Germania. Jaargang 4
(1901-1902)– [tijdschrift] Germania– Gedeeltelijk auteursrechtelijk beschermd
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Das ‘humane’ England
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Dass diese einfachen Buren nicht in einer Uniform sondern in ihrem Werktagskittel zu Felde ziehen, bedarf wohl kaum der ErwähnungGa naar eindnoot5. So viel im allgemeinen über die bestehende Wehreinrichtung, die im Kriege Aenderungen erfährt. So wurden z. B. mehrere Kommandos unter den Befehl eines ‘Generals’ gestellt; die einzelnen Freikorps, welche mehr nach europäischem MusterGa naar eindnoot6 organisiert waren, wurden einem Kommando attichiert oder mit anderen zusammen einem gemeinsamen Führer übergeben; u. dergl. mehr. Jeder Bürger hat Pferd, Bewaffnung und Ausrüstung sich selbst zu halten, bezw. zu beschaffen, während diese Sachen den Freikorps geliefert wurden. Sold oder Löhnung aber bekommt niemand. Dass durch das bestehende Wahlsystem nicht immer der Fähigste an die Spitze kommt, ist leicht denkbar. Auch durch den nach republikanischem System eingerichteten ‘Kriegsrat’ ist nicht viel erreicht. Ein jeder Führer hat das Recht, dort seine Meinung zu äussern. Dadurch kommt es, dass oft viel geschwätztGa naar eindnoot7, aber wenig gehandelt wird, namentlich dann, wenn eine energische Oberleitung oder die massgebendeGa naar eindnoot8 Persönlichkeit fehlt, welche die eigene Auto rität in die Wagschale werfen kann. Wie es bei einem solchen Volksheere mit der Disciplin bestellt ist, wenigstens nach unseren deutschen Begriffen, kann man sich leicht vorstellen. Gut schiessen und reiten, das Gelände vorzüglich ausnützen und die schwersten Strapatzen ertragen, das kann jeder Bur. Was hilft das aber alles, wenn der Geist der Einheit und Ordnung das Unterwerfen des eigenen Willens unter den des Führers, die HingabeGa naar eindnoot9 des Einzelnen an das Ganze, mit anderen Worten, der militärische Geist fehlt! Bei den Engländern war es damit ja auch nicht weit her. Aber das bischen Disciplin und militärisches Gefühl, das diesen Mietstruppen eingebleutGa naar eindnoot10 und eingedrillt worden ist, es hat, abgesehen von der erdrückenden numerischen Stärke, doch etwas dazu beigetragen, dass sie schliesslich die Oberhand gewannen. Was andererseits straffe Einheit in der Obersten Leitung und Disciplin vermögen, das haben die stehenden Truppen der Buren, die Artillerie und Polizei, während des ganzen Krieges zu wiederholten Malen gezeigt. Gleichzeitig war da auch der Beweis erbracht, dass der einfache Burensohn bei etwas Drill und Zucht sich zu einem vorzüglichenGa naar eindnoot11, tüchtigen Soldaten eignet. | |
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Wie vortrefflich z. B. bewährte sich unsere Artillerie bei Dundee. Mit einer Ruhe und Kaltblütigkeit, die ihresgleichen sucht, trotzten da unsere Artilleristen mit ihren paar Feldgeschützen dem verheerenden Feuer aus einer sechsfach überlegenen Kanonenzahl. Und wie vorzüglich schoss unsere Artillerie bei Modderspruit! Das war eine Freude anzusehen, mit welcher Treffsicherheit Schuss auf Schuss in die feindlichen Reihen gelangte und diese in Verwirrung brachte. Und ähnlich war es immer; ich erwähne nur Colesberg, Magersfontein und im späteren Verlaufe des Krieges Dalmanutha. Bei allem aber darf man nicht vergessen, dass die Buren in diesem Kriege zum ersten Male mit so grossen Massen operierten. Wie sie früher ihre Kämpfer nach Tausenden zählten, so jetzt nach Zehntausenden. Und doch ist es