Beatrijs
(1986)–Anoniem Beatrijs– Auteursrechtelijk beschermd
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aant.Nie brachte mir Gewinn
mein Dichten, Drum räth man
mir drauf zu verzichten,
Nicht drauf zu wenden
Meine Sinne.
Doch uns'rer lieben Magd zur Minne,
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Die Mutter ward, und Jungfrau blieben,
Hab dies Mirakel ich geschrieben.
Marien, die uns den Gott geboren,
Hab' ich dies Lied zur Ehr' erkoren.
Ich schreib' von einer Nonne Leben;
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Woll' Gott mir dazu Segen geben,
Daß ich mein' Aufgab' recht vollbringe
Und mir mein Dichten wohl gelinge,
Daß treu ich folge aller Orten
Nach meines Bruders Geißbrecht Worten.
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Das ist ein Wilhelmin' gewesen,
Der thät's in alten Büchern lesen;
Es war ein Mann, schon hochbejahrt.
Die Nonne war von frommer Art;
So hold wie sie in feiner Sitte,
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War Keine in des Klosters Mitte.
Sie war an Huld und zücht'gem Wesen
Vor vielen Ander'n auserlesen.
Nicht will ich ihre Schönheit preisen,
Auf jeden Reiz besonders weisen,
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Will Nichts zu ihrem Lobe nennen,
Jedoch ihr Amt, das soll man kennen,
Des sie gewartet lange Zeit
In ihres Klosters Einsamkeit.
Zur Küsterin war sie erlesen,
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Das ist sie lange Zeit gewesen,
Und Abends spät, und Morgens frühe
Trug willig sie die Sorg' und Mühe;
Sie pflegte treu des Amts, zu läuten
Zum frommen Dienst den Himmelsbräuten,
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Sie ordnet' Ornament und Licht
aant.Und rief die Nonnen zu der Pflicht.
Die Jungfrau war erfüllt von Minne,
Der Wunderthäterin der Sinne,
Der Segenspend'rin aller Lande!
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Doch oftmals folget ihr auch Schande,
Und Thränen, Leid, gebroch'ner Muth,
Und nur zuweilen endet's gut.
Den Weisen sie zum Kinde macht,
Und fesselt ihn, eh' er's gedacht,
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Fragt nicht, ob's ihm zum Leide sei,
Und lässet ihn auch nicht mehr frei.
Er kann nicht sprechen, kann nicht schweigen,
Vor ihrer Macht muß er sich neigen.
Und Manchem auch bricht sie den Muth,
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Wenn ihr es dünket recht und gut.
Die Minn' macht milde und macht stille,
Ihr beugt sich harter Sinn und Wille,
Und herrschet sie im Siegesprangen,
Muß Alles treulich ihr anhangen.
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Und rechte Minn' kann sich erst zeigen,
Wenn gern sie Alles giebt zu eigen;
Denn Reichthum, Freude oder Schmerzen,
Theilt willig sie von Herz zu Herzen.
Wer kündet wohl, wie rings im Land
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Sie Segen streut mit milder Hand!
Und dieser Minne Wundersegen
War uns're Nonne auch erlegen.
Die hat ihr Herz gar hart geschlagen,
Die arme Nonne mußt' es tragen;
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Denn immer ist der Feind geschäftig,
Sein' heimlich' Arbeit ist gar kräftig,
Er flüstert leis bei Tag und Nacht,
Bis jedes Herz in seiner Macht.
Mit falscher List, mit süßen Worten
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Sucht er die Nonne aller Orten.
Sie fleht zu Gott mit heißen Zähren,
Er mög' ihr Schutz und Hülf' gewähren,
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aant.Mit seiner Gnade bei ihr stehen.
Sie sprach: ‘O Herr, ich muß vergehen,
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Die Minne schlug das Herz mir wund,
Du weißt es, Dir ist Alles kund;
Was hülf' es, daß ich Dir's verhehle,
Dir, Herr, liegt offen meine Seele!
Der Klosterruh' will ich entsagen,
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Nicht mehr die frommen Kleider tragen.’
Und weiter hört, wie's ihr erging:
Sie sandte nach dem Jüngeling,
Zu dem sie hegt so großes Lieben.
Demüthig hat sie ihm geschrieben,
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Hat ihn zum Kommen eingeladen,
Es wäre nicht zu seinem Schaden.
Und als der Bot' zum Jüngling kam,
Und dieser ihm den Brief abnahm,
Und las, was sie ihm hat geschrieben,
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War gleich bereit sein heißes Lieben.
Wie eilig flog er zu ihr hin!
Sie hegten lang sich treuen Sinn,
Als Beid' zwölf Jahre alt gewesen,
Hat Minne schon ihr Herz erlesen.
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Nun ist zum Kloster er geritten,
und sucht auf Wegen sie und Schritten,
Er setzt sich vor ihr Fensterlein,
Und harret auf das Glück allein,
Bis er von ferne konnt' sie sehn
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Am Klosterfenster grüßend stehn.
Sie reichte sehnend ihre Hände
Hin durch des Gitters Eisenwände;
Nur Seufzer konnten sie sich schicken,
Nur Grüße aus bethränten Blicken.
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So saß er draußen und sie drinnen.
Was half ihr Wünschen und ihr Sinnen?
So saßen sie wohl lange Stunden
Und Keines hatte Trost gefunden.
In Leid verwandelt bald sich Lust:
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aant.‘Ach!’ rief sie leis aus trüber Brust,
‘Vieltheures Lieb, ich schmacht' nach Dir,
Sprich doch, o sprich ein Wort zu mir;
Gieb Trost, Du Lieber, meinem Herz,
Dich ruf ich an im bangen Schmerz;
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Der Minne Strahl hat mich getroffen,
Mein Herz ist nun dem Leide offen,
Und nimmer find ich Freude wieder,
Du zogst mich, Lieb, in's Elend nieder!’
Und er darauf mit bitt'rem Klagen:
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‘Wohl haben lange wir getragen,
O Liebste, diese zarte Minne,
Im tiefen Herz, im stillen Sinne,
Und niemals konnt' ich es erlangen,
Daß ich Dich küssend mocht' umfangen.
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O, Gott muß wohl Frau Venus strafen,
Daß ihre Blick' uns also trafen.
Wie welke Blüthen traurig neigen
Sich von des Baumes frischen Zweigen,
So läßt sie Beide uns verderben,
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Kein Minneheil uns je erwerben.
