Germania. Jaargang 1
(1898-1899)– [tijdschrift] Germania– Gedeeltelijk auteursrechtelijk beschermd
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Deutschland, Niederland und England in Südafrika.Ga naar voetnoot*)
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Abgesehen von den südamerikanischen Staaten, in denen unseren nationalen Bestrebungen recht grosse Schwierigkeiten begegnen, ist Südafrika nun einmal der einzige und letzte Erdteil, der vor der Besetzung durch das angelsächsische Volkstum bewahrt werden kann und auf die Begründung neudeutscher Völker und Staaten Aussicht bietet. Die Nationalitäts-Verhältnisse Südafrikas sind noch völig ungeregelt. Volkssprache ist das afrikanische Niederdeutsch, Verkehrssprache das Englische, amtliche Landessprachen sind Hochdeutsch (im Lüderitzland), Portugiesisch (in Delagoabai), Englisch (in Natal und Rhodesien), Niederländisch (in Transvaal und Oranje), Niederländisch und Englisch nebeneinander (im Kapland; doch herrscht im öffentlichen Leben thatsächlich das Englische). Die Briten suchen das Volk zu verenglischen; doch seit einigen Jahren ist der Sprachenkampf eröffnet und wird genau in denselben Formen geführt, wie wir ihn von Belgien, Schleswig, Posen und Oesterreich her kennen. Was thut nun Deutschland, um den letzten besiedelbaren Erdteil dem Deutschtum zu retten? Deutschland hat zwar ein grosses südafrikanisches Land zu seinem Schutzgebiete gemacht und dadurch den Engländern, die es schon als ihr unbestrittenes Eigentum betrachteten, entrissen. Doch im übrigen hat es nichts gethan, als dass es Transvaal diplomatisch unterstützte, d.h. dort das Holländische als amtliche Sprache erhalten half. Auch diese Thätigkeit wird es von jetzt an, wie die Engländer behaupten, infolge des deutsch-englischen Abkommens aufgeben. Die 40 000 südafrikanischen Hochdeutschen unterstützen nicht das Niederdeutschtum, sondern den nationalen Gegner, den Engländer. Demgegenüber die Niederlande! Seit 1881, besonders aber seit 1896 bringt die ‘Nederlandsch Zuidafrikaansche Vereeniging’ bedeutende Summen für den südafrikanischen Sprachenkampf auf. Sie stiftet damit Volks- und Schulbüchereien, unterstützt Studenten, befördert die niederdeutsche | |
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Ansiedelung, u.s.w. - Die ‘Vereeniging’ hat zwar auch in Südafrika 400 Mitglieder, doch noch besser ist die Zusammenfassung des gesamten Niederdeutschtums und vor allem der Anschluss der Niederdeutsch-Afrikaner an ihre europäischen Volksgenossen bewirkt worden durch den ‘Algemeen Nederlandsch Verbond’, den Allniederdeutschen Verband. Im Frühjahr 1898 hat sich seine ‘Südafrikanische Abteilung’ organisiert und in kluger Rücksichtnahme ihren Vorstand aus 10 eingewanderten niederländischen und 10 eingeborenen afrikanischen Mitgliedern zusammengesetzt, jetzt ist die Zahl ihrer Mitglieder auf 1000, die Zahl ihrer Zweigvereine auf vier gestiegen, alle bedeutenden Männer des Afrikandervolkes gehören ihr an. So die direkte südafrikanische Thätigkeit der Niederländer. Mittelbar aber erhält überhaupt der ganze südafrikanische Sprachenkampf seine wirksamste Förderung und Anregung von den Niederlanden. Von dort holen sich die Führer der bedeutendsten afrikanderischen Kampforganisation, des ‘Zuidafrikaanschen Taalbondes’, Mut und Rat; das europäische Niederdeutschtum, ein altes und kulturell hochstehendes Volkstum, ist ihr fester moralischer Rückhalt. Das alles