Was hat uns dieser Gast wohl zu erzählen? oder Die Jagd nach dem Nobelpreis
(1997)–Ingrid Wikén Bonde– Auteursrechtelijk beschermdZur Rezeption niederländischer Literatur in Schweden
[pagina 109]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
3. Übersetzungen niederländischer Literatur ins Schwedische 1830-1995. Kommentar zur Bibliographie.3.1. VorbemerkungenNeben informierenden Instituten und Publikationen, wie die oben in der Einleitung behandelten, sind literarische (und andere) Übersetzungen per definitionem ein wesentlicher Bestandteil der interkulturellen Beziehungen zweier Länder. Als historischen Hintergrund für die Rezeptionsgeschichte der im vierten Kapitel zu untersuchenden Autoren habe ich deshalb eine Bibliographie niederländischer Literatur in schwedischer Übersetzung von 1830 bis einschließlich 1995 zusammengestellt. Sie ist auch als Anregung und Ausgangspunkt für weitere Untersuchungen gedacht. In diese Bibliographie niederländischsprachiger Literatur in schwedischer Übersetzung (1830-1995)Ga naar voetnoot160 wurden folgende Gattungen aufgenommen: 1. Alle belletristischen Werke wie Gedichte, Kurzgeschichten und Romane; belletristische KinderGa naar voetnoot161 - und Jugendbücher; Comics. 2. Gewisse kulturgeschichtliche Essayistik und Gesellschaftskritik; religiöse Lehr- und Lesebücher für Kinder. Es wurden ausschließlich Werke aufgenommen, die ursprünglich in niederländischer Sprache verfasst wurden.Ga naar voetnoot162 Die Grenzen zwischen den als Belletristik zu bezeichnenden Werken und anderer Literatur sind nicht immer leicht zu ziehen, und ich habe sie im Falle der Gruppe 2 bewusst überschritten, da eine rein belletristische Wahl meinen Intentionen und Hypothesen nicht entsprach (siehe S.9f.). So wurden hier die kulturgeschichtlichen Essays des Historikers Huizinga auf | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 110]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Grund ihrer literarischen Qualität verzeichnet; die gesellschaftskritischen Werke van Eedens wurden aufgenommen, da die Auswahl der Übersetzungen bezeugt, dass dieser in keiner niederländischen Literaturgeschichte für die Schule fehlende Autor in Schweden in erster Linie auf Grund seiner politischen Idéen eine Rolle spielte. Die gesellschaftskritischen Werke des Kabouter-Autors van Duyn und der Feministin Meulenbelt erhielten ihren Platz in der Bibliographie, da sie einem Zeitklima Ausdruck gegeben haben und teilweise auch literarische Merkmale tragen. So ist De schaamte voorbij von Meulenbelt sowohl als Bekenntnisroman wie als Meilenstein der niederlandischen feministischen Bewegung zu bezeichnen. Da ich von der Hypothese ausgegangen bin, dass das Zeitklima für Auswahl und Rezeption der übersetzten Literatur eine Rolle spielt, wollte ich auf diese wichtigen Indikatoren nicht verzichtenGa naar voetnoot163. Das Tagebuch der Anne Frank - die auch rein fiktionale Erzählungen geschrieben hat - steht im offiziellen schwedischen Bücherverzeichnis nicht unter Belletristik, sondern unter Autobiographie. Der stets lebendige Symbolwert der Autorin und die künstlerische Gestaltung des Werkes waren aber zwingende Gründe für die Aufnahme in diese Bibliographie.Ga naar voetnoot164 Auch die Grenze zwischen Bild- und Wortkunst ist nicht immer eindeutig. Es gibt Werke, in denen das Bild primär und der Text sekundär ist. Das gilt für viele Kinderbücher, aber auch für gewisse Publikationen für Erwachsene (Yrrah, Van Straaten). Von dem Zeichner-Autorenpaar Poortvliet-Huygen wurde der Titel Leven en werken van de Kabouter unter dem Namen des Textverfassers verzeichnet, obwohl dem Publikum wohl eher der Name des Zeichners bekannt ist. Wäre die Bibliographie nicht an einem Institut fur Deutsch und Niederländisch, sondern an einer Kunsthochschule zusammengestellt worden, hätte man den Titel gewiss unter Poortvliet aufgeführt. Das ebenfalls diesem Bereich zugehörige Genre der Comics wurde miteinbezogen, da sein Anwachsen in den letzten Jahrzehnten als wichtiges Merkmal des heutigen, visuellen Zeitklimas bezeichnet werden kann und | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 111]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
weil Flandern und die Niederlande auf diesem Gebiet eine hervorragende Position einnehmen. Religiöse Lehr- und Lesebücher für Kinder wurden ihrer erstaunlichen - und deshalb symptomatischen - Frequenz wegen aufgenommen. In Anbetracht der Äußerungen Wrangels (siehe S. 8) und der frühen Befunde der Bibliographie erschien das Jahr 1830 als geeigneter Ausgangspunkt der zu untersuchenden Zeitspanne. Von ungefähr diesem Zeitpunkt an wurden die ersten niederländischen Romane übersetzt. Im Jahre 1830 wurde Belgien ein selbständiges Königreich. Als Schlusspunkt wählte ich den 31. Dezember 1995. Im Jahre 1994 wurde Hugo Claus zum ersten Mal auf der schwedischen Nationalbühne gespielt und zum Jahreswechsel 1994/1995 trat Schweden der Europäischen Union bei. Das Erscheinen einiger Gedichtsammlungen im Laufe des Jahres 1995 warf zudem ein interessantes Licht auf den Mechanismus des interkulturellen Zusammenspiels. Der Jahreswechsel 1995/1996 erschien also geeignet, um die Bilanz abzuschließen. Die Bibliographie ist in drei Abschnitte gegliedert, nämlich: 3.2. EINZELTITEL, 3.3. TEXTE IN ANTHOLOGIEN, 3.4. TEXTE IN ZEITUNGEN UND ZEITSCHRIFTEN. Im Kommentar zu jedem Abschnitt werden Nationalität und Geschlecht der Autoren benannt und ein Versuch gemacht, die Publikationen nach dem heutigen Wertungsgrad in Gruppen nach der Qualität einzuteilen. Tiefschürfende Diskussionen darüber, was zur Qualitätsliteratur, was zur Unterhaltungsliteratur, was zur Jugendliteratur oder was zur Gesellschaftskritik und zur Belletristik gehört, werden dabei allerdings nicht geführt. | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
3.2. Einzeltitel.3.2.1. Arbeitsweise und Quellen.Bei übersetzten Romanen handelt es sich nur zum Teil um die Schriftsteller des literarischen Kanons, die dem akademischen Wissenschaftler durch sein Studium oder seine Lektürewahl geläufig sind.Ga naar voetnoot165 Ich kannte, | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 112]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
bevor ich meine Untersuchung begann, ausschließlich den Kanon. Meine Kenntnisse der etablierten niederländischen Literaturgeschichte halfen mir somit nur zum Teil, in der schwedischen Nationalbibliographie die Namen der ‘niederländischen Literaturgeschichte schwedischer Leser’ zu erkennen. Die Nationalbibliographie gibt zudem erst seit 1976 an, aus welcher Sprache ein Werk übersetzt wurde, und die Angaben sind nicht immer korrekt.Ga naar voetnoot166 Es war aus diesen beiden Gründen ausgeschlossen, die Suche von ihr aus zu beginnen.Ga naar voetnoot167 Deshalb bin ich zuerst von niederländischen Quellen mit Angaben über übersetzte niederländische Literatur ausgegangen. Diese erwiesen sich zwar nicht alle zu hundert Prozent als zuverlässig, lieferten mir aber sehr viele Namen. Die Quellen waren: - Assche, Hilda van, Conscience in Scandinavië. Een bibliographische verkenning. Diese Arbeit vermittelte mir genaue Daten über Consciences Originalwerke und stimmte gut überein mit dem schwedischen Bücherverzeichnis. - Behrens, Charles, Nederlandsche boeken in het Zweedsch, ein maschinenschriftliches Manuskript aus dem Jahre 1943 in der Königlichen Bibliothek in Stockholm. Diese Liste mit Übersetzungen aus dem Niederländischen ins Schwedische in den Jahren 1838-1943 ist sehr unvollständig und zum Teil fehlerhaft. - Bibliographia Neerlandica II: Übersetzungen niederländischer Literatur 1900-1957. In dieser Quelle fehlt die flämische Literatur, und | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 113]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
sie weist, was die schwedischen Übersetzungen betrifft, Lücken aufGa naar voetnoot168. Man findet in ihr auch einige Titel aus der Zeit vor 1900. - Het Nederlandse boek in vertaling. Bibliografie van vertalingen van Noord- en Zuidnederlandse werken 1958-1967, 1968-1972, 1973-1977, 1978-1982, 1983, 1984, 1985, 1986, 1987, 1988-1992. Diese Bibliographie umfasst sowohl flämische wie niederländische Autoren. - Die Jahrgänge der Zeitschrift Ons Erfdeel, in denen (seit 1964) eine Rubrik: Bibliografie van het Nederlandstalige boek in vertaling steht, die sich seit 1968 mit dem in der oben genannten Publikation genannten Material decken soll.
Die so erhaltenen Angaben überprüfte ich im Laufe einer systematischen Durchsicht der offiziellen schwedischen Bücherverzeichnisse - Svenskt Boklexikon (SBL, verzeichnet Titel der Jahre 1830-1865 ohne Gattungseinteilung) - Svensk Bokkatalog (SBK, 1866-1985). Exzerpiert wurden die Abschnitte mit Belletristik in schwedischer Übersetzung: Poesie, Romane, Kurzgeschichten, Dramatik, Anthologien sowie Kinder- und Jugendbücher. Die Angaben über die Anthologien lassen nicht erkennen, welche Sprachen in ihnen repräsentiert sind. Es hätten zeitraubende Autopsien durchgeführt werden müssen, um festzustellen, in welchen Anthologien Niederländer oder Flamen vorkamen. Ich habe mich damit begnügt, Titel zu suchen, aus denen hervorging, dass Übersetzungen aus dem Niederländischen in ihnen vorkamen. Ab 1921 tragen die exzerpierten Abschnitte die Bezeichnungen Hc, Hce(r,t,v,) und uH. Ab 1941 kommt uC (religiöse Kinderbücher) hinzu und ab 1956 Hci (Comics). Ab 1976 werden die Titel in Gruppen nach Originalsprachen eingetragen. Seit 1956 gibt es in SBK auch eine Statistik der Übersetzungen. Da aber die verzeichneten Bücher nicht immer in demselben Jahr erschienen sind wie die Jahresteile des Verzeichnisses - es gibt manchmal eine Verspätung von ein paar Jahren - kann mit der vorliegenden Statistik nicht ohne Probleme gearbeitet werden. Es kommt auch vor, dass ein niederländisches Buch unter deutsch aufgenommen wird oder | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 114]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
umgekehrt.Ga naar voetnoot169 SBK ist die fünfjährige Ackumulation vom alljährigen Bücherverzeichnis Svensk bokförteckning. Gewisse Ergänzungen zu SBF kommen in SBK vor. - Svensk Bokförteckning (SBF, 1985-1995). - LIBRIS. Diese Datenbank verzeichnet die Bücherbestände der schwedischen wissenschaftlichen Biblioteken einschließlich Kungliga Biblioteket. Libris war zur Zeit meiner Bestandsaufnahme (1995) hinsichtlich der Drucke vor 1987 (noch) nicht vollständig, lieferte mir aber weitere Titel, die ich beim Exzerpieren der schwedischen Nationalbibliographie übersehen hatte und die auch in den niederländischen Quellen fehlen. Die Möglichkeit, via Originalsprache, Übersetzer, Illustratoren und Verlage zu suchen, trug dazu bei, Lücken in meinem Material zu füllen und Irrtümer zu berichtigen. - Der Katalog von Kungliga biblioteket. - Der Katalog der aus dem Niederländischen übersetzten Kinder- und Jugendbücher von Svenska Barnboksinstitutet. Dieser Katalog enthält auch die von mir ausgelassenen nicht-belletristischen Kinderbücher, Bilderbücher ohne Autorennamen und so gut wie textlosen Bücher. Abweichungen von meiner Liste erwiesen sich entweder als deutsche Bücher oder waren nicht mit Sicherheit als Übersetzungen aus dem Niederländischen zu belegen (z.B. Grofsmeden från Antwerpen). - Die Computerbasis BURK von Bibliothekstjänst AB (Btj)Ga naar voetnoot170. Aus ihr versahen mich freundliche Bibliothekare mit Angaben über Blindenschriftausgaben (Braille) und Tonbücher, - Seriekatalogen (1992/1993), ein Verzeichnis der in Schweden herausgegebenen Comic-Zeitungen und Comic-Alben. Trotz allen Nachprüfens ist es durchaus möglich, dass es immer noch literarische Übersetzungen gibt, die mir entgangen sind. Auf gewisse Titel stieß ich durch Zufall. Der niederländische Bibliograph Dick Welsink vermittelte mir zum Beispiel den Titel eines Werkes, das in niederländischen Quellen fehlte, und über das ich beim Durcharbeiten der schwedischen hinweggelesen hatte, da es sich um ein Einzelwerk eines anonymen Autors handelt, dessen Pseudonym nicht auf die Niederlande schließen lässt (Ignotius). | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 115]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Bei unterschiedlichen Angaben über das Druckjahr in Schweden wurde die Angabe von SBF übernommen, wenn sie nicht durch eine zufällige Autopsie widerlegt wurde. Wenn die SBF-Redaktion kein Druckjahr findet, gibt sie das Copyrightjahr an (cop.). Wenn auch dieses im Buch nicht vermerkt ist, ruft man den Verlag an. Die so erhaltene Information wird in eckigen Klammern gedruckt. Unterschiedliche Jahresangaben in verschiedenen Quellen sind also dadurch zu erklären, dass die eine Quelle das Druckjahr, die andere das Jahr des Copyrighterwerbs und wieder eine andere das Erscheinungsjahr angibt. Die niederländischen Bibliographien nennen im allgemeinen den Titel des niederländischen Originals. Für die jedoch nicht unbeträchtliche Anzahl von Werken, die auf andere Weise gefunden worden waren, war die Erschließung des Originaltitels nicht unproblematisch. Oft war der schwedische Titel eine sehr freie Übersetzung des Originaltitels. Wenn das Buch über eine andere Sprache übersetzt worden war, stimmte der Titel manchmal mehr mit dem der direkten Vorlage überein als mit dem ursprünglichen Titel des niederländischen Originals.Ga naar voetnoot171 Auch der Katalog von Kungliga Biblioteket gab nicht immer Aufschluss, da die Originaltitel oft in den Übersetzungen selbst fehlen. In gewissen Fällen konnten die Probleme durch Autopsie gelöst werden: die Lektüre der Bücher ergab, durch ihren Inhalt, den richtigen Titel.Ga naar voetnoot172 Ferner wurden Literaturgeschichten, Literaturlexiken, Nachschlagewerke sowie spezialisierte Bibliographien und Lebensberichte einzelner Autoren zur Hilfe gezogen, zum Beispiel: - De Nederlandse en Vlaamse auteurs van middeleeuwen tot heden met inbegrip van de Friese auteurs, Winkler Prins Lexicon van de Nederlandse Letterkunde, Kritisch Literatuurlexicon, Lexicon van Literaire Werken und Lexicon van de Jeugdliteratuur, - Handelingen van de Maatschappij der Nederlandse Letterkunde te Leiden en Levensberichten harer afgestorven medeleden (siehe Register op de levensberichten), - Marten Toonder bibliografie (siehe Bommelcatalogus), Stroobants, Van Seefhoek tot China, eine unveröffentlichte Seminararbeit über die | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 116]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Vandersteen-Übersetzungen, auf die mich Prof. Dr. R. Gesquiere in Leuven hingewiesen hat, und Willy Vandersteen bibliografie (De Ryk). Die Angaben wurden danach in der niederländischen Nationalbibliographie Brinkman und der belgischen Bibliographie nationale überprüft. Einige Angaben waren nur im NCC (der Nederlandse Centrale Catalogus, mit LIBRIS in Schweden zu vergleichen) zu finden.Ga naar voetnoot173 Zu seiner Eruierung waren Besuche in niederländischen und belgischen Universitätsbibliotheken notwendig, da weder die Bibliothek der Universität Stockholm noch die KB ihn abonnieren. Für das Erscheinungsjahr der niederländischen Originale, die in der Bibliographie stehen, waren die Angaben in den niederländischen und belgischen offiziellen Bibliographien ausschlaggebend.Ga naar voetnoot174 Eine systematische Autopsie aller Ausgaben wurde nicht durchgeführt. Zweifelsfälle würden die Schlussfolgerungen der Untersuchung nicht gefährden.Ga naar voetnoot175 | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
3.2.2. Kommentar.* Zur Auswahl der Titel.Meine Auswahl aus der Gesamtheit der schwedischen Übersetzungen aus dem Niederländischen sieht in Zahlen nach Gattungen wie folgt aus:
Was die Gruppe 1 betrifft, wurde Vollständigkeit erstrebt, aus den Gruppen 2-3 wurde eine Auswahl getroffen (siehe S. 109f.). Nur Erstausgaben wurden hier gezählt. Zu Neuausgaben und Neudrucken, siehe S. 127. Ein Werk, das ein zweites Mal unter geändertem Titel erschienen ist, wurde nur einmal gezählt. | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 117]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
* Zum Anteil der niederländischen Literatur im Vergleich mit Übersetzungen aus anderen Sprachen.Seit 1945 kann dank der Statistik der KB ein zahlenmäßiger Vergleich mit Übersetzungen aus anderen Sprachen gemacht werden, allerdings wurde 1945-1951 von der Redaktion von SBF noch keine Statistik übersetzter Werke abgedruckt. In der französischen Zeitschrift Le droit d'auteur wurden aber Angaben über Übersetzungen ins Schwedische publiziert, die man von der KB in Stockholm erhalten hatte. Die Übersetzungen wurden damals noch nicht in die Gattungen Fachliteratur, Belletrie für Erwachsene und Kinder- und Jugendliteratur unterteilt. Aus dem erwähnten Material werden hier - in Prozent umgerechnet - die Übersetzungen aus einigen anderen Sprachen präsentiert. Unter dem Strich stehen sämtliche Übersetzungen (also nicht Prozent) des betreffenden Jahres. Dezimale werden nur angegeben, wenn es sich um Zahlen unter einem Prozent handelt. Sonst wird auf- oder abgerundet. Die Angaben stimmen nicht mit meinen Zahlen überein. Das erklärt sich teils aus meiner Auswahl, teils dadurch, dass SBF auch neue Auflagen und neue Ausgaben mitzählt, und drittens daraus, dass die Bücher manchmal mit einer Verspätung von ein bis zwei Jahren in SBF aufgenommen werden.