O, möchtest Du dem Kleid entsagen,
Das Du zu lange schon getragen:
Mit Dir wollt' ich zu Seligkeiten
Wohl durch die weite Welt hinreiten
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Und reiche, prächt'ge Wollgewande,
Die stell' ich, Liebste, Dir zu Hande,
Und Feierkleid und Mantel auch,
Bei Klostertracht nicht in dem Brauch.
Mit Dir will Leid und Glück ich tragen,
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Kein and'res Heil für mich mehr fragen.
Zum Pfande nimm nun meine Treue!’
‘Erwählter Freund,’ sprach sie auf's Neue,
‘Wie gern hör' ich den holden Klang;
Nimm mich zu eigen Lebenslang!
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Unwissend stets mein Kloster bleibe,
Wohin uns unsre Minne treibe.
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aant.Nach Wochenfrist, um diese Stunde,
Bring' mir der Freiheit süße Kunde!
Dort unterm wilden Rosenbaum,
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Dort harre mein zum Liebestraum,
Dort harre heimlich Deiner Braut,
Die Leib und Seel' Dir anvertraut.
Wohin Du willst, da folg' ich Dir,
Mein Herr und Hort; das bist Du mir!
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Ich komme, und wenn jede Noth
Mit Hinderniß dem Wege droht;
So komm auch Du, nimm mich zu eigen,
Laß alles Leid für immer schweigen!’
Als so sie überein gekommen,
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Hat Abschied er von ihr genommen,
Und ging zu seinem Roß geschwind,
Saß auf und ritt fort wie der Wind.
Ritt übern Weg und immer zu,
Und gönnte sich nicht Rast noch Ruh.
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Sein Lieb er nicht vergessen hat;
Des andern Tages in der Stadt,
Da kauft er Zeug, blau und scharlachen,
Davon ließ er ihr eilig machen
Gewande, und den Mantel gut,
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Und Ueberkleid, und auch den Hut;
Schön ausgeziert und reich geschmückt,
Ein Jeder war davon entzückt,
Und pries, nachdem er's hat gesehen,
Die Frau, die in dem Schmuck sollt' gehen.
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Und Gürtel, Messer, Aumonière,
Das kauft er Alles ihr zur Ehre,
Und Hauben, Fingerring' von Golde
Und lauter Pracht für seine Holde,
Und Nichts hat er dabei vergessen,
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Was einer Braut war angemessen.
Drauf nimmt er noch fünfhundert Pfund,
Und reitet in der Abendstund'
Ganz heimlich wieder aus der Stadt,
aant.Wo er gekauft dies Alles hat.
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Sein treues Thier trug Alles fort,
Bis hin zu dem bestimmten Ort,
Bis dahin, wo der Rosenbaum
Beschirmt den ersten Liebestraum.
Dort harret er in dem Gefild
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Bis ihm erscheint der Liebsten Bild.
Jetzund will ferner ich noch sagen,
Was mit der Nonn' sich zugetragen:
Sie läutet Mette in der Nacht,
Hat dabei immer sein gedacht.
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Und als die Mette war gesungen,
Von alten Nonnen und von jungen,
Als alle aus dem Heiligthum
Zurück ins Dormitorium,
Als sie allein im Chor geblieben,
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Hat's zum Gebete sie getrieben.
Sie fleht demüthiglich und leise,
Nach ihrer altgewohnten Weise,
Sie kniete vor'm Altare hin,
Und betet da mit frommen Sinn:
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‘Maria, Mutter, ich Dich grüße,
Hilf mir, Du Heil'ge und Du Süße,
Laß mich das Klosterkleid ablegen,
Du kennst des Herzens banges Regen,
Du kennst dies arme sünd'ge Wesen;
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Wohl hab' Gebete ich gelesen
Und hab' kasteiet meine Glieder; -
Ach, immer kam die Sünde wieder!
Die Minne mich gefangen hält,
Und dienen will ich nun der Welt.
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Bei der Lieb, die am Kreuzesstamme
Sich bot der Welt zum Opferlamme,
Die willig sich in's Grab gegeben,
Bei der Lieb, die dereinst zum Leben
Hat Lazarum aus Grabesnacht
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Lebendig an das Licht gebracht -
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aant.Ich flehe Dich bei dieser Liebe:
Vergieb voll Huld dem sünd'gen Triebe!’
Darnach verließ sie die Kapelle,
Und kniet vor einem Bilde, schnelle,
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Und schickt inbrünstig heißes Grüßen,
Zur Mutter Gottes, zu der süßen.
Sie sprach: ‘Maria, unbeflecket,
Dir hab' ich lang' mein Leid entdecket,
Hab' Dir geklagt, wie ich bethört,
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Du, Heil'ge, hast mich nicht erhört;
Und eher werd' ich nicht gesunden,
Bis ich die Freiheit hab' gefunden.’
Den Schleier löst' sie dann vom Haar,
Legt ihn auf Unsrer Frau Altar;
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Drauf zog sie aus die Klosterschuh,
Und fügt sie stille auch dazu.
Die Schlüssel von der Sakristei
Hing sie ans heil'ge Konterfei.
Warum ans Bildniß unsrer Frau,
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Das melde ich jetzund genau:
Damit man sollt' am Morgen frühe
Sie finden sonder Sorg' und Mühe.
Denn wer vorbeiging an dem Bild,
Der grüßt die Jungfrau, rein und mild,
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Und wandte seinen Blick auf sie,
Sprach leise sein ‘Ave Marie.’
Das hatte schnell sie überlegt,
Darum die Schlüssel hingelegt.
Nun hüllt' sie in ihr leicht Gewand
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Sich fester ein mit zager Hand;
Aus heimlich ihr bekannter Pforte
Entschlüpfte eilig sie dem Orte.
Und weiter schlich sie, leis und sacht,
Verstohlen fort in dunkle Nacht;
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Und voller Zagen ging sie weiter,
Und sucht im Garten den Begleiter.
Der sagte: ‘Lieb, nun bist Du mein,
aant.Dein Freund wird Dein Beschützer sein!’
Doch heiße Scham hielt sie befangen,
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Und furchtsam, voll von zücht'gem Bangen,
Ward sie des dünnen Kleid's gewahr,
Des nackten Fuß', des bloßen Haar'.
Er aber sagte: ‘O, Du Reine,
Nun schmück ich selber Dich alleine
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Mit schönen Kleidern, Goldgeschmeide,
Mir selbst zur süßen Augenweide!’
So sprach er sanft mit zartem Kosen; -
Ob ihren Häuptern duften Rosen! -
Und Kleider, Putz und reich Gewand,
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Legt er sogleich in ihre Hand
Zum Schmuck der minniglichen Frau.