leisten die kleinen Niederlande und das winzige Häuflein der südafrikanischen Holländer, die man überhaupt nur in Transvaal in nennenswerter Zahl antrifft. Dagegen die zehnmal zahlreicheren Hochdeutschen bleiben nicht nur nicht neutral, sie gehen sogar im englischen Volkstum auf und greifen zu Gunsten der Engländer in den nationalen Kampf ein. Nun entschuldigen sie aber solche erbauliche ‘alldeutsche’ Wirksamkeit damit, dass sie behaupten, ihre nationale Stellung zu den Afrikandern sei von derjenigen der Holländer grundverschieden. Jene seien Sprach- und Stammesgenossen der Afrikander, daher berechtigt und verpflichtet, national auf ihrer Seite zu stehen. Für die Hochdeutschen dagegen seien die Afrikander ein fremdes Volk mit einer fremden Sprache, ausserdem mit deutschfeindlicher Gesinnung; wir hätten daher | |
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keine Veranlassung, gegen die Engländer für die Niederdeutschen Partei zu ergreifen. Ausserdem sei das Land politisch und wirtschaftlich englisch, damit sei entschieden, dass auch seine Nationalität die englische sein müsse. Die verdorbene Bauernmundart der ungebildeten Afrikander werde nie auf Kosten der englischen Weltsprache sich zur herrschenden Sprache Südafrikas erheben können. Es sei also ganz aussichtslos, gegen die englische Herrschaft anzukämpfen. Widerlegen wir diese rückständigen nationalen Anschauungen, - Aeusserungen des deutschen Partikularismus, der ja vor 1870 auch die Bayern in den Preussen ein ‘fremdes Volk’ sehen Hess! - so werden die südafrikanischen Deutschen, so weit sie auf diesen Ehrennamen noch Anspruch erheben wollen, ihre Stellungnahme ändern und den südafrikanischen Holländern nacheifern müssen. Was zunächst die knechtische kampflose Unterwerfung unter das Volkstum der politisch herrschenden Völkerschaft betrifft, so ist sie nur begreiflich von Leuten, die von den neuzeitlichen europäischen Sprachenkämpfen keine Ahnung haben und daher nicht wissen, dass die staatliche Herrschaft die nationale Aufsaugung der Unterworfenen heutzutage nicht mehr zur unabwendbaren Folge hat; Beweis: Vlandern, Schleswig, Posen. Die europäischen Sprachenkämpfe beweisen vielmehr (in Böhmen und in Krain z. B.), dass von zwei kämpfenden Nationalitäten schliesslich diejenige siegt, welcher die Masse der Landbevölkerung angehört, auch wenn sie kulturell tiefer steht und einen städtischen Mittelstand nicht besitzt; Voraussetzung des Sieges ist nur, dass sie durch Einrichtung eines nationalsprachlichen Schulwesens eine eigene nationale Kultur sich schafft. So liegen ja aber, genau so, die Dinge in Südafrika! Darum ist den 550 000 Niederdeutschen der sprachliche Sieg über die 150000 Engländer sicher und unentreissbar, seitdem sie begonnen haben, in den Schulen ihre niederdeutsche Muttersprache zu pflegen und ihre Schüler und Studenten mit den | |
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nach Afrika eingeführten reichen Schätzen der niederländischen Bildung auszurüsten. Ist ein solche nationale Sprachbewegung erst einmal entstanden, so ist auch ein halbentnationalisiertes Volkstum - und die Afrikander sind halbverenglischt - gerettet, dann schlägt die von der neu angelernten, äusserlich herrschenden fremden Sprache zurückgedrängte alte Sprache der Väter, wenn sie sich nur noch als Familiensprache gehalten hatte, wieder durch. Das mögen doch die südafrikanischen Hochdeutschen, welche die Wichtigkeit des Sprachenstreites