Germania. Jaargang 4
(1901-1902)– [tijdschrift] Germania– Gedeeltelijk auteursrechtelijk beschermd
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Das ‘humane’ England
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auf die peinlichste Erfüllung von Verträgen und Conventionen zu halten vorgiebtGa naar eindnoot8, das bei jeder Gelegenheit mit heuchlerischem Eifer auf die ‘Heiligkeit’ von Verträgen hinweist, sich jetzt skrupellos über alle bestehenden Abmachungen hinwegsetztGa naar eindnoot9. Dasselbe England, das in widerlicherGa naar eindnoot10, marktschreierischer Weise das Wort ‘Freiheit’ auf seine Fahne schreibt und die RedensartGa naar eindnoot11 von Humanität und Civilisation bis zum ErbrechenGa naar eindnoot12 im Munde führt, es will jetzt ein freies Volk zu Knechten machen und vom Erdboden vertilgenGa naar eindnoot13; es kümmert sich gar nicht um bestehende Völker- und Menschenrechte und versetzt der gesamten gebildetenGa naar eindnoot14 Welt durch seine FrevelthatenGa naar eindnoot15 moralische BackpfeifenGa naar eindnoot16. Grossbritannien hat es durch seine eigene masslose Selbstverherrlichung verstanden der übrigen Welt Sand in die Augen zu streuen. Der Burenkrieg dagegen hat gezeigt, dass bisher Englands militärisches und politisches Können bedeutend überschätzt worden ist. Der Verlauf dieses Krieges ist bekannt. Während sich auf dem östlichen Kriegsschauplatz alle Kräfte der Buren um Ladysmith herum konzentrierten war man auch im Norden, Westen und Süden nicht unthätig geblieben. An der Westgrenze hatten die Buren mehrere bewaffnete Kaffernhorden, die von englischen Offizieren geführt wurden, mit blutigen Köpfen zurückgetrieben. Mafeking war umschlossen und Kimberley teilte das gleiche GeschickGa naar eindnoot17. Die blutigen TreffenGa naar eindnoot18 im Dezember 1899 waren vollständige Niederlagen für die britische Armee. BetäubendGa naar eindnoot19 waren die Donnerschläge von Stormberg, Magersfontein und Colenso gefallen und rütteltenGa naar eindnoot20 Albion aus seinem Traumschlummer des Grössenwahns. Die britische Offensieve des Monats Dezember hatte mit MisserfolgenGa naar eindnoot21 ihr Ende erreicht und für die beiden foderierten Burenstaaten stand damals alles günstig. Im Westen General Methuen, im Osten General Buller auf dem | |
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Rückzuge, in der Mitte in der Kapkolonie, die Generäle Gatacre und French nicht in der Lage, die vordringenden Burenabteilungen zurückzuwerfen. Mafeking, Kimberley und Ladysmith eingeschlossen. Ueberall an allen Bahnlinien hatten die Buren nicht nur die günstigsten Stellungen für sich ausgesucht, sondern auch die feindlichen AngriffeGa naar eindnoot22 in die für sie selbst günstigste Angriffsrichtung zu lenkenGa naar eindnoot23 verstanden. Etwas mehr Offensive, etwas mehr Thatkraft und Ausnutzen der errungenenGa naar eindnoot24 Vorteile seitens der Buren in jenem Monatund Englands DünkelGa naar eindnoot25 hätte die gebührendeGa naar eindnoot26 Strafe empfangen. Noch ein durchgreifender ErfolgGa naar eindnoot27, ein entscheidender Schlag, vielleicht die Einnahme Ladysmith's und Grossbritannien hätte nicht nur die Beiden Burenrepubliken gegen sich gehabt, sondern die gesamte, im gemeinsamen Rechtsbewusstsein erstarkte Einwohnerschaft Süd-Afrikas. Der Traum von einem britischen Afrika wäre damals schon in ein Nichts zerflossenGa naar eindnoot28! Das Warten und ZaudernGa naar eindnoot29 bei der Oberführung der Buren gerade zu jenem Zeitpunkt hat zieh bitter, bitter gerächtGa