Das eine Kleid war himmelblau,
Von feinem Schnitt und reich geschmückt;
Und er erschaut sie hochbeglückt,
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Und sagte: ‘Lieb, dies Himmelblau
Steht besser Dir, als früher grau.’
Drauf kleidet schamhaft sich die Süße
Mit Schuh'n und Strümpfen ihre Füße.
Sie hat sich selbst in diesen Stunden
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So schön, wie nimmermehr gefunden.
Mit Kopfschmuck, glänzendweiß von Seiden,
Thät sie sich jetzund noch bekleiden.
Und als sie so geschmückt nun ist,
Da hat der Jüngling sie geküßt
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Voll heißer Minne auf den Mund.
Ihm däuchte wohl zu dieser Stund',
Als wäre sie von Licht umgeben.
Nun thät er sie zu Pferde heben,
Und schwang sich hinter sie behende,
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Schlang schützend um sie seine Hände.
So ritt er eilig immer weiter,
Es gönnt' sich Ruh noch Rast der Reiter.
Da grüßt das erste Morgenlicht:
‘O Herr mein Gott!’ sie gläubig spricht,
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aant.‘Woll' gnädig ferner für uns sorgen,
Es dämmert schon der erste Morgen.
Im Kloster tönt jetzt Hora nicht,
Die Küsterin vergaß der Pflicht;
Wer wird für mich wohl heute läuten
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Den schwesterlichen Himmelsbräuten?
Gieb Gott, daß mich die Flucht nicht reue!
Auf Erden ist nur wenig Treue,
Voll falschen Werthes ist ihr Reich,
Dem ungerechten Kaufmann gleich,
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Der Flitterschmuck für Edelsteine
Erblitzen läßt zu Trug und Scheine!’
O Holde, sprich, wie kannst Du klagen?
Gott soll mir senden Straf' und Plagen,
Wenn ich Dir je die Treue breche.
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Hör', was ich jetzund Dir verspreche:
Ich steh' zu Dir in Glück und Noth,
Uns scheide nur der bittre Tod.
Wie kommt so großer Zweifel Dir?
Nie war ich treulos, glaub' es mir,
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Nie hab' ich an der Treu' gefehlt,
Seit ich zur Liebsten Dich erwählt.
Und böt' sich eine Kaiserinne
Mir selber an zur süßen Minne,
Und dürft' ich liebend sie umfassen,
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Ich würde doch von Dir nicht lassen,
Und Dir allein die Treue geben. -
Ich hab' zur Sorge für das Leben
Fünfhundert Pfund von Silber fein,
Darüber sollst Du Herrin sein.
325[regelnummer]
Und reiten wir nach fernen Reichen,
Darf keine Sorge uns beschleichen.
Wir haben g'nug der Jahre sieben!’
So ritten sie in Lust und Lieben,
Und kamen Morgens früh gar bald
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An einen vogelreichen Wald.
Da tönte laut mit hellem Schall,
aant.Der Vöglein Stimme überall,
Und jedes sang nach seiner Weise,
Und Blumen standen rings im Kreise,
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Erblüht im warmen Sonnenstrahle,
Im Duft der eignen Opferschale.
Die Luft war klar, durchsichtig helle,
Und schlanke Bäume sind zur Stelle
Im Blätterschmuck, dem üppig reichen.
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Zur zarten Jungfrau ohne Gleichen,
Zu der sein Herz die Minne hegt,
Sprach nun der Jüngling tiefbewegt:
‘Laß uns zum Kranz die Blumen winden,
Gar manche sind hier wohl zu finden,
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Wohl auch ein Blümlein Minnesold!’
Sie aber sprach verschämt und hold:
‘Nicht also sei's, behüte Gott,
Daß Du mich bringst in Schand' und Spott.
Mußt mich mit schlechtem Maß nicht messen,
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Hab' noch nicht aller Zucht vergessen,
Du hegest solchen niedern Sinn
Weil ich Dir gab mein' Ehre hin.
Daß Du so tief gekränkt mich eben,
Mag Gott im Himmel Dir vergeben!
355[regelnummer]
Von solchen Worten mußt Du schweigen.
Hör' nur die Vöglein in den Zweigen,
Hör' nur sie fröhlich jubelnd singen;
Laß diesen Schall ins Herz Dir dringen!
Bald ruh' ich wohl in stiller Nacht,
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Von Deines Auges Schutz bewacht,
Auf weichem Lager Dir am Herz,
Dann endet Sehnen, Wunsch und Schmerz.
Wohl traurig muß ich dran gedenken,
Daß Du mich also wolltest kränken!’
365[regelnummer]
Er sprach: ‘Mein Lieb, o zürne nicht,
Frau Venus ist's die aus mir spricht.
Gott gebe Schande mir und Plage,
Wenn nochmals ich die Bitte wage.’
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aant.Sie sagte: ‘Ich vergeb' Dir's gern,
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Dir, meinem Heil, dem liebsten Herrn.
Und Allen, allen Erdensöhnen
Selbst Absalom, dem wunderschönen,
Wenn zum Gemahl er mich wollt' fragen,
Würd' ich um Deinetwill' entsagen.
375[regelnummer]
Und wäre Freud' mein Loos und Segen,
Ich gäb' es hin ohn' Ueberlegen.
O Lieb, Dich hab' ich mir erkoren;
Mein' Treu' bleibt ewig unverloren.
Nur Deiner werd' ich stets gedenken!
380[regelnummer]
Wollt' Gott das Himmelreich mir schenken,
Ließ aber Dich auf Erden weilen,
Ich würde sicher zu Dir eilen! -
O Herr, woll' doch die Sünd' nicht rächen,
Daß ich so thöricht konnte sprechen,
385[regelnummer]
Der kleinsten Freud' in jenen Reichen
Kann hier doch keine Freude gleichen.
Dort jede so vollkommen ist,
Daß bald die Seel' der Welt vergißt,
Nur Gott begehret bis ans Ende.
390[regelnummer]
All irdisch Ding ist doch elende,
Ein Nichts, verglichen jener Welt,
Wo alle Freud' auf Gott gestellt.
Wer danach ringt, der hat das Heil; -
Ist's auch nicht mein erwähltes Theil,
395[regelnummer]
Wenn ich auch in der Sünd' muß leben,
Weil ich der Minne mich ergeben.’
So haben Zwiesprach' sie gehalten,
Und weiter ging's ohn' Aufenthalten;
Und Niemand hat die Zwei belauscht
400[regelnummer]
Wie Liebesgrüße sie getauscht.
Sie ritten fort, Thal aus, Thal ein,
Und bald zu einer Stadt hinein,
Die lieblich lag vor ihren Blicken,
Schien sich zum Aufenthalt zu schicken.
