheidung. Und was sagt der Autor? Liebe Hedwig, Deine Übersetzung von K.D. (Klein Duimpje, HvB) nun einige Male gelesen: Ich glaube, dass es so wohl gut ist, aber Du weißt: Ich beherrsche das Deutsche nicht gut genug, um die Nuancen zu sehen. So kenne ich das Wort ‘BRAV’ nicht. Ich vertraue Dir... | |||||||||||||
Geht es Dir gut? - Maak je het goed?Es gibt sie noch!, die unermüdlichen Briefschreiber, die farbiges Briefpapier bevorzugen und ihre Briefumschläge mit ausgesuchten Briefmarken bekleben. Was mit ‘Geachte meneer’ und ‘Geachte mevrouw’ begann, wurde sehr bald auf freundschaftlicher Ebene intensiv fortgeführt. Papier ist ein Spielfeld für Einfälle, für ernsthafte Fragen und Antworten, für differenzierte und humorvolle Schilderungen eigener Seh-, Hör- und Leseerlebnisse. Die Briefe aus den ersten Jahren tippte Hofman noch auf seiner alten Schreibmaschine. Mit kindlicher Freude hielt ich sie gegen das Licht und suchte nach dem Lochmuster der aus dem dünnen Papier gestanzten Punkte und O-Buchstaben. Einige Briefe sind handgeschrieben, viele mit Zeichnungen verziert. Sie wurden in Vlissingen geschrieben, im Zug, in Prag, in Amerika - nicht in Afrika... Fragen zum Textverständnis lassen sich am besten mündlich klären, in Vlissingen oder in Oostkapelle. | |||||||||||||
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WHWim wurde während des Krieges in einer kalten Winternacht in Oostkapelle geboren. Seit 1973 haben wir in diesem Ort unser Ferienhaus. Das schafft räumliche Nähe. Bald nach den ersten Kontakten entwickelte sich zwischen beiden Familien eine Freundschaft, die Bestand hat. Zwischen Niederländern und Deutschen ist das nicht selbstverständlich. Wims Familie hatte unter der deutschen Besatzung und unter Kriegseinwirkungen gelitten. Der Vater wurde zur Fremdarbeit gezwungen und nach Deutschland geholt. Die Mutter mit zwei kleinen Kin- | |||||||||||||
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dern suchte Zuflucht in ihrer Heimat Brabant, wo man sie ablehnte, weil sie mit einem Protestanten verheiratet war. Selbstverständlich hatte sie Angst. Sie hasste die Deutschen und schrappte Möhren, die sie ihren Kindern in die Hand gab mit dem Spruch ‘Oranje boven!’. Wim war drei und lernte lesen. WH stand auf den Nummernschildern der deutschen Wehrmachtsfahrzeuge. WH -sein Name. Das war schlimm. Heute, nach gut sechzig Jahren, sagt Wim: ‘Die Geschichte des Krieges ist komplizierter, als man denkt. Man begreift sie nicht. Man versucht zu lernen und alles nuancierter zu sehen.’ | |||||||||||||
Deutsch-Niederländisch-Flämische Begegnung1991 lud der Friedrich-Bödecker-Kreis e.V. in Niedersachsen zum ersten Mal zu Gesprächen über Kinderliteratur nach Lingen ein. Es kamen 35 Autoren, Übersetzer, Verleger und andere Fachleute aus den Niederlanden, Flandern und Deutschland. Noch immer belastet durch den Krieg und seine Folgeerscheinungen, loteten wir behutsam unsere Gemeinsamkeiten aus. Sehr schnell löste sich die Spannung. Es entstanden Freundschaften und wir merkten, wie leicht und wichtig es ist, mit Kinderliteratur Grenzen zu überbrücken. Die Begegnung wurde alle zwei Jahre in einem der drei Länder fortgesetzt. Ab 1993 war auch Wim Hofman dabei. Auf meine Frage, welchen Nutzen er aus diesen Begegnungen gezogen habe, sagte er: ‘Karlhans Frank hat uns dazu ermuntert, nicht im fest umrissenen Kreis der Kinderliteratur zu verharren. Seitdem publiziere ich meine Gedichte und Kurzgeschichten auch in literarischen Zeitschriften.’ Zu den Begegnungen gehören Lesungen in Schulen, bei denen der Autor/in von einem Übersetzer/in begleitet wird. ‘Kinder müssen die fremde Sprache viel öfter hören’, sagt Hofman. Kinder reagieren spontan. Sie haben ein feines Gehör für Lautbildungen, besonders für überraschende witzige Wendungen. Sie lieben Wiederholungen, lachen über absurde Sprachschöpfungen. Als Doppeltalent hat Hofman den Vorteil, dass er auch zeichnet. Das stimuliert die Situation. | |||||||||||||