naar eindnoot30. Zu Ende des Jahres 1899 war die Sachlage für die Briten derartigGa naar eindnoot31 kritisch, dass von London aus an die englischen Generäle die WeisungGa naar eindnoot32 erging, sich jeder Offensivbewegung zu enthalten. Auch für die nächste Zeit ging alles gut, trotz der numerischen Ueberlegenheit der englischen Armee. Mitte Februar 1900 hatte nähmlich Grossbritannien etwa 180,000 Soldaten im Felde gegen die Buren stehen. Die Streitkräfte der letzteren dagegen beliefen sich auf ungefähr 40,000 Mann. Namentlich mit Artillerie waren die Engländer den Buren bedeutend überlegenGa naar eindnoot33. Lord Roberts als Höchstkommandierender und Kitchener als sein Generalstabschef waren inzwischen auf dem Kriegesschauplatze erschienen, und die erste englische Operation, bei der man einen gewissen strategischen Plan nicht verkennenGa naar eindnoot34 konnte, | |
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sollte nunmehr vor sich gehen. Fünf Divisionen wurden in der Kapkolonie zusammengezogen, um die Offensieve gegen den Freistaat aufzunehmen. Die zum Entsatz von Mafeking und Kimberley entsandten Truppen konnten nichts ausrichten, während Buller sich vergeblich abmühte dem belagerten Ladysmith Hilfe zu bringen. Am Riet- und Modderfluss im Westen und bei Spioenkop am Tugela im Osten redeten die Burenkugeln eine nur zu deutliche Sprache. Transvaals und Freistaats Söhne zeigten, was eine geringe Zahl von Freiheitskämpfern gegen ein grosses SöldnerheerGa naar eindnoot35 vermag. AehnlichGa naar eindnoot36, stand es im Süden, um Colesberg herum. Auch hier bei Rietsfontein und Rensburg, wurden die Engländer zum Rückzug gezwungen. Da kam der Rückschlag. General Cronje konnte mit seiner kleinen, kaum 3,500 Mann starken Schar unmöglich der heranrückenden feindlichen Hauptmacht unter Roberts die Stirn bieten und musste sich, um nicht von der Verbindung abgeschnitten zu werden, auf Bloemfontein zurückziehen. Dem tüchtigen General French gelang es mit etwa 8000 Mann nach Kimberley zu kommen. Verstärkung war also hier dringend notwendig, und diese konnte nur vom südlichen und östlichen Kriegsschauplatz hergenommen werden. Die Folge war, dass die schon ohnehin geringe Streitmacht der Buren in Natal und der Kapkolonie noch mehr geschwächt wurde. Da gab am 25. Februar der Burengeneral Schoeman bei Colesberg den Befehl zum allgemeinen Rückzug ohne Grund und Ursache, wie er selbst später zugestanden hat ‘aus Versehen’ (‘het was een vergissing’). Alle teuer erkämpften Vorteile wurden dadurch mit einem Schlage aus der Hand gegeben. Zwei Tage später erfolgte die Uebergabe Cronjes. ‘Dreitau- | |
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send Buren gefangen genommen von vierzigtausend Engländern! Welch ein glorreicher Sieg!’ so rief der irische Abgeordnete Redmond aus, als im Parlament zu London das Siegestelegramm verlesen wurde. In der That, Cronje's Uebergabe war die erste grosse EntscheidungGa naar eindnoot37. Auf der freien Hochebene konnten die Briten nun ihre an Zahl bedeutend überlegenen Kräfte entfaltenGa naar eindnoot38. Wiederum mussten die LückenGa naar eindnoot39 ausgefüllt werden; wiederum musste man Verstärkung von den anderen KriegsschauplätzenGa naar eindnoot40 heranziehenGa naar eindnoot41. Colesberg war schon aufgegeben; die Stellungen bei Stormberg mussten geräumt werden und schliesslich waren die Buren genötigt, von dem belagerten Ladysmith abzulassen, um den bedrohtenGa naar eindnoot42 Freistaat mit ihren LeibernGa naar eindnoot43 zu decken. So war