De Broederhand. Jaargang 1

An die belgischen Dichter.

Concordia soll ihr Name sein.
Schiller.

Es hing eine starke Glocke hoch in des Domes Thurm,
Sie klang mit reinem Schalle durch Nebel und durch Sturm,
Sie klang viel hundert Jahre mit treuem starkem Laut,
Es war dem flämischen Volke die Stimme so vertraut.

Der Franzmann ist gekommen zu herrschen in dem Land,
Er hat hinabgestürzet sie mit verwege'ner Hand,
Ihr mögt sie nur begraben, weil uns der Klang missfiel,
Ihr sollt dafür jetzt haben ein fränkisch Glockenspiel!

Der Franzmann hängt die Glöckchen im alten Dome auf,
Die Greise schauen trübe besorgten Blicks hinauf,
Sie können sich nicht gewöhnen an diesen fremden Klang,
Es schlägt bei diesen Tönen ihr Herz so schwer uud bang.

Die Menge doch bethöret das neue Klingeln bald,
Dass sie vergisst die Glocke voll heiliger Gewalt,
Im Traum nur hören Greise mit silberweissem Haar
Noch ihre Töne leise, so fern und wunderbar.

Da plötzlich treten zusammen die Männer in dem Land:
‘Von Herzen sind wir müde den fremden Schellentand,
Es passt das feine Klingeln auf unseru alten Dom,
Als wie ein gläsern Schifflein auf unseru Scheldestrom.’

Drauf hat einer gesprochen mit flammendem Augenstrahl:
‘Herbei, und helft mir graben ihr Männer allzumal.
Lasst uns die Glocke heben aus ihrer tiefen Nacht,
Dass wieder sie zum Leben mit Jubelklang erwacht.’

Und hebt mit starkem Arme sie aus der Nacht empor,
Begeistert ihm zur Seite steht kühn der Männer Chor,
Sie haben sie froh erhoben hoch auf des Domes Thurm,
Auf's neue schallt sie droben durch Nebel und durch Sturm.

[p. 35]

 

Und alle, die ihn hören, den vielgeliebten Klang,

 

Die wallen heran in Chören so freudig und so bang,

 

Sie sinken betend nieder, und rufen aus treuer Brust:

 

‘Gegrüsst! die du uns wieder erklingst in Schmerz und Lust!’

 

 

 

Und stärker wogt und stärker der Glockenton durch's Land,

 

Klingt wieder an den Dünen dort an der Nordsee Strand,

 

Die Meereswogen rauschen dem wohlbekannten Schall,

 

Heil unserer Heimathsglocke! so tönt es überall.

 

 

 

Darmstadt.

 

Louise VON PLOENNIES.