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 118]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Für die Periode 1945-51 ergibt sich da die Reihenfolge Englisch (60%), Dänisch (9%), Französisch (7%), Deutsch (6%), Niederländisch (1%), Italienisch (0,7%), Spanisch (0,4%), Griechisch (0,3%). Für das Jahr 1952 fehlen Angaben. In den Jahren 1953-1955 wird in Kungliga bibliotekets årsberättelse eine Übersetzungsstatistik veröffentlicht, wobei Fachliteratur, Belletristik für Erwachsene und Kinder- und Jugendbücher gesondert aufgenommen werden. Seit 1956 wird diese jährliche Statistik in SBK publiziert. Ich verzeichne hier in Perioden die Anteile der Belletristik für Erwachsene bzw. für Kinder- und Jugendbücher pro Sprache in Prozent, in der Reihenfolge von den größten bis zu den kleinsten:
1953-1959 (aus Kungliga bibliotekets årsberättelse und, seit 1956, aus SBF) in % sämtlicher E und KuJ. Im ganzen wurden diesen Quellen nach in dieser Periode 3189 belletristische Bücher für Erwachsene (E, 65%) und 1741 Kinder- und Jugendbücher (KuJ, 35%) übersetzt, zusammen 4930 Titel (100%).
Aus den hier untersuchten neun Sprachen wurden also 90% aller Übersetzungen unternommen. Der Anteil der KuJ ist etwas niedriger (32%) als im Gesamtmaterial. Englisch hat seinen Anteil mit 7% erhöht, Dänisch ist abgesunken und Deutsch hat Französisch überholt. Niederländisch ist im Vergleich zu Spanisch und Italienisch etwas abgesunken und verdankt seinen Platz hauptsächlich der Kinder- und Jugendliteratur.
1960-1969 (aus SBF). In der Periode 1960-1969 wurden insgesamt 9 561 belletristischen Bücher übersetzt, 6 897 für Erwachsene (72%), 2 664 Kinder- und Jugendbücher (28%). Der Anteil der KuJ hat in dieser Periode generell etwas abgenommen. | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 119]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Die Tabelle zeigt, dass der Anteil des Englischen weiter zunimmt, dass Französisch Deutsch wiederum überholt hat, dass von den übrigen Sprachen Dänisch an der Spitze bleibt und Niederländisch sich dank der KuJ auf nahezu derselben Stufe wie Spanisch und Italienisch behauptet, aus denen sehr wenig KuJ übersetzt wird. Aus diesen drei Sprachen wird also nur je 1% aller Übersetzungen ins Schwedische gemacht.
Da die Statistik der Jahre 1977-1979 in SBF durch die Einführung von neuen Katalogisierungsregeln und einer neuen Technik etwas unsicher ist, gebe ich hier statt einer zehnjährigen Übersicht die Zahlen der Jahre 1970-1975 an. In der zehnjährigen Ackumulation SBK der Jahre 1976-85 sind die Zahlen dagegen wieder zuverlässig. Deshalb folgt danach wieder eine Zehnjahresübersicht.
1970-1975 (aus SBF). In dieser Fünfjahresperiode wurden insgesamt 4 120 belletristischen Bücher für Erwachsene und 1 695 Bücher für Kinder und Jugendliche übersetzt, also total 5 815 Werke. Die Tabelle auf der nächsten Seite zeigt, dass der prozentuelle Anteil der Sprachen Spanisch, Italienisch und Niederländisch im Vergleich zur Periode 1960-69 etwas abgenommen hat. Niederländisch behauptet sich Spanisch und Italienisch gegenüber durch die KuJ. | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 120]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
1976-1985 (aus SBK). Die Statistik für die Periode 1976-1985 wurde in der Zwischenzeit von der Redaktion neu überprüft und erschien in der zehnjährigen Ackumulation von SBK. In dieser Zeitspanne wurden insgesamt 16 197 belletristische Werke übersetzt: 11 342 (70%) für Erwachsene und 4 855 (30%) Kinder- und Jugendbücher.
Es zeigt sich auch hier wiederum, dass das Niederländische innerhalb der weniger übersetzten Sprachen durch die verhältnismäßig vielübersetzte Kinder- und Jugendliteratur seinen einprozentigen Anteil beibehält.
1986-1994 (aus SBF) In dieser Zeitspanne wurden insgesamt 17 320 belletristischen Werke übersetzt: 11 288 (65%) für Erwachsene und 6 032 (35%) Kinder- und Jugendbücher. Im allgemeinen hat seit 1986 der Anteil der Belletristik für Erwachsene ab- und die KuJ zugenommen. | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 121]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Der Anteil der niederländischen Literatur hat prozentuell abgenommen und liegt jetzt auf einem halben Prozent, während Italienisch, Spanisch und Portugiesisch zugenommen haben:
Der Anteil der untersuchten Sprachen an den Übersetzungen aus sämtlichen Sprachen ist seit 1945 von 82,5% auf 92% gestiegen. Englisch breitet sich weiter aus - von 54% auf 75%. Der Anteil der niederländischen Literatur schwankt zwischen einem halben und einem Prozent, und sie behauptet sich im Kreise der Sprachen mit niedrigem Übersetzungsanteil - Italienisch, Griechisch, Portugiesisch - weiterhin nur durch die KuJ. Was die Belletristik für Erwachsene betrifft, ist die niederländische von der spanischen und italienischen überholt worden, und liegt ungefähr auf dem gleichen Niveau wie die portugiesische. | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
* Zu den Lesergruppen.Das Material meiner Bibliographie kann nach Zielgruppen in drei Gattungen eingeteilt werden, nämlich
Wenn man annimmt, dass die Comics hauptsächlich von Kindern und Jugendlichen gelesen werden, überwiegt die Kategorie KuJ (56%). | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 122]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
* Zu Nationalität und Geschlecht der Autoren und ihrer Verteilung auf die Lesergruppen.Die folgenden Tabellen zeigen, wie viele Niederländer, Niederländerinnen, Flamen und Fläminnen im Material vorhanden sind und wie viele Werke innerhalb von jeder dieser Gruppen übersetzt wurden. Wer sowohl Erwachsenenliteratur wie Kinder-und Jugendliteratur publiziert hat, wird in diesen Übersichten zweimal gezählt.
Am meisten übersetzt wurden niederländische Männer und ihre Werke - etwas mehr als die Hälfte des Gesamtmaterials (Autoren und Werke). Etwa ein Drittel der Autoren sind niederländische Frauen. Sie schrieben ein Viertel der übersetzten Werke. Es wurden also von den niederländischen Männern durchschnittlich etwas mehr Werke übersetzt (3 pro Mann) als von den Frauen (2,5 pro Frau). Die Werke der Flamen - eines Zehntels der Autoren - machen ein Fünftel sämtlicher Titel aus. Es werden von den flämischen Autoren also verhältnismäßig viele Titel übersetzt (6,7 pro Autor). Die Anzahl der flämischen Frauen (2% sämtlicher Autoren) ist bisher kaum der Erwähnung wert.
Von den Büchern für Erwachsene wurden 62% von niederländischen Männern geschrieben und 25% von niederländischen Frauen. 12% der Bücher waren von Flamen geschrieben. Nur eine einzige Flämin (1%) wurde übersetzt. Von ihr erschienen 2 Werke. | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 123]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Etwas weniger als die Hälfte aller übersetzten Kinder- und Jugendbuchautoren sind niederländische Männer. Sie schrieben aber etwas mehr als die Hälfte der übersetzten Titel. Die Anzahl der übersetzten niederländischen Frauen ist gleich groß wie die der Männer; von ihnen wurden aber verhältnismäßig etwas weniger Titel übersetzt. Nur ein sehr geringer Teil (4%) der Kinder- und Jugendbücher wurden von Flamen geschrieben. Nur drei Flamen und drei Fläminnen wurden übersetzt.
Drei Viertel der Autoren von Comics sind Niederländer, ein Viertel Flamen. Die Flamen schrieben aber trotzdem zwei Drittel der übersetzten Comics. Von Frauen wurden überhaupt keine Comics übersetzt. | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
* Zur chronologischen Verteilung der Übersetzungen.In einer Zeittafel wird im Folgenden veranschaulicht, wie sich die Titel über die untersuchten Jahre verteilen und wie sie sich hinsichtlich der Autoren- und Lesergruppen verhalten (Erstausgaben). In der Periode 1830-1900 liegt die Durchschnittszahl der Übersetzungen weit unter einem Titel (nämlich 0,3) pro Jahr. In diesen siebzig Jahren wurden insgesamt 24 Titel übersetzt. Zwischen 1900 und 1930 steigt die Zahl der Übersetzungen (37) auf durchschnittlich 1,2 Titel pro Jahr an; in den dreißiger und vierziger Jahren (92) liegt der Durchschnitt bei 4,6, in den fünfziger und sechziger Jahren (137) bei 6,8, steigt dann in den siebziger Jahren auf 16 Titel pro Jahr an, eine Zahl, die größtenteils durch die flämischen Comics zu erklären ist, um dann in den achtziger Jahren | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 124]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
wieder zurückzufallen auf etwa 10 Titel pro Jahr. Die bisherigen Zahlen für die Periode 1990 bis 1995 lassen für die gesamten zehn Jahre ebenfalls auf etwa 10 Titel pro Jahr schließen:
Die meisten Titel niederländischer Autorinnen wurden in den dreißiger und vierziger Jahren übersetzt. Die fünfziger Jahre bringen einen im folgenden Jahrzehnt dann noch anwachsenden Strom von Kinder- und Jugendliteratur, während in den sechziger und siebziger Jahren die Comics einen übergroßen Anteil der übersetzten Titel ausmachen, aber dann in den achtziger Jahren plötzlich wieder absinken. Es sieht ganz danach aus, alsob die Flamen ab 1970 ihren Rückstand immer mehr aufholen. Auch die flämischen Frauen lassen jetzt zum ersten Mal ‘von sich lesen’. Der Anteil der niederländischen Frauen an der Kinder- und Jugendliteratur ist seit 1950 verhältnismäßig groß. Das gilt ab 1970 auch für die flämischen Autorinnen. | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
* Zur Anzahl der übersetzten Titel pro Autor.In der folgenden Übersicht wird gezeigt, wie viele Titel von jedem Autor übersetzt wurden. | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 125]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Autorinnen und Werke von Autorinnen wurden unterstrichen, Flamen kursiviert. a. 10 oder mehr Titel (11 Autoren):
b. 9 Titel (1 Autor): Duif. c. 8 Titel (3 Autoren): Bruna, Kresse, Rutgers-van der Loeff. d. 7 Titel (4 Autoren): Claus, Corsari, Cramer, Kuijpers. e. 6 Titel (4 Autoren): Van Eeden, 't Hart, Schmidt, Székely-Lulofs. f. 5 Titel (8 Autoren): Van Ammers-Küller, Gijsen, De Hartog, Van der Hulst, Van Lennep, Meulenbelt, Timmermans, Van de Wetering. g. 4 Titel (13 Autoren): Boon, Boudier-Bakker, Conscience, Ter Haar, Huizinga, De Liefde, Lodewijk, Paul Nowee, Roodt, Dieter Schubert, Törngvist, Vanhalewijn. h. 3 Titel (14 Autoren): Aalberse, Berger, Bernlef, Couperus, Frank, Hermans, Huygen (en Poortvliet), Krabbé, Kuijer, Laan, Nooteboom, Postma, Roep en Wijn, Vestdijk. i. 2 Titel (34 Autoren, 17%): Van Aardenburg, Asscher-Pinkhof, Bakker, Bertin, Den Doolaard, Dros, Van Eysselsteijn, Groen, Haasse, Hagen, Hildebrand, Van Hoogstraten-Schoch, A.M. de Jong, Oek de Jong, Kruis, De Lange-Praamsma, Van Leeuwen, Lindo, Memel Saris, Minco, De Moor, Nys, Van Paemel, Polet, Pothast-Gimberg, Provoost, Reesink, Ruislinck, Ingrid Schubert, Van Straaten, Terlouw, Visser, Voorhoeve, Yrrah. j. 1 Titel (106 Autoren, 54%): Aardweg, Van Aken, Van Arkel-Zegwaard, Van Balen, Basenau-Goemans, Van Berken, Bertin, Biegel, Van Bilsen, De Boer, De Boone-Swartwolt, Bosboom-Toussaint, Briel, Ten Brink, Broos, Brouwers, Bruijn, Capteyn, Chanowski, Clercg-Zubli, Coolen, Daisne, Dematons, Dendermonde, Dermoût, Diekmann, Van Dis, Dubelaer, Dubois, Dulieu, Van Duyn, Evenhuis, Franck, Geeraerts, Van Genderen Stort, Goekoop-de Jong van Beek en Donk, Van Gogh-Kaulbach, De Graaf, Haverschmidt, Van der Heijden, Helman, Van Herck, Den Hertog, Heijermans, Heymans, Van Hichtum, Hillesum, Leonard Huizinga, Van Hunnik, Huygens, Ignotius, David de Jong, Trude de Jong, Keuls, Kievit, Koning-Coeterier, Kramer, Lampo, Last, Van der Leeuw, Legêne, Lennart, Van Lieshout, De Man, Matena, Mens, Moeyaert, Van der Molen, Mons, Margriet de Moor, Möring, Mulisch, Multatuli, Nesna, De Neve, Oberski, Oltmans, Palmen, Pelgrom, Penning, Philips, Presser, Van Rhijn, Roc, Scheepens, Van Schendel, Schimmel, Selleger-Elout, Servaes, Smirnoff, Snieders, Tante Lize, Ulfers, Vandeloo, Van Velde, Vos, Vosmaer, Anke de Vries, Leonard de Vries, Theun de Vries, Wallis, Walschap, Willems, De Zanger.