denn auch Natal aufgegeben. Im allgemeinen beschränkteGa naar eindnoot44 man sich jetzt auf die Verteidigung der eigenen Grenzen. Seit dem Entsatz Kimberleys und der Kapitulation Cronjes hatte sich Mutlosigkeit der Gemüter bemächtigt; vor allem aber war das Vertrauen auf die Oberleitung im SchwindenGa naar eindnoot45 begriffen. Schoemans unsicheres GebarenGa naar eindnoot46 bei Colesberg hat nicht zum wenigsten hierzu beigetragen. Dass z. B. der alles beherrschende Coles-Kop, der ‘stehende Luftballon’ der Engländer, nicht besetzt wurde, war seine Schuld, ebenso der vorher erwähnteGa naar eindnoot47, plötzlich ohne Grund angeordnete Rückzug. In jedem Kriege hilft man sich bei Niederlagen und unglücklichen Ausgängen mit dem so leicht in die Massen geschleudertenGa naar eindnoot48 Worte: ‘Verrat’. Man spricht von einem ‘Verrat von Ladysmith’ und beschuldigt damit den alten General Joubert; sogar von dem starrköpfigen Cronje geht das Gerücht, er habe Verrat geübt. Das alles indessen gehört ins Reich der Fabel; namentlich was Cronje betrifft. | |
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Die TadelGa naar eindnoot49 ‘Unfähigkeit’ bezw. ‘Starrsinn’ würden eher zutreffend sein, niemals aber die Beschuldigung ‘Landesverrat’. Dazu sind diese beiden Buren nicht fähig, wohl aber der verschmitzteGa naar eindnoot50 Hendrik Schoeman. Dieser war alles andere, nur kein General, und machte mehr den Eindruck eines schlauen, wohlhabenden Landwirts, der sehr gut im Stande ist, ein f ines Geschäft in Korn oder Vieh abzuschliessen, als den eines Kriegsmannes, der Freiheitskämpfer gegen den Feind führen soll. Schoeman hat durch sein späteres, perfides Verhalten nicht nur den bestehenden Verdacht bestätigt, sondern sogar den Beweis geliefert, dass er ein ‘Freund’ der Engländer gewesen ist. Im Verlauf der nächsten Monate fanden kleine und grössere TreffenGa naar eindnoot51 statt, bald günstig für die Buren, bald für die Briten. So tapfer aber auch erstere fochten und so heldenmütig sie ihr Leben in die SchanzeGa naar eindnoot52 warfen - der erdrückenden Uebermacht Englands konnten sie nicht widerstehen. Denn nun begann das fortwährende UmgehenGa naar eindnoot53 und Umzingeln der kleinen Burenabteilungen durch den Feind, eben vermögeGa naar eindnoot54 seiner kolossalen numerischen UeberlegenheitGa naar eindnoot55. Und dazu kamen immer frische Truppen aus England selbst, aus Kanada, Australien, Indien, Neuseeland. Zu jener Zeit standen etwa 250,000 britische Soldaten in Süd-Afrika. Was aber hatten die Burenrepubliken dieser disciplinierten Macht entgegenzustellen? Wenn es jetz noch 30-33,000 Mann gewesen sind, dann ist es hoch gerechnet. Von diesen aber haben höchstens zwei Drittel thatsächlichGa naar eindnoot56 mitgefochten. Ich erinnere nur an den blutigen Kampf bei Magersfontein, wo Lord Methuen unter empfindlichenGa naar eindnoot57 Verlusten aufs HauptGa naar eindnoot58 geschlagen wurde. Mehr als 2500 Mann der englischen Garde- und Kerntruppen bedeckten schon nach kurzer Zeit das Schlachtfeld; von dem berühmten Black-watch-Regiment waren nur 48 Mann über geblieben. Und doch haben kaum 1000 Buren diesen glänzenden Sieg | |
