Germania. Jaargang 4
(1901-1902)– [tijdschrift] Germania– Gedeeltelijk auteursrechtelijk beschermdÜber eventuelle Bündnisse
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tigen, ausgedehnten Besitztümern in Afrika, mit seiner blühenden und vielverzweigten Industrie, für die es nicht schnell genug neue Abnahmegebiete finden kann, hat das Königreich von heute von jener auferlegten Neutralität alles Gute genossen, was zu geniessen war, und kann es von heute ab nur noch Schaden davon erfahren (ondervinden). Vor allen Dingen, sollte der internationale Protektionismus noch einige Jahre beharren (voortduren), Belgiens Handel und Industrie in immer engere Grenzen zurückzudrängen, so muss Belgien unvermeidlich an die Notwendigkeit denken, wenn nicht politische, so doch wenigstens ökonomische Bündnisse abzuschliessen. Will Belgien, da es doch einmal nach dem Tode des Königs Leopold, die Machtstellung in Kongo ererben wird, die grossen mit dem Kolonienbesitz verbundenen Vorteile dauerhaft geniessen, so muss es mit der Zeit auf die Unterstützung einer in Afrika gleicherweise interessierten, aber mit Belgien selbst nicht unmittelbar konkurrierenden Macht rechnen können. Da nun einmal ein Allgemeiner niederländischer Verband besteht, erscheint es mir nicht so haarsträubend verwegen, hier seine tausende von Mitgliedern zu fragen, ob es denn, ungeachtet allem was Holland und Belgien finanziell und religiös, jedoch hauptsächlich finanziell, trennt scheidt, keine entscheidenden auf unserem Volkstum fussenden (steunende) Interessen giebt, die uns längst schon auf den Gedanke einer Bewegung zu Gunsten eines Zollvereins an allererster Statt (plaats) und - wo möglich - of- und defensiven Bündnisses an zweiter Statt gebracht haben sollten? Für die Verbreitung des niederländischen Stammes in die südafrikanischen Staaten würde ein solcher Bund von. nicht geringer Bedeutung sein. Es kommt mir uaglaublich vor, dass hier in Europa, in diesen zwei kleinen Ländern, die, vereinigt, eine Macht darstellen (vormen) würden, getrennt aber nicht viel zu | |
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bedeuten haben, keine Spur einer solchen Strömung zu erblicken ist, besonders nach dem, was im Laufe der Jahre 1896-1897 infolge der klugen Politik Ohm Pauls zwischen Transvaal und Oranje-Freistaat eingetreten ist. Könnte man doch endlich einmal die beiderseitigen Vorurteile der dreissiger Jahre beseitigen! In Belgien sind sie glücklicherweise nahezu beseitigt. Das meist gelesene aller belgischen Blätter, das täglich in mehr als 60,000 Exemplaren verbreitete Laatste Nieuws, eine Zeitung, welche besser als alle sonstigen den Zustand der Gemüter in vlämisch Belgien kennt, schreibt: ‘Für jedermann, dessen Geist einiger Aufmerksamkeit fähig ist, ist es nicht zu leugnen, dass die ruhmvolle Revolution’ leider ein nicht auszubessender Fehltritt (misstap) war, weil Holländer und Belgier sich seit 70 Jahren je länger, je weiter von einander entfernen.’ ‘Und widmet die Geschichte den Triebfedern der Insurgenten auch die erforderliche Beachtung, so kann sie doch über die Revolution von 1830 nur ein zerschmetterendes (verpletterend) Urteil erstatten (vellen).’ Seitdem ist der Genter, der Dordrechter und ja sogar noch einmal der Genter Kongress vorübergegangen, ohne dass die höchst wichtige Eventualität einer Einigung mit einem Wörtlein erwähnt wurde!Ga naar voetnoot(1) Wird nicht der Allgemeine Niederländische Verband dieses hochwichtige Problem bald in Erwägung ziehen? Man denke doch zugleich an die Möglichkeit, die niederländischen Staaten Südafrikas ebenfalls in dieses Bündnis eintreten zu lassen, vorausgesetzt, dass sie ihre Selbständigkeit wieder erringen, was doch noch nicht undenkbar ist. * * * | |
