Germania. Jaargang 4
(1901-1902)– [tijdschrift] Germania– Gedeeltelijk auteursrechtelijk beschermdDas ‘humane’ England
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Kinder zu Bethlehem ermorden liess; ein Schwertstreich- und alles war vorbei. Aber hier? Unter dem Deckmantel der erheuchelten Nächstenliebe, unter dem VorwandeGa naar eindnoot3, den Schwachen und Hilflosen ‘Schutz’ zu verleihen, verübt das allerchristlichste Grossbritannien den grausamsten aller Morde, nähmlich, langsames qualvolles HinsiechenGa naar eindnoot4 der schwachen Kinder, langsames Sterbenlassen in der ekelhaften verpesteten Luft der Schutzlager. Die fürchterlichen Schilderungen der unparteiischen Engländerin Miss Hobhouse enthüllen von den Zuständen in jenen hochgepriesene Schutzlagern ein schauerliches Bild. Von offizieller Seite dagegen wird mit echt britischer FrechheitGa naar eindnoot5 versichert, dass es den Weibern und Kindern unter englischem Schutz (?) in den Lagern weit besser ergeht, als sie es früher jemals gewohnt gewesen seien. Man glaubt hierdurch das Gewissen der englischen Nation mit Bezug auf den verübten beispiellosenGa naar eindnoot6 FrevelGa naar eindnoot7 etwas beruhigen zu können, und fast hat es den Anschein, als ob das britische Volk gegen alles Menschen- und Rechtsgefühl abgestumpft ist. Wie schändlich und gemein die Befehle und Handlungen der britische Generäle in Süd-Afrika auch sein mögen, sie finden doch noch ihre Lobredner und Verteidiger in der Presse, auf der Kanzel und im Parlament. Ueber den Zustand in jenen Zwangsheimstätten schreibt Miss Hobhouse u.a. folgendes: ‘AusserhalbGa naar eindnoot8 der ZelteGa naar eindnoot9 eine fürchterliche Hitze und im Innern eine Luft zum Ersticken! Wir sassen in Frau B. 's Zelt auf ihren aufgerollten Khakidecken; die Sonne brannte durch die einfache Zeltdecke, Fliegen lagen dick und schwarz überall; kein Stuhl, kein Tisch und kein Platz dafür; nur eine Holzkiste diente als winzigerGa naar eindnoot10 Anrichtetisch. In diesem kleinen Zelte leben Frau B 's 5 Kinder (3 davon schon ganz erwachsenGa naar eindnoot11) und ein kleines Kaffernmädchen als Dienerin. Verschiedene Zelte | |
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haben mehr Bewohner. Frau P. und R. und andere erzählen ihre Lebensschicksale. Wir weinten zusammen. In nassen Nächten strömt das Wasser hernieder durch das Zelttuch oder, wie es in jenen Gegenden so seine Gewohnheit ist, es fliesst unten herein und durchnässt die auf dem Boden liegenden Decken. Während wir dasassen, kam eine Schlange hereingekrochen; man sagte es sei eine Puffotter, sehr giftig; alle rannten hinaus und ich griff das Tier mit meinem Sonnenschirm an; ich konnte und wollte nicht, dass das Tier sich in Freiheit befinde in einer Umgebung, wo die Menschen meistens auf dem Erdboden schliefen. Nach einigem Kampfe brachte ich ihm eine Wunde bei, dann kam ein Mann und machte ihm mit einem Holzhammer vollends den GarausGa naar eindnoot12. Frau P. ist sehr tapfer und ruhig; sie hat 6 Kinder von 15 Jahren bis herab zu 2; von keinem aber weiss sie, wo es ist. Sie wurden von ihnen getrenntGa naar eindnoot13; ihr Mann ist auf irgend eine Art gefangen in Bloemfontein, aber er darf seine Frau nicht sehen. In etwa 3 Wochen erwartet sie ihre EntbindungGa naar eindnoot14, und doch muss sie auf der blossen Erde liegen, bis sie steif und wund ist; seit länger als 2 Monaten hat sie nichts zum Sitzen, sondern muss auf einer aufgerollten Decke hocken. Ich war ganz sicher, sie würden ihr gern eine Matratze geben, daher fragte ich sie, ob sie wohl eine annehmen würde. Wie war sie