405[regelnummer]
Dort blieben sie der Jahre sieben,
aant.Und lebten stets in Glück und Lieben,
In Sinnenlust und sonder Leiden.
Zwei Kinder schenkte Gott den Beiden.
Jedoch nach diesen sieben Jahren,
410[regelnummer]
Als ihre Pfund' verzehret waren,
Da mußten sie aus Noth und Sorgen
Bald Geld auf Pfänder sich erborgen.
So gaben sie auf diese Weise
Den Schmuck, das Pferd zum halben Preise.
415[regelnummer]
Doch bald war Alles aufgezehrt,
Da war der Rath wohl Goldes werth.
Sie hatte nicht gelernt zu spinnen,
Damit ihr Brod sich zu gewinnen,
Und Alles war so hoch im Preise
420[regelnummer]
An Leibesnahrung, Trank und Speise.
Da ist die Sorg' ins Herz gezogen,
Da ist all Glück und Lust verflogen.
Doch eh' sie betteln um das Brod
Erlitten lieber sie den Tod.
425[regelnummer]
Und Armuth hat, eh' sie's gedacht,
Die bitt're Trennung auch vollbracht.
Der Mann hat seiner Treu' vergessen; -
Solch tiefes Leid ward nie ermessen.
Sie mußt' allein im Elend stehen,
430[regelnummer]
Nie hat ihr Aug' ihn mehr gesehen.
Die schönen, unschuldsvollen Kleinen
Mit der verlass'nen Mutter weinen.
Sie sprach: ‘Nun trifft mich Spott und Schmach:
Die Strafe folgt der Sünde nach;
435[regelnummer]
Der, dem ich hab' vertraut im Leben,
Hat mich dem Elend preisgegeben!
Maria hold, laß Dich erflehen,
Laß Deine Gnade mich umwehen,
Bitt' Du für mich und meine Kleinen,
440[regelnummer]
Und laß uns Hülfe bald erscheinen.
Was thu' ich arm, elendes Weib?
Wohl muß ich Beides, Seel' und Leib,
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aant.Beflecken durch ein sündig Leben,
Maria, wolle Hülf' mir geben!
445[regelnummer]
Hätt' ich gelernet auch zu spinnen,
Nicht könnt ich damit doch gewinnen
Für meine armen Kleinen Brot;
Und eher Schand', als sie in Noth.
So muß ich wohl in Stadt und Feld
450[regelnummer]
Mit meinem Leib gewinnen Geld,
Dafür ich kauf' den Kindern Speise;
Ich möchte doch auf keine Weise
Sie je verlassen hier im Leben!’
Da hat sie sich der Sünd' ergeben.
455[regelnummer]
Sie brachte sieben lange Jahr'
Den eig'nen Leib zum Opfer dar.
Der Schande Weg war es fortan,
Auf dem die Arme Brot gewann,
Und Scham ertrug sie und Unbillen
460[regelnummer]
Allein um ihrer Kleinen willen.
Kein zuchtlos Wünschen regt den Sinn,
Sie sündigt nur um Brotsgewinn,
Sie schafft für ihre Kinder Brot.
So lebte sie in Schmach und Noth,
465[regelnummer]
Und in der Schande offenbar
Im stillen Leid noch sieben Jahr.
Nur eine Pflicht vergaß sie nicht,
Ob Weh und Noth ihrs Herz zerbricht:
Doch ist in dehmuthsvollem Beten
470[regelnummer]
Sie stets zu Unsrer Frau getreten.
Die sieben Zeiten von Marien
Sie treulich betet auf den Knie'n.
Inbrünstig fleht sie an um Gnade,
Um Rettung von der Sünden Pfade,
475[regelnummer]
Die sie gewandelt vierzehn Jahr.
Das ist nur leider allzuwahr:
Zuerst die sieben mit dem Mann,
Der aus dem Kloster sie gewann,
Der sie im Elend ließ zurücke,
480[regelnummer]
aant.In bittrem Leid, im Ungelücke.
Dem ersten Sündenjahr genau,
Glich jedes andre bei der Frau.
Als nun vorbei die vierzehn Jahr,
Da schickte Gott ihr wunderbar
485[regelnummer]
So große Reu' ins sünd'ge Herz,
Daß lieber sie den herbsten Schmerz
Gelitten hätt', als länger Schand'
Und ehrlos Leben in dem Land,
Und feil zu bieten ihren Leib.
490[regelnummer]
So weinte Tag und Nacht das Weib.
Stets war ihr Auge naß von Thränen,
Sie fleht zur Jungfrau voller Sehnen:
‘Du heil'ger Springquell aller Gnade,
O leite mich auf rechte Pfade!
495[regelnummer]
Du süße Frau, laß Dir verkünden,
Wie tief mich reuen meine Sünden,
Wie meine Seel' vor Leid vergeht.
Maria, die hier zu Dir fleht,
Hat nicht gefehlt aus schnöder Lust;
500[regelnummer]
Doch fühlt sie Reu' in tiefster Brust.
Wohl muß vor Gottes Zorn ich sorgen,
Sein Auge sieht auch ins Verborgen',
Und Alles offenbar wird werden,
Was wir gesündigt hier auf Erden,
505[regelnummer]
Und alle Miss'that wird gerochen,
Die selbst auf Erden frei gesprochen,
Für die auch Buße schon gethan;
Das weiß ich fest, das ist kein Wahn.
Drum bin ich stets in Angst und Zagen,
510[regelnummer]
Und trüge gerne ohne Klagen
Die härt'sten, härnen Bußgewande,
Und kröch' auf Händen durch die Lande,
Arm, barfuß, elend, sonder Schuh:
Doch fände ich nicht Fried' und Ruh;
515[regelnummer]
Doch drückte mich die Sündenschuld,
Maria, hilf mit Deiner Huld!
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aant.Du ew'ger Springquell aller Wonnen,
Vor Dir ist manches Leid zerronnen;
Wie Du Theophilus gethan,
520[regelnummer]
Den nahmst Du auch in Gnaden an!
Der schwere Sünder hat ergeben
Dem Bösen sich mit Leib und Leben,
Hat ihm gedient so manches Jahr,
Du löstest ihn aus der Gefahr.
525[regelnummer]
Und bin ich auch in Sündenschuld,
Verstoßen von des Ew'gen Huld,
Gedenk, Marie im Himmelschein,
In keiner Noth vergaß ich Dein,
Maria, wolle deß gedenken,
530[regelnummer]
Mir Armen Deine Gnade schenken.