bisher so arg unterschätzt haben, die ihn als ‘aussichtslos’ verurteilten, aus den vorbildlichen europäischen Beispielen lernen! Die Sprachenbewegung entscheidet über die nationale Zukunft Südafrikas, dass England dort politisch herrscht, hindert den Sieg des niederdeutschen Volkstums nicht, das muss man den national Unerfahrenen, die nur nach dem politischen Aeusseren urteilen, immer wieder sagen. Ob England auf die Dauer eine politische Herrschaft über Südafrika behaupten wird, ist eine von der nationalen völlig verschiedene Frage, die uns hier gar nicht beschäftigt. Hier ist bloss die Rede von Volkstum, die beiden Dinge muss man scharf auseinander halten und nicht vermengen, wie es die national Rückständigen so gerne thun. Der zweite Grund der südafrikanischen Hochdeutschen gegen ein alldeutsches Verhalten ist die Behauptung: ‘Die in Südafrika kämpfenden Volkstümer sind uns beide fremd; wir haben keinen Anlass, die Niederdeutschen zu bevorzugen.’ - Das ist unrichtig, die Deutschen haben schon einen allgemeinen politischen Grund, immer gegen die Engländer aufzutreten. Auch wenn die Buren nicht unsere niederdeutschen Brüder, sondern meinetwegen Hottentotten wären, müssten wir sie doch gegen die Engländer unterstützen, weil es für das Deutschtum eine Lebensfrage ist, dass nicht auch der letzte freie Erdteil unter das Joch der englischen Weltherrschaf gebeugt und damit unsere Knechtsstellung gegenüber dem Landbesitz-Monopol unseres Vetters unabänderlich ge- | |
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macht werde. Das jetzt schon drohend riesenhafte Angelsachsentum darf nicht mehr wachsen, das ist die hauptsächlichste, selbstverständliche Forderung des kleinen übervölkerten Deutschlands. Deutschland muss alle Kräfte anspannen, um so schnell wie möglich dem Umfang der Angelsachsen an Landgebiet und Volksmasse nahe zu kommen, sonst ist es mit den Deutschen für ewig vorbei, sie sind rettungslos überflügelt. Daraus folgt als Hauptregel für deutsche Weltpolitik: Was der englischen Ausdehnung schadet, das nützt den Deutschen, auch wenn es direkt einem dritten zu gute kommt. - Nun kommt aber erstens einmal eine englandfeindliche südafrikanische Politik nicht nur einem ‘Dritten’, den Afrikandern, sondern auch den Reichsdeutschen direkt zu gute. Wenn wir nämlich Südafrika gegen die Verenglischung schützen, so verteidigen wir damit zugleich unsere einzige Ackerbauerkolonie Deutschsüdafrika, die von einem ganz verenglischten Südafrika ohne jede Möglichkeit einer Rettung aufgesaugt werden würde, die dagegen so lange gesichert ist, als die Kräfte des Angelsachsentums durch den Widerstand der Afrikander gelähmt sind. Wir bitten also die südafrikanischen Hochdeutschen dringend, durch eine niederdeutsch-freundliche Haltung unser einziges Neuland und damit die Lebensinteressen des deutschen Volkes schützen zu helfen! Zweitens ist aber hier in Südafrika auch der ‘Dritte’, dessen Interessen wir zugleich mit unseren eigenen gegen England wahrnehmen, gar kein Fremder, sondern das deutsche Volkstum selbst; und damit kommen wir zu dem Kernpunkt der südafrikanischen Frage: Welche Stellung haben die Niederdeutschen innerhalb der germanischen Völkerfamilie, und wie muss ihr Verhältnis zu den Hochdeutschen gestaltet werden? Die Buren sind allerdings keine ‘Deutschen’ schlechthin, so viel wollen wir den Nichts-als-Hochdeutschen zugeben. Worin wir uns aber niemals werden irre machen lassen, und was wir als das Wesentliche und Entscheidende hinstellen, das ist | |
