Germania. Jaargang 4
(1901-1902)– [tijdschrift] Germania– Gedeeltelijk auteursrechtelijk beschermdDer Rassenwerth des deutschen Volkes
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Wandel blühte, hat Jahrtausende lang, als die alte tüchtige Rasse aufgesogen war, keine Kultur gedeihen können. ‘Warum’, fragt v. Gobineau mit einem Fingerzeig auf Phöniker and Karthago, ‘findet der Verkehr an diesen Stätten nur noch nach immer elementareren Gesichtspunkten statt? Weil es für die Begründung eines Handelstaates auf irgend einer Wüste oder Insel in der That etwas mehr bedarf, als des offenen Meeres, als der aus Unfruchtbarkeit des Bodens erwachsenden AnregungenGa naar eindnoot53, als selbst der Lehren und der Erfahrungen anderer: Es muss sich im Geiste der Eingeborenen dieser Küste oder Insel die besondere Anlage vorfinden, die einzig ihn dahin bringen wird, sich der erreichbaren Werkzeuge der Arbeit und des Erfolges mit Nutzen zu bedienen.’ Besonders gewichtig ist auch der Nachweis dieses durchaus christlich gesinnten Geschichtsforschers, dass auch das Christenthum die Anlagen zur Zivilisation weder schafft noch verändert; es macht die Menschen vielleicht milder und besonnener, aber nicht eigentlich zivilisatorisch. Sein ganzes Werk bestätigt folgende Sätze eines ebenfalls für die tiefere Würdigung der Rassenfrage verdienten deutschen Denkers, Dühring: ‘Der ganze Mensch und nicht irgend ein Bekenntnis ist es, was in gesellschaftlichem Gemeinwesen seine Rolle spielt. Die gesammten Rasseneigenschaften bekundenGa naar eindnoot54 sich nur in den Handlungen und müssen im geschichtlichen Gesammtverhalten wie im Thun des Einzelnen studirt werden. Die Völkercharaktere erkennen sich aus dem Lebenslauf der Völker, wie die Einzelcharaktere aus dem Lebenslauf der Einzelnen. Die Typen der Thiercharaktere legen sich in den Sitten und Gewohnheiten der verschiedenen Thierstämme dar. Die Sitten und Gewohnheiten der Menschenstämme sind das entsprechendeGa naar eindnoot55, jedoch auf einer höheren StufeGa naar eindnoot56. Die naturwissenschaftliche Betrachtungsart ist also auch hier angebracht. Sie reicht wenigstens für die rohen Grundlagen zu und ist nur durch eine Untersuchung zu ergänzen, die den Einflüssen der Kultur Rechnung trägt. Da aber die Kultur selbst nur eine Schöpfung auf dem Naturgrunde ist, so bleibt Alles in Uebereinstimmung, und wie die ursprünglichen Naturtriebe geartet sind, so fallen auch die Kulturfrüchte aus, die aus ihnen reifen. Bis zu dem, was man Ideale nennt, erstreckt sich dieser an die thierischen Eigenschaften anknüpfende Naturzusammenhang.’ Das ganze Werk Gobineau's ist nun die eben hier geforderte ergänzendeGa naar eindnoot56a Untersuchung der Rassenwerthe. Verhältnissmässig gleichgültig ist hierfür seine Ansicht über die Entstehung der Menschenrassen und ihre sog. phyletische oder Stammes-Entwicklung. Gewiss steht v. Gobineau auf diesem schwierigen Gebiete der Urgeschichte nicht auf dem modernsten wissenschaftlichen Standpunkt. Die | |
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wichtigsten Ergebnisse seiner Arbeiten werden aber durch Berichtigungen, die der wissenschaftlichen Rassenkunde auf diesem Gebiete vorbehalten sein mögen, ebenso unberührt bleiben, wie durch pedantische Kritik seiner oft gewagten sprachstammgeschichtlichen Bemerkungen. v. Gobineau will als gläubiger Katholik die Lehre von der Abstammung aller Menschenrassen von einem Paar nicht in Zweifel ziehen, obwohl sie gerade seinen sonstigen Anschauungen unbequem sind; er nimmt an, dass in urgeschichtlicher Zeit die Kräfteverhältnisse der unorganischen Natur von ganz anderer, gewaltigerer Art werden, sodass sich von ihrem Druck sekundäre Rassenveränderungen so durchgreifender Art vollziehen konnten, wie wir sie thätsächlich vor uns haben. Den Zweifel, den schon Giordano Bruno in den Versen ausspricht: ‘So vielfarbige Menschenrassen,
Der schwarze Moor mit krauser Wolle,
Amerika's langmähn'ge Rothhaut
Und der Pygmäen Zwerggestalten
Sollten von einem Urahn stammen?’