Die Hälfte aller Autoren (106) bekam von den Verlagen zwar einmal eine Chance, hatte aber anscheinend keinen Erfolg. Die Entscheidungsmechanismen eines Verlages für die Pflege eines Autors habe ich anhand | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 126]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
von Hella Haasse untersucht.Ga naar voetnoot178 Es zeigte sich, dass ein Verlag gerne gute Verkaufsziffern sieht, oder aber, wenn das Werk das große Publikum nicht anspricht, wenigstens durch gute Rezensionen bekannter Kritiker der großen Zeitungen getröstet werden will. Da dies bei den zwei, zeitlich weit auseinanderliegenden Versuchen, Haasse in Schweden zu introduzieren, nicht der Fall war, wurde beide Male beschlossen, von Haasse kein zweites Buch herauszugeben. Es kann auch andere Ursachen geben wie z.B. personale Situation oder ökonomische Verhältnisse im Verlag. Harry Mulisch verdankte das Erscheinen von De aanslag seinem persönlichen Kontakt mit dem Herausgeber (Per Gedin). Nachdem dieser den Verlag verlassen hatte, wurde von Mulisch nichts mehr herausgegebenGa naar voetnoot179. Es könnte sein, dass ein ökonomischer Erfolg im Falle der niederländischen Autoren wichtiger ist als z.B. bei deutschen, da es in Schweden für niederländische Literatur kein ‘öffentliches, kulturelles Gewissen’ gibt, wie das bei den Literaturen der großen Schulsprachen der Fall ist. Nur wenige schwedische Kritiker lesen niederländische Literatur in der Originalsprache. Aber es gibt Anzeichen dafür, dass schwedische Kritiker, wenn ihnen ein Name plötzlich geläufig ist, die Werke eines niederländischen Autoren auf deutsch oder englisch lesen, bevor sie ins Schwedische übersetzt werden.Ga naar voetnoot180 Für eine Anzahl von Autoren steht noch nicht fest, welcher Gruppe sie schließlich zuzurechnen sind. Die Gruppe j umfasst u.a. Namen von Autoren, die erst neulich auf schwedisch debütierten. Die Übersetzungen von Moeyaert, Möring, De Moor, Palmen, Franck und Willems sind jüngsten Datums, und die Herausgabe von z.B. de Moor wird fortgesetzt.Ga naar voetnoot181 In den Gruppen mit zwei, drei und vier Titeln sind es namentlich die Autoren Dros, Hagen, Krabbé, Van Leeuwen, Memel Saris, Van Paemel, Schubert, Berger, Bernlef, Nooteboom, Postma und Törnqvist), für die heute noch eine Zukunft in schwedischer Übersetzung möglich sein könnte. | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 127]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Die Übersetzungszeit für sämtliche Namen der Gruppe f (5 Titel) ist wohl zu Ende, aber Claus und 't Hart in der Gruppe mit 6 und 7 Titeln sind als Übersetzungsobjekte noch durchaus denkbar. Die übersetzungsproduktive Zeit sämtlicher in den weiteren Gruppen (a-c) figurierenden Autoren ist dagegen nach aller Wahrscheinlichkeit heute abgeschlossen, es sei denn, es würden Neudrucke und neue Ausgaben aktualisiert. Von den kanonisierten Autoren (siehe Qualität, S. 129) hat Wolkers es mit 10 Titeln am weitesten gebracht. Neben ihm steht der Kriminalromanautor Ivans mit ebenfalls 10 Titeln. Von den besseren Unterhaltungsautoren liegt Fabricius mit 12 Titeln an der Spitze; er wird aber von der Frauen- und Heimatromanautorin Van Nijnatten-Doffegnies (13 Titel) übertroffen. Der in Literaturgeschichten und literarischen Lexika verpönte Unterhaltungsautor Hans Martin schlägt alle mit 16 Titeln zusammen mit dem immerhin respektierten Indianerbuchautor Jan Nowee, von dem ebenfalls 16 Titel erschienen. Kinderbuchautoren wie Duif (9) und Bruna (8) kommen auf hohe Titelzahlen, vielleicht weil in ihren Büchlein immer die gleiche Figur auftritt. Alle die Teilchen machen zusammen eigentlich ein einziges Buch aus. Die Qualitätsautorin Rutgers van der Loeff-Basenau ist mit 8 Jugendbüchern erfolgreich zu nennen. Dass von Anne de Vries so viele Titel übersetzt wurden, liegt an seinen religiösen Erzählungen für Kinder (11 von seinen 14 Titeln). Auch Bibeln berättad för barn (13) und Regnbågsböckerna (18) liegen weit vorne. Sie werden aber alle von den Comics Toonders (22) und Vandersteens (75) übertroffen. Es sieht aber im Augenblick so aus, alsob die Zeit der niederländischen und flämischen Comics zu Ende ist (siehe die Zeittafel auf S. 124). | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
* Zu neuen Auflagen und Ausgaben (siehe Anhang I).Außer an der Zahl der übersetzten Titel kann der Erfolg eines Autors an Neuausgaben und neuen Auflagen abgelesen. werden. Ich mache in meiner Übersicht (im Anhang) keinen Unterschied zwischen neuen Auflagen, neuen Ausgaben (beim selben oder bei einem anderen Verlag) und Bearbeitungen (Kürzungen, vereinfachter Text für behinderte Lesergruppen u.d.). Oft, aber nicht immer, sind es die Autoren, von denen die meisten Titel übersetzt wurden, die auch in neuen Auflagen und Ausgaben | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 128]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
erscheinen. Das gilt für die religiösen Lesebücher für Kinder (Anne de Vries), für gute Unterhaltungsschriftsteller wie Székely-Lulofs, De Hartog, Boudier-Bakker und Fabricius oder für Trivialliteratur, so die Werke Martins (Industriellen-Familienroman) und Van Nijnatten-Doffegnies (Frauen-Heimat-Familien-Roman). Bei der Kinder- und Jugendliteratur konstatieren wir, dass vereinzelte Titel Erfolg hatten: De scheepsjongens van Bontekoe (Fabricius), Boris (Ter Haar), De dolle avonturen van Waaghalsje (Koning-Coeterier), Leven en werken van de kabouter (Huygen und Poortvliet). Rutgers van der Loeff-Basenau (Jugendbücher) und Nowee hatten dagegen als Autoren Erfolg. Von der erstgenannten wurden zwei Titel neu gedruckt, von Nowee fünf. Aus den vier Ausgaben von Multatuli spricht ein intellektuelles Engagement. Sonst stehen Wolkers, 't Hart und Krabbé an der Spitze mit je drei (Druck-) Auflagen von bzw. Turks fruit, De kroongetuige und Het gouden ei. An der absoluten Spitze stehen Kleutervertelboek voor de Bijbelse geschiedenis (De Vries, 20) und Het achterhuis (Frank, 17). Dann kommen Rubber (Székely-Lulofs, 7), Hollands glorie (De Hartog, 6), Leven en werken van de kabouter (Huygen und Poortvliet, 6) und Getijden (Martin, 6). Dann folgen die Autorin Van Nijnatten-Doffegnies, von der drei Titel in fünf Ausgaben erschienen (Henne, Moeder Geerte, Het stenen bakbeest), und der Erbauungsautor De Liefde. | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
* Zu Braille- und Tonbüchern (ebenfalls in Anhang I).Tonbücher für Blinde und Braillebücher werden im Anhang als solche gekennzeichnet. Da meine Informationsquelle BURK war (siehe S. 114), stammt die erste Angabe aus dem Jahre 1959; da aber die Blindenschriftbibliothek in Schweden schon seit 1892Ga naar voetnoot182 besteht, ist es gut möglich, dass man im Archiv der TPB mehrere niederländische Werke antreffen würde. Am Anfang bestand die Braillebibliothek meist aus Erbauungsliteratur. Seit 1955 gibt es Bandaufnahmen von Büchern. In den siebziger Jahren kamen die Kassetten, und im Augenblick wird auf CD aufgenommen. Die Werke können entweder direkt beim TPB (gilt nur | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 129]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
noch für Braille) oder aber bei den öffentlichen Bibliotheken (Brailleund Tonbücher) entliehen werden. Die Auswahlkriterien sind ungefähr die gleichen wie für die Volksbibliotheken mit dem Unterschied, dass man, was Qualität betrifft, etwas liberaler ist. Die Bücher sollen Kultur, Bildung und Unterhaltung vermitteln. Dem Unterhaltungsaspekt wird also hinsichtlich dieser Gruppen etwas mehr Raum gelassen. Die Diskussion dauert hier aber an. Gewalttätige, pornografische und rassistische Literatur wird jedoch nicht herausgegeben.Ga naar voetnoot183 Die Suche in BURK ergab 12 belletristische Titel in Braille, wovon nur 3 für Erwachsene (einschließlich Het achterhuis) und 9 für Kinder und Jugendliche bestimmt waren. Die beiden übrigen Erwachsenenbücher waren Nooit meer slapen (Hermans) und Mitt lilla krig (Boon). Unter den KuJ war die Kinderbibel Kleutervertelboek voor de Bijbelse geschiedenis (de Vries). Die Suche nach Tonbüchern ergab etwa 150 belletristische Titel, von denen ein Fünftel aus KuJ bestand. Die Qualitätsliteratur ist gut vertreten (Van Aken, Bernlef, Boon, Claus, Gijsen, Geeraerts, Haasse, 't Hart, Hermans, Hillesum, Oek de Jong, Van der Leeuw, Multatuli, Mulisch, Möring, Nooteboom, Oberski, Van Paemel, Ruyslinck, Vestdijk, Wolkers). Aus der Schicht der gehobenen Unterhaltungsliteratur sind Boudier-Bakker und Jan de Hartog reichlich vertreten und aus der Schicht der Trivialliteratur Hans Martin und Nijnatten-Doffegnies. 78 Werke erlebten nur dank der Braille- und Tonausgaben mehr als eine einzige Ausgabe. | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
* Zur Qualität (Anhang IV).Es wurden bisher manchmal die Ausdrücke ‘kanonisierte’ Autoren, ‘gehobene Unterhaltungsliteratur’ verwendet, ohne dass von diesen Begriffen eine Definition gegeben worden ist. Im folgenden wird ein Versuch gewagt, eine Einteilung der übersetzten Autoren nach Wertung vorzunehmen. Für die Spitzenschriftsteller der verschiedenen Kanons - Literaturkritiker-, Schul- und Universitätskanon, Feministinnenkanon, zeitgeschichtlicher und historischer Kanon, Comic-Kanon, Kinder- und Jugendbuchkanon - ist es verhältnismäßig einfach und einigermaßen unkontroversiell, eine Gruppe zusammenzustellen. Niemand wird | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 130]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
bestreiten, dass Meulenbelt am Ende der siebziger Jahre die Hauptgestalt des niederländischen Feminismus war, dass Toonder und Bob de Moor zwei Klassiker der Comic-Gattung sind, dass Annie M.G. Schmidt die Königin der niederländischen Kinderliteratur ist, dass Rie Cramer, Ninke van Hichtum und An Rutgers van der Loeff-Basenau ebenfalls Klassiker der Kinder- und Jugendliteratur sind oder dass Johan Huizinga auf dem Gebiet der historischen und zeitgeschichtlichen Darstellung eine internationale Kulturgestalt ist. Möglicherweise kann man sich darüber streiten, ob es nach dem zweiten Weltkrieg in den Niederlanden ‘die großen Drei’ (Hermans, Reve, Mulisch) oder ‘die großen Vier’ (Hermans, Reve, Mulisch, Wolkers) gegeben hat und ob in Flandern nebst Walschap, Boon und Claus immer noch Gijsen zu der Spitze zu zählen ist, aber die Schwierigkeiten treten erst richtig auf, wenn man zwischen einer zweiten und dritten, einer dritten und vierten Gruppe entscheiden soll. Für die älteren Zeiten könnte man meinen, dass sich nun herauskristallisiert haben müsste, wer Klassiker ist und wer nicht. Die Wertung ist aber keineswegs statisch. Das vorige Jahrhundert hätte die Scott- und Hugo-Nachahmer der Niederlande und FlandernsGa naar voetnoot184 - van Lennep und Conscience - ohne weiteres zur ersten Gruppe gezählt, heute ist das nicht mehr selbstverständlich. Nur Multatuli, Couperus und Van Schendel thronen unwidersprochen im Parnass. Gewisse Autoren schrieben Werke, die eine Zeitlang hoch angeschrieben waren, und verschwanden später aus dem literarischen Blickwinkel (siehe Van Lennep, S. 132 und 158), von andern wurden nicht die heute kanonisierten Werke übersetzt (siehe Couperus, S. 165), und wieder andere wurden nach langer Unterschätzung aufgewertet (siehe Székely-Lulofs, S. 171). Meulenbelt kommt in Literaturgeschichten kaum und in literarischen Nachschlagewerken gar nicht vor, obwohl sie aus dem niederländischen Feministinnenkanon nicht wegzudenken ist. Ich gehe bei meiner Einteilung von niederländischen Literaturgeschichten und Nachschlagewerken der letzten dreißig Jahre ausGa naar voetnoot185, von der Kanon-Diskussion der Nederlandse TaalunieGa naar voetnoot186 und von | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 131]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
einer Liste niederländischer Autoren, die von einem Mitarbeiter am Letterkundig Museum in den Haag zusammengestellt wurde.Ga naar voetnoot187 Außerdem besprach ich im Frühling 1995 die Qualitätseinteilung mit einem niederländischen LiteraturwissenschaftlerGa naar voetnoot188. Kinderbuchautoren und Comics habe ich nicht bewertet, obwohl es auch in diesen Gattungen eine Kanonbildung gibt. Die Sache ist aber komplizierter als beim belletristischen Kanon für Erwachsene. Beim Kinderbuch spielen außer ästhetischen Gesichtspunkten auch erzieherische Faktoren eine Rolle. Außerdem wird die Wertung von Erwachsenen gemacht, obwohl die Leserschaft aus Kindern und Jugendlichen besteht. Über die Wertung in Sachen Kinderbuch gibt Anne de Vries Rechenschaft in Wat heten goede Kinderboeken, seiner historisch angelegten Dissertation aus dem Jahre 1989. Wichtig wurde die Frage eines Kinder-Kanons in den sechziger Jahren, als in den Niederlanden die Kinderliteratur in die Ausbildung der Kindergärtnerinnen eingeführt wurde.Ga naar voetnoot189 De Vries gibt ein gutes Beispiel für das Problem: Das von Erwachsenen mit dem Gouden Griffel gekrönte Kleine Sofie en lange Wapper von Pelgrom kam im Urteil einer Kinderjury auf den letzten Platz [261]. Ein weiteres Beispiel wäre Annie M.G. Schmidt, die bei ihrem zweiten Debut in Schweden das Interesse der Pädagogen nicht mehr aufrütteln konnte. Trotzdem kenne ich in Schweden Kinder, die Minoes (1989 übersetzt) sehr hoch einschätzen (Siehe zu Schmidt S. 283ff.). Reine Trivialliteratur fehlt unter den Übersetzungen niederländischer Kinderliteratur. Es hatte kaum einen Zweck, die KuJ in die Qualitätsübersicht miteinzubeziehen. Der Kanon der Comics hat außer einer literarischen Dimension auch eine bildbezogene. Sie wurden ebenfalls aus der Wertungsübersicht ausgelassen. Die Übersicht betrifft demnach die Belletristik für Erwachsene, mit Ausnahme der Feministin Meulenbelt (5 Titel), des Provos Roel van Duyn | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 132]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
(1), des Historikers Johan Huizinga (4), des christlichen Erbauungsautors de Liefde (4), des Fliegers Smirnoff (1), des Kriegsschilderers Nesna und der Zeichner van Straaten (2) und Yrrah (2). Ich habe die Autoren in vier Gruppen eingeteilt. In A wurden Autoren aufgenommen, denen in einer Literaturgeschichte für die Schule wie Calis [1983] sehr viel Platz gewidmet wurde, man könnte sagen, die ‘Erzengel’ des in den Niederlanden von der Schule anerkannten Kanons (Prosa). Außerdem figurieren sie auf der Liste Dick Welsinks. Zum größten Teil stimmte seine Liste mit der meinen überein, nur hat er sie um einige Namen erweitert, was aus seiner Sicht begreiflich ist. Nach meinem Gespräch mit dem niederländischen Literaturwissenschaftler Olf Praamstra habe ich Conscience, Gijsen, Heijermans, Van Lennep und Timmermans, die ich wegen ihrer späteren Abwertung in der Gruppe B untergebracht hatte, in die Gruppe A überführt. Van Lennep wurde nach seinem Erfolg als großer Autor á la mode erst abgewertet und neuerdings wieder aufgewertetGa naar voetnoot190. Viele Kritiker sind heute geneigt, den Nobelpreiskandidaten der siebziger Jahre, Gijsen, in die Gruppe B einzuordnen statt in A.Ga naar voetnoot191 Diese Schriftsteller bemühen sich immer ernsthaft um die Form ihrer Texte, und sie behandeln häufig die großen, weltanschaulichen, zeitgeschichtlichen oder allgemein menschlichen Fragen. Im niederländischen Kulturraum sind sich sehr viele darin einig, dass diese Autoren der Elite angehören.
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 133]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Im Vergleich mit dem gesamten Material findet sich hier ein prozentuell beträchtlicher Anteil von Flamen. 13% der Autoren, die für Erwachsene schrieben, waren Flamen; der Anteil der Flamen in der Gruppe A beträgt 38%. Nur 13% der Werke für Erwachsene waren flämisch, aber 54% der Übersetzungen hochkanonisierter Werke stammen aus Flandern (mehr als die Hälfte!). Ich meine, dass die Suche nach niederländischsprachigen Nobelpreiskandidaten die Ursache dieser Tatsache ist. Wir werden im Folgenden (Kapitel 4.) sehen, dass Flamen sehr oft als mögliche Nobelpreiskandidaten hervorgehoben werden mit dem Kommentar, es wäre nun endlich mal Zeit, dass jemand aus diesem vergessenen Sprachgebiet den Preis bekomme. In dem kleinen Gesamtmaterial spielen diese 48 Titel ausgezeichneter Autoren eine verhältnismäßig große Rolle. Sie machen 18%, das heißt etwa ein Fünftel der 265 Übersetzungen für Erwachsene, aus. Nur einen einzigen weiblichen ‘Erzengel’ gibt es (Bosboom-Toussaint) Da die Übersicht die KuJ nicht mit einbezieht, fällt nämlich der große Name Schmidt aus.Ga naar voetnoot192 In der Gruppe B nahm ich Autoren auf, die in Calis ziemlich ausführlich behandelt werden, und die ebenfalls auf Welsinks Liste figurieren. Die heute aufgewertete Székely-Lulofs erscheint ebenfalls in Gruppe B. Der Kritiker Ter Braak hätte sie wahrscheinlich in C untergebracht. Viele dieser Autoren wären bei einer Dreiteilung des Materials in der ersten Gruppe wiederzufinden, so ganz sicher Minco und Nooteboom. Man kann ihre Bücher ‘gute Literatur’ nennen:
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 134]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Der Anteil der Flamen an der Qualitätsliteratur ist auch in dieser Gruppe verhältnismäßig groß (22%), verglichen mit den Gesamtzahlen (13%). Es wurden aber aus dieser Autorengruppe nicht sehr viele Titel übersetzt (nur 14%). Hier finden wir die einzige Flämin aus dem ganzen Material der Erwachsenenliteratur. In der Gruppe C finden sich Autoren, deren Werke der respektierten Unterhaltungsliteratur zugerechnet werden und deren Namen in literarischen Nachschlagewerken, aber nicht immer in Literaturgeschichten vorkommen. Mit Ausnahme von Fabricius und De Hartog stehen sie nicht auf Welsinks Liste, werden in Calis nur sehr spärlich und in LCO überhaupt nicht genannt.
So gut wie alle Werke dieser gehobenen Unterhaltungsliteratur wurden von Niederländern geschrieben, und zwar zu über zwei Dritteln von Männern.
Eine vierte Gruppe D umfasst Autoren, die man - mehr oder weniger - als trivial bezeichnen könnte. Sie kommen nicht, oder nur spärlich, in Literaturgeschichten und literarischen Nachschlagewerken vor.
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 135]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Es wurde überhaupt keine Trivialliteratur aus Flandern übersetzt. Verglichen mit dem Gesamtmaterial sind die Frauen in dieser Gruppe stärker repräsentiert, aber die Anzahl der Werke von Männern ist doch verhältnismäßig größer. Die Erklärung heißt Hans Martin, zusammen mit dem Indianerromanautor Jan Nowee der quantitativ erfolgreichste aller Autoren, abgesehen von den Comicproduzenten Toonder und Vandersteen.