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Folgendes: Das Niederdeutschtum ist durch die Begründung einer eigenen Schriftsprache zu einem selbständigen Volkstum geworden neben dem Hochdeutschtum. Trotzdem aber sind diese beiden Volkstümer, die ja früher ein einziges bildeten, nächtste Verwandte geblieben und sind einander so ähnlich, dass sie sich fast gleichen. Bei ihrem gemeinsamen Ursprung ist das ja auch selbstverständlich. Darum ist die gegenwärtig herrschende partikularistische Anschauung, dass die Afrikander uns einfach ein ‘fremdes Volk’ seien wie andere Fremdvölker, falsch. Vielmehr sind die beiden Volkstümer, das niederdeutsche und das hochdeutsche, zwei Brüder und bilden den anderen Völkern gegenüber eine Gruppe für sich, eine Einheit, die man etwa ‘Deutschtum im weiteren Sinne’, ‘Grossdeutschtum’ oder dergl. nennen könnte. Nebenbeigesagt ist auch die Behauptung, dass die Afrikander im Volkstum den Holländern viel näher ständen als den Reichsdeutschen, nicht ganz richtig; sondern sie sind beiden ziemlich gleich nahe verwandt. Denn von Abstammung sind sie zum grossen Teile Hannoverer und sonstige Deutsche, und auch durch die Schriftsprache unterschieden sie sich bisher nicht von den reichischen Niederdeutschen, weil sie nämlich - überhaupt keine Schriftsprache hatten, sondern nur, genau wie diese, eine niederdeutsche Mundart sprechen. Die holländische Schriftsprache war ihnen bis vor wenigen Jahren fest ebenso fremd wie die hochdeutsche. Jetzt haben sie allerdings das Niederländische zur Schriftsprache gewählt; aber dadurch ist doch nicht ihr Volkstum mit einem Schlage zu einem ganz anderen geworden, die enge nationale Verwandtschaft mit den Reichsdeutschen ist geblieben, und die südafrikanischen Hochdeutschen haben also gleich den südafrikanischen Holländern die Pflicht, die Afrikander in ihrem Sprachenkampfe zu unterstützen. Das besonders deshalb, weil die Afrikander eine Veränderung der niederdeutschen Schrift- | |
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spräche betreiben. Wir müssen dafür sorgen, dass dabei eine der hochdeutschen ähnliche Schreibung eingeführt wird, damit die hochdeutschen und niederdeutschen Völker sich besser verständigen können. Die ‘alldietsche’ Schreibweise Hansens ist ein Anfang dazu. Ebenso wird andererseits die hochdeutsche Schriftsprache von der niederdeutschen bei andauernder näherer Berührung etwas annehmen. Schon jetzt sind die beiderseitigen Volkssprachen und Mundarten sich so ähnlich, dass ihre Angehörigen sich gegenseitig leicht verstehen; sind auf diese Weise auch die beiderseitigen Schriftsprachen sich ähnlicher geworden, so sind die nationalen Unterschiede zwischen den südafrikanischen Hochdeutschen und den Afrikandern fast ganz verwischt. Ich dächte doch, es wäre eher Pflicht der Deutschen, für ein solches niederdeutsches Afrika zu wirken als für ein englisches. Folgt der hohen Mahnung unseres Volkstums: seid nicht Partikularisten, sondern Allgermanen; redet nicht immer von dem, was uns trennt, erkennt an, was uns gemeinsam ist; und herrliche Erfolge werden wir dann erringen. Das ist unsere Ansicht von dem Verhältnis der beiden Volkstümer, und sie wird in wenigen Jahren die herrschende sein. Die darüber bisher verbreiteten Anschauungen beruhen unseres Erachtens auf Mangel an Kenntnis der thatsächlichen Verhältnisse und an nationaler