Germania. Jaargang 4
(1901-1902)– [tijdschrift] Germania– Gedeeltelijk auteursrechtelijk beschermd
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Die deutsche Politik und die Buren
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seit Bismarcks Weggang ein stetiger Rückschritt gegenüber den steigenden Erfolgen des verewigten Staatsmannes. Ja sogar der Umfang des deutschen Reiches ist um die Hälfte seiner SchutzgebieteGa naar eindnoot5 gemindert, obwohl der Kaiser doch ein Mehrer des Reiches sein soll. Durch den Zanzibarvertrag gaben wir uns zugesprochene Einflussgebiete auf, die zunächst die Verbindung mit dem Oranje Freistaat längs des Oranjeflusses herstellten und England vom Norden ausschlossen, sowie überhaupt die Grösse der eigentlichen Schutzgebiete erreichten. Rhodesien und die Betschuanaländer, Uganda und Witu sind aus den Riemen unserer Haut für den kostpieligen und wertlosen Felsen Helgoland geschnitten, das England Bismarck schon vergebens angeboten hatte. Ubrigens wollten deutsche Kaufleute es gerade England abkaufen und dem Reiche schenken. Für Samoa haben wir England eine doppelte territoriale Entschädigung gegeben und das Hinterland von Togo, dessen Besitz streitigGa naar eindnoot6 war, noch dazu. Bismarck hätte wohl die Notlage der Engländer durch den Burenkrieg ausgenütztGa naar eindnoot7, um Vergeltung für Helgoland zu üben. Auch die Mariannen und Karolinen, deren festester BissenGa naar eindnoot8 Amerika höchst ungerechtfertigterweise zufiel, kauften wir für den doppelten Preis, den die Vereinigten Staaten geboten hatten. Aber der theatralische Effekt mit Samoa und den Karolinen war zu verlockend, als dass wir die unverhältnismässigenGa naar eindnoot9 Opfer vermieden und ruhig gegenüber Amerika eine bessere Zeit abgewartet hätten. Das sind die Erfolge der nachbismarckschen Zeit, die blos redet, keine zähe Tatkraft zeigt und für hohle SchaustellungenGa naar eindnoot10 sich begeistert. Wahrhaftig ein betrübendes Epigonentum! Dazu kommt, dass das auswärtige Amt in seinen massgebenden Spitzen und Beratern unzweifelhaft englandfreundlich ist, sodass wir tatsächlich in englischem Schlepptau fahren. Gern wollen wir der amtlichen Reichsleitung zur Entlastung die Tatsache anrechnen, dass unverantwortliche und damit durchaus | |
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unzulässigeGa naar eindnoot11 und eigennützigeGa naar eindnoot12 Einflüsse den Staatskurs zu ungelegener Zeit kreuzen und stören. Schliesslich dürfen wir nicht vergessen, dass das UngeschickGa naar eindnoot13 der Nachfolger Bismarcks den Zweibund zur Welt gebracht und den russischen Draht zerrissen hat. Trotz der wachsenden russischen Unfreundlichkeit hatte er noch den berühmten Rückversicherungsvertrag geschlossen, der das Bündnis mit Frankreich unmöglich oder wenigstens unschädlich machte. Dass wir nicht einmal mehr die entscheidende Vormacht des Dreibundes sind, sehen wir deutlich. Denn Italien kost mit Frankreich und reicht Russland über Montenegro und Albanien die Hand, auch Oesterreich bändelt mit den Moskowitern an, ohne uns nur zu fragen. Ja die slawenfreundliche österreichische Regierung lässt unsern Kaiser gröblichGa naar eindnoot14 beschimpfen, wenn er seine Pflicht als preussischer König gegenüber dem frechen Polehtum tut. Nennt man dies Weltmachtstellung oder nicht richtiger bescheidenes FortwurstelenGa naar eindnoot15 als schwächlicher Erbe der Bismarckischen Hinterlassenschaft? Die deutsche Burenpolitik weist natürlich den gleichen Unterschied mit der bismarckschen Vergangenheit auf und beleuchtet grellGa naar eindnoot16 das zwiespaltigeGa naar eindnoot17 Wesen des neuen Zickzakkurses, der das Beste will und nichts vollbringt oder nur unter Aufgabe früherer Vorteile. Der Vergleich mit der schwächlichen und unfruchtbaren auswärtigen Politik König Friedrich Wilhelms IV. v. Preussen liegt zu nahe, als dass diese Sachlage nicht jeden enrsten Vaterlandsfreund mit banger Sorge erfüllen müsste. Die Burenfreistaaten und Portugal boten Bismarck ein Schutzund TrutzbündnisGa naar eindnoot18 gegen England an, das er nicht ablehnte, jedoch dilatorisch behandelte, um es bei passender Gelegenheit gegen Albion auszuspielen. Alle drei schwachen Staaten mussten Anlehnung an den deutschen NebenbuhlerGa naar eindnoot19 Englands suchen, dessen südwestafrikanisches Einflussgebiet Englands Verbin- | |