theilt er nicht. Uebrigens nimmt ja auch Häckel eine sog. monophyletische, von einer einzigen Affenart herzuleitende Abstammung an, wofür allerdings die Möglichkeit spricht, fruchtbare Bastarde zu erzeugen. Als secundäre HauÑtrassen unterscheidet v. Gobineau die weisse, die schwarze und gelbe; die rothe Rasse ist ihm schon ein tertiäres Mischgebilde. Wesentlich ist für uns, dass er hinsichtlich der KulturfähigkeitGa naar eindnoot57 der weissen Rasse derart den Vorrang einräumt, dass er alle bisherigen Zivilisationen, die indische, egyptische, assyrische, griechische, italienische, germanische, sogar die amerikanische (Mexiko, Peru) und die chinesische nur durch grössere oder geringere Beimischung von Blut der weissen Rassen erklärt und darnach ihren Werth einschätztGa naar eindnoot58, ihren Verfall aber durch allmählige Verdünnung (Aufsaugung) dieses Blutes von dem geringwertigeren Blut der gelben und schwarzen Rasse erklärt. Auf die bekannten körperlichen Kennzeichen dieser Hauptrassenunterschiede brauche ich hier nicht einzugehen. v. Gobineau stelltam tiefsten in zivilisatorischer Beziehung die schwarze Rasse. Die gelbe steht in der Mitte. ‘Die Gelben’, sagt er, sind praktische Leute im engeren Sinne des Wortes. Sie träumen nicht, finden keinen Geschmack an Theorien, sind aber im Stande, zu würdigen und sich anzueignen, was ihnen frommtGa naar eindnoot59. Ihre Wünsche beschränkenGa naar eindnoot60 sich darauf, so angenehm und bequem zu leben als möglich. Der Neger bleibt dagegen stets an der Grenze der Thierheit stehen. | |
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Die weissen Völker charakterisiren sich sämmtlich durch besonnene Energie, durch einen energischen Geist, Sinn für das Nützliche, aber in einer weiteren, höheren, idealeren Bedeutung des Wortes, als bei den gelben Völkern; eine BeharrlichkeitGa naar eindnoot61, die sich Rechenschaft von den Hindernissen giebt und auf die Dauer die Mittel findet, um sie zu beseitigenGa naar eindnoot62 bei grösserer physischer Kraft und ausserordentlichem Instinkt für Ordnung, nicht mehr lediglich als Unterpfand von Ruhe und Frieden, sondern als unerlässliches Mittel der Erhaltung, und zugleich ein ausgesprochener Sinn für die Freiheit, selbst im Uebermaasse, eine erklärte Feindschaft gegen das Formelwesen, worin die Chinesen sich einlullenGa naar eindnoot63 lassen, ebensowohl wie gegen den hochmütigen Despotismus, den einzigen Zaum, der für die schwarzen Völker ausreicht. Auch eine blosse Skizze des fesselndenGa naar eindnoot64 Gobineau'schen GemäldesGa naar eindnoot65 von dem durch die Führung der weissen Rasse bedingtenGa naar eindnoot66 Entwicklungsgang der bisherigen Zivilisationen würde mich hier zu lange aufhalten und ich eile dem Ziel meines Aufsatzes zu, dem heutigen Rassenwerthe des deutschen Volkes in der StufenleiterGa naar eindnoot67 der jetzigen, durchweg schon tertiären Rassenmischungen. Nachdem v. Gobineau uns die Semiten als eine stark mit dem Blute der Schwarzen durchmischte und eben desshalb schon am weitesten entartete Abzweigung der weissen Secundärrasse geschildert hat, kommt er auf die Arier, als das Edelreis der menschlichen Rasse zu sprechen, welches einer Vermischung mit Gelben und Schwarzen verhältnissmässig am längsten widerstanden hat. ‘Der Name Arier besitzt den werthvollen VorzugGa naar