Eine chronologische Verteilung der Qualitätsgruppen zeigt die Zeittafel im Anhang IV, wo wir sehen, dass die Spitzenliteratur A in jedem Jahrzehnt mit 1-9 Werken vertreten ist, wobei sich die Perioden 1900-1910 (mit 1,6 Werken der Gruppe A pro Jahr) und 1960-1995 (mit 1,5 Werken der Gruppe A pro Jahr) in Qualitätshinsicht auszeichnen. Die gehobene Unterhaltungsliteratur C setzt um 1860 ein, erlebt zwischen 1880 und 1890 einen ersten Höhepunkt (5 Autoren), beherrscht zwischen 1930 und 1950 die Szene (20 Autoren, 40 Werke), um dann Anfang 1960 ziemlich plötzlich fast ganz zu verschwinden. In den fünfziger Jahren läuft ein Strom von guter Literatur B mit der gehobenen Unterhaltungsliteratur parallel und geht dann bis heute weiter, nachdem C verschwunden ist. Die weniger angesehene Trivialliteratur D ist seit etwa 1900 repräsentiert. Ihre Hauptperiode liegt zwischen 1940 und 1970. Das Verschwinden der Gruppe C könnte einerseits an einer Neigung der Nachschlagewerke, Literaturgeschichten und Literaturspezialisten liegen, die zeitgenössische Literatur zu überwerten, andererseits kann es aber auch so sein, dass tatsächlich aus einem kleinen Sprachgebiet nur die besseren Schriftsteller zum Übersetzen ausgewählt werden, dass Verlage heute in kleinen Sprachgebieten eher Nobelpreiskandidaten jagen als Geld verdienen möchten. Ein Verleger (Forum) erklärte mir in den siebziger Jahren, er verdiene nichts an niederländischen Autoren, sie seien aber für ihn ‘die Feder auf dem Hut’, also etwas worauf man stolz sein könne. Die | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 136]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
reine Unterhaltung holt sich das Publikum anscheinend aus dem angloamerikanischen Raum und/oder vom Fernsehen. | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
* Zu den Verlagen (Anhang II).105 Verlage haben 604 Titel herausgegeben. Nach Skandinavisk Press, dem Verlag, der Vandersteen (herausgab, steht Norstedt mit 46 Titeln an der Spitze. Hier erschienen die erfolgreichen Damen Van Ammers-Küller (C), Boudier-Bakker (B) und Székely-Lulofs (B) und der erfolgreiche Herr Fabricius (C). Bei Norstedts erschienen aber auch die drei Werke von Hermans (A) und ein Werk von Vestdijk (A). Mit den letzten beiden suchte Norstedt vermutlich einen Nobelpreisträger. Die Förderung der van Ammers-Küller könnte an den guten Kontakten des Norstedt-Verlages mit Deutschland liegen.Ga naar voetnoot193 Auf Norstedt folgt, mit 34 Titeln, Wahlström & Widstrand. Hier erschienen der D-Autor Hans Martin, aber auch die Feministin Meulenbelt. Ferner wurden Werke von Van Eeden (A), Timmermans (A) und Mulisch (A) herausgegeben. 30 Titel wurden vom Comic-Verlag Carlsen/if veröffentlicht. Natur och Kultur teilt mit Carlsen die vierte Stelle mit 30 Titeln. Hier erschien die D-Autorin Van Nijnatten-Doffegnies. Zwischen 1942 und 1969 gab man auch Kinderliteratur heraus. Die jüdische Autorin Minco mit ihren beiden Schilderungen des niederländischen Judentums im 2. Weltkrieg fand hier ihren schwedischen Verlag. Forum (27 Titel) suchte in früheren Jahren gute Unterhaltung, seit den 70er Jahren aber Qualität. Nach dem Erfolg mit De Hartog in den vierziger und fünfziger Jahren haschte man mit Boon nach dem Nobelpreis, mischte sich mit Vandeloo in die Kernkraftdiskussion, erlebte wiederum einen Erfolg mit Wolkers und gibt nun die einzige flämische Frau (Van Paemel) heraus. Der Kinderbuchverlag Rabén & Sjögren gab 28 Titel, u.a. Rutgers van der Loeff-Basenau und Schmidt, heraus. Bonnier gab 23 Titel heraus, u.a. 5 Kinder- und Jugendklassiker. Aus de C-Gruppe erschienen hier Van Ammers-Küller, De Hartog und Philips, aus der B-Gruppe Nooteboom und Presser und aus der A-Gruppe Claus, | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 137]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Conscience, Heijermans, Van Lennep, und Van Schendel. Geber (ebenfalls 23 Titel) versucht sich an einer Mischung von Hohem und Niedrigerem indem man um die Jahrhundertwende Couperus (A), in den 20er Jahren die Krimis von Ivans (D) und in den 60er Jahren Daisne (B) und Polet (B) herausgibt. Bei B. Wahlström, der Nowee herausgab, erschienen 21, beim Kinderbuchverlag Bergh 17 Titel - Hier ist ein Teil der Titel von Rutgers van der Loeff-Basenau zu Hause. Durch Duif kam der Verlag Lindqvist auf 15 Titel. Im Verlag der Arbeiterbewegung, Tiden, erschienen lauter gute Autoren wie der Proletariatsschilderer Van Aken (B), der Balkanspezialist Den Doolaard (B), Hella Haasse (B), Oberski (B) und Vestdijk (A). Bei den christlichen Verlagen (Diakonistyrelsen, Fosterlandsstiftelsen, IPC, H. Ohlsson und Svenska Missionsförbundet) erschienen nicht nur die Büchlein für die Kinderlehre, sondern auch andere christliche Kinderliteratur wie die Bücher von Van de Hulst, Legêne, Van Hoogstraten-Schoch und dem Erbauungsautor De Liefde. Es gibt Verlage, die nur einen einzigen Titel herausgegeben haben, und manche Autoren erscheinen nicht immer im gleichen Verlag. Conscience kam bei Bagge, Bonnier, Hierta und Rylander, Couperus bei Geber, Gernandt und Nordiska förlaget heraus. | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
* Zu den Übersetzern (Anhang III)Insgesamt gesehen haben 179 Übersetzer 604 Titel übersetzt. Einige Titel wurden über andere Sprachen übersetzt, Deutsch, Französisch, Englisch, Dänisch und Norwegisch. Früher war das auch bei Qualitätsliteratur der Fall (z.B. Timmermans aus dem Deutschen oder Norwegischen, Multatuli aus dem Dänischen), heute kommt es noch bei Kinderliteratur und bei Comics vor. Die religiösen Lehrbücher und die Indianerbücher Nowees wurden häufig aus dem Deutschen übersetzt, die Comics von Vandersteen, Kresse und Bob de Moor alle aus dem Französischen, Huygen und Poortvliet aus dem Englischen wie auch die Kriminalromane von Van de Wetering, der ja auch selber vieles direkt auf Englisch schrieb. Es wird leider nicht immer angegeben, ob etwas direkt aus dem Niederländischen oder aus einer anderen Sprache übersetzt wurde. Manchmal steht, dass etwas aus dem ‘Holländischen’ übersetzt sei, aber der Text trägt deutliche | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 138]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Merkmale, dass ein Umweg über z.B. die deutsche Sprache gemacht wurde (siehe z.B. Claes [1993] über Timmermans). Sehr viele Übersetzer übersetzten nur wenige Titel. Vielleicht engagierte man sich für eine Sache wie Faludi für Spanien oder Norlind für die soziale Zukunftsutopie Van Eedens oder eine meiner Studentinnen für die Sexualpsychologie Anja Meulenbelts. Zu diesen Engagierten gehören wohl auch die Priester Gustaf Janzon, Sven Frostenson und Jakob Boëthius, die De Liefde und Anne de Vries übersetzten. Die meisten Titel wurden aber von acht Personen übersetzt, nämlich (bis 1995) Ingrid Emond (sämtliche 75 Vandersteen und noch zehn weitere Comics, alle aus dem Französischen), Saima Fulton (47 Titel, 8 mit anderen zusammen), Sonja Berg Pleijel (27 Titel, einen mit einer anderen Übersetzerin), Ingrid Rääf (26 Titel, 2 mit anderen zusammen), Ingrid Wikén Bonde (12 eigene und 16 mit Studenten [SUN]), Per Holmer (18 Titel), Hans Reutercrona (12 Titel) und Brita Dahlman (11 Titel). | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
3.3. Texte in Anthologien.3.3.1. Arbeitsweise und Quellen.Für die Erschließung der Texte in Anthologien wurden die gleichen Quellen verwendet wie für die Einzeltitel (S. 111-114). Nur Material, das in Schweden herausgegeben war, wurde beachtet.Ga naar voetnoot194 Wenn die Texte einer Anthologie aus verschiedenen Ländern stammen, wird in der Nationalbibliographie die Herkunft der einzelnen Beiträge meistens nicht angegeben. Wenn sämtliche Texte aus dem niederländischen Sprachgebiet stammen, ist dies oft, aber nicht immer, aus dem Titel herauszulesen, man vergleiche beispielsweise die Titel Moderna holländska berättare und Landvinning. Es könnte also in schwedischen Anthologien mehr Texte von niederländischen Schriftstellern geben, als im folgenden angegeben wird. Auf eine Autopsie sämtlicher erschienenen Anthologien mit dem Ziel, sämtliche niederländische Beiträge zu finden, musste im Rahmen dieser Arbeit jedoch verzichtet werden. Anthologien, die in der Nationalbibliographie unter dem Namen des (einzigen) Autors aufgenommen sind, waren | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 139]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
natürlich ebenso leicht zu finden wie die Einzeltitel. Man hüte sich aber davor anzunehmen, dass eine Anthologie, deren schwedischer Titel eine Übersetzung der Titels einer niederländischen Anthologie ist, auch die gleichen Texte enthält. In der Gedichtsammlung Spåren stehen nicht alle Gedichte der niederländischen Ausgabe Sporen und die Kurzgeschichtensammlung Mammut på en söndag enthält nur vier der Erzählungen aus der niederländischen Anthologie Mammoet op zondag, die übrigen Erzählungen stammen aus anderen Sammlungen. Anthologien, die den gleichen Inhalt haben wie ein gleichnamiges niederländisches Original, stehen in der Bibliographie der Einzeltitel, z.B. Hermans Paranoia. | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
3.3.2. Kommentar.Man kann sich darüber streiten ob Consciences Erzählung Baas Gansendonck und Virulys FliegererinnerungenGa naar voetnoot195 nicht ebensogut in der Bibliographie der Einzeltitel hätten stehen können. Alle übrigen Beiträge tragen nämlich mehr oder weniger einen exemplarischen Warenmustercharakter. Jemand, der Herausgeber oder diejenigen, die die Anthologie zusammengestellt haben, möchten den Autor oder 'die niederländische Literatur' gleichsam 'vorstellen'. In Einleitungen und Nachworten tritt diese Absicht deutlich hervor (vergl. S. 88). Die Zeittafel auf S. 140 mag illustrieren, wie sich die Anthologien über die Jahre verteilen. Acht der sechzehn Anthologien enthalten Gedichte, neun Prosa. Von einer Anthologie erschien ein zweiter, erweiterter Druck. Die vier neuesten Gedichtsammlungen erschienen alle im Verlag Ellerström in Lund (zwei Dichter und zwei Dichterinnen). Dem traditionellen Rückstand der Frauen in der Auswahl wird zur Zeit also von diesem jungen Qualitätsverlag entgegengewirkt. Von den Dichterinnen Enquist und Herzberg erschienen 1995 bei Ellerströms Verlag je eine Anthologie. Was die Anthologien im einzelnen in chronologischer Reihenfolge betrifft, so war Conscience zur Zeit seiner Aufnahme in Ny Samling af skönlitteratur in Schweden bereits etabliert. Sein erster Roman war schon 1850 auf schwedisch erschienen. | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 140]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Randels Vondel-Übersetzungen (1938) erschienen ein Jahr nach dem Protest von Martha Muusses im Vondeljahr 1937 in einem Artikel in Dagens Nyheter (17.11.1937) gegen das schwedische, negative Vondelbild (vergl. S. 5f.).Ga naar voetnoot196 In der Anthologie wurden, außer von Vondel, Gedichte von Pontanus, Lorenzo di Medici, Poliziano, Marot, de Chénier und Valéry aufgenommen, also eine Mischung von Renaissance-Poeten und persönlichen Präferenzen Randels.
Muusses' Anthologie vermittelt zum ersten Mal einem schwedischen Publikum einen Überblick über die (nord)niederländische Poesie. Ihre Auswahl trägt einen eindringlichen Präsentationscharakter, der nicht nur die Autoren, die alle in Kommentaren dargestellt werden, sondern auch | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 141]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
das Land betrifft: So heißt der erste Abschnitt der Sammlung Det låga landet vid Havet. Aus der Generation der Tachtiger, mit Perk, Kloos, Verwey und Gorter, bis zum zweiten Weltkrieg stammen 24 Namen, die klassisch geworden sind. 5 von ihnen sind Frauen. Sie wählte von den Klassikern wohl diejenigen aus, die ihr selber am liebsten waren: Von den 43 Beiträgen der ersten Ausgabe sind 9 von Henriette Roland Holst, von den 50 Gedichten der zweiten 10 (zu dieser persönlichen Roland-Holst-Verehrung siehe den Abschnitt über Hollands litteraturhistoria, S. 57). Dass die flämische Lyrik für die niederländischen Intellektuellen überhaupt nicht existierte, wird in dieser Anthologie besonders deutlich. Ohne Landvinning in ihrer Einleitung mit einem einzigen Wort zu erwähnen, machten Lybeck und De Zanger 1968 genau dort weiter, wo Muusses aufgehört hatte. Sie wählten aus der fünfziger und sechziger Dichtergeneration 26 bekannte Namen. Zwei Flamen (Claus und Snoek) waren dabei, ein winziger Fortschritt für diese Gruppe. Die einzige Frau in der Sammlung war Ellen Warmond. Das lag wohl nicht unbedingt an einem Sexismus der Herausgeber, sondern vielmehr an der Tatsache dass sowohl die frühe Avantgardebewegung in Flandern und den Niederlanden wie auch die der Vijftiger und Zestiger fast ausschließlich von Männern getragen wurden.Ga naar voetnoot197 Ein Jahr später ist die Nachkriegsprosa an der Reihe, aber es werden wieder nur Niederländer (Vestdijk, Hermans, Reve, Mulisch, Wolkers, Hamelink) vorgestellt und wieder nur Männer. Auf Wolkers wird außerdem durch eine eigene Anthologie der Nachdruck gelegt, wobei man Delblancs Einleitungen entnehmen kann, dass Delblanc von Wolkers Vaterproblematik betroffen war. Delblanc kämpfte bekanntlich mit einem schweren Vatertrauma. In Wolkers Erzählungen erkennt er Rembrandts Schilderungen von Abrahams Opfer und des verlorenen Sohnes. Vereinfacht könnte man sagen, dass Delblancs Schrecken vor dem Vater zum Durchbruch des Autors Wolkers in Schweden führt (vgl. S. 93). Raes (in Zodiakens tjugu hus) und Meinkema (in Liv och kärlek) erscheinen in thematischen Sammlungen (science fiction, Frauen) und | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 142]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
verschwinden in der internationalen Gesellschaft, in der sie auftreten. Es ging dem Bonnierverlag mit Liv och kärlek nicht um die Förderung einzelner Autoren, sondern um die Zusammenarbeit mit anderen Verlagen, für die ein gemeinsames Thema gesucht wurde. Nach dem Frauenjahr 1975 war das Frauenthema aktuell. Die Anthologie erschien gleichzeitig in acht Sprachen. Die vier neuesten Gedichtsammlungen erschienen alle bei Verlag Ellerström in Lund, in einer Serie mit dem Titel Lågland. Aus dem Titel der Reihe spricht die Absicht, mit der Introduktion niederländischer Lyrik weitermachen zu wollen. Der Dichter/Übersetzer Söderberg, die Dichterin Runefelt und der Übersetzer/Autor Holmer bilden zusammen mit diesem Verleger ein Team, von dem voraussichtlich noch einiges zu erwarten ist, vorausgesetzt dass Söderberg für den Verlust der 1996 verstorbenen Übersetzerin/Kinderbuchautorin Sonja Berg Pleijel einen Ersatz findet (siehe S. 76f., 138 und 191f.)). Von den insgesamt 67 Autoren, die in den Anthologien vertreten sind, sind nur 4 Flamen (Claus, Conscience, Raes und Snoek) und 9 Frauen (Eggink, Enquist, Gerhardt, Herzberg, Meinkema, Roland Holst-van der Schalk, Vasalis, Van der Waals und Warmond). Die Flamen Claus und Snoek stehen merkwürdigerweise in der Sammlung Med andra ögon, der den Untertitel Nutida holländsk dikt i svensk tolkning [meine Unterstreichung] trägt. Keine einzige Flämin wurde in die Anthologien aufgenommen. Von den Autorinnen stehen 5 Dichterinnen in Muusses Landvinning. Ihr ist es also zu verdanken, dass die Unterrepräsentation der Frauen im Material nicht noch größer ist. Man vergleiche dazu den Kommentar zu Muusses Literaturgeschichte (S. 56). In Med andra ögon, der schwedischen Gedichtanthologie der experimentellen Vijftiger-Generation (1968), steht nur eine einzige Dichterin (Warmond). In Moderna holländska berättare (1969), der Prosaanthologie der Nachkriegsliteratur, wurde überhaupt keine Autorin aufgenommen. Mit Ausnahme des pornografischen Comicalbums Kärleksgungen gehören die Beiträge qualitätsmäßig alle zum literarischen Kanon (die Gruppen A und B, siehe S. 129 ff., Zur Qualität).