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dung mit dem Norden durchbrach und in territorialem Zusammenhang mit den Burenlanden und Portugal stand. Deutschost-afrika grenzte andererseits auch wieder an das portugiesische Mosambique. Wenn auch die Burengesandtschaft bei dem alten Kaiser und Bismarck sich als Niederdeutsche bekannten, so war doch das politische Lebensbelang für Krüger massgebenderGa naar eindnoot20 als die Blutverwandtschaft, zumal die Verengländerung die Burenstaaten auch schon ergriffen und besonders im Oranje-Freistaat Fortschritte gemacht hatte. Es handelte sich bei einem Kampf der Buren gegen England nicht um das thörichte, mechanische Gleichgewicht in Südafrika, sondern um unsere Schiedsrichterrolle, die uns Bismarck errungen hatte, als er mit kühnem GriffGa naar eindnoot21 Grossbritannien das südwestafrikanische Küstenland entrissGa naar eindnoot22, obwohl die Kapkolonie es als ihr Vorland mit gutem Recht betrachteteGa naar eindnoot23 und in diesem Sinne auch gegen die deutsche BesetzungGa naar eindnoot24 Verwahrung einlegte. Aber Salisbury wichGa naar eindnoot25 vor dem deutschen Riesen zurück, der keine Flotte hinter sich hatte, aber tatsächlichGa naar eindnoot26 die Welt regierte. Bismarck sprach nicht viel, sondern handelte, wie sein grosser Amtsgenosse im Generalstabe, der Frankreichs Freundnachbarlichkeit auch nicht mit Liebenswürdigkeiten, sondern mit seiner überlegenen Feldherrnkunst erzwang, sodass es bis heute Ruhe gehalten hat. Caprivi war keineswegs der ehrliche Soldat, sondern ein kolonialer RänkeschmiedGa naar eindnoot27, der Südwestafrika als AustauschgegenstandGa naar eindnoot28 ansah und trotzdem seine eigene Denkschrift im Reichstag ableugnete. Der Zanzibarvertrag lag bei solchen dilettantischenGa naar eindnoot29 kaiserlichen Ratgebern in der Luft. Das Krügertelegramm war aber keiner von den unerfreulichen plötzlichen Einfällen, sondern fand die Billigung des Reichskanzlers Hohen lohe und des Staatssekretairs Marschall, der die Erhaltung der Burenstaaten amtlich für ein deutsches Interesse erklärte. Nach der gut begründeten Ansicht holländischer Diplomaten | |
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hätte ein folgerichtigesGa naar eindnoot30 Festhalten an diesem Standpunkt genügt, um England von dem Spekulantenkrieg abzuhalten, auch wenn Russland und Frankreich unsichere Cantonisten waren. Aber die englische Grossmutter wusste ihren Einfluss auszunützen, um die anglomanen Kreise Deutschlands zum Bruch der bismarckschen und von Hohenlohe staatsmännischer Weise wieder aufgenommenen Politik zu veranlassenGa naar eindnoot31. Graf Bülow ist auch mehr ein Diplomat, als der Staatsmann, der sich sagen muss, dass Südafrika und Südbrasilien die einzigen SiedlungsgebieteGa naar eindnoot32 unseres Volkes waren und noch sind, die uns die Möglichkeit der eigenen Beherrschung gewährenGa naar eindnoot33. Dulden wir freilich auch jetzt noch nach dem Opfer unserer nationalen Ueberzeugung und politischen Pflicht die Ausschliessung des deutschen Elementes aus dem englisch gewordenen Südafrika und hindern die Bureneinwanderung in unser sonst wertloses SchutzgebietGa naar eindnoot34, dann verdienen wir freilich die GeringschätzungGa naar eindnoot35 Englands, das uns auf dem Fusse der Mittelstaaten behandelt hat. Liegt der Regierung mehr am Beifall eines Ballin und seiner englischamerikanischen Geschäftsfreunde, als an der opferwilligen Zustimmung des werktätigen Volkes im Gegensatz zum dividenden hungrigen Händlertum, dann kann der Tag kommen wo sie feige vom internationalen Börsentum im Stiche gelassen wird, um bei den eigenen Bauern nicht nur für die niederdeutschen Bauern Hülfe zu suchen. Auch die stärkste englische Flotte kann übrigens einen kühnen Handstreich und eine Landung nicht verhindern, wie die Geschichte oft genug gezeigt hat. England hat soviele Interessen an allen Ecken der Welt zu schützen, dass es kaum das Mittelmeergeschwader zum Schirm der eignen Küste heranziehen kann. Gelingt aber die Landung, ist das waffenscheue Land verloren. |
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