dankbar, und ich ruhte nicht eher, als bis ich noch gestern eine zu ihr hinausgeschafft hatte. Alle ihre Kinderwäsche war völlig in Ordnung gewesen zu Hause in ihrem Heim, doch das ist alles verloren. - Das ist nur ein Fall, aber er ist ganz gewöhnlich unter hundert und aberGa naar eindnoot15 hundert. Die Frauen sind bewundernswürdig; sie weinen nur selten; niemals aber klagen sie. Die Grösse selbst ihrer Leiden, ihrer Beleidigungen, Verluste und Aengstigungen scheint sie über Thränen hinwegzuheben. Dieses Volk, das komfortable, ja luxuriöse HeimstättenGa naar eindnoot16 besass, zwingt sich selbst zu ruhigem | |
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Dulden um sein hartes Los noch von der besten Seite aufzufassen; nur, wenn ihnen ihr hartes Los wieder durch ihre Kinder frisch vor die Seele tritt, da brechen ihre Gefühle aus. Frau M. zum Beispiel: Sie hat 6 Kinder im Lager, alle krank, 2 in dem engen Hospital am Typhus leidend, 4 im Zelte krank. Auch sie erwartet demnächst ihre NiederkunftGa naar eindnoot17. Ihr Gatte ist auf Ceylon. Sie hat Mittel und würde mit Fremden für sich selbst sorgen, entwederGa naar eindnoot18 in der Stadt oder in der Kapkolonie, wo sie Verwandte hat, oder auf ihre Farm zurückkehren. Diese ist nicht verbrannt, nur die Möbel sind zerstörtGa naar eindnoot19; dennoch muss sie hierbleiben, um zuzusehen, wie ihre Kinder dahinwelken und dahinsiechenGa naar eindnoot20. Um dieser willen bat sie mit Thränen, dass sie gehen und für sich selbst sorgen dürfe. Manche Leute behaupten immer noch, das Lager sei ein Hafen der Glückseligkeit. Wahrhaftig, es giebt Sehende und Blinde. Ich war heute im Lager und in einer kleinen Ecke nur fand ich folgendes: Die PflegerinGa naar eindnoot21, schlecht genährt und überarbeitet, sinkt soeben auf ihr Bett, kaum fähig, sich aufrecht zu halten, nachdem sie mit einigen 30 Typhoid- und anderen Kranken soeben fertig geworden, ohne andere Hilfe als Burenmädchen ohne VorbildungGa naar eindnoot22 - Küche und Pflege hat sie allein zu besorgen. Sodann holte man mich, eine Frau zu besuchen, die in der Glut keucht, eben von Geburtswehen befallen. Zum Glück habe ich ein Nachthemd in meinem Bündel, dass ich ihr schenken kann, sowie 2 Kinderkleidchen. Im nächsten Zelt haucht ein 6 Monate altes Kind auf den Knieën seiner Mutter sein Leben aus. Der Arzt hatte ihm morgens Pulver gegeben, aber es hatte seitdem keine Nahrung genommen. Noch 2 oder 3 andere Kinder schlaff und siech in demselben Zelte. Weiter: ein Kind in der Rekonvalescenz von Mazern, aus dem Hospital entlassen, ehe es zu gehen vermochte, fahl und blass | |
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auf der Erde hingestreckt, 3 oder 4 andere liegen hier und dort. Ferner: ein 21 jähriges Mädchen lag sterbend auf einer Tragbahre. Der Vater - ein grosser gutmütiger Bur - kniete neben ihr, während im nächsten Zelte seine Frau ein 6jähriges Kind bewacht; auch dieses liegt im Sterben und eines von 5 Jahren ist auch schon hinfälligGa naar eindnoot23. Dieses Ehepaar hat schon 3 Kinder im Hospital verloren und wollte deshalb diese nicht dorthin lassen, obwohl ich sie sehr bat, sie aus dem heissen Zelte fortzubringen. Er sagte: ‘Diese müssen wir selber bewachen.’ Ich schickte - Branntwein zu holen und brachte dem Mädchen einen Schluck bei; zumeist aber muss man dastehen und zusehen, unfähigGa naar eindnoot24 Hilfe zu leisten, weil es an allem fehlt, womit man helfen könnte. Dann kam ein Mann und sagte: ‘Schwester’, komm und sieh mein Kind, das schon 3 Monate krank ist.’ Es war ein lieber kleiner Bengel von 4 Jahren, von dem fast nichts übrig war, als seine grossen braunen Augen und seine weissen Zähne, von denen die Lippen zurückwichen, denn sie waren zum Schliessen zu mager. Sein Körper war ausgemergelt, der kleine Kerl hatte die frische Milk entbehren müssen, aber es gab ja natürlich keine bis vor 2 Tagen, und jetzt auch geben die 50 Kühe nur 4 Eimer. Sie können sich ja vorstellen, wie die gefüttert werden.’ ‘Ich bezeichne dieses Lagersystem als eine Grausamkeit im Grossen. Niemals wird es ganz ausgelöschtGa naar eindnoot25 im Gedächtnis des Volkes. Furchtbar lastet es auf den Kindern; sie siechen dahin in der fürchterlichen Hitze und bei der unzureichenden ungeeignetenGa naar eindnoot26 NahrungGa naar eindnoot27. Tausende schon körperlich Unfähige sind in Lebenslagen hineingezwungen, in denen sie nicht bleiben können. Vor ihnen allen steht der offenbare Untergang. Es giebt Fälle, in denen ganze Familien getrennt, und verstreut worden sind, sie wissen nicht wohin. Ganze Dörfer, ganze Gegenden sind ent- | |
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völkert, mit einem Schlage in einen fremden wüsten Platz verwandelt. Diese Lager aber fortbestehen lassen ist Mord an den Kindern! Es ist eine merkwürdige Situation, hohl und faul im innersten Kern, überall trostlose Gemeinschaften der Bevölkerung geschaffen zu haben, die man ‘Flüchtlinge’ nennt und von denen man sagt, man beschütze sie, die aber selbst zwangsweis festgehaltene Kriegsgefangene, diesen Schutz verwünschen.’ ‘Jede Frau - so berichtet Miss Hobhouse - erzählt mir ihre Geschichte, eine Geschichte, die wegen ihrer Aehnlichkeit mit den andern, die schon vorausgegangen sind, monoton wirkte. Aber es ist immer interessant, die mannigfaltige Art und Weise zu beachten, mit der die verschiedenen Charaktere der grossen algemeinen Not begegnenGa naar eindnoot28. Einige sind ganz verängstigt, Andere wie gelähmt und ganz unfähig, ihren Verlust zu begreifen, einige in Thränen aufgelöst, andere, stumm und trockenen Auges, scheinen nur fähig, an die leere mittellose Zukunft zu denken; wieder andere glühen vor Stolz, um ihres Vaterlandes willen Gefangene zu sein. Viele sind es müde, sich von den englischen Offizieren sagen zu lassen, sie seien Flüchtlinge unter dem milden wohlthätigen Schutz der Briten. In den meisten Fällen hat nicht einmal der Vorwand bestanden, dass Verrat geübt, dass Schiessbedarf verborgen oder Speise den Buren geliefert worden sei, oder sonst ähnlichesGa naar eindnoot29. Es war eben der Befehl ergangen, das Land zu räumen.’ Ein schreckliches Unheil ist gerade jetzt der Thau. Er fällt so schwer, dringt ohne weiteres durch die einfache Zeltleinwand und durchnässt alles. Die Nacht, die ich in Norval's Pont schlief, erfuhr ich es an mir selbst. Obwohl in einem Zelt mit doppelter Zeltdecke liegend, waren alle meine Kleider durch- | |
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feuchtet; die Leute müssen ihre Kleider tagtäglich nass anziehen. Den ganzen Morgen sind die Lagerwege mit den Decken und anderen Habseligkeiten angefüllt, die regelmässig hinausgelegt werden, um in der Sonne zu trocknen. Der Arzt sagte mir heute, er hielte die Zelte für die kleinen Kinder für höchst verderblich und erwarte bis zum Juni eine hohe Sterblichkeit unter ihnen. Den ganzen Nachmittag über wurde ich durch einen Regenguss in Frau L. 