Die Rolle der Übersetzer und Introdukteure ist, namentlich für die Lyrikanthologien, ausschlaggebend gewesen. Ohne den Übersetzergeist und die Begabung der Martha Muusses wäre von der niederländischen | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 143]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Poesie von Anfang bis Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts kaum etwas auf schwedisch zu lesen gewesen.Ga naar voetnoot198 Viel Aufmerksamkeit wurde der Sammlung zwar im Augenblick des Erscheinens nicht zuteil. Dagegen hat die zweifelhafte Übersetzung der Sammlung Med andra ögon (1968) eher dazu beigetragen, ein negatives Bild der niederländischen Nachkriegspoesie zu schaffen.Ga naar voetnoot199 In den achtziger und neunziger Jahren hingegen setzen sich die beiden anerkannten Dichter Lasse Söderberg und Eva Runefelt, assistiert von den Autoren Sonja Pleijel und Per Holmer, die beide gut niederländisch können, mit der Hilfe kleiner, qualitätsbewusster Verlage wie Ellerström und Bakhåll energisch für die niederländische Poesie ein. Der Nachkriegsautor Wolkers (B) erschien zum ersten Mal in einer Anthologie. Erst nachdem die Verlage in der gebotenen Kleinform die Bekanntschaft des Autors gemacht hatten, gingen sie dazu über, Romane von Wolkers übersetzen zu lassen. Vestdijk (A) und Hermans (A) waren dagegen schon bekannt und übersetzt. Bei Mulisch (A), Reve (A) und Hamelink (B) gelang die Introduktion nicht. Dass der anerkannte schwedische Autor Delblanc durch seine Einleitungen der Prosaanthologien die gerade genannten Autoren propagierte, hat bei den Kritikern wohl das Interesse für die niederländische Qualitätsliteratur eingeläutet. Die Anthologien der sechziger Jahre waren als Introduktion in die niederländische Literatur für ein anspruchsvolles Literaturpublikum gemeint. Vielleicht würde dadurch der niederländischen Literatur endlich ein Nobelpreis zuteil werden. Etwa so lautete in Gesprächen, die ich mit ihr hatte, die Auffassung der Groninger Scandinavistin Amy van Markens, die am Kulturaustausch durch ihre vielen Kontakte aktiven Anteil nahm. Die Stichting voor Vertalingen (siehe die Fußnoten 138, 142 und 143) spielte eine wichtige Rolle. Ohne ihre finanzielle Unterstützung hätten sich die Verlage wohl nicht getraut, das ökonomische Risiko zu wagen. Später war es eine Zeit lang schwierig, Anthologien heraus zu geben. Die Sammlung Kurzgeschichten von Maarten 't Hart erschien erst, | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 144]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
nachdem dieser Autor in Schweden schon etabliert war. Sie war ein Teil der zielbewussten Introduktion dieses Autors in Schweden von Seiten des Verlagsdirektors Kjell Peterson. Es war 1986, nach seiner Aussage, nicht ganz selbstverständlich, eine Kurzgeschichtensammlung herauszugeben. Er sah es als ein Risiko an in einer Zeit, in der Kurzgeschichten nicht mehr gelesen wurden. Da 't Hart sich aber inzwischen ein Publikum erworben habe, wollte er es trotzdem wagen, als er hörte, dass 't Harts Kurzgeschichten, nach der Ansicht verschiedener Personen, zu seinen besten Werken gehörten.Ga naar voetnoot200 Von den Dichtern steht die Portalfigur der experimentellen Vijftiger, Lucebert, in den Anthologien mit 47 Gedichten quantitativ an der Spitze. Dann folgen Claus (34 Gedichte), Enquist (29 Gedichte), Herzberg (29 Gedichte), Nooteboom (27 Gedichte), Vondel (15 Gedichte) und Roland Holst-van der Schalk (10 Gedichte). Von den übrigen wurden 1 bis 5 Gedichte publiziert. Unter den Autoren, von denen Prosa publiziert wurde, stehen Viruly und 't Hart an der Spitze (je 14 Kurzgeschichten), gefolgt von Wolkers (10 Kurzgeschichten). Von den übrigen wurde nur je ein Text publiziert. Eine Untersuchung über Dagens dikt (das Gedicht des Tages) in Arkivet för ljud och bild zeigte, dass die publizierten Gedichtanthologien dazu geführt haben, dass das Radiopublikum auch hin und wieder ein niederländisches Gedicht in schwedischer Fassung zu hören bekommt. Anscheinend gibt es bei Kulturredakteuren einen guten Willen, Geschmackproben aus kleineren Sprachgebieten zu senden. | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
3.4. Texte in Zeitungen Und Zeitschriften.3.4.1. Arbeitsweise und Quellen.Es wurden ausschließlich Beiträge aufgenommen, die in schwedischen Zeitungen und Zeitschriften erschienen sind.Ga naar voetnoot201 | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 145]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Für niederländische Beiträge in Zeitungen und Zeitschriften wurden die folgenden Quellen durchgesehen: - Bibliographia neerlandica - Svenskt Pressregister. In dieser Publikation ist Zeitungsmaterial aus den Jahren 1880-1900 vorhanden. Für kürzere Perioden vor und nach dieser Zeitspanne kann beim Institut für Literaturwissenschaft, Abteilung Presseforschung, der Universität Lund zwar Computermaterial erfragt werden, aber ich habe mich mit den gedruckten Quellen begnügt. Dieses Register verzeichnet auch belletristische Beiträge. - Svenskt Tidningsindex (1953-1960) und Svenska Tidningsartiklar (1961-95). - Svenskt Tidskriftsindex (1952-1960) und Svenska Tidskriftsartiklar (1961-95). Seit 1953 werden darin auch die belletristischen Beiträge in den exzerpierten Zeitschriften verzeichnet. - Durchgesehen wurden ferner sämtliche Jahrgänge der beiden klassischen Kulturzeitschriften Ord och Bild (1892-1995) und Bonniers Litterära Magasin (1932-1995), der als weiteres Forum der Debatte gemeinten Kulturzeitschrift Fönstret (1930-1936), Spektrum (1931-33), Karavan (1934-35), Horisont (1941-44), 40-tal (1944-47) und Prisma (1948-50), der Zeitschrift für Bücherfreunde aller Schattierungen Bokvännen (1946-95), der Zeitschriften der Arbeiterbildungsbewegung Studiekamraten (1919-1995) und ABF (1922-1930, 1933-1950) sowie der Nachfolgerin der letztgenannten, Fönstret (1954-1995) und der Zeitschrift der schwedischen Akademie Artes (1975-95) sowie der Jahrbücher der Literaturgesellschaft Samfundet de nio, Vår Tid (1916-30). - Als zusätzliche Kontrolle für die buch- und zeitschriftenbasierte Suche wurden in der Datenbank artikelsök das Teilgebiet bas btj (enthält u.a. belletristische Beiträge) untersucht. Diese Computerbasis enthält in diesem Augenblick Artikel und Beiträge ab 1979. Weitere Beiträge wurden durch Zufall gefunden, so z.B. in einem Lebensbericht Norlinds der Hinweis auf seine Übersetzungen von Kloos, Couperus und Van Eeden in Skånes Nyheter 1906. Es ist anzunehmen, dass es in der Periode zwischen 1900 und 1953 in verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften noch weitere Beiträge niederländischer Herkunft gegeben hat. Auf die Exzerpierung einer Reihe von Zeitungen ist in dieser Untersuchung allerdings aus leicht | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 146]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
ersichtlichen Gründen verzichtet worden. Dagegen wurden immerhin die wichtigsten Kulturzeitschriften beachtet. Ich glaube nicht, dass viele neue Befunde zu Tage treten können oder dass solche das erhaltene Bild durchgreifend verändern würden. | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
3.4.2. Kommentar.Mit der oben beschriebenen Methode wurden von 79 niederländischsprachigen Autoren Beiträge in schwedischen Zeitschriften und Zeitungen gefunden (siehe Anhang V). Unter ihnen waren 15 Flamen (19%, Boon, Bremt, Buysse, Claus, De Coninck, Geeraerts, Insingel, De Jong, Lasoen, Van Ostaijen, Raes, Schiffers, Snoek, T'Hooft und Van Vliet) und 13 Frauen (16,5%), aber nur eine einzige Flämin (Bosboom-Toussaint, Louise B.B., De Negri, Frank, Herzberg, Roland Holst-van der Schalk, De Savornin-Lohman, Van Sloten, Székely-Lulofs, Wallis, Warmond, Van Woude und die Flämin Lasoen). Von 45 Autoren finden sich Gedichte, von 29 Prosa und von 4 Autoren sowohl Gedichte wie Prosa (der 79ste ist der Comic-Autor Toonder). Am häufigsten publiziert wurden - nach Marten Toonder - Paul von Ostaijen (12 Gedichte), Gerrit Achterberg (10 Gedichte), Bernlef (9 Gedichte), Lucebert (8 Gedichte), Polet (7 Gedichte) und Claus (6 Gedichte). Von Boon wurden 6 Prosastücke aufgenommen. Von Couperus erschienen 5 Beiträge, von Van Eeden 4. Sie gehören alle zur Spitzenschicht der literarischen Hierarchie. Von den Prosabeiträgen waren 13 Fortsetzungsromane oder fortgesetzte Erzählungen in Zeitungen; diese stammten alle, außer zwei Romanen, aus der Periode 1880-1905. Die Ausnahmen waren Székely Lulofs Kolonialroman Rubber, der 1952-1953 in der Wochenzeitung FIB erschien, und Krabbés Thriller Het gouden ei, der 1993/1994 als ‘Weihnachtsthriller’ (Julrysare) in der Wochenzeitung Veckorevyn abgedruckt wurde. Die Übersetzer waren oft anonym. Später verschwindet diese Gattung aus den Zeitungen; aus meinem Material (1880-1900, 1953-) geht nicht hervor, wann dies geschah. Nach 1953 kommt der Fortsetzungsroman in meinem Material fast überhaupt nicht mehr vor. | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 147]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Wochenzeitungen werden von den Quellen nicht exzerpiert.Ga naar voetnoot202 Es ist gut möglich, dass dort noch Texte zu finden wären. Dass unter den Zeitungsbeiträgen hinsichtlich der Qualität eine etwas größere Spannweite zu konstatieren ist als in den Anthologien und Zeitschriften, kann diesen Romanen zugeschrieben werden. Sie waren als Unterhaltung gemeint. Autoren wie J. van 't Lindenhout, Louise B.B., Marie de Negri und Johanna Van Woude, stehen nicht in den zitierten niederländischen literarischen Nachschlagewerken, was auf niedrige Wertung schließen läßt. Der Roman Noodlot des heute hochkanonisierten Autors Couperus war zwar zur Zeit seiner Publikation in den Niederlanden ein Lesererfolg, wird aber heute - und wurde damals schon von literaturkritischer Seite - nicht sehr hoch bewertet. So konstatiert bereits Arnold Norlind, dass von Couperus die populären Werke übersetzt wurden, nicht aber die literarisch interessanten (Skånes Nyheter 1.5.1906). Neben nicht kanonisierten Namen finden sich außer dem soeben genannten Couperus aber auch weitere, ebenfalls hoch angesehene Autoren wie Bosboom-Toussaint mit ihrem Emanzipationsroman Majoor Frans, der Naturalist und bewunderte Vorgänger der Tachtiger Marcellus Emants, der romantische Humorist Nikolaas Beets (Ps. Hildebrand) mit der bekannten Geschichte Een oude kennis aus der Camera obscura, und der flämische Naturalist Cyriel Buysse. Székely-Lulofs Kolonialroman Rubber erscheint Anfang der fünfziger Jahre im sozialistischen Wochenblatt Folket i Bild. Dort wird 1960 auch eine Erzählung von Anne Frank publiziert. Vielleicht waren die politischmoralischen Beweggründe der Zeitung bei dem Entschluss, diese Texte zu wählen, stärker als die literarischen. Rubber hat außerdem grossen Unterhaltungswert, da er den Lesern die unbekannte Welt Sumatras eröffnet. Das Tagebuch der begabten Anne Frank hatte 1953 in Schweden beim Verlag Hökerberg seinen Siegeszug begonnen. Die erste Erzählung von Anne Frank erschien 1958 in der Zeitschrift Idun, deren Redakteurin Eva Hökerberg war, die Ehefrau des Verlegers. Derselbe Verlag gab 1960 Franks Verhalen rondom het Achterhuis heraus. Nach 1953 ist das Zeitungsmaterial weit spärlicher als 1880-1900. Man findet einzelne Gedichte und Kurzgeschichten. Es wäre eine interessante | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 148]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Aufgabe zu untersuchen, ob in Damen- Familien- und sonstigen Wochenblättern niederländische Fortsetzungsromane zu finden sind und von welcher Qualität sie sein mögen. Krabbé (B) sieht sich selber z.B. als formbewusster Autor, der Blindband von Vertraging wurde jedoch von seinem schwedischen Verlag (Trevi) ursprünglich mit der Charakterisierung thriller gekennzeichnet. Diese Information wurde vor der Publikation auf Bitte des Autors gestrichen.Ga naar voetnoot203 Der Filmerfolg von Het gouden ei war wohl der Grund, weshalb sich Veckorevyn entschloss149, den Roman zu publizieren. Die Exzerpierung der allgemeinen Kulturzeitschrift Ord och Bild ergab erst 1917 ein paar magere Beiträge, bezeichnenderweise zwei Gedichte Hoofts aus dem 'Goldenen Zeitalter' des 17. Jahrhunderts (Gouden Eeuw). Das Prosastück des Tachtigers Van Eeden aus 1921 ist sozialutopischer, nicht literarischer Art. Im Jahre 1936 erscheint wieder ein [!] Beitrag aus dem Gouden eeuw, ein Gedicht Vondels für den Schwedenkönig Gustav II Adolf. Die erste große literarische Blütezeit in den Niederlanden nach dem 17. Jahrhundert, die der Tachtiger, hat in Ord och Bild also keine einzige Spur hinterlassen ebensowenig wie das flämische Aufleben der Literatur um die Jahrhundertwende. Arnold Norling publizierte dagegen 1906 in der Regionalzeitung Skånes Nyheter ein paar Gedichte von Couperus und der Tachtiger Van Eeden und Kloos. Man mag annehmen, dass die Künstler- und Schriftstellergemeinschaft Lunds und Südschwedens, in der die Brüder Ernst und Arnold Norlind eine Rolle spielten, diese Übersetzungen nicht übersehen hat. Dass von dieser ganzen Generation kurz nach der Zeit seiner Blüte überhaupt etwas auf schwedisch publiziert wurde, war also dem Interesse eines Einzelnen zu verdanken, der aus Zufall mit den Niederlanden in Kontakt gekommen war. Erst viel später füllt Muusses die Lücke (siehe S. 88). Auch in Fönstret (1930-1936), der radikalen Kulturzeitschrift der jungen schwedischen Avantgarde, fehlt jeglicher niederländischer Übersetzungsbeitrag. Der erste moderne niederländische Beitrag in Ord och Bild erschien 1937. Martha A. Muusses publizierte - sieben Jahre nach ihrer Ankunft | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 149]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
in Schweden - Gedichtübersetzungen ihrer Lieblingsautorin, der Sozialistin Henriette Roland Holst-van der Schalk. Da Muusses außer in Stockholm und Uppsala auch an den Universitäten in Göteborg und Lund unterrichtete, gelang es ihr, einige Übersetzungen im Studentenblatt der Göteborger Universität zu publizieren. In Göteborgske spionen erschienen 1945 drei Gedichte der Vorkriegsgeneration (Aafjes, Donker, Hussem).Ga naar voetnoot204 In den sechziger Jahren versuchten Sonja Berg Pleijel und Marguérite Törnqvist, der niederländischen modernen, kanonisierten Literatur in verschiedenen Medien einen Weg zu bereiten (vgl. Abschnitt 2.4.). Pleijel übersetzte Mulisch, Raes und den Dichter Achterberg (in BLM und Studiekamraten), Törnqvist übersetzte Vestdijk und Wolkers (in BLM und Svenska Dagbladet). Im Studentenorgan Lundagård (Universität Lund) und in der radikalen, literaturtheoretisch angelegten Zeitschrift Komma erschienen verspätet Gedichte des frühen flämischen Modernisten Van Ostaijen (übersetzt von Ronney Henningsson). Die Groninger Skandinavistin Amy van Marken übersetzte 1964 zusammen mit dem Dichter Anderz Harning in Ord och Bild ein Gedicht des experimentellen Dichters und Prosaisten Sybren Polet. 1968 erschien, übersetzt von De Zanger & Lybeck, in LyrikvännenGa naar voetnoot205 ein Essay von Polet, in dem dieser seine Auffassung von Prosa formulierte. Eine Präsentation der Provo-Bewegung bekam das schwedische Publikum 1967 in Ord och Bild durch Inneth Ehrnrooth, der den linksradikalen Autor Harry Mulisch über Het lieverdje berichten ließ, die berühmte kleine Statue vor dem Universitätsgebäude in Amsterdam, die zum Treffpunkt der Provos wurde. In derselben Nummer übersetzte Ehrnrooth das Gedicht I am a rolling stone des marihuanarauchenden flower power-Poeten, Avantgardisten und Vijftigers Simon Vinkenoog. In GT erschien in der Übersetzung von Olga Bergmann, erstaunlich verspätet, eine Erzählung des Naturalisten Herman Heijermans.Ga naar voetnoot206 | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 150]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Die siebziger Jahre brachten Kurzgeschichten von Louis Paul Boon in BLM (Törnqvist, Nordenfelt) und in der ersten Nummer der Zeitschrift der schwedischen Akademie Artes (Pleijel), gestützt von Einführungen in die niederländische moderne Literatur und von Präsentationen der Autoren (siehe S. 84). Der Wortmagiker Achterberg (Studiekamraten, Pleijel), der flämische 'angry young man' Geeraerts (Jakobsstegen, Wikén Bonde), wieder Van Ostaijen (Lyrikvännen, Harding), der Vijftiger Belcampo (Horisont, Boerman) und Hermans als Dichter (Svenska Dagbladet, Folcker) bestätigten in den siebziger Jahren das Bild der niederländischen als einer neuerdings aufrührerischen und experimentellen Literatur. Die achtziger Jahre wurden eingeläutet mit je einem Prosastück des inzwischen verstorbenen Boon (FIB, Holmer), des Flamen T'Hooft (Dagens Nyheter, Holmer), des in Schweden bereits erfolgreichen Wolkers (Dagens Nyheter, Wessner) und einer Neuübersetzung von Multatulis Lied des Saïdjah aus Max Havelaar. In Zusammenarbeit mit Pleijel widmete der Dichter und Übersetzer Lasse Söderberg 1985 eine ganze Nummer seiner Zeitschrift Tärningskastet der experimentellen Generation der Vijftigers. Er hatte bereits 1966 in Sydsvenska Dagbladet Snällposten ein Gedicht des Cobra-Dichters Corneille übersetzt. Die derzeitige Themennummer war das Resultat einer Reise in die Niederlande und Flandern, zu der die Stichting voor vertalingen im Jahre 1978 eine Gruppe schwedischer Autoren, Dichter und Übersetzer eingeladen hatte (vgl. S. 94). Die Groninger Skandinavistin und Kulturvermittlerin Amy van Marken hatte inspirierend an der Organisation der Reise mitgewirkt und erhoffte sich von ihr nach dem Misslingen der Anthologie Med andra ögon ein erwachtes Interesse bei schwedischen Dichtern für die niederländische Poesie. Im Falle Söderberg wurden ihre Hoffnungen erfüllt. Die niederländische Poesie nahm seit dieser Reise in seinem Übersetzerrepertoire einen wenn auch bescheidenen Platz ein neben seinem Haupinteresse, der spanischen Lyrik. Da er erst spät mit der niederländischen Sprache in Kontakt gekommen war, arbeitete er für ein exaktes Verständnis der Texte immer mit Sonja Berg | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 151]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Pleijel zusammen.Ga naar voetnoot207 Wie es nun, nach dem Tode Berg Pleijels, weitergehen wird, wissen wir in diesem Augenblick noch nicht. Viele der Beiträge, die in den Zeitungen und Zeitschriften erschienen, tauchen später auch in den Anthologien auf, so einige von Muusses' Übersetzungen von Henriette Roland Holst-van der Schalk oder Törnqvists Wolkers-Übersetzungen. Umgekehrt erschienen Gedichte aus Med andra ögon im ABF-Organ Fönstret. Den größten Zeitungserfolg aller Autoren hatte Marten Toonder. Schweden war das erste Land außerhalb der Niederlande, in dem die Toonder Comics publiziert wurden. Ab 1946 erschien Tom Poes in Dagens Nyheter, 1946-1956 in Nya Wermlandstidningen, 1947-1968 in Arbetet, 1948-1950 in Vårt hem und 1955-1968 in Göteborgstidningen. Als Tom Poes 1971 in Dagens Nyheter nicht länger erscheinen sollte, schrie die Leserschaft auf, Abonnements wurden gekündigt, und Dagens Nyheter machte mit Tom Poes weiter.Ga naar voetnoot208 Wahrscheinlich wurde er von weit mehr Lesern aller Altersklassen gelesen als alle andern zusammen. Man braucht nur, wie ich es getan habe, einen 'Mann auf der Straße' zu fragen, um Antworten zu bekommen wie ‘meine Mutter las mir Tom Poes immer vor’, oder ‘Ja, den kennt man ja. Ach so, ich wusste gar nicht dass Tom Poes ursprünglich niederländisch war’. | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