Nach Dir nur fließen meine Thränen,
Nach Dir nur steht mein banges Sehnen,
Und Deiner möcht' ich mich getrösten!
O zähl' auch mich zu den Erlösten,
535[regelnummer]
O Heil'ge, ich vergaß Dich nie,
Sprach täglich mein Ave Marie!
Die gläubig nur auf Dich vertrauen,
Die werden Deine Gnade schauen,
Die machst Du frei von Schuld und Sünden,
540[regelnummer]
Wirst ihnen Gottes Huld verkünden.
Du auserwählte Gottesbraut,
Du hast den ew'gen Sohn erschaut!
Nach Nazareth er Botschaft sandte,
Zur Gottesmutter Dich ernannte.
545[regelnummer]
Nie ward solch heil'ger Gruß gebracht,
Als dort in jener Segensnacht.
Den hörst Du heut' noch gerne an.
Drum dürfen Alle freudig nah'n,
Die sich mit jenem Gruße mild
550[regelnummer]
Demüthig nahen Deinem Bild,
Und denen wirst Du Gnade schenken,
Beim Sohne ihrer Schuld gedenken!’
Und dies Gebet und diese Klage,
aant.Die spricht die Sünd'rin alle Tage.
555[regelnummer]
Sie nahm ein Kind an jede Hand,
Und ging damit von Land zu Land,
Und gönnt sich selbst nicht Rast noch Labe,
Und bettelt um geringe Gabe.
So lange irrt sie durch das Land,
560[regelnummer]
Bis sie das Kloster wieder fand,
In dem sie einst gewesen Nonne.
Und spät, nach Untergang der Sonne
Ist sie zu einer Wittwe kommen,
Die hat aus Gnad' sie aufgenommen
565[regelnummer]
Und ließ sie Nachts im Hause bleiben.
‘Ich kann Euch doch nicht weiter treiben’,
So sprach die Frau, ‘mit Euren Kleinen,
Weil gar so müde sie mir scheinen.
Ruht Euch hier aus und setzt Euch nieder,
570[regelnummer]
Gern theile ich mir Euch nun wieder,
Was unser Herr mir that bescheeren,
Der heil'gen Mutter sein zu Ehren!’
Da blieb sie denn mit ihren Kindern.
Sie fragt, um ihre Noth zu lindern,
575[regelnummer]
Was sie zu wissen heiß begehrte:
‘So sagt mir,’ spricht sie, ‘Fraue, werthe,
Ist dies ein Kloster hier für Frauen?’
Die Wittwe sagt: ‘Drauf könnt Ihr bauen!
Man findet wohl nicht seines Gleichen,
580[regelnummer]
Und suchte man in allen Reichen.
Die Nonnen, die den Schleier tragen,
Von denen konnt' man niemals sagen
Ein Wort, das Unehr' ihnen brächte,
Daß man von ihnen niedrig dächte!’
585[regelnummer]
Die Frau, die bei den Kindern saß,
Erwiedert drauf: ‘Wie sagt Ihr das?
Ich hörte doch in diesen Tagen
Sehr viel von einer Nonne sagen.
Mir ist, als wär' sie hier gewesen,
590[regelnummer]
Zur Küsterin einst auserlesen.
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aant.Es sind nun wohl schon vierzehn Jahr,
Daß sie in diesem Kloster war,
Und aus demselben dann entkam,
Kein Mensch wußt', welchen Weg sie nahm.
595[regelnummer]
Auch wo sie blieb, das wußt' man nicht!’
Doch zornig drauf die Wittwe spricht:
‘Du Bettelweib, bist Du von Sinnen,
Mit solcher Mähre zu beginnen?
Doch willst Du mir die Küst'rin schmähen,
600[regelnummer]
So mußt Du heut' noch weiter gehen!
Sie nahm des Amts als Küst'rin wahr,
Getreulich wohl schon vierzehn Jahr;
Ihr Lob geht stets von Mund' zu Munde,
Wie nie gefehlt sie eine Stunde,
605[regelnummer]
Wie strenge sie vollbracht die Pflicht;
Und schändlich, wer es anders spricht,
Wer sie nicht glaubet rein und gut.
Sie trägt so frommen, zücht'gen Muth,
Wie je nur eine Nonn' getragen;
610[regelnummer]
Wollt' man in allen Klöstern fragen,
Die von Girond' bis Elbe stehen, -
Nie konnt' man ihres Gleichen sehen,
Nie Eine, die noch frömmer lebt.’
615[regelnummer]
Die tief gefall'ne Frau erbebt.
Ein Wunder schien vor ihr zu tagen.
Und weiter thät sie also fragen,
Und sagte: ‘Gebt mir nun zur Stunde
Von der Nonne Eltern noch die Kunde!’
Die Frau erzählt, die Nonne weinte,
620[regelnummer]
Sie wußte nun, daß sie man meinte.
Und Nachts kniet vor dem Bett sie nieder,
Zur heil'gen Jungfrau fleht sie wieder:
‘Sieh hier in Reue mich vergehen,
Hör' mich um Deine Hülfe flehen,
625[regelnummer]
Der Reuevollen biet' die Hand.
Ich möcht' in glüh'nden Ofens Brand
Mich rein'gen von der großen Sünde,
aant.Daß mir Dein Wort Vergebung künde!
Laß züngelnd rothe Feuerflammen
630[regelnummer]
Hell lodern über mir zusammen! -
Verzweifeln soll kein Mensch auf Erden,
Denn jedem willst Du gnädig werden;
Darum, ob ich vergeh' in Schmerz,
Auf Gnade hofft mein armes Herz;
635[regelnummer]
Du läßt mich doch zum Heil gesunden,
War sünd'gre Frau auch nie gefunden,
Seit Du vom Himmel niederkamst,
Und menschliche Gestalt annahmst,
Und an dem Kreuze mußtest sterben! -
640[regelnummer]
Doch lässest Keinen Du verderben,
Der so, wie ich, noch spät zur Gnade
Durch Reue sucht die rechten Pfade.
Dem Sünder dort auf Golgatha,
Warst Du mit Deiner Gnade nah;
645[regelnummer]
Dem an der rechten Seite dort,
Sprachst Du das milde Trosteswort,
Vergebung wolltest Du ihm schenken,
Und seiner Buße recht gedenken,
Du sagtest: “Sünder, der bereute,
650[regelnummer]
Mit mir wirst sicher Du noch heute
Zu meines Vaters Reich eingehen,
Mit mir an seinem Throne stehen.”
Du hast dem Mörder auch vergeben,
Dem Gisemast, der für sein Leben
655[regelnummer]
Dich endlich noch gefleht um Gnad',
Den führtest Du auf rechten Pfad,
Als er bereute seine Sünden!