's Zelte festgehalten. Der halbe Zeltboden war eine RegenpfützeGa naar eindnoot30, die der Kaffernjunge vergeblich auszuschöpfen suchte. Zwei BüttenGa naar eindnoot31 fingen den Guss vom Zelteingange auf. Ringsumher und von oben troff es herab und bildete Pfützen auf den Betten und den Matten, während wir zusammengekauert dasassen - 2 Kaffern, 5 Kinder, Frau L. und ich selbst in der dampfenden Atmosphäre, bis mir anfing, übelGa naar eindnoot32 zu werden, wie es mir in den Zelten meist ergeht. Wenn es nachts regnet, was es oft thut, strömt es die ganze Nacht herab, und es bilden sich kleine Seeen auf dem Boden. Kein Wunder dass die Kinder dahinsiechen und sterben. Das Zelttuch scheint so sehr dünn und jämmerlich.’ Die Sterblichkeitsziffern sind natürlich ungeheuer; sie reden eine ernste Sprache. Während im Monat Juni die Sterblichkeit unter den Kindern in sämtlichen Lagern durchschnittlich 335 auf das Tausend betrug, stieg diese Ziffer in den ersten 14 Tagen des Monats Juli auf 393,6 pro Tausend, also mehr wie ein Drittel in einem Monat! In einem Lager starben während des genannten Zeitraumes nicht weniger als 196 Frauen und Kinder. Von den 3000 Kindern jeden Alters, die im Lager zu Potchefstroom eingeschlossen sind, starben vom 1. - 7. Juli dieses Jahres an Masern 95 und vom 8. - 14. Juli 105, das macht etwa 66 Prozent = zwei Drittel in zwei Wochen. | |
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An der Hand solcher erschreckenden Zahlen lässt sich feststellen, dass wenn dieser scheusslicheGa naar eindnoot33 Kindermord im Grossen so weiter betrieben wird, in JahresfristGa naar eindnoot34 keine Nachkommen der Buren mehr vorhanden sein werden. Ein grausames System, dieses gewaltsame Lagerleben, das demoralisierend auf Alle, namentlich auf die Jugend wirkt. Indessen auch die allgemeine Sterblichkeit ist ungeheuer. Für das Lager zu Bloemfontein z. B. betrug sie 383, in dem Lager zu Springfontein 178 pro Tausend und pro Jahr. Für Deutschland dagegen ist die durchschnittliche Sterblichkeit eine ganz andere. Da kommen auf 1000 Köpfe der mittleren Bevölkerung durchschnittlich 28.1 Todesfälle. Welch gewaltiger Unterschied! Bestialisch grausam wäre Englands Handlungsweise, wenn sich die Gerüchte bestätigen würden, zufolge derenGa naar eindnoot35 die grosse Sterblichkeit der Buren in den Konzentrationslagern keineswegs auf die bestehenden Verhältnisse allein oder auf reine Zufälligkeiten zurückzuführen sei. Es starben nähmlich von 7840 in Lagern eingepferchtenGa naar eindnoot36 Buren allein während des Monats Juni 777 Personen, während von den 23,489 Kaffern nur 5 inneren Krankheiten erlagen. Daher ist der Verdacht nicht von der Hand zu weisen, dass die Engländer die Sterblichkeit unter der gefangenen Burenbevölkerung mit Vorbedacht und mit teuflischen Mitteln herbeiführen und fördern, um das Burenvolk gänzlich auszurotten. Es wird ja schwer sein, festzustellen, ob sich dieser furchtbare Verdacht auf ThatsachenGa naar eindnoot37 gründet. Unter allen Umständen aber erscheint der Wunsch berechtigt, dass sämtliche Kulturstaaten diese Frage zum GegenständeGa naar eindnoot38 einer genauen Nachprüfung machen. ‘Ist jemals seit alttestamentlichen Tagen eine ganze Nation in Gefangenschaft geschleppt worden? Grossbritannien begeht in unserer hochkultivierten Zeit das | |
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fluchwürdigste aller VerbrechenGa naar eindnoot39: Mit Feuer und Schwert verwüstet es ein blühendes Land, unter Bayonetten und Kanonen lässt es die Männer verbluten und gleichzeitig mordet es durch Folterqualen und Hungernlassen planmässigGa naar eindnoot40 Frauen und Kinder, durchseuchtGa naar eindnoot41 durch Krankheit und Verbrechen Mutter und Töchter physisch und moralisch. Es ist die grauenhafte Vertilgung eines ganzen Volkes ‘ad majorem Britanniae gloriam.’ (Voortzetting volg.) |
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