3.5. Zusammenfassung3.5.1. Worüber wollte man lesen?Es kam mir wenig sinnvoll vor, das oben bereits präsentierte Material noch einmal chronologisch zusammenzufassen. Über zeitliche Strukturen im gesamten Übersetzungskorpus kann man sich in der Tabelle auf S. 140 und im Anhang IV und V orientieren. Ergiebiger erschien es, wiederkehrende Vorlieben für gewisse Gattungen und Themen festzustellen. Die sich in den Übersetzungen widerspiegelnden Aspekte der niederländischen und flämischen Gesellschaft werfen ein Licht auf gewisse dominierende schwedische Modetendenzen. Man wählt dasjenige aus, was man selber gebrauchen kann, man sieht in der fremden Kultur sein eigenes Spiegelbild und übersieht vieles andere. Auf den | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 152]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Gebrauchsaspekt wies bereits in Bezug auf die tschechischen Übersetzungen niederländischer Literatur die Prager Niederlandistin Olga Krijtovà [Krijtovà 1991] hin, und auf den Spiegelaspekt der Breslauer Niederlandist Jerzy Koch, der die polnische Rezeption von Multatuli untersuchte [Koch 1995]. Allerdings lassen sich Inhaltsaspekte schwerlich quantifizieren, da literarische Werke oft mehr als nur ein einziges Thema berühren und außerdem je nach Leser verschiedenartig interpretiert werden. Eine Quantifizierung setzt ferner voraus, dass man alle Werke gelesen und analysiert hat, was sich im Rahmen dieser Untersuchung nicht machen ließ.Ga naar voetnoot209 Deshalb werden die Themenkreise hier nur in etwa angedeutet und exemplifiziert. Es ergaben sich fünfzehn Gruppierungen, die in der Reihenfolge nach ihrem jeweils ersten Auftreten präsentiert werden. Eine Ausnahme bildet die Literatur, die unter der Bezeichnung ‘Literazität’ zusammengefasst wurde; diese wird nach den anderen, ganz am Schluss behandelt, obwohl sie bereits 1906 mit Norlinds Versuch einer Introduktion der Poesie der Tachtiger einsetzte und die formbetonten Aspekte der niederländischen Literatur von den Kreisen, die mit der Svenska Akademin in Kontakt standen, tatsächlich seit der Jahrhundertwende beachtet wurden. Was die übrigen Gruppen betrifft, hätte man sicherlich einige davon unter einem gemeinsamen Nenner zusammenfügen können (so z.B. 2, 10, 12 und 13 unter Spannung), denn sie tangieren einander oder gehen in einander über und kommen im selben Roman nebeneinander vor, wie z.B. meistens Frauen und Familie, aber ich meine dennoch, dass die gewählte Einteilung die wichtigsten Gebiete hervorhebt, innerhalb derer sich das schwedische Publikum im Laufe der Jahre von niederländischen und flämischen Autoren etwas hat | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 153]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
erzählen lassen. So importierte man der Reihe nach 1. Religion (schon seit dem 17. Jh.), 2. Geschichte (Van Lennep 1838), 3. Exotik: Volksleben und Natur in ‘Holland’ und Flandern (Conscience 1850), 4. Humor (Smits 1871) 5. Stellung der Frau (Bosboom-Toussaint 1876), 6. Aktualität (Couperus 1885), 7. Psychologie und Gefühle (Couperus 1900), 8. Exotik: Natur und Moral in den Kolonien (Multatuli 1902), 9. Gesellschaftskritik (Multatuli 1902 und Van Eeden 1903), 10. Abenteuer (Van Balen 1904), 11. Krieg und Katastrophen (Couperus 1915), 12. Kriminalromane und Thriller (Ivans 1925), 13. Familienroman (Van Ammers Küller 1930), 14. Sexualaufklärung (1949). Literazität wird unter Punkt 15 behandelt. | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
1. ReligionDie Belletristik mit christlischer Tendenz streckt sich von Cats (17. Jh.) über die Jugendbücher und Erbauungsschriften von De Liefde (1814-1868) in den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts bis hin zu den tendenziösen Damenromanen von Amanda van Hoogstraten-Schoch (1869-1951) in den dreißiger Jahren und den Jugendbüchern von Van de Hulst (1879-1963) und Max de Lange-Praamstra (1906-1990) in den fünfziger und sechziger Jahren. Das Bedürfnis christlicher Lektüre für Kinder und Jugend war anscheinend besonders groß, so groß, dass man übersetzen musste, um es befriedigen zu können.Ga naar voetnoot210 Außerdem wurden seit Anfang der sechziger Jahre u.a. für die Kinderstunden der Kirche eine Anzahl von Serienausgaben übersetzt wie Kleine Bijbelboekjes voor de kleuter (1961-1991) von Anne de Vries, Wat de Bijbel ons vertelt (1968-1983), die Regenboogboekjes (1972-1975) von Christina Maria de Vries und die unter dem Serientitel Benjaminböckerna publizierten vier Büchlein von Marianne Roodt. Schon in den dreißiger und vierziger Jahren waren die Kindheits- und Jugendschilderungen aus dem Drenthener Bauernland, Bartje und Bartje zoekt het geluk von Anne de Vries (1914-1964), übersetzt worden, in welchen jedoch die christliche Tendenz zugunsten der psychologischen und ländlichen im Hintergrund bleibt. Diese Romane wurden | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 154]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
bezeichnenderweise von einem ‘profanen’ Verlag herausgegeben, während die Lehrbücher alle bei christlichen oder kirchlichen Verlagen erschienen. Eine Rezeption katholischer Belletristik fehlt - anders als in Deutschland [Van Uffelen 1993: 6] - aus ersichtlichen Gründen. Die katholische Tendenz von Timmermans hat sogar wohl dazu beigetragen, dass er für den Nobelpreis nicht in Frage kam (siehe S. 103). Auch das Gegenteil, nämlich der Protest gegen eine Unterdrückung durch die Religion, von Wolkers und 't Hart thematisiert, fand Anklang, was darauf schließen läßt, dass es in Schweden ähnliche Gefühle des Unterdrücktseins gegeben hat, oder dass man es im Gegenteil als ‘exotisch’ erfährt. So lassen sich die Studenten der niederländischen Abteilung gerne durch die Werke 't Harts über seine kalvinistische Jugend informieren, und in den Rezensionen der Kritiker wird immer wieder dieser Aspekt der Werke Wolkers' und 't Harts betont (siehe Kapitel 4.) | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
2. GeschichteMit dem Durchbruch des Liberalismus und dem zahlenmäßigen Anwachsen des Bürgertums, das immer mehr an Einfluss gewann, entstand Anfang des 19. Jahrhunderts auf dem schwedischen Büchermarkt, wie übrigens auch auf dem deutschen [Van Uffelen 1993: 6, 37], eine zunehmende Nachfrage nach unterhaltenden Romanen unterschiedlicher Qualität anstatt der traditionellen Erbauungsliteratur. Weil diese neumodische Nachfrage der Leser das einheimische Angebot anfangs weit überstieg, wurde sie durch die Einfuhr ausländischer Produkte befriedigt. Die Übersetzungen erschienen meistens in Fortsetzung in sog. Romanbibliotheken oder als Fortsetzungsromane in Zeitungen [Den svenska litteraturen III, 9-34]. Zu den populärsten Gattungen gehörten historische Romane und Erzählungen. Die in der Nachfolge von Byron und Scott geschriebenen Werke Van Lenneps (1802-1868) stimmten deshalb sehr gut mit dem damaligen schwedischen Nachfragemuster überein. So lässt sich erklären, warum im Jahre 1838 als erster rein belletristischer Import aus dem Niederländischen seit dem siebzehnten Jahrhundert Van Lenneps historischer Erstlingsroman aus der Zeit des achtzigjährigen Krieges, De pleegzoon (nl. 1833), herausgegeben wurde, aufgenommen in der | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 155]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Romanserie Nytt läsebibliotek des Verlages Hierta in einer Übersetzung, die nach der Form zu urteilen wahrscheinlich eine deutsche Version als Vorlage hatte.Ga naar voetnoot211 Dieser erste Beitrag Van Lenneps zur historischen Gattung war von stil- und inhaltsbewussten Kollegen in den Niederlanden - z.B. dem Chateaubriandanhänger Drost - ‘gewogen und zu leicht gefunden’ worden. Drost und seine Geistesgenossen wollten zwar die alte Funktion des Romans als didaktisches Mittel reformieren, aber es schwebte ihnen eine ästhetisch-ethische Romanauffassung vor, und in De pleegzoon sahen sie nur Unterhaltung [Van der Wiel, 439]. Ausgerechnet die unterhaltenden historischen Romane wurden übersetzt, nicht die anderen. Es folgten in den vierziger, fünfziger und sechziger Jahren noch zwei historische Romane von Van Lennep und drei von Conscience (1812-1883), dem flämischen Scott, ebenfalls wahrscheinlich aus dem Deutschen übersetzt. Bei Jacob van Artevelde steht dies mit Sicherheit fest, denn der Übersetzer übernahm sogar die Einführung über Conscience [Van Assche 1985, 302ff.]. In den siebziger Jahren fehlen Übersetzungen von niederländischen historischen Romanen, die dann in den achtziger Jahren erneut mit Van Lenneps De roos van Dekama (nl. 1836), zwei Romanen des Scottnachahmers Schimmel (1823-1906) und dem sehr erfolgreichen Vorstengunst von A.S.C. Wallis (eig. A.S.C. Von Antal-Opzoomer, 1827-1825) kurz zurückkehrten. Vorstengunst erschien zuerst 1886 als Fortsetzungsroman und danach 1887 und 1910 in Buchform. Der Roman spielt zur Zeit Erichs XIV. in Schweden. Der ‘Bestsellereffekt’ kann darauf hindeuten, dass historische Romane dem Publikum besonders lieb sind, wenn sich die Geschichte auf das eigene Land bezieht (siehe unten). Kurz nach der Jahrhundertwende erschien noch eine Besonderheit der historischen Gattung, diesmal für ein neues Publikum, dem der Jugend: Vom Scottverehrer Oltmans (1806-1854) wurde 1908 in einer Jugendserie Het huis van het zeewijf herausgegeben. Dann ist es mit dem Interesse vorläufig vorbei, aber in den dreißiger Jahren taucht die Gattung mit zwei historischen Jugendbüchern von Fabricius (1899-1981) wieder auf. Von diesen war De scheepsjongens van Bontekoe (üb. 1934) | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 156]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
mit zwei Auflagen in den dreißiger und einer neuen Ausgabe in den vierziger Jahren ein beträchtlicher Erfolg zu nennen, dem es wahrscheinlich auch zu verdanken war, dass in den folgenden Jahren eine ganze Reihe von Kinder- und Jugendbüchern aus dem Niederländischen übersetzt wurden.Ga naar voetnoot212 Weitere historische Gattungen waren das kulturgeschichtliche Zeitbild und die historische Biographie, verkörpert durch Huizingas Mentalitätsstudium über das Mittelalter - Herfsttij der Middeleeuwen (üb. 1927) - und sein Essay über Erasmus (üb. 1953) oder durch die Rembrandt-Romane von Theun de Vries (üb. 1937), Huygens (üb. 1948) und David de Jong (üb. 1959). Der spätere Nobelpreiskandidat Vestdijk debütierte 1954 in Schweden mit dem durch den schwedischen Titel ausdrücklich als historische Künstlerbiographie und Epochenstudie definierten Roman Het vijfde zegel, auf schwedisch El Greco i Toledo. En roman från inkvisitionens Spanien (‘El Greco in Toledo. Ein Roman aus dem Spanien der Inquisition’)Ga naar voetnoot213. Drei Jahre später wurde Hella Haasses (*1918) Versuch einer historischen Synthese der italienischen Renaissance De scharlaken stad übersetzt, aber der Roman wurde einerseits von den Kritikern nicht als der literarische Erneuerungsversuch anerkannt, den er darstellte, und andererseits war er für das große Publikum zu wenig unterhaltend, also blieb es vorläufig bei diesem einen Titel von Hella Haasse. Als dann der historische Roman in den neunziger Jahren wieder auflebte, ließ sich ein anderer Verlag durch den amerikanischen Erfolg des Romans dazu verführen Haasses Het woud der verwachting übersetzen zu lassen, aber diesmal war der Roman den Kritikern der neunziger Jahre der Form nach zu wenig originell, so dass er in die Unterhaltungsabteilung verwiesen wurde, wo er aber das Publikum zu wenig reizte; er behandelte nicht wie die Bücher des Publikumslieblings Peter Englunds die eigene schwedische Geschichte, es | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 157]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
fehlte demnach der Spiegelungseffekt, der wohl einst die Popularität von Wallis Vorstengunst bewirkt hatte (siehe oben).Ga naar voetnoot214 Durch das geringe Interesse der Kritiker und des Publikums erlosch auch bei diesem Verlag der Wille, neue Bücher der Autorin übersetzen zu lassen [Wikén Bonde 1995]. | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
3. Exotik: Volksleben und Natur in ‘Holland’ und FlandernIn den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts trat im Übersetzungskorpus eine Verschiebung vom historischen Roman zur realistischen Dorfgeschichte ein. De loteling von Conscience, der 1850 in Flandern herausgegeben und noch im selben Jahr übersetzt wurde, war bereits eine Ankündigung des Themas, und sein Roman De arme edelmanGa naar voetnoot215, seine Erzählung Baes Gansendonck sowie Jan Renier Snieders (1812-1888) Roman De lelie van het gehucht, die alle drei 1861 übersetzt wurden, gehörten ebenfalls zu dieser Gattung. Der Redakteur von Nordisk familjebok charakterisierte De arme edelman 1912 als ‘ausgezeichnete Schilderungen des flämischen Volkslebens und flämischer Sitten.’ Der schwedische Untertitel von De arme edelman lautet übersetzt ‘Szenen aus dem holländischen [sic] Leben’, was - zusammen mit der Charakterisierung des NF-Redakteurs - vermuten lässt, dass das Publikum im Dorfgeschichtengenre besonders das Andersartige, das Exotische des unbekannten Flanderns suchte, wobei man allerdings Flandern unter ‘Holland’ einordnete.Ga naar voetnoot216 Snieders Roman wurde im schwedischen Untertitel als ‘Schilderung des ländlichen Lebens in den Niederlanden’ präsentiert. Betont wurde somit nicht nur der ländliche, sondern auch der niederländische - also exotische - Aspekt dieser Romane. | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 158]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Van Lenneps im Jahre 1865 übertragener Roman De lotgevallen van Ferdinand Huyck (1840)Ga naar voetnoot217 kann zwar noch als historischer Roman mit Byron-Helden abgestempelt werden, aber sein Sittengemälde De lotgevallen van Klaasje ZevensterGa naar voetnoot218 gehört zum realistischen Genre. In einer Rezension aus dem Jahre 1882 nannte der Rezensent Van Lennep einen niederländischen Dickens, während er vorher immer als niederländischer Scott bezeichnet worden war.Ga naar voetnoot219 Auch im Vorwort zu der Anthologie Flämiskt stillifGa naar voetnoot220 (‘Flämisches Stilleben’) wird auf De loteling als Genrebild hingewiesen und betont, dass Conscience nicht so sehr als Autor von historischen Romanen berühmt sei, sondern vielmehr durch seine Novellen und Genrebilder aus dem flämischen Volksleben, wo er durch die Schönheit der Farben und in der naturgetreuen Abbildung eine wahrhaft niederländische Kunst entwickle. Der gewählte kunstterminologische Titel der Anthologie ist übrigens vielsagend. Übersetzungen von Ulfers (1852-1930), Keller (1829-1899) und Van Maurik (1846-1905) zeigen, dass die Popularität der Schilderung des Volkslebens noch um die Jahrhundertwende weiterlebte. Ferner gibt es im Übersetzungscorpus Texte von vor allem Timmermans (1886-1947) aber auch von Gijsen (1899-1984), Claus (*1929), Boon (1912-1979) und 't Hart (*1944), die dem Bedürfnis des Auslandes, etwas über tägliches Leben und Mentalität von Flamen und Niederländern zu erfahren, entgegenkommen. Und im Vorwort zu Van Schendels Het fregatschip Johanna Maria schreibt Anders Österling 1937: | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 159]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Mit seinem ruhigen, festen Griff kann diese Erzählung als ein ausgezeichneter künstlerischer Ausdruck des Wesens der Niederländer gelten, für die eigenartige Kombination von Energie und Phlegma eines alten Seefahrervolkes. Auch hier fehlt der Hinweis auf die Malerei nicht: Die Geschichte erinnert an die kleinen holländischen Meisterwerke, eine Miniatur gekennzeichnet von gediegener Sicherheit im kleinsten Detail und durchtränkt von der ewigen Magie des Meeres und der Wolken. [Meine Übersetzungen] Timmermans wurde, genau wie Conscience, von Rezensenten als Schilderer der Natur und des Volkslebens gerühmt, obwohl das katholische Element einzelne Beurteiler abstieß. Het kindeke Jezus in Vlaanderen sei von der Poesie der alten flämischen Malerei durchstrahlt, meint ein Rezensent, während ein anderer es als gotteslästerlich empfindet, dass sich die Geschichte des Jesuskindleins in Flandern abspielt, eine Reaktion, die um so merkwürdiger ist, als sich in der schwedischen Bauernkunst die heilige Geschichte oft in Schweden abzuspielen scheint; man denke an die Sammlung Dalmålningar på rim (1901) des Dichters Erik Axel Karlfeldt. Pallieter weckte Assoziationen an die flämische Kunst, man sprach von ‘Rubens und Jordaens in Prosa’, von ‘breitem Realismus und volkstümlicher Mystik’. Die tiefere Perspektive blieb jedoch unentdeckt.Ga naar voetnoot221 Artur Lundkvist sprach anlässlich von Boon von einem ‘universellen Heimatromanautor’ (siehe S. 214), Gijsens Roman Telemachus in het dorp ließ einen Rezensenten von ‘einem Dorf in Belgien als Mikrokosmos unserer Welt’ reden, einen anderen von ‘Schilderung des Volkslebens’ und einen dritten von Breughel und Bosch.Ga naar voetnoot222 In Rezensionen der Romane von 't Hart ist oft von seiner Darstellung der Natur die Rede, und sein Herausgeber liebt es, die Schutzumschläge von 't Harts Romanen mit niederländischer Landschaftsmalerei zu schmücken (siehe Kap. 4). Neben diesen ‘universellen’ Heimatautoren gab es auch bescheidenere Vertreter der Gattung wie den 1928 übersetzten A.M. de Jong (1888- | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 160]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