eindnoot68, dass er von den Stämmen selbst gewählt ist, auf die er angewandt wird, und ihnen überall folgt, unabhängig von den Stätten, die sie bewohnen oder möglicherweise bewohnt haben. Dieser Nahme ist der schönste, den eine Rasse annehmen kann, er bezeichnet ehrenhaft; somit waren die arischen Völker, Völker von Ehrenmännern, von Männern, die der Achtung und Ehrerbietung würdig sind, und im erweiterten Sinne wahrscheinlich von Männern, die wenn man ihnen nicht gab, was man ihnen schuldig war, es sich zu nehmen wussten. - Diese Wurzel ar folgte den verschiedenen Zweigen der Rasse überall hin und nahm ihren Sinn beständig und vor allem Anderen ein. Die Griechen zeigen sie, wohlerhalten an der rechten Stelle in dem Worte Ares, welches das ehrenhafte Wesen par excellence, den Schlachtengott, den vollkommenen Helden personifiziert, und in dem anderen Worte arete, welches Anfangs die Vereinigung der für einen wehrhaften Mann nothwendigen Eigenschaften, die Tapferkeit, die Festigkeit, die Weisheit bezeichnet und dann später die TugendGa naar voetnoot(1) bedeu- | |
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tete. Wir finden es ferner in dem Ausdrucke araomai, der sich auf die Art der Ehrung übermenschlicher Mächte beziehtGa naar eindnoot69. Man könnte die Untersuchung noch viel weiter fortsetzen und würde diese Wurzel ar, ir oder er auch in dem neudeutschen Worte Ehre erhalten finden, das zu beweisen scheint, dass ein auf sittlichen Werth begründetes Gefühl des Stolzes in den Gedanken der schönsten der Menschenrassen stets eine bedeutende Stelle eingenommen hat.’ Nachdem die vom grossen Arierstamm zuerst südwestlich (s.-östlich? Red.) abgezweigten Hellenen und Latiner ihre geschichtliche Aufgabe - die antike Kultur - vollendet haben, und, wie v. Gobineau sich etwas scharf ausdrückt, eingesunken, zu Grunde gegangen sind in dem Morast niederer Rassen, tritt der nördliche Zweig, das Germanenthum, auf den Schauplatz. Germanen sind dem Wortsinne nach nichts anderes als Arimanni, Arier in kymrischer, d.h. keltischer Aussprache. Noch im 10. Jahrhundert sagte man ohne Unterschied Germane oder Arimanne, um einen freien Mann unter den Völkern Italiens zu bezeichnen (v. Savigny, Gesch. des röm. Rechtes im Mittelalter I.S. 193). Das es aber fast ausschliesslich das germanische Blut gewesen ist, das in Italien auf einer breiten UnterschichtGa naar eindnoot70 des im Verlaufe der römischen Kaiserzeit stark semitisch durchsetzteGa naar eindnoot71 Völkergemisches dieser Halbinsel gegen Ende des Mittelalters politisch, künstlerisch und wissenschaftlich wieder eine neue Zivilisation, die der Renaissance, herbeigeführt hat, hat nicht nur v. Gobineau nachgewiesen. Dieser Gedanke drängt sich fast unwillkürlich auch dem LaienGa naar eindnoot72 auf, der heutzutage in diesem kleinen, beweglichen, emsigenGa naar eindnoot73 aber moralisch, besonders in Anschauung der eigentlichen männlichen Charaktereigenschaften, unbedeutenden Volke von Händlern und Artisten umsonst nach Erscheinungen sucht, die beispielweise den bedeutenden Männer- und Frauengestalten eines Titian als Modell hätte dienen können. Die einzig einigermassen kraftvolle Gestalt des modernen Italien, die heutzutage fast in jeder italienischen Stadt durch ein Denkmal verherrlicht ist, der Freischaarenführer Garibaldi, erinnert nicht durch seinen