bewundernswert, wie ordnungsmässig alles klappte. Anfangs ging alles so gut, dass selbst englische Berichterstatter voll des Lobes gewesen sind; und das will doch wahrlich viel heissen! Eine andere Leitung, mehr Straff heit und Energie, Männer wie Botha, de Wet, de la Rey, die leider erst zu spät in den Vordergrund getreten sind - und alles wäre anders gekommen. Pann wäre die traurige Wendung der Dinge wohl nicht eingetreten. Indessen, wer weiss es? Vielleicht war das alles notwendig, um auszumerzenGa naar eindnoot12 und zur Einzicht zu gelangen, um durch das Schlachten-Ungewitter, durch Blitz und Donner der Kanonen, die reinere Atmosphäre des Erkennens atmen zu können. Wer weiss es? Für Preussen waren die Jahre 1806 und 1807 ja auch die Vorbedingung zur späteren Erhebung, die schliesslich zum vereinigten deutschen Reiche geführt hat. Unter solchen Verhältuissen fällt natürlich ein Faktor schwer ins Gewicht, nähmlich: Die errungenen Vorteile wurden niemals ausgenutzt und zwar dann und dort, wo wir sie hätten ausnutzen können und müssen. Indessen im Grossen ist es dasselbe wie im Kleinen. Der einfache Bure in seiner schlichtenGa naar eindnoot13 Frömmigkeit und Leichtgläubigkeit wird ganz im GegensatzGa naar eindnoot14 zu dem ‘frommen und humanen’ Briten niemals grausamGa naar eindnoot15 sein, niemals seinen Gegner unmenschlich behandeln. Nie und nimmer wird der Bure dem in seine Hände geratenen Feind hochmütig mit Spott und Hohn begegnen, wie ich es leider so oft von Engländern den gefangenen Buren gegenüber gesehen habe. | |
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Als ich z. B. als Gefangener im offenen Kohlenwagen von Pretoria nach East London befördert wurde, erlebte ich Scenen, die mir vor Zorn und Scham das Blut in den Schädel trieben. Das war eine Schmach und NiedertrachtGa naar eindnoot16. Da sah man den gemeinen, rohen Charakter des Briten! Auf den Stationen, auf denen unser Zug ab und zu mal längeren Aufenthalt hatte, sammelte sich sofort in kurzer Zeit eine grosse Menschenmenge an, die sich nicht mit stillem AnglotzenGa naar eindnoot17 der Gefangenen begnügte. Nein, verhöhnt und verspottet undgeschmäht wurden diese Aermsten vom gemeinen PöbelhaufenGa naar eindnoot18, von Schwarzen sowohl wie auch Weissen, dass es eine Schande war. Bis dicht heran zu den offenen Bahnwagen drangen Einzelne, spieenGa naar eindnoot19 vor den gefangenen Buren aus und überschütteten sie mit den gemeinsten Schimpfworten. Es war empörendGa naar eindnoot20! Ruhig mussten die Buren sich das alles gefallen lassen. Wohl sah man manche geballte Faust, manchen ingrimmigen Blick der tiefsten Verachtung, aber auch - wehr - und machtlos! Und ringsherum standen die bewaffneten Posten, die englischen Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften, standen militär- und Civil-personen, lächelnden Mundes und - niemand, aber auch niemand fühlte sich veranlasstGa naar eindnoot24 solchen Ausschreitungen EinhaltGa naar eindnoot23 zu gebieten. Nimmer würde so etwas ein Bure, auch der ungebildetsteGa naar eindnoot23, geduldet haben. Der behandelt seine Gefangenen, wie bekannt, wirklich als Menschen, besser als die eigenen Angehörigen. Leider hat er oft Undank für seine Güte erntenGa naar eindnoot24 müssen. Der Bure ist auch im Siege einfach und schlicht, ohne UeberhebungGa naar eindnoot25, grossmütig im Sinne des Worts. Dagegen aber der Engländer? Der kennt keine Grossmut! Der ist und war der gedungeneGa naar eindnoot26 Mordbrenner, der da grausam vernichtet, zerstampft und ausrottet. Jene ‘nation of shopkeepers’ betrachtet ja schon gehässig und verächtlich als Feind einen jeden, der nicht zu ihrer eigenen, gottbegnadeten Nation gehört. Das hat das deutsche Volk schon längst empfunden und leider oft genug erfahren! Wie gesagt, der Bure wird sich niemals grausam oder unmenschlich gegen seine Feinde benehmen. Im Gegenteil. Er giebt sein letztes Stück Brot, seinen letzten Schluck Wasser, seinen eigenen Rock und seine Decke hin, um den verwundeten oder gefangenen Engländer das Los erträglicher zu machen. Das liegt nun einmal im Charakter jenes einfachen Volkes von Bauern und Hirten, das starr an der Bibel als Richtschnur festhält. Oftmals leider - wie die Geschichte gelehrt hat - zu seinem Nachteil. ‘Bauer, werde hart!’ und zwar gegen Deinen Erbfeind, den Bri- | |
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ten! Deine Gutmütigkeit und Milde betrachtet jener als Dummheit und - nutzt sie hohnlachend zu seinem Vorteil aus! Wie grossmütig die Buren sind, das hat man namentlich nach dem Raubzuge Jamesons und der Reform-Komödie in Johannesburg gesehen. Hätte man damals die Führer jener Räuberbande, den Herrn Jameson und Willoughby, auf dem Kampffelde bei Doornkop erschossen, wie es mit vollem Fug und Recht hätte geschehen können: niemand hätte dagegen etwas einwendenGa naar eindnoot27 können. Denn jene Leute waren Freibeuter und gemeine VerbrecherGa naar eindnoot28. Und hätte man die Revolutionsmacher aus der Goldstadt für immer des Landes verwiesenGa naar eindnoot29, ihr Eigentum zu Staatseigentum gemacht und unter StaatsbetriebGa naar eindnoot30 gestellt - die Engländer würden das auf jeden Fall so gemacht haben - dann hätte man dort am Witwatersrand ein Gegengewicht gegen den englischen Einfluss geschaffen. Vor allen Dingen aber hätte man ein Exempel stattiert und der britischen Klique bewiesen, dass man handeln kann. Man hätte imponiert. Was hat nun jene übergrosse Milde Transvaal gebracht? Es wurde verhöhnt und ausgelacht. Und was hat jenes Streben nach Sympathie durch diese Beweise von Grossmut und Gnade genutzt? VerhältnismässigGa naar eindnoot31 recht wenig. Milde erweckt nur Sympathie bei weichen Seelen, bewiesene Energie und Kraft aber bei den thatkräftigenGa naar eindnoot32. Und nur letztere kommen in Betracht im Völkerleben. Denn einmal neigen Menschen und Völker sich allerzeit und überall dahin, wo augenblicklich die grösste Kraftentwickelung stattfindet und dann ist Napoleons Ausspruch doch nicht so ganz unwahr: ‘Es giebt nur zwei Hebel, womit man die Menschen in Bewegung setzt, nähmlich FurchtGa naar eindnoot33 und EigennutzGa naar eindnoot34.’ Transvaal hätte sich damals die Sympathie und Zuneigung der starken Völker und der Starken im Volk erworben und hätte zu gleicher Zeit abschreckend auf Grossbritannien gewirkt. Rechnet man alsdann mit den hieraus sich ergebenden politischen Kombinationen, dann ist es vielleicht in Frage zu stellen, ob dieser Krieg jetzt schon entstanden wäre. Man hat auch vielfach behauptetGa naar eindnoot35, der Bure sei starrköpfig und wolle auf fremden Rat nicht hören. Nun, ist das überhaupt anders möglich? Kennt man die Geschichte der Buren und diese letzteren selbst, dann wird man hierüber anders urteilen. Ich gebe zu, dass viele Fehler hätten vermieden werden können, | |