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gegen eine überwältigende Uebermacht von 15,000 Briten errungen. Die Fehler und UnterlassungssündenGa naar eindnoot59, die eine schlappe untüchtige Oberleitung der Buren in den ersten Monaten des Krieges begangen hatte, rächtenGa naar eindnoot60 sich jetzt furchtbar. Es klingt lächerlich, ist aber Thatsache, dass kürzlich jemand vollen Ernstes die entschuldigende Behauptung aufstellte: ‘Ja, hätten wir damals den Platberg bei Ladysmith gestürmt und wären wir damals mehr offensiv vorgegangen und hätten wir uns damals stets mehr an den Feind herangemachtGa naar eindnoot61 - dann würden heute nicht mehr so viele Burenkämpfer vorhanden sein können. Das alles war weise AbsichtGa naar eindnoot62 bei der Oberleitung.’ Der gute Mann vergisst in seiner Kurzsichtigkeit, dass, wenn wir damals einige hundert Buren bei einem Sturm geopfert hätten, heute tausende gerettet worden wären; denn dann wäre der Kampf heute längst beendigt gewesen. Fehler sind nun mal gemacht worden, das steht fest, und es hilft alles nichts diese irgendwieGa naar eindnoot63 bemäntelen zu wollen. Das denkträge Festhalten an dem Glauben und Thun der AltvorderenGa naar eindnoot64 muss eben notwendig zu albernemGa naar eindnoot65 Hochmut, zum ökonomischen und politischen Ruin führen. Zieht man aber einen Vergleich zwischen den Missgriffen auf beiden Seiten, so muss man zu dem Schlusse kommen, dass die britische Heerführung erheblichGa naar eindnoot65a mehr und bedeutend gröbere Fehler gemacht hat als die burische und - wohlgemerkt - jene Fehler waren weniger verzeihlichGa naar eindnoot66, weil sie eben in einer disciplinierten Armee, bei geschulten Soldaten und Offizieren, die von Taktik und Strategie etwas verstehen wollen, vorgekommen sind. Die britischen Streitkräfte rückten indessen, ängstlich an den Bahnlinien klebend, aber durch ihre Massen wirkend, im Oranje-Freistaate vor; Bloemfontein wurde von ihnen besetzt. Ende Mai überschritt der Feind den Vaalfluss; die letzte | |
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Stellung der Buren bei Klipriviersberg musste aufgegeben werden und Johannesburg gerietGa naar eindnoot67 im Besitz der Engländer. Am 5 Juni 1900 hielt Lord Roberts seinen zirkusartigen Einzug in Pretoria. Alle Welt glaubte der Krieg sei nun zu Ende, und schon blähteGa naar eindnoot68 sich der Brite vor Hochmut und wusste sich vor Gloire und Ruhmesgeschrei kaum zu lassen. Lord Roberts, der Typus des echten Engländers d.h. der vollkommenen Vereinigung von rohe- Selbstsucht mit salbungsvollerGa naar eindnoot69 Scheinheiligkeit, setzte seine ‘ProklamationsschraubeGa naar eindnoot70 ohne Ende’ an. Er gab heute ein Versprechen, das er morgen nicht mehr halten wollte, verkündigte heute dem Volk Freiheit und alle Rechte und liess schon in derselben Nacht hunderte von ‘Verdächtigen’ einkerkern, trieb hilflose Frauen und Kinder zu Tausenden in die FieberluftGa naar eindnoot71 des Buschfeldes, brannte Farmen und Wohnungen nieder und verwüstete systematisch das Land. Während aber im britischen Heere die wilde Soldateska, Offizier sowohl wie Soldat, ihre Orgien feierte und die losgelassene Bestie im Menschen zügellos von Genuss zu Genuas taumelte, während die von Briten verübten Greuel- und Schandthaten zum Himmel schrien, hatte sich bei den Buren eine gewaltige WandlungGa naar eindnoot72 vollzogenGa naar eindnoot73. Ein neues junges Geschlecht mit mehr Elastizität, mit mehr Jugendkraft und weiterem Blick als das alte, forderte jetzt sein Recht. Nicht die Gunst sondern die Ungunst der VerhältnisseGa naar eindnoot74 war hier der Hammer gewesen, welcher den Mann geschmiedet hatte Männer wie Botha, de Wet, de la Rey, traten in den Vordergrund und die Seele des ganzen war der edle Steyn. Führwar, jeder ZollGa naar eindnoot75 ein Mann und Held! Zu voreilig hatten die habgierigen Engländer die vollendete Unterwerfung der Burenstaaten in der Welt hinausposaunt. Das Volk der Bauern und Hirten aber war noch lange nicht unterworfen; die heisshungrige, britische Kapitalisten-Meute war wederGa naar eindnoot76 | |