Bildung. Denn die Verfechter des Partikularismus können doch nicht leugnen, dass der Gedanke der nationalen Gemeinbürgschaft (Solidarität) gegenwärtig alle Völker beherrscht. Die angelsächsischen beherrscht er in der Gestalt des ‘Grossenglischen Bundesstaates’ (‘Greater Britain’) und der ‘Anglosaxon Alliance’, die slawischen in der des Allslawentums. Alle verwandten Völker erhöhen ihre Macht dadurch, dass sie sich, zum mindesten moralisch, gegenseitig unterstützen; warum allein die Germanen nicht? Russland ist nur dadurch so stark, dass es ausserhalb seiner staatlichen Grenzen in Böhmen, Triest, Bulgarien u.s.w. Vorposten stehen hat in Gestalt von ver- | |
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wandten Völkern, die in ihm den slawischen Bruder anerkennen und lieben. Absonderung bedeutet Verkrüppelung. Wollen die Germanen den weltpolitischen Grundsatz, auf dem die weltgeschichtliche Entwickelung unserer Zeit beruht, nämlich die Politik der Volksverwandtschaft und des Zusammenschlusses, erst studieren, wenn es zu spät ist? Es scheint wirklich, sie werden fortfahren, um mindestens ein halbes Jahrhundert in der politischen Entwickelung hinter den anderen Völkern zurückzubleiben und ewig der schadenfrohen Welt das klägliche Schauspiel des Bruderkrieges und der Selbstzerfleischung, das Jammerbild der spiessbürgerlichen Kirchturmspolitik und des kleinlich verbohrten Partikularismus zu bieten. Der ist, wie gesagt, eine rückständige und gar nicht mehr fortschrittliche Idee, und wer stolz darauf sein will, mit an der Spitze der Zivilisation zu marschieren, der muss ihn zu den Toten legen. Und so sollten auch die südafrikanischen Hochdeutschen in Verfolg einer grossdenkenden nationalistischen Politik ihre niederdeutschen Volksverwandten unterstützen. Anderseits sollten die europäischen Niederdeutschen, ich meine die ‘Nederl. Z.-A. Vereeniging’ und den ‘Alg. Nederl. Verbond’, die hochdeutsche Hülfe suchen. Denn sie ist höchst wertvoll, ja unumgänglich, wenn das Ziel ‘Südafrika niederdeutsch!’ erreicht werden soll. 40.000 Hochdeutsche auf Seiten der Niederdeutschen, das verschaffte diesen mit einem Schlage, was ihnen jetzt im Kampfe am meisten fehlt: eine städtische Bevölkerung, gebildete Kreise, geeignete Führer für die Befreiung von der englischen geistigen und wirtschaftlichen Beherrschung. Diese unmittelbare Unterstützung des Sprachenkampfes durch die dortigen Hochdeutschen sollte, so wünschen wir, hinzukommen zu der mittelbaren, die wir bereits jetzt den Afrikandern durch unser südafrikanisches Schutzgebiet gewähren. Hätten es nicht die Deutschen den Engländern entrissen, so würde es englisch verwaltet werden; so aber wird es deutsch verwaltet, das bedeutet eine Schwächung der | |
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englischen Machtstellung, also eine Stärkung auch des Niederdeutschtums. Hier sehen sich die Afrikander nicht genötigt, Englisch als ‘zweite Landessprache’ zu lernen und dadurch zu verenglischen. Hier haben sie Gelegenheit, die Industrieerzeugnisse wie die Kulturschätze Europas sich zu verschaffen ohne die verderbliche englische Vermittelung. Wie wird sie das stärken im Kampfe gegen die Verenglischung! Schon die Thatsache allein, dass ein langes Stück der südafrikanischen Küste, ein Thor zum südafrikanischen Hause, nicht von dem englischen Thürschliesser besetzt werden darf, sodass hier die Afrikander unkontrolliert und frei mit der übrigen Welt