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wenn hie und da der Rat eines SachverständigenGa naar eindnoot36 gehört und befolgt worden wäre. Indessen muss man auch hierin mit dem Urteil nicht zu schnell bei der Hand sein. Wenn irgendwo der SatzGa naar eindnoot37 zutrifft: ‘Jeder Mensch ist ein Produkt von Zeit und Umständen’ so ist es hier bei dem Burenvolke der Fall. Der Bure ist zu dem gemacht, was er heute ist und zwar durch die Nation, die ihn auf ihrer Jagd nach dem golde beständig verfolgt, geschmäht, gelästert hat, und die nun im Begriffe steht, ihn zu vertilgen’ Das ist jene ‘nation of shopkeepers’ im Heuchellande jenseits des Kanals, die da im AberglaubenGa naar eindnoot38 lebt, dass der liebe Herrgott erst den Engländer und dann für diesen die Welt geschaffen habe, und dass ihr vom lieben Herrgott alles erlaubt sei selbst Verbrechen und Gemeinheiten. Von dem Habgierigen England gehetztGa naar eindnoot39 vom Kap bis nach Natal und zum Orangefluss und weiter bis über den Vaal in die unbekannte, verderbenbringende Wildnis hinein, ohne Rast und Ruh, immer wieder aufgescheuchtGa naar eindnoot40 von dem Orte, an dem er sich kaum niedergelassen hatte, führte der Bure Generationen hindurch ein fürchterliches Wanderleben, unter Kämpfen und Entbehrungen, die uns fast unglaublich erscheinen. Und alles das nur darum, um frei zu bleiben von der verhassten britischen Herrschaft, die damals aus Ländergier und unersättlichem Golddurste den Boden Afrikas mit Blut tränkteGa naar voetnoot(1). Aus jenen Zeiten schreiben sich die Gewohnheiten der Buren her. Dort haben sie, bis zur Verzweiflung getrieben, ihre Willenskraft und Frömmigkeit erhalten. Von da stammt auch jener Zug des Mistrauens der einem Menschen eigen ist, in dessen Leben EnttäuschungenGa naar eindnoot41 und bittere Erfahrungen eine grosse Rolle gespielt haben. Da liegt auch die Antwort auf jene so häufig aufgeworfene Frage, weswegen der Bure in der Kultur so wenig vorgeschritten sei und sich so wenig mit dem Konfort und Luxus der europäischen Civilisation bekannt gemacht habe. Er ist hieran vom humanen civilisirten Engländer gehindert und systematisch von jeder Kultur abgeschlossen worden. Eine eigene Literatur, welche die Leidensgeschichte der Vorfahren, die eigene Not und BedrängnisGa naar eindnoot42 im Volke, das perfideGa naar eindnoot43, brutale Vorgehen Englands, aus bedrängtem Herzen in die Welt hinausschreien konnte, war ebenso wenig möglich, wie eine eigene Presse. | |
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England mit seinem Gelde liess bisher die Geschichte jenes Landes und Volkes schreiben und hat damit leider vielfach Glauben gefunden. Man darf aber nicht vergessen, dass trotz dieser fürchterlichen Widerwärtigkeiten,Ga naar eindnoot44 trotz des von England ausgeübten Druckes, der Bure alles allein gemacht hat. Zielbewusst und energisch hat er sich sein Transvaal aus einer Wildnis heraus, fast aus einem Nichts heraus, geschaffen, sein Transvaal mit seiner VerfassungGa naar eindnoot45, mit seiner VerwaltungGa naar eindnoot46 und allen Staatseinrichtungen. Das allein verdient volle Anerkennung. Daher aber datiert das Selbstbewusstsein, das Gefühl der Unabhängigkeit von anderen, namentlich von Fremden. Es ist ein gewisser Stolz, der jedem Mann auf der Stirn geschrieben steht: ‘Ich bin ein freier Bure.’ Ein Salonmensch natürlich ist jener freie Sohn Transvaals und Freistaats nicht. Wer das in ihm sucht, wird bald enttäuscht sein. Leider haben viele, viele, die während des Krieges von Europa nach Süd-Afrika kamen, um auf Seiten der Buren zu kämpfen, nicht das gefunden, was sie sich in ihrer Phantasie daheim ausgemalt hatten. Ihre Vorstellungen von den VerhältnissenGa naar eindnoot47 dort draussen waren eben völlig verkehrt. Die meisten kamen mit grossen Illusionen, glaubten, sie würden mit offenen Armen empfangen werden und sahen sich im Geiste schon als General und Feldmarschall. Sie kannten nicht die Sprache, weder englisch, noch holländisch, noch burisch, konnten sich infolgedessen kaum mit den Leuten verständigen. Sie kannten nicht die eigenartigen Verhältnisse des Landes, nicht die Sitten und Gewohnheiten der Bewohner und waren daher oftmals mehr eine Last als ein Nutzen. Trotzdem diese Leute ungerufen erschienen waren, hat die Regierung doch alles nur mögliche gethan, um ihnen entgegenzukommen. So weiss ich positiv, dass die Regierung von Transvaal für vier in Pretoria angekommene deutsche Offiziere allein für deren Ausrüstung sofort 1000 pf. = 20,000 Mark bewilligt und bezahlt und ausserdem einen DolmetscherGa naar eindnoot48 und Reisebegleiter nach dem Kriegsschauplatz für sie angestellt hat! Dies nur ein Beispiel aus den vielen dafür, dass die Regierungen alles thaten, um diesen Fremden gerechtGa naar eindnoot49 zu werden. UebergriffeGa naar eindnoot50 und Untauglichkeit der Unterorgane allerdings haben oftmals die gute AbsichtGa naar eindnoot51 der Regierung als das Gegenteil erscheinen lassen. Ich gesteheGa naar eindnoot52, dass von allen Ankömmlingen ein Teil sicherlich mit Leib und Seele bei der gerechten Sache der Buren gewesen ist; ein | |
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grosser Teil aber - es mag hart klingen - bestand aus Glücks- und StellenjägernGa naar eindnoot53, die nach einem günstigen Ausgange des Krieges für sich das zu erwerben hofften, was sie zu Hause verloren hatten. Niemand wird es den Buren verargenGa naar eindnoot54, wenn er den Leuten, die völlig unbekannt mit der Sprache, mit den Verhältnisses des Landes und des Volkes waren, eine leitende Stellung nicht übertragen hat. Da war denn die Enttäuschung bei vielen gross. Als darauf die StrapazenGa naar eindnoot55 des Feldzuges hinzukamen, als Entbehrung aller Art die wirkliche und angebliche Begeisterung dämpftenGa naar eindnoot56, da verliessen diese freiwilligen, europäischen Mitkämpfer das Burenheer und zogen entrüstetGa naar eindnoot57 heim wärts. Und nun hub hier ein Schimpfen und Schelten über die armen undankbaren Buren an, das meistens begründet auf Missverständnissen oder vereitelten Hoffnungen, völlig unberechtigt war. Wie kann wohl jemand ein Land und dessen Bewohner beurteilen, das er erst seit kurzer Zeit gesehen hat. Das ist schon schwierig, wenn Fried und Ruh im Lande herrschen: wie viel schwerer aber in einem abnormalen Zustand, im Kriege, wo die Dingen ihren gewöhnlichen Gang verloren haben! Da sollte man doch lieber fern bleiben mit all jenen Behauptungen, die aus den Eindrücken von ein paar Monaten herstammen. Es verhält sich damit geradeso wie mit den Aeusserungen eines Herrn, der nach sechsmonatlicher Anwesenheit in Transvaal nach Deutschland zurückgekehrt war und gelegentlich einer Gesellschaft behauptete, in Transvaal gäbe es gar keinen Wald; es existiere dort nur freies Feld Ich staunte und fragte und fragte wieder und bekam schliesslich heraus, dass jener Herr von Kapstadt bis nach Pretoria gefahren und dort einige Monate im Hospitale geblieben sei; weiter hätte er nichts gesehen. Nun, wäre er mit einem Wagen eine Stunde nach Norden zu gefahren, dann hätte er sich überzeugen können, dass dort, bei den Magaliesbergen das grosse weite Buschfeld beginnt, das sich bis zum Limpopo hin ausdehnt; und wäre er in einen nord-östlichen Distrikt gekommen, dann hätte er dort nicht nur Buschfeld, sondern dichten, dicken Wald mit mächtigen Bäumen gefunden. Einem anderen war während des Feldzuges einmal sein Pferd, auf das er nicht Acht gegeben hatte, von einem Buren weggenommen worden, in Ermangelung eines anderen. Flugs erzählt er daheimGa naar eindnoot58: alle Buren stehlen Pferde. Mein Gott - Krieg ist Krieg! und wenn bei | |