Wer kann, Herr, Deine Huld ergründen?
So wenig, als ein Mensch das Meer
660[regelnummer]
In wenig Tagen schöpfet leer,
Und seinen Grund kann trocken legen!
Herr, Deine Gnad' ist aller Wegen!
Vergiebt den Sündern, klein und großen.
Bin ich allein denn ausgestoßen?
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665[regelnummer]
aant.Barmherzigkeit, die schenke mir,
Bereuend komm' ich, Herr, zu Dir!’
Wie so sie im Gebet versunken,
Da ward ihr Auge schlummertrunken.
Als sie darauf in Schlaf gefallen,
670[regelnummer]
Da hört sie eine Stimme schallen,
Die deutlich ihren Namen rief,
Als sie erschöpft vom Beten schlief:
‘Du sünd'ge Frau, die Jungfrau rein,
Die will Dir wieder gnädig sein;
675[regelnummer]
Sie hat bei Gott Dich frei gebeten.
Hin in das Kloster sollst Du treten,
Weit offen stehen jene Thüren,
Durch welche Du Dich ließ't entführen
Von Deinem lieben Jüngeling,
680[regelnummer]
Der in dem Elend von Dir ging.
Dort find'st das Klosterkleid Du wieder,
Das Du am Altar legtest nieder,
Dort findest Du die Klosterschuh,
Kopftuch und Schleier auch dazu.
685[regelnummer]
Und dankbar dann der Jungfrau sei!
Die Schlüssel von der Sakristei,
Die an das heil'ge Bild Du hingst,
Als Nachts Du aus dem Kloster gingst,
Die thät sie selber Dir bewahren,
690[regelnummer]
Daß man in diesen vierzehn Jahren
Von Deiner Flucht nichts konnte wissen,
Daß Niemand konnt' die Küst'rin missen.
Maria hat in Magdsgestalt
So lang für Dich das Amt verwalt't;
695[regelnummer]
Sie kam aus ihren Himmelsreichen
Und ist hier worden Deines Gleichen,
Für Dich, Du große Sünderin!
So geh nun zu dem Kloster hin:
Du findst Dein Bette unberühret,
700[regelnummer]
Gott selbst ist's, der mich zu Dir führet.’
Nicht lange darauf in der Nacht
aant.Ist aus dem Schlafe sie erwacht.
Sie sagte: ‘O allmächt'ger Vater,
Beschirme mich, sei mein Berather,
705[regelnummer]
Laß mich nicht in des Bösen Hand,
Daß größer werde meine Schand'!
Wenn jetzt ich nach dem Kloster ginge,
Man mich wie eine Diebin finge,
So wär' das größre Schmach für mich,
710[regelnummer]
Als da ich heimlich draus entwich.
Dich ruf ich an mit frommen Muthe,
Ich fleh bei Deinem theuren Blute,
Das Dir geflossen aus der Wund':
Wenn jene Stimme, die zur Stund'
715[regelnummer]
Gesprochen hat, mir ist zum Frommen,
Laß sie zum andern Male kommen;
Ja dreimal laß sie zu mir sprechen,
Laß sie mir jeden Zweifel brechen,
So daß ich mit gestärktem Sinn
720[regelnummer]
Mag gehen in mein Kloster hin;
Dort will ich büßen, will ich knien
Und preisen ewiglich Marien!’
Die nächste Nacht ist ihr zum Frommen
Zum zweiten Mal die Stimm' gekommen,
725[regelnummer]
Die rief sie wach aus ihren Träumen,
Und sprach: ‘O Weib, was willst Du säumen?
Ins Kloster sollst Du wieder gehen,
Dort wirst Du Gottes Hülfe sehen.
Thu', was Maria Dir gebeut,
730[regelnummer]
Als ihr Gesandter komm' ich heut'!’
Sie hat zum zweiten Mal vernommen
Die Stimme, die zu ihr gekommen.
Sie aber hat es nicht gewagt,
Das auszuführen, was sie sagt.
735[regelnummer]
Da hat sie denn die dritte Nacht
Wach, im Gebete zugebracht.
Sie sagt: ‘Jetzt muß der Zauber weichen,
Der Böße soll mich nicht erreichen,
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aant.Er bringt mich nicht in seine Macht.
740[regelnummer]
Und kommt er auch in dieser Nacht,
O Herr, vertreib' von diesem Ort
Durch Deine Gnad' den Bösen fort,
Daß er mir Armen nicht kann schaden.
Maria, hilf mit Deiner Gnaden!
745[regelnummer]
Hast Du gesandt den Boten mir,
Der mich ins Kloster rief zu Dir:
Bei Deinem Sohn laß Dich beschwören,
Zum Dritten laß die Stimm' mich hören!’
So wachte sie die dritte Nacht.
750[regelnummer]
Auf einmal floß in Himmelspracht
Ein Lichtglanz blendend zu ihr nieder.
Und also sprach die Stimme wieder:
‘Warum, o Weib, gehorchst Du nicht?
Die heil'ge Jungfrau zu Dir spricht!
755[regelnummer]
Was zagst Du noch in Deinem Sinn?
Geh ohne Furcht zum Kloster hin,
Die Thüren werden offen stehen,
Wohin Du willst, da darfst Du gehen.
Dein Nonnenkleid auch findst Du wieder,
760[regelnummer]
Das am Altar Du legtest nieder!’
Und als die Stimme das gesagt
Zur sünd'gen Frau, die reuig klagt,
Da strahlte hell der Himmelsglanz.
Sie sagte: ‘Nun vertrau ich ganz,
765[regelnummer]
Die Stimme ist von Gott gekommen,
Die heil'ge Magd hab' ich vernommen!
Sie sprach zu mir in dem Gesichte,
Umflossen von dem Himmelslichte,
Und ihr Gebot, das will ich ehren,
770[regelnummer]
Zum Kloster will zurück ich kehren.
Das thue gern ich, voll Vertrauen
Auf Schutz und Hülfe Unsrer Frauen.
Sei meiner Kinderlein Berather,
Du Gott, mein gnadenreicher Vater!’
775[regelnummer]
Drauf zog sie aus wohl ohne Zagen
aant.Die Kleider, die sie hat getragen,
Und leise sie die Kinder deckte,
Damit sie Beide nicht erweckte.
Sie küßt' die Kleinen auf den Mund,
780[regelnummer]
Und sagte: ‘Kinder, bleibt gesund!
Ich lasse hier Euch voll Vertrauen
Aufs Wort von Unsrer lieben Frauen;
Denn ihr Geheiß muß ich vollbringen.