1943) und die in den dreißiger Jahren in Schweden debütierenden Autoren Anne de Vries (siehe oben) und Coolen (1897-1961) sowie die mit dreizehn übersetzten Titeln und vielen neuen Auflagen und Ausgaben ab Mitte der vierziger bis Anfang der siebziger Jahre unerhört populären Heimatromane der H.J. van Nijnatten Doffegnies (* 1898), deren Werke man gegebenenfalls auch unter Familienromane und Frauenromane unterbringen könnte, die ich aber hier ansiedle, weil das ländliche Element in den übrigen niederländischen Familienromanen und Frauenromanen selten vorhanden ist. Allerdings werden die erfolgreichsten Heimatromane der Nynatten, wie sie auf schwedisch einfachheitshalber heißt, fast immer aus der Perspektive der (Bauern) Frau erzählt, aber die Problematik ist eine andere als in den Romanen über die Stadtfrauen. Es handelt sich bei Nynatten mehr um harte Arbeit und darum, nach einer Heirat von der Dorfgemeinschaft des Ehemannes akzeptiert zu werden, und weniger um die Wahl eines Ehepartners und die Freiheit, einen Beruf ausüben zu dürfen, oder den Verzicht darauf. Übrigens ist Van Nijnatten Doffegnies unter niederländischen Intellektuellen ebenso unbekannt wie Margit Söderholm unter schwedischen. Man darf also behaupten, dass sich die Tradition der Schilderung des Volkslebens ununterbrochen von Conscience bis zu 't Hart erstreckt und in allen Qualitätsschichten vorkommt. Die Niederlande und Flandern werden anscheinend von den Schweden als exotisch und spannend empfunden, auch wenn die Einwohner das selber - wir werden es im Abschnitt über 't Hart sehen (Kapitel 4.) - nicht wahrhaben wollen. | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
4. HumorDer häuslich-humoristische Autor Mark Prager Lindo (1819-1877), der einen Teil seiner Werke unter dem Pseudonym De oude Heer Smits publizierte, bereicherte den schwedische Lesemarkt mit der Erzählung von Herrn Janus Snor, der von dem Van Lennep-Übersetzer C.J. Blomberg übertragen wurde und 1871 in der humoristischen Romanbibliothek des Verlages Johansson in Härnösand, der Stadt, in der Blomberg Studienrat war, erschien. Zur häuslich-humoristischen Gattung gehören ebenfalls die idyllischen, 1881 übersetzten Skizzen Familie en kennissen von Haverschmidt (1835-1894, auch geschrieben HaverSchmidt), die 1882 übersetzten, mit Mark Twain und dem | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 161]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
schwedischen Publizisten Onkel Adam verglichenen ‘Miniaturen’ Familie van ons von Lindo, von dem nun also ein zweiter Titel erschien, und die 1893 als Zeitungsbeitrag in SvD publizierte Erzählung Een oude kennis von Hildebrand (eig. Nicolaas Beets, 1814-1903). 1906 erschien noch die komische Reisegeschichte des anonymen Autors Ignotius, aber dann ist der humoristische Trend vorüber. Erst in den vierziger und fünfziger Jahren kann man von einer Wiedergeburt des niederländischen Humors in Schweden reden, als die Zeitungen (siehe S. 151) die Comics von Toonder (* 1912) zu publizieren begannen. Tom Poes erschien außerdem in Bilderbuchformat für kleine Kinder. In den siebziger und achtziger Jahren wurde Tom Poes in Alben für ältere Leser herausgegeben, was darauf schließen lässt, dass man Comics nun als ernstzunehmende Gattung betrachtete. Auch die Comics von Vandersteen, die am Ende der siebziger Jahre übersetzt wurden, sind humoristisch, aber es überwiegt in ihnen doch der Abenteueraspekt (siehe Punkt 10), während bei Toonder der komische Aspekt am stärksten hervortritt. Die große Humoristin und Sprachkünstlerin Annie M.G. Schmidt debütierte in den fünfziger Jahren dank Astrid Lindgren in Schweden [Grit 1994/1995, 22], wurde dann aber wieder vergessen und konnte sich bei ihrem durch die Zuerkennung der Andersenmedaille bewirkten zweiten Debut in den achtziger Jahren im Strom der Inzest- und Misshandlungsbücher leider nicht ihre einstige Stellung wiedererobern (siehe Kapitel 4.). Die humoristisch-tragischen Kinderromane von Joke van Leeuwen passten besser in das Klima der achtziger Jahre, als Kinder oft als Opfer selbstsüchtiger und sogar krimineller Erwachsener auftreten und nicht mehr so unverwundbar sind wie bei Lindgren und Schmidt. Man könnte meinen, dass gesellschafts- und mentalitätskritischer Humor sich schwer in einen fremden Nährboden verpflanzen ließe, da er von der Gesellschaft geprägt ist, die ihn hervorgerufen hat. Ein Beispiel wäre Van Straatens Het literaire leed, Zeichnungen mit Untertexten über die kleine Welt von Autoren und Herausgebern in den Niederlanden. Es | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 162]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
zeigte sich jedoch, dass es für diesen Humor bei schwedischen Rezensenten, wenn auch nicht bei allen, ein rezeptorisches Organ gab.Ga naar voetnoot223 | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
5. Position der FrauDie älteren niederländischen Frauenromane sind keineswegs progressiv. Die sozialistische Historikerin Annie Romein-Verschoor erklärte dies 1935 damit, dass die erste Generation weiblicher Autoren noch in der Romantik wurzelte, während die zweite die Enttäuschung über die Folgen der Emanzipation ausdrückte. Außerdem schrieben sie, da sie der Bürgerklasse angehörten, nicht Frauenromane, sondern Damenromane [Romein-Verschoor 1977, 26]. Von M.L.G. Bosboom-Toussaint (1812-1886), die intramural in erster Linie als Autorin von historischen Romanen charakterisiert wirdGa naar voetnoot224, wurde nur ihr Beitrag zur Emanzipationsfrage, der Briefroman Majoor Frans übersetzt, wobei sie mit zwei Buchausgaben (1876 und 1916) und zwei Zeitungspublizierungen (1885 und 1904), ähnlich wie Wallis durch Vorstengunst, einen kleinen Bestsellereffekt erzielte. Der Roman ist in der Frauenfrage alles andere als emanzipiert. Das happy end besteht darin, dass die Protagonistin einen netten Mann heiratet und sich ihm unterordnet. Jan ten Brinks (1834-1901) Het vuur dat niet wordt uitgeblusscht (nl. 1868, üb. 1880) ist ein Künstlerroman mit einer sich für den Künstler aufopfernden HeldinGa naar voetnoot225, und Vosmaer lieferte in Amazone (nl. 1880 üb. 1884) einen ebenso konservativen Beitrag zur FrauenfrageGa naar voetnoot226 wie Bosboom-Toussaint. Aber 1899 erschien als erstes niederländisches | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 163]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Jugendbuch auf der schwedischen Bühne im Bonnierverlag in einer Lesebibliothek mit dem Serientitel Lektüre ausgezeichneter englischer [sic] Autoren für die Jugend Tine van Berkens (1870-1899) Mädchenbuch Mijn zusters en ik. Anders als Bosboom-Toussaint war Van Berken der Ansicht, nicht die Heirat, sondern Studien, eine gute Arbeit oder die Ausübung schöpferischer Tätigkeit seien der Frauen höchstes Gut [Vos 1995, 2]. Progressiver als Majoor Frans war ebenfalls Hilda van Suylenburgh (üb. 1912) von Cécile Goekoop-de Jong van Beek en Donk (1866-1944, siehe [Postma-Stamperius 1978, 214]. Die Werke der Autorinnen Louise BB (eig. L.A.J. de Neve, 1859-1913), Anna de Savornin-Lohman (1868-1930) und Jo van Sloten (1863-1940) wurden von der intramuralen Kritik nachträglich als ‘Damenromane’ bezeichnet, und diese Gattung bekam im Laufe des 20. Jahrhunderts unter Kritikern einen immer schlechteren Klang [Van Boven 1992]. In den dreißiger und vierziger Jahren wurde der schwedische Markt von niederländischen Damenromanen geradezu überschwemmt. In ihnen werden von den Damen die bisherigen Errungenschaften der Frauenemanzipation zwar geduldet und die Früchte der Selbständigkeit gepflücktGa naar voetnoot227, doch als größtes Glück für die Frau gilt die Mutterschaft und die Position im Zentrum der Familie. Das gilt namentlich für Jo van Ammers-Küller (1884-1966), Ina Boudier-Bakker (1875-1966) und Amanda van Hoogstraten-Schoch (siehe S. 153). Diesen Damenautorinnen wurde von der sozialistischen Historikerin Annie Romein-Verschoor besonders die stereotype Weise, in der sie Angehörige der niedrigeren sozialen Klassen darstellen, vorgeworfen. Jo van Ammers-Küller durfte vom 1. Juli 1945 bis zum 1. Juli 1951 nicht publizieren, da sie Nazisympathien gezeigt hatte.Ga naar voetnoot228 Van Uffelen meint, ihre Auffassung von der Rolle der Frau habe gut mit der Vorstellungswelt der Nazis übereingestimmt [1993: 6, 252]. Der Erfolg ihrer Romane in Schweden | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 164]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
lässt vermuten, dass ihre Stellungnahme in verschiedenen Fragen auch gut in das geistige Klima Schwedens der dreißiger Jahre hineinpasste.Ga naar voetnoot229 Noch viel populärer als Van Ammers-Küller war in Schweden jedoch H.J. van Nijnatten-Doffegnies (siehe S. 159f.), die von Romein-Verschoor jedoch verschwiegen wird, da Heimatromane von Akademikern nicht ernst genommen wurden. Die Problematik liegt bei ihr etwas anders, da das Leben auf dem Lande der Frau neben mehr Arbeit auch mehr Selbständigkeit gab als in der Stadt. Erst in den siebziger und achtziger Jahren bekam in Schweden die niederländische Frauenliteratur mit Anja Meulenbelt ein progressives Gesicht. Man verglich sie mit Erika Jong und Suzanne Brøgger. Die literarische Qualität wurde nicht sehr hoch bewertet. Die meisten Besprechungen wurden ausnahmsweise von Frauen geschrieben. Unter den Kritikern und Kritikerinnen ärgerten sich einige über Meulenbelts Selbstbezogenheit, an ihrer Feindseligkeit Männern gegenüber und an ihrer nonchalanten Haltung angesichts ihres Sohnes.Ga naar voetnoot230 Auch die Romane von Monica van Paemel, die Ende der achtziger, Anfang der neunziger Jahre lanciert wurden, riefen zum Teil ähnliche Reaktionen hervor. Man kann - mit Vorsicht - daraus folgern, dass es für schwedische Frauen ökonomisch einfacher war/ist als für Niederländerinnen und Fläminnen, sich aus einem nicht-funktionierenden Verhältnis loszulösen, und dass sich dadurch ein kameradschaftlicheres Verhältnis zwischen den Geschlechtern entwickelt hat. Dass Margriet de Moors Eerst grijs dan wit dan blauw so positiv aufgenommen wurde, deutet jedoch darauf hin, dass die Verhältnisse auch in Schweden noch nicht als ideal aufgefasst werden. Eine neue Ausgabe 1980 von Meulenbelts De schaamte voorbij (üb. 1979) in der Prismaserie der Kooperation zeugte von einem politischen Interesse der Linken, obwohl im zweiten übersetzten Buch, Feminisme en socialisme, ausgesagt wurde, dass Frauen auch in sozialistischen Gesellschaften unterdrückt werden. Die verhältnismäßig vielen Übersetzungen - fünf Titel - lassen auf Sympathie eines | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 165]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Leserpublikums in den achtziger Jahren für die Auffassungen Meulenbelts schließen. | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
6. Zeitkommentar und AktualitätIn den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts wurde Couperus (1863-1923) übersetzt, also gleich nach seinem Debüt. 1895 erschien Majesteit (nl. 1893), Couperus Roman vom Konflikt zwischen Vater und Sohn. Sonst vollzog sich die Rezeption zunächst in Zeitungen. 1895 erschien so u.a. die pessimistisch-naturalistische Erzählung Een zieltje (nl. 1890) in Svenska Dagbladet, nach der Namensform der Hauptperson (‘Charlot’ statt ‘Kareltje’) zu urteilen, aus dem Französischen übersetzt, 1898 die Fortsetzung von Majesteit, der utopische Roman Wereldvrede (nl. 1895), der 1915 auch in Buchform publiziert wurde, und schließlich 1899 der psychologische Roman einer verhängnisvollen Freundschaft, Noodlot (nl. 1890), von dem im Jahre darauf eine Buchausgabe herauskam. Die Wahl gerade dieser Romane von Couperus entsprach anscheinend dem damaligen schwedischen Unterhaltungs- und Aktualitätenbedarf in höherem Maß als die Werke der Tachtiger Bewegung (1885-1893), aus deren Kreis erst viel später Van Eeden und Gorter rezipiert wurden (siehe S. 173, Punkt 9.). Innerhalb des Gesamtwerks des Autors gibt es in dieser Wahl der übersetzten Titel eine auffällige Diskrepanz zwischen dem heutigen intramuralen Kanon und der damaligen schwedischen Rezeption, denn von den kanonisierten Meisterwerken von Couperus, Eline Vere, Van oude mensen de dingen die voorbij gaan, De boeken der kleine zielen, De berg van licht und Iskander wurde kein einziges übersetzt.Ga naar voetnoot231 Hinsichtlich der Romane Majesteit und Wereldvrede war ganz sicher die Aktualität der Grund der Rezeption. Der auch in Deutschland sehr populäre Fürstenroman Majesteit [Van Uffelen 6, 161] wurde von einem Romanisten (aus dem Französischen?) übersetzt. Ein RezensentGa naar voetnoot232 fand | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 166]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
den Roman langweilig. Das würde gegen den Unterhaltungsaspekt als Grund der Übersetzung sprechen. Eine Rezensentin zog teils eine Parallele zu Lemaîtres aktuellem sozialphilosophischen Roman Les rois (fr. 1893), teils meinte sie, als Motiv für den Roman habe die russische Zarenfamilie gedient. Sie fand ihn weder künstlerisch noch psychologisch überzeugend. Das spricht gegen das Argument der Literazität als Grund der Übersetzung. Auch der konservative Kritiker Wirsén verglich den Roman mit Les rois und wählte dann bezeichnenderweise im Konflikt zwischen dem Vater und dem Sohn die Seite des pflichtbewussten Vaters, während Couperus wohl gerade seine eigene oidipale Problematik darin gespiegelt hatte. Der Kritiker Nordensvan schließlich würdigte den Roman von einem literarischen Standpunkt aus, indem er den jungen Prinzen mit Hamlet verglich und damit vermutlich die Intention des Autors am besten erfasst hatte. Das sozialphilosophische Motiv, das von den beiden anderen Rezensenten betont wurde, kann für den sensitivistischen und ästhetisierenden Couperus selber nicht die Hauptsache gewesen sein. Ich behaupte also, dass dieses Motiv und die Assoziation an die Zarenfamilie - also die Aktualität der Themen - sehr wahrscheinlich bewirkt haben, dass der Roman übersetzt wurde, dass aber dieser Rezeptionsgang nicht mit der ursprünglichen Intention des Autors übereinstimmte. Auch die Entscheidung, Wereldvrede zu übersetzen (1898 und 1915), hing mit der damaligen, von den Bestrebungen der Friedensbewegung geprägten Aktualität zusammen. Couperus dagegen hatte für die Zeitschriftenausgabe in De Gids (August und September 1895) eine Vorrede verfasst, wo er ausdrücklich betonte, er habe ein rein künstlerisches Werk schreiben wollen und bitte deshalb die Friedensfreunde, sich nicht über gewisse Aussagen im Roman zu ärgern.Ga naar voetnoot233 Nun, ein Friedensfreund kann sich schwerlich über diesen Roman ärgern, im Gegenteil, man versteht sehr wohl, warum er übersetzt wurde, und, was die Zarenfamilie betrifft, so kann der Roman geradezu als visionär betrachtet werden. | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 167]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Die Kriegsaktualität brachte 1916 auch die Übersetzung von Van Eedens Bij 't licht van de oorlogsvlam. Für eine regelrechte Introduktion Van Eedens hatte 1911 der Psychoanalytiker Bjerre in Ord och Bild gesorgt (siehe S. 67). Von Van Eedens Theaterstück De heks van Haarlem wurde 1916 in Buchform eine Übersetzung Norlinds publiziert. Das Thema in diesem Stück ist, ähnlich wie in den Dramen des französischen Klassikers Corneille, die Unsicherheit des Menschen seinen moralischen Pflichten gegenüber. Es ist mehr als wahrscheinlich, dass es die Kriegserfahrung war, die Van Eeden im Jahre 1915 zu diesem Thema brachte und dass auch die Rezeption durch die Kriegsaktualität bedingt war. Die Zeitumstände erklären ebenfalls, dass man im Jahre 1936 Huizingas Auseinandersetzung mit den totalitären Tendenzen seiner Zeit, In de schaduwen van morgen, übersetzen ließ, sowie im Jahre 1938 Lasts (1898-1972) Frontbriefe In de loopgraven van Madrid, im Jahre 1939 die Memoiren des Fliegers Smirnoff, des späteren Piloten Bernadottes in Palästina. Die 1941 übersetzte Erzählung über die fünf Tage vor der Kapitulation der Niederlande im zweiten Weltkrieg, Toen het vaderland riep, von Hans Nesna, ist schon mehr Reportage als Roman. Eigentlich hätte man die meisten Kriegs- und Katastrophenromane unter ‘Aktualität’ einordnen können, z.B. Pennings De helden van Zuid-Afrika (S. 170), Den Doolaards Het verjaagde water, De Hartogs Stella und MaryGa naar voetnoot234, Anne Franks Tagebuch, Van der Molens Bericht über seine Kriegsgefangenschaft, Pressers Schilderung des Konzentrations-lagers, Clara Ascher-Pinkhoffs und Vissers Kriegs- und Kibbuzromane für Kinder, die Jugendbücher über die Überschwemmungskatastrophe des Jahres 1953 von Aleid van Rhijn, De Hartog und Terlouw. Trotzdem gehören sie aber auch in ein eigenes Fach, da sie nicht immer gleich im Anschluss an die Geschehnisse geschrieben und übersetzt wurden. So erschienen Mulischs De aanslag und Hillesums Het verstoorde leven beide erst in den achtziger Jahren. Viele von den Romanen wurden außerdem eher aus einem Bedürfnis nach Spannung oder Moral gelesen werden als aus einem Bedarf an last news. | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 168]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Sicherlich war es aber das Aktualitätsbedürfnis, das 1960 zur Übersetzung von Van Akens Kongoroman De nikkers und 1979 - als Schweden vor seiner Kernkraftabstimmung stand - zur Übersetzung von Vandeloos Roman über die Folgen eines Unglücks in einem Forschungsinsitut für Atomkraft führte. Dabei war Vandeloos Het gevaar bereits 1960 geschrieben worden, worüber sich die Rezensenten wunderten. Weniger glücklich war 1977 die Lancierung von Geeraerts Kongoroman Ik ben maar een neger (nl. 1960), der laut einigen Rezensenten siebzehn Jahre zu spät kam. Dabei handelte der Roman eigentlich davon, ob die Errungenschaften der abendländischen Kultur den traditionellen Idealen der Afrikaner wirklich überlegen sind. Für diese Problematik gab es damals in Schweden anscheinend noch wenig Verständnis. Die eurozentrisch denkenden Rezensenten der sechziger Jahre sahen nur den alten Kongokonflikt, nicht die neuen Gedanken eines Afrikakenners im Roman. Das Thema in Yvonne Keuls Berichterstattung über den drohenden Untergang der Familie eines Drogensüchtigen - De moeder van David S., geb. 3 juli 1959 - ist leider immer noch aktuell. Trotzdem gab es nur eine einzige Auflage dieser erschütternden Schilderung. Als außerordentlich aktualitätsbedingt entpuppte sich die Kinder- und Jugendliteratur der neunziger Jahre, wobei Anne Provoost mit Büchern über Inzest und Fremdenfeindlichkeit Erfolg hatte, während es dagegen nicht gelang, die Pädagogen 1989 für Annie M.G. Schmidt zu interessieren, obwohl man Minoes sehr wohl als Tendenzroman gegen Machtmissbrauch und Umweltverschmutzung lesen kann (siehe Kapitel 4.). Aber die Themen Inzest, Kindermisshandlung und Fremdenfeindlichkeit füllen jetzt in den neunziger Jahren auch die Zeitungen weit mehr als die Debatte über Kernkraft und Umweltverschmutzung. | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