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Im ersten Quartal des Jahres 1898 wurden in der belgischen Presse ein paar Berichte, von denen der erste im ‘Daily Mail’ der zweite im ‘Berliner Tageblatt’ erschien, mit ungemeiner Lebhaftigkeit (levendigheid), obgleich selbstredend in sehr auseinanderlaufendem Sinne, besprochen. Die letzterwähnte (vermelde) Zeitung hatte seitens ihres Brüsseler Berichterstatters die Nachricht bekommen, es wäre zwischen den beiden niederländischen Königreichen ein ausschliesslich defensives Bündnis zustande gekommen - natürlich eine zu früh ausgebrütete Ente. Gleichviel wie die Sache sich verhielt, die Gründe zum Abschliessen jenes Bündnisses, welche die zwei obigen Blätter anführten, waren nichts weniger als lächerlich oder wertlos. ‘Die Regierungen unserer beiden kleinen Länder’ so hiess es ‘seien besorgt, Belgien könnte einem eventuellen deutsch-französischen Krieg zum Schauplatz dienen.’ Es mag ein derartiger Krieg, wenigstens in diesem Augenblicke, sich als noch so wenig wahrscheinlich vorhersehen lassen, dass die Möglichkeit, ich sage nicht die Nähe, eines Zusammenstosses zwischen Deutschland und Frankreich noch immer keineswegs ausgeschlossen ist, ist, meine ich, eine Thatsache, welcher man in Nord- und Südniederland viel zu wenig Beachtung (aandacht) schenkt. Falls die Vielen so verhasste Bourgeois-Regierung, welche seit fünfundzwanzig Jahren in Frankreich waltet, und der Frankreich die protektonistischen Massnahmen Mélines, die grossen und kleinen Panamas, aber auch ebenso gewiss den überwiegenden Einfluss der unmittelbar am Frieden interessierten Schichten (lagen) des Volkes, der Bauern und Kleinhändler, verdankt, durch eine andere royalistische oder imperialistische Regierung ersetzt werden wird, so würde Frankreich keine 24 Stunden zu thun zögern, was ein französischer Schriftsteller in einer Unter- | |
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haltung mit dem Verfasser dieser Zeilen folgendermassen ausdrückte: Nous embêterions l'Europe!’ Doch auch wenn der Ausbruch eines solchen Krieges nicht befürchtet werden könnte, so könnten anderweitige Verwicklungen die Unabhängigkeit eines der zwei kleinen Nordsee-Reiche aufs Ernsthafteste in Gefahr bringen. Soll ich die Wahrheit sagen, so muss ich gestehen, dass ich mich bei weitem nicht so lebhaft um einen deutsch-französischen Krieg als um einen deutsch-englischen Krieg ängstige. Die ökonomische Verhältnisse (betrekkingen) zwischen den beiden Staaten gestalten sich allmählich (worden allengs) dermassen gespannt, dass man von heute ab sich eben so sehr auf englischer als auf deutscher Seite - man schlage nebst dem Aufsatz (opstel) aus der Saturday review, die Flugschrift Fritz Bleys ‘Die Weltstellung Deutschlands’ nach - auf das Schlimmste vorbereitet zu haben scheint. Es bedarf nur noch eines oder des anderen jener nicht vorher zu sehenden Zufälle und der casus belli ist gefunden. Und hiermit bin ich zu dem für uns Niederländer gefährlichsten Punkt gelangt. Ist die deutsche Diplomatie einmal der Ueberzeugung, dass ein Krieg mit England unumgänglich ist, so muss sie sich auch nach Massnahmen umsehen, um der Neutralität des Zweibundes gewiss zu sein. Wie die Neutralität der Russen zu erlangen wäre, wurde u.a. in der ‘Saturday review’ gezeigt. Um diejenige Frankreichs zu gewinnen, könnte es vielleicht wohl andere, aber ganz bestimmt kein besseres Mittel als dasjenige, worauf Labouchère hindeutete, geben, nähmlich die Abtretung Elsass-Lothringens. Aber ich meine, dass auch in diesem ganz unwahrscheinlichen Falle Belgien viel mehr als Holland der Gefahr ausgesetzt sein würde, als Entschädigung (vergoeding) verwendet (gebezigd) zu werden. Dieses Missgeschick (ongeluk) - denn selbst der wärmste Freund der Deutschen würde eine einfache Annektierung, d.h. | |
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Aufschlürfung durch das Kaiserreich für jeden der zwei kleinsten, aber freiesten aller germanischen Staaten, Holland und Belgien, als ein Missgeschick betrachten; - dieses Missgeschick wäre vielleicht dadurch zu beschwören (aftewenden), dass Belgien, oder - noch besser - die beiden, erst in einem engen Militär-und Zollbündnis vereinigten Schwesterländer, freiwillig und unter ausdrücklich gewährleisteter Verwahrung (gewaarborgd behoud) all ihrer Freiheit, in einen germanischen Staatenbund, wie in der letzten Zeit Prof. Dr. Hasse und Fritz Bley empfohlen haben, eintreten. Deutschland würde danach thatsächlich gegen eine Landung der Engländer an der Küste der Nordsee oder eine Verletzung der südlichen Grenzen Belgiens seitens Frankreichs