verkehren können, bedeutet den Anfang vom Ende ihrer englischen Dienstbarkeit.Ga naar voetnoot*)) Prayon van Zuylen unterschätzt in seinem sonst vorzüglichen Aufsatze in Nr. 2 dieser Zeitschrift diese Bedeutung des deutschen Schutzgebietes, indem er annimmt, es sei deshalb für die Entwickelung der südafrikanischen Verhältnisse belanglos, weil es durch die unzugängliche Kalahari-Wüste von dem übrigen Südafrika getrennt sei. Er übersieht dabei, dass diese öde Steppe (nicht ‘Wüste’) immer mehr infolge von Brunnenanlagen zusammenschrumpft, sodass das früher als ein Teil derselben geltende Betschuanaland schon längst bevölkert worden ist und im Mai 1898 die Vortrekker der Afrikander sich sogar in Ghansis, mitten in der früher für ‘unzugänglich’ gehaltenen ‘Wüste’, dicht an der Grenze des deutschen Schutzgebietes, angesiedelt haben. Ausserdem sind in Deutsch-Südafrika selbst Afrikander ansässig. Und in wenigen Jahren wird eine Eisenbahn das deutsche Land mit dem übrigen Südafrika verbinden. Man sieht, mittelbar leisten die Hochdeutschen auch jetzt schon ganz Bedeutendes für die Afrikander; wir bringen unsere Hülfe nur auf einem anderen Wege als die Niederländer. Und wir könnten noch viel mehr Hülfsmittel anwenden, wenn es | |
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gewünscht würde. Wie wäre es z. B., wenn wir den Strom der reichsdeutschen Einwanderer den Afrikandern zulenkten? wenn wir ihre schwachen Reihen, die in der Ueberflutung der englischen Einwanderung ersäuft zu werden drohen, verstärkten durch den Ueberschuss an Volkskraft (jährlich 600.000 Seelen), der in Deutschland keinen Platz findet? Ein Schaden wäre es sicher nicht. Es muss daher der ‘Alg. Nederlandsch Verbond’, nachdem er das Vertrauen der Afrikander gewonnen hat, und nachdem, wie der ‘Offene Brief’ der afrikanderischen Führer vom August 1896 zeigt, das Bewusstsein der niederländisch-afrikanischen Sprach- und Stammesgemeinschaft geweckt worden ist, nunmehr weiter gehen. Er muss die nationalen Anschauungen der Afrikander nach der Richtung beeinflussen, dass auch das Bewusstsein der nationalen Verwandtschaft mit den Deutschen geistiges Gemeingut wird. Es muss zwischen Hochdeutschen und Niedefdeutsch-Afrikanern eine traditionelle, d.h. auf deutsch eine Erb-Freundschaft und Bundesgenossenschaft. die von der übereinstimmenden Gesinnung des ganzen Volkes getragen wird, entstehen. - Den gleichen Eintluss sucht auf die südafrikanischen Hochdeutschen der ‘Alldeutsche Verband’ zu üben. Bisher freilich sind seine Erfolge darin gleich Null. Seine Ortsgruppe Kapstadt lässt seit 1894 überhaupt nichts mehr von sich hören, sodass eigentlich nur die neugegründete Ortsgruppe Johannesburg zu rechnen ist. Mit Recht beklagt unser alldeutscher Gesinnungsgenosse Konrad Rust, der einzige niederdeutsch-freundlich gesinnte Hochdeutsche im Kapland, die nationale Schlaffheit seiner Volksgenossen, die z. B. im vorigen Sommer in den Kapländischen Landtag den famosen ‘deutschen’ Obersten Schermbrucker wählten, einen Erz-Jingo, d.h. Vertreter national-englischer Bestrebungen. Eine Schande ist es besonders, dass sie da, wo sie in geschlossenen Massen in eigenen Gründungen sitzen, wie z. B. in Neudeutschland, in und um Kapstadt, König-Wilhelmsstadt und Ost-London, wo der vielgepriesene Konsul Malkomess waltet, in nationalem Schlafe | |