Namen an germanische Herkunft, er stammt aus einem der sog. sette communi, der sieben Gemeinden am Südabhänge der Alpen, in denen noch vor einigen Jahrzehnten eine an das Niederdeutsche anklingende germanische Mundart gesprochen wurde. Zur Zeit betrachtet v. Gobineau das germanische Blut nicht nur in dem stark semitischen Italien u. Spanien, sondern auch in seinem Vaterlande, in Frankreich, als fast völlig aufgesogen, er erwartet deshalb so gut wie nichts mehr von einer geschichtlichen Zukunft dieser vollständig entarteten Mischnationen. Ebensowenig theilt v. Gobineau die AnsichtGa naar eindnoot74, die nicht selten mit Hinweis auf die gewaltige Ausdehnung Russlands von dem sog. | |
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Panslavismus geltend gemacht wird, dass den Slawen noch eine grosse Zukunft vorbehalten sei. Was Russland bislang an politischer Lebenskraft gezeigt hat, schreibt er ausschliesslich der germanischen Abstammung seines Herrscherhauses und den durch dieses angezogenen deutschen Elementen, besonders aus den Ostseeprovinzen, zu. ‘Es ist möglich’ schreibt er, ‘dass dieser Umstand sich während mehr oder minder langer Zeit erhält, aber im Grunde hat er Nichts an der organischen Trägheit der einheimischenGa naar eindnoot75 Rasse geändert, und ohne Grund stellt man sich die wendische Rasse als gefährlich für die Freiheit des Abendlandes vor. Man hat sie sich sehr mit Unrecht als erobernd gedacht. Einige in TäuschungGa naar eindnoot76 befangene Geister haben es sich beikommen lassen, sie darum, weil sie sie wenig befähigt sahen, sich zu selbständigen Begriffen von sozialer Vervollkommnung zu erheben, für jung, jungfräulich und voller Saft und Kraft, der nur noch nicht in Fluss gerathen, zu erklären. Das sind lauter schöne Träume. Die Slawen sind eine der ältesten, verbrauchtestenGa naar eindnoot77, meistgemischten, entartesten Familien die es giebt. Einflüsse Auswärtiger haben sie wiederhergestellt und erhalten sie; aber diese Fremden selbst haben im Grunde nur mässigen Werth; es steht ihnen eine reiche Erfahrung, sowie Uebung und Fertigkeit in Allem, was die Zivilisation Herkömmliches mit sich bringt, zur VerfügungGa naar eindnoot78, aber es fehlt ihnen an Ideen, wie an Initiative, und so können sie auch ihren ZöglingenGa naar eindnoot79 nicht geben, was sie selbst nicht besitzen. Die Slawen sind überwiegend aus der gelben Rasse zusammengesetzt, sie bilden den natürlichen Uebergang zu ihren östlichen Verwandten mongolischer Rasse.’ Was nun den Rassenwerth des deutschen Volkes betrifft, so denkt v. Gobineau, dessen Gesammtauffassung allerdings eine ausserordentlich pessimistische ist, auch von diesem nicht mehr besonders hoffnungsvol. Der westliche und südliche Theil Deutschlands erscheint ihm bereits zu stark mit romanisch-keltischem, der östliche Theil und Mitteldeutschland mit slawischem Blut durchtränkt. Nur die friesischen, westfälischen, niedersächsischen Stämme lässt er noch als verhältnissmässig reine Germanen gelten. Aber ich glaube, dass er hier als Franzose einerseits aus einem gewissen begreiflichen Neide nicht unbefangen genug urtheilt, andererseits aber auch nicht über genügende Kenntnisse besonders unserer Sprache und Volksgeschichte verfügt um ein grundliches Urtheil zu rechtfertigen. Sehen wir von den genannten Bezirken Nordwestdeutschlands ab, so müssen wir allerdings zugestehenGa naar eindnoot80, dass eine starke Mischung stattgefunden hat. Diese Mischung aber hat gleichwohl noch nicht annähernd den Grad erreicht, dass dadurch der germanische Grundcharakter unseres Volkes schon jetzt in FrageGa naar eindnoot81 gestellt werden könnte, und den besten Beweis dafür liefert, wie | |