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de facto noch de jure im Besitze des Landes. Noch heute ist sie es nicht, heute nach zweijähriger Kriegsführung. Und nun begann der Guerilla-Krieg. In diesem hat sich offenbart, wie alle jämmerlichen Lug- und Trugmittel des Despotismus, alle Listen und Gewaltakten zu nichte werden an dem standhaften Willen eines kleinen Volkes. Der Kleinkrieg dauert heute noch fort und mit ihm verbindet sich der Aufstand der Buren in Natal und der Kapkolonie. Mit der Zeit haben diese eingesehen, was sie von der weltbeglückenden britischen Oberhoheit zu erwarten haben. Ihnen droht das GeschickGa naar eindnoot77 Indiens und Aegyptens, ausgesogen und ausgepresst zu werden bis zum letzten Tropfen! Auf Kosten einer Unterjochten und ausgesogenen Welt hat sich ja Grossbritannien bisherGa naar eindnoot78 gemästet. Was da vor JahresfristGa naar eindnoot79 die englischen Blätter von den Aufständen der Farmer berichteten und oft geradezuGa naar eindnoot80 ins FürchterlicheGa naar eindnoot81 übertrieben, war eitel Lüge. Das alles diente nur dazu, um die UnfahigkeitGa naar eindnoot82 und Untauglichkeit des britischen Heeres zu bemänteln, das trotz seiner fast zehnfachenGa naar eindnoot83 Ueberlegenheit gegen die Buren nichts besonderes ausrichten konnte. Die Thatsache, dass Grossbritannien im Kampf mit einer Macht zweiten oder gar dritten Ranges jeden, aber auch jeden Nerv anzuspannen hat, giebt den Beweis, dass es im Kampfe mit einem mächtigeren GegnerGa naar eindnoot84, der ausserdem eine wirkliche Armee besitzt, mit vorzüglicherGa naar eindnoot85 Heeresleitung, disciplinierten Soldaten und tüchtigen Offizieren, absolut unterliegen muss. Denn was ist der britische Soldat? Ein Maulheld im aufgeputzten Uniformrock. Was ist englischer Waffenruhm? Ein Scheinding an sich im goldenen und bunten Flitterkleide, das die Augen blendet, bis einst jemand mit kräftiger Hand das Schaumgold herunterreisstGa naar eindnoot86 und die übriggebliebenen FetzenGa naar eindnoot87 mit verächtlichem FusstrittGa naar eindnoot88 | |
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von sich stösst. In Süd-Afrika ist jene hohle, grell schillernde Seifenblase von ‘bravery’ und ‘gallantry’ englischer Armeen, Gott sei Dank, zum PlatzenGa naar eindnoot80 gebracht worden. Die britische Landmacht von heute ist nog völlig in der Zeit und im KotGa naar eindnoot90 von Waterloo stecken geblieben und lebt von dem Siege, den Preussens Waffen dort erfochten haben. Nicht ganz so, aber ähnlichGa naar eindnoot91 steht es mit der britischen Marine. Auch hier alles PompGa naar eindnoot92 und Schaum auf dem Papier, in der bezahlten Presse; auch hier der alte Ruhm einer Seemacht, von dem die heutige Generation zehrt. Was sollte wohl Deutschland machen, wenn es jede auch noch so kleine That seiner Truppen in Wort und Bild verherrlichen würde, wie es England thut. Was bei uns ein jeder, vom Offizier bis zum gemeinen Mann leistet, ist eben verfluchte Pflicht und Schuldigkeit, bei den Engländern scheint das nur AusnahmeGa naar eindnoot93 zu sein. Greift man zu Mitteln, wie England sie anwendet, um seinem Volke gegenüber in bombastischer Weise die Soldaten zu tapferen Kriegern, Helden und SiegernGa naar eindnoot94 zu stempeln, dann sieht es schon faul mit der Wirklichkeit aus. Man merkt die Absicht, die Entfernung von der Wahrheit, den Betrug der Masse! Es ist dann eben ein Humbug, eine feierlicheGa naar eindnoot95 Posse, welche die ‘oberen Zehntausend zur beschwichtigenden KurzweilGa naar eindnoot96 der unteren Millionen agieren.’ Dass die britische Armee nichts wert ist, das haben wir dort in Afrika zu sehen Gelegenheit gehabt. Was versteht denn die englische Kriegskunst überhaupt? In geschlossenen Reihen anzustürmen, wie es vor einem Jahrhundert Sitte war und wie es Grossbritanniens Mietstruppen heute noch gegen uncivilisierte Volksstämme zu thun pflegen, das ist alles! Fast jedes Treffen, namentlich aber das von Colenso am 15. | |
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Dezember 1899, wirft ein helles Licht auf die militärischen FähigkeitenGa naar eindnoot97 der britischen Heerführer. Ohne jede Aufklärung marchierten die feindlichen Truppen direkt in das todbringende Feuer der Buren hinein. Die Wirkung konnte natürlich nicht ausbleibenGa naar voetnoot(1). Nach dem ersten Zusammenstoss bei Dundee unternahm ich selbst in der Nacht einen Patrouillenritt über den Buffalo-Fluss nach dem englischen Lager zu. Nirgends aber war etwas von vorgeschobenen Posten oder Patrouillen zu bemerken. Aehnliche Fälle könnte man dutzendweise anführen. Der britische Offizier betreibt den Krieg mehr als Sport und GeschäftGa naar eindnoot98. Trotz seines masslosen Selbstdünkels fehlt ihm das Standesbewusstsein, wie es z. B. der deutsche Offizier besitzt. Mit letzterem kann er eigentlich gar nicht verglichen werden. Nach der Besitznahme von Johannesburg und Pretoria konnte man am hellen Tage englische Offiziere dort hingehen sehen, wo jeder Weisse sich geniert, seine Schritte sogar in der Dunkelheit hinzulenken. Ja noch schlimmer! Dort, in den schmierigen Häusern der verkommenenGa naar eindnoot99 liederlichen Dirnen und ‘Capegirls’, sass schamlos der ‘stolze’ englische Offizier in Uniform mit dem bekannten Spazierstöckchen, und nebenan befand sich der englische ‘Tommy’, der Soldat vielleicht von der eigenen Kompagnie, mit derselben Absicht. Zu jener Zeit, und zwar schon in den ersten Tagen, konnte man sehr häufig von Offizieren aller Grade die Frage hören: ‘Wo kann man hier etwas verdienen?’ ‘Wo und wie kann man ein gutes Geschäft machen?’ ‘Kann man nicht billig Land kaufen, um nachher Geld zu machen?’ ‘To make money’, das schien bei allen die Hauptsache zu sein; das war das führende Leitmotiv, für Offiziere und Politi- | |
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ker. Im Grunde genommen war ja auch der ganze Krieg weiter nichts, wie ein Verfechten der Börseninteressen des englischen Hochadels. Nur traurig, dass dabei Tausende von Unschuldigen ihr Leben lassen müssen. Am meisten charakteristisch aber für den Offizier der britischen ‘glorious army’ ist jener Vorfall, der sich im October vorigen Jahres zutrug. Die Buren hatten keine Städte oder befestigten Plätze, in denen sie die fast täglich gemachten, englischen Gefangenen unterbringen konnten. Sie waren aus diesem Grunde gezwungen, die Kriegsgefangenen, nach Abnahme der Waffen und Munition, wieder frei zu lassen. Um sich doch wenigstens einigermassen zu sichern, verlangten sie nun, dass diese englischen Offiziere und Soldaten sich auf Ehrenwort verpflichten sollten, nicht mehr die Waffen aufzunehmen. Und was geschah? Die Offiziere erklärten, sie könnten kein Ehrenwort geben und die Soldaten erst recht nicht; letztere wüssten gar nicht, was Ehre und Ehrenwort bedeuten. Nun das ist bezeichnend. Dass es bei solchen Zuständen mit der