Kein Gold der Welt könnt' mich sonst zwingen,
785[regelnummer]
Von Euch, Ihr Kinder, fort zu gehen!’
Und weiter höret, was geschehen:
Nun ist mit Weinen sie und Bangen
Nach ihrem Kloster hingegangen.
Die Thür' des Gartens fand sie offen,
790[regelnummer]
Wie's ihr Maria ließ erhoffen.
Da trat sie ein, ganz frei und frank,
Und sprach: ‘Maria, habe Dank!
Im Kloster bin ich jetzt auf's Neue,
Hilf weiter nun mit Deiner Treue!’
795[regelnummer]
Wohin sie kam, hat sie gesehen,
Wie alle Thüren offen stehen.
Und in die Kirche sie dann trat,
Inbrünstig sie den Herren bat:
‘O steh mir bei in meinem Leide,
800[regelnummer]
Und hilf mir wieder zu dem Kleide,
Das ich verließ vor manchem Jahr
An Unsrer lieben Frau Altar,
Da aus dem Kloster ich entwich!’ -
Und weiter nun berichte ich:
805[regelnummer]
Die Schuh, das Kopftuch fand sie wieder,
Wie damals sie gelegt es nieder.
Das ist gewißlich so geschehen
Wie's hier in dem Gedicht zu sehen.
Sie kleidet sich nun allsogleiche,
810[regelnummer]
Und sagte: ‘Gott im Himmelreiche,
Und Du, o Jungfrau, hold und rein,
Ihr sollt gebenedeiet sein!
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aant.Du reine Blume höchster Tugend,
Jungfrau voll unbefleckter Jugend,
815[regelnummer]
Schmerzlos gebarst Du uns den Christ,
Der unser Herr geworden ist,
Daß ihm der Himmel und die Erde
Für ewig unterthänig werde!
Zu Deiner Tugend Lohn und Frommen
820[regelnummer]
Ist Dir von Gott die Macht gekommen.
Zur Gottesmutter auserlesen
Bist Du und Mittlerin gewesen;
Und mir hast Du Dein Heil gegeben,
Daß ich in Frieden könne leben.
825[regelnummer]
Du leitest Den zum rechten Pfade,
Der eifrig suchet Deine Gnade,
Und groß hat Deine Hülf' und Treu'
An mir gezeiget sich auf's Neu!
Du hast mir großes Heil bescheert,
830[regelnummer]
In lichte Freud' mein Leid verkehrt;
Sei ewig mir gebenedeit!’ -
Da fand sie auch zur selben Zeit
Die Schlüssel von der Sakristei
Noch an Maria's Konterfei.
835[regelnummer]
Die Schlüssel nahm sie auf der Stelle
Und ging in's Chor, wo ihr gar helle
Die Lampen rings entgegen brannten;
Sie nahm die Bücher, die bekannten,
Wie früher sie gethan, jetzt wieder
840[regelnummer]
Und legt am rechten Ort sie nieder,
Und bat die Jungfrau süß und rein,
Von allem Leid sie zu befrei'n;
Die Kinder auch, die sie verließ,
Wie's ihr der Jungfrau Bote hieß.
845[regelnummer]
Und als die Uhr schlug Mitternacht,
Hat sie ihr erstes Werk vollbracht.
Zur Metten thät sie jetzund läuten
Den schwesterlichen Himmelsbräuten,
Wie sie's gewohnt vor vielen Jahren,
850[regelnummer]
aant.Bis alle wach gerufen waren -
Die oben in dem Schlafsaal schliefen,
Die kamen, als die Glocken riefen,
Die kamen All' zur frommen Stätte,
Doch keine sich verwundert hätte. -
855[regelnummer]
Sie blieb im Kloster ungestört,
Hat nie ein tadelnd Wort gehört,
Maria hold that für sie dienen
Und war an ihrer Statt erschienen.
Nun war die Sünderin bekehrt
860[regelnummer]
Der Magd zum Preise, die man ehrt,
Der Jungfrau aus dem Himmelreiche,
Der treuen Mutter ohnegleiche,
Die Allen hilft, die voll Vertrauen
Zu ihr in tiefer Noth aufschauen.
865[regelnummer]
Wie nun die Frau auf's Neu' erwählt
Das Nonnenkleid, hab' ich erzählt;
Und von den Kindern ich bericht',
Der Armen auch vergeß' ich nicht.
Sie ließ sie in der Wittwe Haus,
870[regelnummer]
In großer Noth, in Sorg' und Graus,
Die armen Kleinen voller Thränen
Sich ängstlich nach der Mutter sehnen.
Die Wittwe tröstet in dem Leide
Die hinterlass'nen Kinder beide,
875[regelnummer]
Die weinend sie um Mitleid flehen.
‘Ich will zu der Aebtissin gehen,’
So spricht sie, ‘möcht' sie doch erbarmen
Sich dieser Waisen, dieser Armen,
Und ihnen milde Gutes thun!’
880[regelnummer]
Sie schmückt mit Kleidern sie und Schuh'n,
Und ging darauf in's Kloster hin,
Und sagte: ‘Frau, mit mildem Sinn
Sieh hier die Noth der armen Kleinen,
Die laut nach ihrer Mutter weinen.
885[regelnummer]
Die hat sie, kaum ist es zu fassen,
Heut' Nacht zurücke mir gelassen;
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aant.Sie selber ging ganz heimlich fort,
Und Niemand weiß, an welchen Ort.
Gern hülf' ich, hätt' ich selber Brot!’
890[regelnummer]
‘Du fromme Frau, sei ohne Noth,’
Sprach die Aebtissin voll Erbarmen,
‘Hilf weiter den verlass'nen Armen!
Man übergab sie Deinen Händen,
Ich steh' Dir bei mit frommen Spenden.
895[regelnummer]
Schick' einen Boten, der hier frage
Im Namen Gott's an jedem Tage
Nach Leibesnahrung, Trank und Essen,
Was fehlet, will ich nicht vergessen!’
Die Wittwe war gar hoch erfreut,
900[regelnummer]
Als die Aebtissin solches beut,
Und nahm alsbald nach dem Geheiße
Der Kinder wahr mit Sorg' und Fleiße.
Die Mutter, die sie hat geboren,
Hat auch nunmehr die Sorg' verloren,
905[regelnummer]
Ihr war getrost und still zu Muthe,
Als sie erst wußt' in treuer Huthe
Die armen Kleinen, die allein
In dieser Welt nun mußten sein.
In Gottes Huld und Vatertreue
910[regelnummer]
Befiehlt die Kinder sie auf's Neue,
Und führt fortan ein heilig Leben.