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schon Fichte in seiner unsterblichen Rede an die deutsche Nation hervorhebt, das noch unverwüstete Leben unserer deutschen Sprache. v. Gobineau selber betrachtet die Sprache mit Recht als den empfindlichsten Gradmesser der Völkermischung, sein Urtheil aber über das Neuhochdeutsche, ist nun offenbar irregeleitet durch die seiner Zeit noch viel üppiger wuchernde Fremdwörtersucht, gegen die wir Jüngeren doch schon mit einigem Erfolge ankämpfen, und daher zum Mindesten oberflächlich. Er schreibt (IV. S. 226): ‘Schon sind, vermögeGa naar eindnoot82 einer Bewegung, die der in Italien beobachtetenGa naar eindnoot83 entspricht, die die meisten germanischen Bestandtheile enthaltenden Dialekte, wie z. B. das Friesische, unter die der Mehrheit unverständlichsten verwiesen. Die meisten Provinzialsprachen, reich an kymrischen (keltischen) Elementen nähern sich mehr der gebräuchlichen MundartGa naar eindnoot84. Letztere bekannt unter dem Namen Neuhochdeutsch’ hat in ihrem Wortschatz verhältnissmässigGa naar eindnoot85 wenig AenlichkeitGa naar eindnoot86 mit dem Gemischen und mit den altnordischen Sprachen, dagegen immer engere Verwandtschaft mit dem Keltischen; hier und da mischt sie auch Entlehnungen aus dem Slawischen hinein. Aber vor Allem neigt sie sich dem Keltischen zu, und da sie nicht leicht Ueberreste aus dessen ältester Zeit im modernen Sprachgebrauch wieder auffinden kann, so nähert sie sich mit Gewalt derjenigen Sprachzusammensetzung, die ihm am nächsten steht, d.h. dem Französischen. Sie entnimmt ihm ohne ersichtliche Nothwendigkeit ReihenGa naar eindnoot87 von Wörtern, für die sie ohne Schwierigkeit ErsatzGa naar eindnoot88 in ihren eigenen BeständenGa naar eindnoot89 finden könnte; sie bemächtigt sich ganzer Phrasen, die im Verlauf der Rede den wunderlichsten Eindruck hervorbringen; und ihren grammatikalischen GesetzenGa naar eindnoot90 zum Trotz, deren ursprüngliche Elastizität sie übrigens gleichfalls einzuschränkenGa naar eindnoot91 trachtet, um sich unseren strengeren und steiferen Formen anzunähern, romanisiert sie sich nach der am meisten in ihrem Bereiche liegenden keltischen SchattirungGa naar eindnoot92, während das Französische nun wieder nach Kräften auf der südlichen besteht und nicht weniger Schritte auf das Italienische zu macht, als Letzteres zu ihm.’ Wir hören hier das Urtheil eines Franzosen über die leidige Fremdwörterseuche, er erblickt darin ein Zeichen unseres Verfalls, unserer RassenentwerthungGa naar eindnoot93. Allein dies schon sollte Jeden von uns, der eine Ehre darin setzt, arisches Blut in seine Adern zu haben, gewissermassen als nach einem äusseren Adelszeichen auch danach trachten lassen, sich einer möglichst fremdwörterreinen deutschen Ausdrucksweise zu befleissigen. Ich werde Ihnen aber den NachweisGa naar eindnoot94 führen, dass wir dadurch, dass wir unsere Muttersprache möglichst rein zu halten suchen, auch uns selber rein und sittlich auf einer höheren Stufe erhalten, von der wir beim Gebrauch der Fremdwörter herabsinken. Den denkerisch zwingenden Beweis dafür | |