Autorität und dem Standesbewusstsein nicht weit her sein kannGa naar eindnoot100, leuchtet jedem ein. Und wie die Offiziere, so die Mannschaften. Das ist kein stolzberechtigtes Volksheer wie in Deutschland oder Frankreich, sondern eine Armee von angeworbenen SöldnernGa naar eindnoot101, die sich rekrutieren aus den niedrigsten Klassen der menschlichen Bevölkerung, oft dem Abschaum der Menschheit, aus VerbrechernGa naar eindnoot102 und ZuchthäuslernGa naar eindnoot103; meistens Leute, die nichts mehr zu verlieren haben und die in der Kaserne eine Heim- und Zufluchtsstätte finden. Ist es da zu verwundern, wenn der englische Offizier sich schämt, seine Truppen zu führen, und wenn andererseits in den leitenden Kreisen alles mögliche gethan wird, um die im Volk herrschende Verachtung gegen den Soldaten, durch bunte Bil- | |
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der und lautes Trara in der bezahlten und dienstbaren Presse ein klein wenig zu mildernGa naar eindnoot104? Solch ein Heer kann wohl kaum Heldenthaten vollbringen, sondern ist seiner ganzen Zusammensetzung und Beschaffenheit nach nur zu Schandthaten, Greueln und Brutalitäten fähig, wie es der südafrikanische Krieg tausendfach bewiesen hat. Gott beschütze nur unsere deutsche Armee vor einer Verbrüderung mit der englischen! Das wäre unser VerhängnisGa naar eindnoot105. Der Deutsche würde, wie leider schon oftmals, die Siege erfechten, und der Brite würde den Rhum und Vorteil daraus ziehen. Hohn, Spott und Verachtung allein ist das, was wir ernten. Englischer Hochmut wird wie einst bei Bellealliance uns den Lorbeer rauben und um den verdienten Lohn bringenGa naar eindnoot106. Indessen auch in der englischen Armee giebt es Ausnahmen; zwar vereinzelt, aber sie sind vorhanden. Und da muss ich eines Mannes gedenken, der zu Unrecht geschmäht und verurteilt wird. Das ist General Buller. Der Wahrheit die Ehre: Buller und French sind vielleicht die einzigen britischen Generäle, vor denen man Achtung haben kann. Sie sind Soldaten, Offiziere, Feldherrn und- Menschen, im grossen GegensatzGa naar eindnoot107 zu jener langen Reihe von blasierten Lords und Gigerln, von scheinheiligen, wortbrüchigen Schurken und bluttriefenden HenkersknechtenGa naar eindnoot108. Verglichen mit all diesen, erscheinen Buller und French erhabenGa naar eindnoot109. General Buller hatte nur das persönliche PechGa naar eindnoot110, dass er mit Lord Roberts nicht ‘harmonierte’. Aber eben, Buller war eine offene, ehrliche Soldatennatur und Roberts der selbstsüchtige Heuchler, dem es auf eine Lüge oder Wortbruch gar nicht ankam. Zudem hatte Buller die schwierigste Position, das unzugängliche Gebirgsland Natals und wurde, trotz seiner wiederholten Bitte um Verstärkung, ohne diese gelassten. Den ungeheu- | |
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ren Truppennachschub, der dann später hinausgesandt wurde, nahm aber der schlaue Lord für sich selbst, schuf sich vermögeGa naar eindnoot111 dieser gewaltigen Uebermacht seinen Erfolg und - der arme Buller hatte nur zu gehorchen. Das eine aber steht fest: Unter Bullers Führung sind keine Brutalitäten, keine Greuel und Schandthaten von den Briten verübt worden, wie sie unter Roberts und Kitchener an der Tagesordnung waren. Buller war sogar der einzige, der dem vom Wahnwitz zum Blödsinn herabgesunkenen Schimpfen und Lästern der Engländer über Transvaals Barbarenvolk mit der öffentlichen Erklärung entgegentrat, ‘er kämpfe gegen einen ehrlichen Feind.’ |
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