Grenzenlos und eigenständigWieder war es ein reiner Zufall, dass ich 1991 einen Artikel über das Museum für Bilderbuchkunst in Troisdorf las. Ich zeigte ihn Hofman, weil ich wusste, dass er ein eifriger Befürworter von Museen für Kinder ist. Fahr nach Troisdorf, sagte er, und schreib einen Bericht für die Zeitschrift Leesgoed. Gesagt, getan. In Troisdorf interessierte man sich für die Bilderbuchkunst der Nachbarländer. Man beauftragte mich mit der Zusammenstellung und Organisation einer Ausstellung von Orignalillustrationen niederländischer und flämischer Künstler. Während der Vorbereitungen kam aus Vlissingen ein Brief, geschrieben auf einem Probedruck mit dem Bild von dem unerschrockenen Klein Duimpje und seinen Geschwistern, | |||||||||||||
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die mit großen Augen über den Rand der Siebenmeilenstiefel hinweg schauen. Dieses Bild gab die Inspiration zu dem Titel der Ausstellung: Grenzenlos und eigenständig oder grenzeloos en toch op eigen benen mit Exponaten von siebenundzwanzig Künstlern aus den Niederlanden und Belgien. Am Eröffnungsabend las Hofman vor: ‘Niet zeuren nou, zei Klein Duimpje, klim erin!’ - ‘Red nicht, sagte Klein Däumchen. Steig ein!’ ‘Kinder sind der Willkür der Erwachsenen ausgeliefert’, sagt Hofman. Wohl gerade deswegen ermutigt er Kinder dazu, selbständig zu handeln. Viele seiner Geschichten zeigen, wie die Protagonisten durch Geistesgegenwart und selbständiges Handeln eine missliche Situation meistern. Allerdings - wenn König Wikkepokluk am Ende seiner Suche nach einem Königreich in eine Kiste steigt und der Deckel zuklappt, sieht man die Vergeblichkeit aller Bemühungen. Aber sogar in diesem Augenblick bleibt Wikkepokluk sich treu: ‘Hé!’ riep Keevineen heel luid met zijn zware stem. | |||||||||||||
Kleiner Bär, großer HeldIm Augenblick ist es im deutschsprachigen Raum still geworden um Wim Hofman. Das Interesse könnte durch Neuauflagen und Neuerscheinungen wieder belebt werden. 2004 wurden in einer Anthologie für Kinder zwei Gedichte publiziert. Und seit einem Jahr tourt das TAMTAM-Theater mit dem von Hofman geschriebenen Stück Kleiner Bär, großer Held (Beer, het verhaal van een held) durch deutsche Städ- | |||||||||||||
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te. Bei der Übersetzung eines Theaterstücks arbeitet man mit Mitteln, die das Wesen der Sprache zum Klingen bringen. Ich erlebte, wie in einem dicht besetztem Saal Kinder von 4-8 Jahren still und staunend dem Spiel folgten, eingefangen von dem Klang der poetischen Sprache und von dem Zauber der Verwandlungskunst mit einfachsten Requisiten. Sprache ist immer in Veränderung, eine Übersetzung lässt sich nie als endgültig betrachten. Der Reiz des Übersetzens ist die Metamorphose und in diesem Fall die Chance, der Hofmanschen Sprache in der deutschen Sprache eine Stimme zu geben, die den Leser erreicht. | |||||||||||||
BibliographieÜbersetzungen ins Deutsche
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Gedichte
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Theaterstück
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Ausstellungen
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Referat im Internet
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