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dahinsiechen. Daraus möge jetzt die Ortsgruppe Johannesburg sie wecken, sie möge das gesamte südafrikanische Hochdeutschtum in einem ‘Südafrikanischen Landesverbande des Alldeutschen Verbandes’ organisieren, wie es der ‘Alg. Nederl. Verbond’ mit dem Niederdeutsch doch auch fertig gebracht hat. Es gilt, Werbeschriften, die in dem Sinne geschrieben sind wie dieser Aufsatz, in Masse in Südafrika zu verbreiten. Es gilt besonders, die südafrikanische Presse für unsere alldeutschen Ansichten zu gewinnen, also z. B. in Deutsch-Südafrika den ‘Windhoeker Anzeiger’, im Kaplande ‘Ons Land’. Die ‘Südafrikanische Zeitung’ in Johannesburg, das bisher einzige Organ der südafrikanischen Hochdeutschen, wird wohl für eine nationale Bewegung nie zu gewinnen sein; sie vertritt lediglich Johannesburger Handelsinteressen, aber nicht das Deutschtum. - Wenn aber die Herren diese von all-deutschen Erwägungen erforderte Parteinahme für das Niederdeutschtum ablehnen, so haben sie doch unleugbar die Pflicht: ihr Deutschtum zu erhalten. Dass ihnen das in einem niederdeutschen Südafrika leichter sein wird als in einem englischen, ist wohl jedem klar. Deutsche werden sich in einem angelsächsischen Afrika so wenig erhalten können, als in dem angelsächsischen Amerika. Also gebietet ihnen schon, abgesehen von alldeutschen Rücksichten, ihre nationale Pflicht als Deutsche, für ‘Niederdeutsch-Afrika’ zu wirken. Aber wenn ihnen auch das nicht einleuchtet, nun, so nutzen sie ja dem Niederdeutschtum schon dann, wenn sie nicht zu Engländern werden, sondern Deutsche bleiben. Also wagen wir wenigstens dies von ihnen zu verlangen. Um aber Deutsche bleiben zu können, müssen sie sich national organisieren. Die Niederdeutschen anderseits werden bei einiger Ueberlegung zu dem Schlusse kommen, dass sie um ihres eigenen Vorteils, um ihrer eigenen Existenz willen von der Annäherung an das Hochdeutschtum durch die augenblickliche Untüchtigkeit seiner südafrikanischen Vertreter sich nicht abhalten | |
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lassen dürfen. Das Angelsachsentum überragt die übrigen germanischen Völker so ungeheuer an Umfang und hat so viel Land besetzt, dass diese so schnell wie möglich das noch verfügliche Siedelungsland sich sichern müssen, wenn sie nicht verkümmern wollen. Um aber dies Land, vor allem Südafrika, vor den länderhungrigen, expansionslustigen Angelsachsen mit Erfolg zu verteidigen, muss der Hochdeutsche und der Niederdeutsche zusammen kolonisieren, für sich allein würde wahrscheinlich keiner von beiden siegen. Auch der Niederdeutsche nicht! Er bedenke nur die ungeheuren Volksmassen, um welche die Angelsachsen ihm überlegen sind; da wird ihm wohl der jährliche Geburtenüberschuss der Hochdeutschen eine nicht unwillkommene Hülfstruppe sein, Setzen wir also der ‘Anglosaxon Alliance’ ein ungeschriebenes, aber treu bethätigtes ‘allgermanisches Bündnis entgegen. Dies Bündnis muss sich wenigstens in gegenwärtiger Zeit gerade gegen die Angelsachsen richten. Denn für beide Verbündete liegt in Südafrika die Zukunft, und die Engländer bedrohen diese Zukunft, bedrohen vor allem die Lebensinteressen der niederdeutschen Rasse. Eine allgermanische Freundschaft mit Einschluss der Angelsachsen, wie sie Herr Prayon van Zuylen in Heft III der Germania’ befürwortet, ist so lange ein unerfüllbarer Traum, als die germanischen Völker um ihrer Existenz willen das Bedürfnis zur Gründung von Tochtervölkern haben und England die Befriedigung dieses Lebensbedürfnisses