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finden Sie in Fichte's 4. Rede an das deutsche Volk. Ich bezieheGa naar eindnoot95 mich auf diese Rede an dieser Stelle um so lieber, als Fichte, der als Deutscher über den Werth unserer Sprache ein ganz anderes Urtheil beanspruchen darf, denn der Franzose Gobineau, hier des Letzteren Schlechtgläubigkeit - so möchte ich das heutzutage so vielgebrauchte Wort ‘Pessimismus’ wiedergeben - hinsichtlich unserer Sprache zum Voraus widerlegt hat’ Das unterscheidenste Merkmal, der herrlichste Vorzug unserer Sprache ist, meint Fichte, im Vergleich derselben mit den so oft ihr von Oberflächlichen wegen vermeintlichen Wohlklangs vorgezogenen neulateinischen (oder romanischen) nichts geringeres, als der, dass sie eine lebendige Sprache ist, jene aber in Wahrheit todt sind.’ Nach einer tiefsinnigen Ergründung des Wesens der Sprache überhaupt sagt jener denkerische Wiedererwecker deutschen Vaterlandsgefühls Folgendes: ‘Nach Jahrtausenden und nach all den Veränderungen, welche in ihnen die äussere Erscheinung der Sprache unseres Volkes erfahren hat, bleibt sie immer die Sinne, ursprünglich also aussprechen müssende Sprachkraft der Natur, die ununterbrochen durch alle Bedingungen herabgeflossen ist, und in jeder so werden musste, wie sie ward, am Ende derselben so sein musste, wie sie jetzt ist, und in einiger Zeit also sein wird, wie sie sodann sein müssen wird.’ Er veranschaulicht uns diesen Vorzug, den freilich die Skandinavier und Niederdeutschen, die er selbstverständlich als Alldeutsche zu uns rechnet, auch besitzen durch folgende Beispiele: Er greift aus den Fremdwörtern heraus die berüchtigten Schlachtworte: Humanität, Popularität, Liberalismus’. Er zeigt uns, wie diese letzteren leerer Schall sind für Jeden, der sie, ohne gelehrte Kenntniss des Alterthums und seiner Sprachen, vernimmt, wie nur deshalb gerade für einen solchen diese Klänge einen gewissen geheimnissvollen ReizGa naar eindnoot96 bekommen und hochtönend erscheinen. ‘Man glaube nur nicht,’ fährt er fort, ‘dass es sich bei den neulateinischen Völkern, die jene Worte vermeintlich als Worte ihrer Mutterssprache aussprechen, viel anders verhalte. Auch für sie sind und bleiben jene Worte ursprünglich fremde Sinnbilder. - Würde aber einem Deutschen statt des Wortes ‘Humanität’ das Wort Menschlichkeit, wie es wörtlich zu übersetzen ist, geboten, so hätte er es, ohne gelehrte Erklärung, gleich verstanden aber auch gesagt: Da ist man eben nicht viel, wenn man ein Mensch ist und kein Vieh.’ Fichte will uns hiermit vor Augen führen, wie die Aufnahme von Fremdwörtern vielfach geradezu eine Herabstimmung unserer ursprünglichen Denkart offenbart. | |
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‘Würde ich ferner,’ fährt er fort, ‘dem Deutschen statt der Worte Popularität’ und ‘Liberalismus’ die Ausdrücke ‘Haschen nach Gunst beim grossen Haufen’ und ‘Entfernung vom Sklavensinn’. wie sie wörtlich übersetzt werden müssen, sagen, so bekäme derselbe zuvörderst nicht einmal ein klares und lebhaftes, sinnliches Bild, dergleichenGa naar eindnoot97 der frühere Römer allerdings bekam. Dieser sah alle Tage die schmiegsame Höflichkeit des ehrgeizigen Kandidaten gegen alle