Doch stets war sie voll Angst und Beben
In mancher Nacht, an manchem Tag,
Weil ihr die Reu' im Herzen lag.
915[regelnummer]
Sie kann die Sünden nicht bekennen,
Die heiß auf ihrer Seele brennen,
Weil niemals ihre schweren Sünden
Sie einem Menschen konnt' verkünden.
Da kam nun einst von ohngefähr
920[regelnummer]
Ein fremder Abt in's Kloster her,
Der jährlich kam, um nachzusehen,
Ob alles pünktlich thät geschehen,
Ob Gründe sich vielleicht zu Strafen
aant.Im Nonnenkloster für ihn trafen.
925[regelnummer]
Am Tag, da er gekommen war,
Da lag die Sünd'rin vor'm Altar,
Inbrünstig sprach sie ihr Gebet,
Erlösung von der Schuld sie fleht.
Der Böse flüstert leis von Schämen,
930[regelnummer]
Daß sie verzagte voller Grämen,
Dem Abt die Sünden zu gestehen.
Als sie so lag im heißen Flehen,
Sah einen Jüngling sich zur Seit'
Sie knien in Engelsherrlichkeit.
935[regelnummer]
Der trug ein Kind, nicht frisch und roth,
Das Kind im Arme, das war todt.
Und einen Apfel auf und nieder,
Warf dieser Jüngling, fing ihn wieder,
Als ob's dem Kinde so gefiel.
940[regelnummer]
Die Nonne sah gar wohl das Spiel,
Derweil sie im Gebete lag,
Sie sagte: ‘Freund, ich bitt' Dich, sag'
Bist Du von Gott herniederkommen
Zu meiner sünd'gen Seele Frommen,
945[regelnummer]
So künd' mir ohne Hehl und frei,
Weß Sinnes dieses Spiel hier sei,
Mit diesem schönen Apfel roth.
Was hilft das Spiel, das Kind ist todt!’
Der Jüngling im Gewande klar,
950[regelnummer]
Der spricht: ‘Ja Nonne, Du sprichst wahr,
Das todte Kind kann Nichts mehr sehen,
Das kann mein Spielen nicht verstehen,
Das hört nicht mehr und siehet nicht:
Und eben so Gott's Angesicht
955[regelnummer]
Sieht Nichts von Deiner Buß' und Reu'.
Und wenn Du alle Morgen neu
Dir wolltest Deinen Leib kasteien,
Wird doch der Ew'ge nicht verzeihen.
Die Sünde hat Dich so bethört,
960[regelnummer]
Daß Gott Dein Beten nicht erhört,
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aant.Vom Himmel sendet keine Gnade.
So rath ich Dir, geh nun die Pfade
Zur Buße zu dem frommen Vater,
Den nimm zum Beicht'ger und Berather.
965[regelnummer]
Sprich offen, ohne Hehl und Lügen,
Du darfst den Ew'gen nicht betrügen, -
So wird er Dir Vergebung senden
Aus jenes heil'gen Mannes Händen.
Doch wolltest Du nicht offen sprechen,
970[regelnummer]
Wird's bald der Ew'ge an Dir rächen!’ -
Und als gesagt er diese Worte,
Verschwand er von demselben Orte.
Sie aber prüft die Rede gut.
Am andern Morgen voller Muth
975[regelnummer]
Ging sie zum Abt, um ihn zu fragen,
Ob sie die Beicht' ihm könne sagen.
Und gerne hat er dies vernommen.
‘Mein Kind, zu Nutzen Dir und Frommen,’
So sagt er, ‘lege mir nun klar
980[regelnummer]
Jetzt alle Deine Sünden dar!’
Da beichtet zu derselben Stunde
Dem Abte sie mit zagem Munde,
Und meldet ihm voll Angst und Beben
Ihr sündenvoll vergang'nes Leben,
985[regelnummer]
All' ihre Schuld vom Anbeginne:
Wie einst ergeben sie der Minne,
Wie die so stark in ihr gewesen,
Daß sie davon nicht konnt' genesen;
Daß sie ihr Klosterkleid voll Bangen
990[regelnummer]
Am heil'gen Altar aufgehangen,
Daß sie alsdann geflüchtet sei,
Und daß sie hab' der Kinder zwei;
Und was mit ihr geschehen war,
Das macht' sie Alles offenbar;
995[regelnummer]
Und ihres Herzens tiefsten Grund
Den thät sie nun dem Abte kund. -
Als sie gebeichtet so vollkommen,
aant.Da hat der Abt das Wort genommen:
‘Mein Kind, ich will Vergebung schenken,
1000[regelnummer]
Weil Deine Sünden so Dich kränken,
Und weil Du Alles hast bereut,
Gelobet und gebenedeit
Sei uns'rer Frauen ew'ger Segen!’
Die Hand thät er auf's Haupt ihr legen,
1005[regelnummer]
Und gab ihr Absolution.
Und sagte: ‘Nun will im Sermon
Ich Deine Beichte offenbaren,
Und werd' dabei so klug verfahren,
Daß Du und Deine armen Kleinen
1010[regelnummer]
Niemals verächtlich werden scheinen;
Und daß kein Spötter sich soll zeigen!
Es wäre unrecht, zu verschweigen
Dies Wunder, das nur kann vermehren
Der Gottesmutter reiche Ehren.
1015[regelnummer]
Verkünden will ich's überall,
Vielleicht daß meiner Stimme Schall
Noch manchen Sünder führt die Pfade
Zu Unsrer lieben Frauen Gnade!’
Und eh' er zog zu seinem Lande,
1020[regelnummer]
Vom Kloster heimathwärts sich wandte,
Da kündet er das Wunder an,
Doch Niemand wußt', an wem's gethan;
Das blieb für immerdar verborgen.
Und als der Abt am andern Morgen
1025[regelnummer]
Vom Kloster schied mit Gruß und Segen,
Da nahm er mit auf seinen Wegen
Die Kinder Beid' in Büßertracht
Und hat sie gut und fromm gemacht.
Beatrijs ihre Mutter hieß,
1030[regelnummer]
Die ewiglich Marien pries,
Die heil'ge Magd, die Gott geboren,
Hat dies Mirakel sich erkoren
Und ihr geholfen aus den Schmerzen. -
Nun bitten wir aus tiefstem Herzen,
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1035[regelnummer]
aant.Wenn dies Mirakel wird gelesen,
Daß uns Maria sei erlesen
Zur Mittlerin in jener Welt,
Wenn Gott sein strenges Richten hält.
Amen!
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