zu hindern strebt, wovon es ja in Südafrika täglich die deutlichsten Beweise giebt. Wenn diese Thatsachen nicht wären, wenn England nicht so partikularistisch selbstsüchtig und germanenfeindlich wäre, so wären wir die Ersten, es mit offenen Armen als Mitglied des Allgermanentums zu begrüssen. Und ihm wäre das sehr wohl möglich. Die Zukunft der englischen Rasse ist dadurch, dass sie die halbe Welt mit Tochtervölkern besetzt hat, für alle Ewigkeit gesichert. England könnte also ohne Gefahr den übrigen germanischen Völkern den Landraum, den sie zum | |
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Weiterbestehen nötig haben, gönnen. Aber das thut es doch nun einmal nicht und wird es freiwillig niemals thun; es will die germanischen Völker nicht zu Weltvölkern werden lassen und mit gleichem Range neben sich dulden, sondern nur unter sich als seine gehorsamen Handlanger und als Kulturdünger für seine Kolonien. Darum ist ein Allgermanentum mit den Angelsachsen nur theoretisch, aber nicht praktisch möglich, wir können uns nur mit den Niederdeutschen verbinden, und unsere gemeinsamen Feinde, insbesondere aber die der Niederdeutschen, sind nicht die Slaven, sondern die Engländer (Südafrika!) - Die Niederdeutschen wissen jetzt endlich, dass sie keinen Grund zum Misstrauen gegen uns haben. Die Französlinge in Holland und Belgien hatten die Lüge ersonnen, die Reichsdeutschen wollten den Niederdeutschen ihre eigene Schriftsprache nehmen; das ist jetzt als Lüge erkannt. Sie würden im Gegenteil, wenn das Entstehen der niederdeutschen Schriftsprache und alles, was die Jahrhunderte hindurch in ihr geleistet worden ist, plötzlich ungeschehen gemacht werden könnte, das als eigensten schmerzlichen Verlust empfinden. Denn das deutsche Volkstum hat ja dadurch, dass auch seine niederdeutsche Hälfte zur Geltung gelangt ist, eine viel reichere Entfaltung erfahren und einen viel grösseren Kulturbesitz erworben. Mit Stolz und Begeisterung hört und liest besonders der Reichsdeutsche, dessen Volkssprache niederdeutsch ist, das Niederländische, denn es ist ja eigentlich seine eigentliche Schriftsprache. Ihr Ruhm ist sein Stolz. Und die Behauptung, wir wollten ihre Geltung in Vlandern und Holland antasten, ist eben nur lächerlich. Die alldeutsche Bewegung strebt im Gegenteil danach, ihre Kenntniss zu verbreiten; seit der deutschen Reise Pol de Monts hat sie damit Erfolg gehabt und wird in Zukunft einen noch viel grösseren haben, nicht zum mindesten durch diese Zeitschrift. Das Streben der Reichsdeutschen ist, dass die beiden engverwandten Sprachen neben einander bestehen bleiben, nur dass sie bessere Fühlung mit einander halten als bisher. Den grössten Vorteil aber bringen wir ja dem Niederdeutschtum | |
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durch das, was wir in Südafrika erstreben. Unser Ziel da unten in ‘het Zuidhoekje van Afrika’ ist ein niederdeutsch-afrikanischer Grossstaat ähnlich den Vereinigten Staaten von Nordamerika. Wenn in den südafrikanischen Kolonialländern aus Hochdeutschen und Niederdeutschen eine Millionen zählende afrikanische Nation herausgewachsen ist, so ist die Zukunft beider gesichert. Man kann es gar nicht oft genug wiederholen: Wir sind auf einander angewiesen; vereint werden wir eins von den grossen Völkern der Zukunft werden; entzweit sind wir beide schon im nächsten Jahrhundert dem Untergänge geweiht. |
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