Welt sowie die Ausbrüche des Sklavensinns vor Augen, und seine Worte bildetenGa naar eindnoot98 sie ihm lebendig vor. Durch die Veränderung der Regierungsform und die Einführung des Christenthums waren schon dem späteren Römer diese Schauspiele entrissen; wie denn überhaupt diesem besonders durch das fremdartige Christenthum, das es wederGa naar eindnoot99 abzuwel ren noch sich einzuverleiben vermochte, die eigene Sprache guten Theils abzusterben anfing im eigenen Munde. Wie hätte diese, schon in der Heimath halbtodte Sprache lebendig überliefert werden können an ein fremdes Volk? Was ferner das in jenen beiden Ausdrücken liegende Sinnbild eines geistigen betrifft, so liegt in der Popularität schon ursprünglich eine Schlechtigkeit, die dadurch das Verderben der Nation und ihrer VerfassungGa naar eindnoot100 in ihrem Munde zur Tugend verdreht wurde. Der Deutsche geht in diese Verdrehung, sowie sie ihm nur in seiner eigenen Sprache geboten wird, nimmer ein. Zur Uebersetzung des Liberalismus aber dadurch, dass ein Mensch keine Sklavenseele oder, wenn es in die neue Sitte eingeführt wird, keine Lakaiendenkart habe, antwortet er abermals, dass auch dies sehr wenig gesagt sei. Hätte man das, was jene ausländischen Worte eigentlich wollen müssen, wenn sie überhaupt etwas wollen, dem Deutschen in seinen Worten und seinem sinnbildlichen Kreise also ausgesprochen: Menschenfreundlichkeit, Leutseligkeit, Edelmuth, so hätte er uns verstanden; die genannten Schlechtigkeiten aber hätten sich niemals in jene BezeichnungenGa naar eindnoot101 einschieben lassen. Im Umfange deutscher Rede entsteht eine solche Einhüllung in Unverständlichkeit und Dunkel entweder aus Ungeschicklichkeit oder aus böser TückeGa naar eindnoot102; sie ist zu vermeiden, und die Uebersetzung in wahres Deutsch liegt als stets fertiges Hülfsmittel bereit. In den neulateinischen Sprachen aber ist diese Unverständlichkeit natürlich und Ursprünglich, und sie ist durch gar kein Mittel zu vermeiden, indem diese überhaupt nicht im Besitz irgend einer lebendigen Sprache, woran sie die todte prüfen könnten, sich befinden, und die Sache genauGa naar eindnoot103 genommen, eine Muttersprache gar nicht haben.’ Nur ungern verzichte ich a[u]s Mangel an Raum darauf, Ihnen Fichte's gehaltvolle weitere Darlegungen über unsere Muttersprache als eine Bürgin unseres Werthes weiter vorzutragen. Ihren Hauptinhalt kann ich kürzer in den Versen eines niedersächsischen Landsmannes zusammenfassen: | |
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Wenn Sprache mehr ist, als willkürlich Zeichen,
Wenn sie, die wir der Gottheit HauchGa naar eindnoot104 verdanken,
Gehurt des Innern ist, Leib der Gedanken:
Welch' andre Sprache kann der Deutschen gleichen!
Nicht die des Spaniers, Welschen, Gallo-Franken,
Zertheilte Zungen nur von Römer-Leichen:
Selbst die des Briten nicht, die vom dem reichen
Urstamme wichGa naar eindnoot105, Fremdart'ges zu umranken:
Die uns're, wurzelnd in des Volkes Boden,
Saugt stets aus ihm die frischen Lebenssäfte,
Treibt stets auch neue Blätter, Blüthen, Loden;
Ur- und Naturlaut voller Bildungskräfte:
Wie's säuselt, kocht, braust, rauscht im EichenhaineGa naar eindnoot106,
So spricht die deutsche Sprache und sonst keine.
Melchior v. Diepenbrock (1829)
Jena.
Fortsetzung folgt.
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