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uns Pferde knappGa naar eindnoot59 waren, da baben wir auch gesehen, wo wir sie herbekamen, und wenn da ein brauchbarer, aber herrenloser GaulGa naar eindnoot60 herumtrabte, dann haben wir ihn einfach genommen, also auch ‘gestohlen’, weil wir ihn eben notwendig brauchten. Man kann ausserdem nicht immer einen Diener hinter sich haben, der auf alles Acht giebt; selbst ist der Mann, namentlich im Felde. Aehnlich wird es wohl mit allen Erzählungen jener ‘Entrüsteten’ sein, und man wird gut thun, einen grossen Teil davon mit einer gewissen Reserve aufzunehmen. Es ist nicht alles so schlimm, und der Bur ist wahrlich besser als sein Ruf, wenngleich es auch dort, wie überall, räudigeGa naar eindnoot61 Schafe giebt. Das Urteil vieler Leute über den Buren ist absprechendGa naar eindnoot62, weil sie eben meistens gesprochen und geschrieben haben, ohne das Volk, seine Gebräuche und seine Sprache zu kennen. Schon der gewöhnliche Tourist, der in sechs Wochen mit Eisenbahn und Postkutsche Süd-Afrika durchquertGa naar eindnoot63 und dann nach Europa zurückkehrt, um womöglich ein Buch über seine Reise zu schreiben, hat eine absolut falsche Vorstellung von dem lande. Er besucht Kapsladt, Kimberley, Johannesburg, Pretoria und kommt an all diesen Plätzen vielleicht nur mit Europäern zusammen. Von den wirklichen Buren sieht er kaum etwasGa naar voetnoot(1) ‘Wer aber die Buren kennt, sich mit der Geschichte der Buren vertraut macht, muss einsehen, dass sie alle zur Schaffung einer grossen Nation erforderlichenGa naar eindnoot64 Eigenschaften in hervorragendemGa naar eindnoot65 Masse besitzen. Was ihnen fehlt, sind ErziehungGa naar eindnoot66 und Kenntnisse.’ So urteilt selbst ein Engländer, der als Jäger bekannte F.C. Selous, nachdem er jahrelang in Süd Afrika gelebt hat. Eine andere Ursache für den überaus traurigen und geradezu schmählichen [L]auf der Dinge dort draussen ist darin zu suchen, dass, als Grossbritannien durch seine erdrückende Uebermacht die Oberhand bekam auch nicht eine einzige Macht Europas einen Schritt that, um den beiden föderierten Burenstaaten irgendwie su helfen. Und wie wenig wäre dazu erforderlich gewesen! Vielleicht ein Wort! Dass man dadurch sofort einen Krieg heraufbeschworen oder veranlasstGa naar eindnoot67 hätte, glaubt heute doch niemand mehr. Auf die Politik, die dieses Verhalten herbeigeführt hat, will ich hier | |
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nicht eingehen. Das wird GegenstandGa naar eindnoot68 einer späteren Abhandlung sein. England wusste, dass es von Begiun der Streitigkeiten an in Süd-Afrika freie Hand haben würde und thun und lassen könne, was es wolle. Grossbritannien verstand es ausserdem, die Welt im Umklaren und in Spannung zu halten, wie z. B. die chinesischen Wirren bewiesen haben; es verstand es, Europa zu verhetzenGa naar eindnoot69 und Zwietracht zu stiften. Infolgedessen hatte es thatsächlich freie Hand und hat dies ausgenutztGa naar eindnoot70 zur eigenen Schande, der kultivierten Welt und gesitteten Menschheit aber zum ewigen Hohn! (Fortsetzung folgt.) |
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