geschützt sein; es könnte zugleich ein Recht gewinnen, einen der niederländischen oder belgischen Häfen als Kriegshafen zu benutzen. Und wird aus diesen letzten Träumen wohl jemals etwas wirkliches, lebendiges herauskommen? - Denn bis jetzt kann noch nicht die Rede sein von etwas anderem als Träumen, nicht einmal von einem vollkommen gereiften Plan. Dies ist eine Frage, welche allein die Zukunft, und in dieser Zukunft wahrscheinlich nur die Logik der Thatsachen allein beantworten kann. Wahrscheinlich werden manche Leser dieser Zeilen der Ansicht sein, dass Eventualitäten wie oben besprochen kennen zu lernen und deren mögliche Folgen zu berechnen besonders für kleine und nichtsdestoweniger doch auf eigene Kraft sich stützende Völker sehr erwünscht wäre (und ist ihre neutrale Unabhängigkeit, wie für Belgien der Fall vorliegt, auch durch die Grossmächte garantir). Denn Nord- und Süd-Niederland haben beide vom Gesichtpunkte (in opzicht) der Verteidigung aus ein Interesse daran, die politischen Bande beiderseits enger zuzuziehen (toe te halen). Und niemand wird leugnen, dass die Industrien der beiden Bruderstaaten einander sozusagen aus- | |
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füllen, und dass andererseits gerade die alten Niederlande am meisten die Aussicht haben, in dem nächsten grossen Krieg - gleichviel wann er zum Ausbruch kommen wird - wieder einmal als Schauplatz des Streites zu dienen. Wir vlämisch gesinnten sind oft nur zu sehr der naiven Meinung, dass die Existens unseres kleinen Ländchens - hauptsächlich wegen seiner Neutralität - keiner einzigen ernsten Gefahr ausgesetzt ist oder in nächster Zukunft ausgesetz (blootgesteld) sein kann. Dieser glänzenden Illusion vertrauend, meinen wir den höchsten Zweck erreicht zu haben, nachdem wir - nach Jahren und Jahren, in Wahrheit nach fast einem ganzen Jahrhundert der bisweilen etwas lächerlichen révolte par la douceur - mit der Begleichung (vereffening) unserer bedeutendsten Klagen wegen der offiziellen Sprachebehandlung, fertig geworden sind. Je länger, je mehr wendeten wir unseren Blick davon ab, dass so lange eine gewisse, sogenannte nationale Tradition, diejenige von kurz nach 1830 sich aufrecht erhält, mit anderen Worten, so lange wir kraft (krachtens) allerlei Konventionen, u.a. kraft der Beteiligung an der lateinischen Münzunion, mit Frankreich vereinigt bleiben, trotz aller möglichen Anstrengung unsererseits, unser Land doch stets dem Einfluss Frankreichs offen liegen wird, dies zum allergrössten Schaden des vlämischen Stammes, der gerade dadurch in der freien natürlichen Entwicklung seiner essenziellen (wezenlijke) Eigenart und Anlage am meisten verhindert wird. Es ist die höchste Zeit, - es ist periculum in mora - dass wir uns anderen Himmelsgegenden (hemelstreken) zuwenden; dass wir uns anderen, mehr mit unserer Eigenart übereinstimmenden Einflüssen ergeben (overgeven); dass wir bei Nationen desselben Stammes Stütze suchen. Lassen wir uns nicht abschrecken durch das Geschrei, das zu | |
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unserer Ehre in gewissen, nur zu wohl bekannten Zeitungen angestimmt werden wird, sobald wir den Beweis davon liefern, dass wir unsere wirklichen Interessen, unsere morgigen und übermorgigen Interessen, endlich zu begreifen gelernt haben. Wir sollen ebensoviel Mut haben als unsere Gegner selbst! Wann wird die Zeit heranbrechen, dass wir den Mut haben werden, ihnen zu erwidern: ‘Das grössere Vaterland, dem wir nicht als Bürger, sondern als Kulturmenschen und auch vom Standpunkt des Handels und der Industrie, - dem wir, in anderen Worten, geistig und moralisch angehören wollen, ist ebensowenig wie das ihrige in Grenzen eingeschränkt (beperkt), welche von einigen Diplomaten, die von unserer Art und Weise keinen Begriff hatten, auf der Karte gezogen wurden; dieses grössere Vaterland, worin der kleinere doch ganz gut unverletzt (onverminkt) das Leben weiter fristen (behouden) kann, s'arrête net... reicht gerade soweit bis wo menschen nicht nur unseres Stammes, sondern selbst noch viel, viel breiter - unserer Rasse leben.’ (Brussel). Dr. H.B. |
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