7. Psychologie und GefühlBereits die Rezensionen der Romane von Couperus gingen auf die psychologische Darstellungskraft des Autors ein. Der Roman Noodlot (Orig. 1890, Üb. 1899 in Zeitung, 1900 als Buch) endet dramatisch mit Mord und Selbstmord. Der konservative Kritiker Wirsén wies das ‘wilde hyperromantische Ende’ und ‘das Krankhafte’ darin zurück, die Kritiker Hennings und Nordensvan hingegen priesen die Spannung und die psychologische Charakterzeichnung im Roman. | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 169]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Van Eedens symbolistischer Entwicklungsroman eines Kindes in Märchenform, De kleine Johannes, der 1903 übersetzt wurde, machte, wie wir gesehen haben (S. 103, Fußnote 154), auf den Niederlandekenner Norlind einen tiefen Eindruck. Anne de Vries Bartje, ebenfalls eine Darstellung der Psychologie einer Kinderseele, wurde 1937 übersetzt und war mit seinen drei Auflagen sehr erfolgreich. Gleich nach Kriegsende wurde Huizingas berühmtes Essay über das Spielelement in der Kultur des Menschen übersetzt, und von den vierziger Jahren an - seit Van der Leeuws (1876-1931) De kleine Rudolf (1941) - ist gleichzeitig mit dem Aufrücken der Qualitätsliteratur ein anwachsender Strom von psychologisch analysierender Literatur zu konstatieren. Man übersetzte Vestdijk (1898-1971), Jacoba van Velde (1903-1985), Presser (1899-1970), Marga Minco (* 1920), Hermans (1921-1995), Wolkers (* 1925), Boon (1912-1979), Gijsen (1899-1984) und Lampo (* 1920). Nach 1980 schwoll der Strom weiter an. Es debütierten Nooteboom (* 1933), Oberski (* 1938), Monica Van Paemel (* 1945), Bernlef (* 1937), Claus (* 1929), 't Hart (* 1944), Oek de Jong (* 1952), Van der Heijden (* 1951), Möring (* 1957) und Connie Palmen (* 1955). Die genannten Autoren figurieren alle in den Qualitätsgruppen A und B. Die Elemente ‘Gefühl’ und ‘Psychologie’ scheinen also einen Teil der Literazität auszumachen. Wir werden im vierten Kapitel sehen, welche Kriterien sonst noch in Rezensionen kanonisierter Literatur vorkommen. | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
8. Exotik: Natur und Moral in den KolonienDie schwedischen åttitalister, die sozial engagierte literarische Generation der achtziger Jahre, hatten wohl bereits den ‘Zeitgeist’ geschaffen, der einem Autor wie Multatuli ein geeignetes Aufnahmeklima bereitet hätte. Aber trotzdem erschien erst im Jahre 1902, vier Jahrzehnte nach seinem Entstehen, die Übersetzung von Multatulis (eig. Douwes Dekker, 1820-1887) entrüstetem Kolonialroman Max Havelaar. Man kann sich allerdings überlegen, ob diese gekürzte Version von Multatulis Max Havelaar nicht in erster Linie der Spannung und des Exotismus wegen, also auf Grund seines Unterhaltungswerts, auf den Markt gebracht wurde, denn die wichtige Darlegung des kolonialistischen Systems wurde weggelassen, wie auch jegliche Kritik von der Kirche, so dass die Gesellschaftskritik in der Übersetzung ziemlich abgeschwächt | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 170]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
war.Ga naar voetnoot235 Eine denkbare Hypothese für den Rezeptionsgang wäre, dass eine Kombination verschiedenster Überlegungen zu der schließlichen Herausgabe in dieser Form führte: Erstens entschloß man sich im damaligen politisch günstigen Aufnahmeklima in Schweden, inspiriert von dem durch Wilhelm Spohr bewirkten Multatuli-Kult in Deutschland dazu, den Roman herauszugeben, dann aber schneiderte man ihn durch Kürzung und politische Abschwächungen für eine breites Publikum zurecht, damit das Produkt gut zu verkaufen war. Von Spohr inspiriert war dann wiederum die intellektuelle Einsegnung des Werkes durch die glänzende Besprechung des einflussreichen Kritikers Oskar Levertin in Svenska Dagbladet (siehe S. 66). In ihr wird das Buch als ein gesellschaftskritischer Entrüstungsschrei dargestellt und mit psychologischer Einsicht die Persönlichkeit Dekkers geschildert. Das aktualitätsbedingte Interesse am Burenkrieg führte 1904 zur Übersetzung von Pennings (1854-1927) in den Niederlanden gut verkauftem [De hele Bibelebontse berg 1989, 627], leicht rassistischem [De Vries 1989, 235) Jugendroman De helden van Zuid-Afrika, in dem das Exotische jedoch wie in dem im selben Jahr übersetzten Indianerroman De zwarte Bison. Het opperhoofd der Dakota's von Van Balen (1851-1921) dem Abenteueraspekt untergeordnet ist. In den dreißiger Jahren erwachte wiederum ein Interesse für exotische Schilderungen aus Niederländisch Indien. Die Rezeptionsperiode der Madelon Székely-Lulofs (1899-1958) erstreckte sich von 1933 bis 1943. Die Rezensionen in Studiekamraten und Fönstret zeigen, dass die schwedische Arbeiterbewegung ihre Romane - namentlich Rubber und Kuli - nicht nur als gute Literatur, sondern auch als Kritik an der Ausbeutung der kolonialisierten Völker rezepierte (vgl. S. 69). Aber in der Reklamekampagne ihres schwedischen Verlages wurde - namentlich durch Plakate mit tropischen Bildern - das Exotische betont. In den Niederlanden wurde Székely-Lulofs zuerst durch die negative Haltung des Kritikers Ter Braak (1902-1940) ihr gegenüber (siehe S. 71), und später durch Rob NieuwenhuisGa naar voetnoot236 Auffassung darüber, was ein ‘wahrhafter indischer Roman’ sei, auf dem niederländischen | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 171]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
literarischen Feld lange als Autorin von ‘Frauenromanen’ in die Ecke gedrängt.Ga naar voetnoot237 Durch ihre Schilderungen der sozialen Missverhältnisse in den Kolonien hatte sie sich in den Niederlanden außerdem den Hass vieler, die an der Kolonialverwaltung beteiligt waren zugezogen, während in Schweden diese kritische Einstellung gerade einen Teil ihres Erfolges ausmachte. Die schwedischen Rezensenten waren ferner besonders von ihren Naturbeschreibungen beeindruckt - zweimal wird eine Rezension mit dem Wort ‘Exotisches’ überschrieben -, und sie schätzten ihre Fähigkeit, eine spannende Geschichte zu erzählen.Ga naar voetnoot238 Von der ersten Ausgabe von Rubber erschienen fünf Auflagen, von der zweiten nochmals zwei. Auch von den übrigen Titeln erschienen mehrere Auflagen. Reinier Salverda konstatiert [Salverda 1996, 218, 229], dass in Székely-Lulofs Koelie die Geschichte vom Standpunkt der Javaner erzählt wird, während in 't Hartogs Gods geuzen (siehe unten) die Geschichte aus der Perspektive und mit den Bewertungen der Kolonialisten erzählt wird. Für die Jugend erschien 1934 - ein Jahr nach Koelie und Rubber - Fabricius (1899-1981) De scheepsjongens van Bontekoe, ein spannender historischer Seeroman aus der Zeit der Niederländischen Ostindischen Kompagnie, von dem in den dreißiger Jahren zwei Auflagen gedruckt wurden und 1948 noch eine gekürzte Ausgabe erschien (siehe S. 155f.). 1937 erschienen F. de Clerq-Zublis 't Rimboekind - über ein Mädchen von Sumatra - und Voorhoeves De jagers van de Tami-rivier und Tiliauw de Savia, die sich auf Neuguinea abspielen. In den vierziger Jahren ebbte 1940 mit De Hertogs Vrouwen naar Jacatra und Fabricius Eiland der demonen und Halfbloed die exotische Welle aus. Ende der fünfziger Jahre wurde mit Maria Dermoûts De tienduizend dingen noch ein Versuch unternommen, das Publikum für das ehemals so geliebte Genre zurückzugewinnen, aber es fehlt in diesem poetischen Werk die Spannung, mit der die Leser der Kolonialromane verwöhnt worden waren. Von De Hartog, der bereits durch seine Seeromane bekannt und populär geworden war (siehe unten, S. 177), ließ | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 172]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Forum 1958 den sich im Djungel abspielenden Arztroman Gods geuzen aus dem Englischen übersetzen.Ga naar voetnoot239 Als sich dann am Ende der fünfziger Jahre die Aktualität der Kongofrage aufdrängte, wurde 1960 Van Akens (1920-1984) De nikkers übersetzt und fleißig rezensiertGa naar voetnoot240. Die Rezeption Van Akens wurde nicht fortgesetzt, es blieb bei diesem einzigen Werk, was vermuten lässt, dass er nicht der Exotik oder der Literazität wegen, sondern ausschließlich auf Grund des Themas, also der Aktualität, introduziert wurde. Als 1977 Coeckelbergh im Rahmen seiner flämischen Reihe Ik ben maar een neger von Geeraerts herausgab, einen Roman über die Ermordung der afrikanischen Kultur durch die europäischen Kolonialisten vor den Geburtswehen des zairischen Staates, meinten, wie auf S. 167 bereits erwähnt, einige Rezensenten, die Übersetzung wäre siebzehn Jahre zu spät gekommen. Für sie galt also, sobald es sich um Kolonialschilderungen handelte, sehr stark das Aktualitätsmotiv. Außerdem war das Vorführen einer unsympathischen schwarzen Hauptperson - auch wenn aus dem Roman deutlich hervorgeht, dass sein Verhalten als Folge der kolonialistischen Ausbeutung zu verstehen ist - für das ‘öffentliche Gewissen’ einiger schwedischer Rezensenten allzu gewagtGa naar voetnoot241. Der niederländische Literaturwissenschaftler Ton Anbeek bezeichnet eine solche Stellungnahme gegen den Roman als zu einfach [1995, 80), und selber hätte ich den Roman nicht übersetzt, wenn ich ihn als rassistisch aufgefasst hätte. Dagegen wehrte ich mich gegen die für die sechziger Jahre charakteristische sexistische und drogenfreudige Tendenz in Geeraerts übrigen Werken, so dass es bei einer einzigen Übersetzung dieses Autors blieb. Desto größer war in dem von der Südafrikadebatte geprägten Aufnahmeklima der siebziger Jahre der Enthusiasmus der Kritiker über die neue Max Havelaar-Übersetzung. Den Mythos von | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 173]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Douwes Dekkers Antikolonialismus durchschauten die schwedischen Kritiker jedoch ebensowenig wie die niederländischen [vergl. Salverda 1996, 315]. Brouwers (* 1940) sehr persönliche Wiedergabe der Internierung in einem japanischen Konzentrationslager in Niederländisch Indien während des zweiten Weltkrieges, Bezonken rood, wurde 1984 in Schweden als wirklichkeitsgetreue Information über diese in Schweden unbekannten Greueltaten der Japaner gelesen, während das Buch in den Niederlanden, nachdem Brouwers von ehemaligen Lagerinsassen der Geschichtsverfälschung beschuldigt worden war, zu einer Diskussion über das Recht des Autors, eine dichterische Interpretation der reellen Wirklichkeit zu geben, führte [Schmitz 1989, 6]. Von berauschender Exotik ist im Roman wirklich nichts zu verspüren; die Schilderung der tropisch versengenden Sonne wirkt grauenerregend, und die javanische Bevölkerung tritt hinter den japanischen Quälgeistern zurück. Die Kolonialschilderungen Hella Haasses, in denen die Kolonialisten als Helfer der einheimischen Bevölkerung dargestellt werden (De heren van de thee) oder die Tragik ihrer Heimatlosigkeit dargestellt wird (Oeroeg), wurden bis jetzt nicht übersetzt. | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
9. Gesellschaftskritik: Aufruhr und Verlangen nach einer besseren WeltSowohl Werke aus den bereits behandelten Themenkreisen Frauenliteratur und Kolonialliteratur wie ein Teil der Kriegsliteratur (siehe unten) gehören an diesen Ort; es wurden aber auch Werke mit einer allgemeineren sozialen Tendenz übersetzt. Nachdem die Max Havelaar-Übersetzung 1902 zum ersten Mal den Blick auf die niederländische engagierte Literatur gelenkt hatte (siehe oben), wurde 1903 De kleine Johannes I, Van Eedens sozial-idealistischer Entwicklungsroman eines Kindes übersetzt, 1906 folgte der weniger leserfreundliche zweite Teil, im selben Jahr seine soziale Utopie De blijde wereld und 1912 Wenken en raadgevingen voor de werkers in de Van-Eedenkolonie, eine Introduktion zu Van Eedens experimenteller Gemeinschaftskolonie Walden. Noch stärker war die gesellschaftszugewandte Rezeption im Falle des Tachtiger-Dichters Gorter (1864-1927), von dem nur ein sozialistisches Lehrbuch übersetzt wurde.Ga naar voetnoot242 | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 174]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Zwar führte Norlinds von persönlichen Kindheitserinnerungen bedingte Liebe zu Van Eedens De kleine Johannes I anscheinend zu einem weiteren Interesse des schwedischen Idealisten für die niederländische Literatur, so übersetzte er einige Gedichte von Kloos, Verwey und Van Eeden, aber die Rezeption der niederländischen Tachtiger in Schweden beschränkte sich doch sehr auffällig auf den sozialistisch-idealistischen Teil der Bewegung, eine Tatsache, die sich angesichts der damaligen schwedischen Situation sehr gut mit einem Begriff ‘Erwartungshorizont’ im Sinne von, ‘man spiegelt sich selber’, und einem Begriff ‘Aufnahmeklima’ im Sinne von, ‘man wählt das, was man verwenden kann’, erklären lässt (siehe S. 151f.). Weitere Beispiele für das soziale Engagement im damaligen schwedischen Aufnahmeklima ergeben die Übersetzung von Heijermans (1864-1924) Diamantstad im Jahre 1908, in welchem sich der Sozialist und Jude Heijermans mit dem traditionellen Judentum auseinandersetzte und die Aufführung von Heijermans sozialistisch-naturalistischem Drama Op hoop van zegen im Jahre 1905 in Göteborg (und vielleicht auch in Stockholm) unter dem schwedischen Titel Hoppet [NF2]. Sozialistisches Gedankengut findet man ebenfalls in A.M. de Jongs beiden 1928 und 1929 übersetzten Romanen über Merijntje Gijzen, bei der in den vierziger Jahren von Muusses introduzierten Dichterin Henriette Roland Holst-van der Schalk und in den sechziger und siebziger Jahren bei den Flamen Van Aken und Boon. In den sechziger Jahren zeigte die Zeitschrift Ord och Bild ein kurzes, zeitgemäßes Interesse für die Provobewegung, und der damals auf gesellschaftszugewandte Literatur ausgerichtete Prismaverlag ließ erwartungsgemäß 1971 De boodschap van een wijze kabouter des führenden Kabouters Roel van Duyn übersetzen. Ganz im Einklang mit dem Protest der sechziger Jahren gegen eine kleinbürgerlich-paternalistische und korrumpierte Mentalität stand die Introduktion von Sybren Polet; es folgte Wolkers (sechziger und siebziger Jahre), dann Boon (siebziger Jahre), Ruyslinck (achtziger Jahre), die Feministin Meulenbelt (siebziger und achtziger Jahre) und Monica Van Paemel (achtziger und neunziger Jahre). | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 175]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Während Boon anscheinend im rechten Augenblick vorgestellt wurde, zerstörte u.a. ein unglückliches timing die Chansen Ruyslincks (* 1929). Seine Kritik an Korruption und Machtmissbrauch wurde in den achtziger Jahren als veraltet empfunden.Ga naar voetnoot243 Vielleicht hätte man in den neunziger Jahren in Schweden seine Klage besser verstanden, da eine Reihe von Skandalen es dem Publikum hierzulande klargemacht hat, dass es auch in Schweden unter Machthabern eine nicht geringe Neigung zur Korruption gibt. Die Berichte über den belgischen Pädophilenskandal des Jahres 1996, der die Belgier zu einem massenhaften Protest gegen Korruption vereinigt hat, lassen plötzlich ahnen, wie es kommt, dass ein desillusionierter Autor wie Ruyslinck in Belgien immer ein treues Publikum gehabt hat. Die Darstellung der postkolonialen Problematik bzw. der speziellen Form der Fremdenfeindlichkeit in einem ehemals kolonialen Staat in den beiden Theaterstücken von De Boer, die in den neunziger Jahren in Stockholm gespielt wurdenGa naar voetnoot244, konnte die schwedischen Rezensenten ebensowenig engagieren wie die Anklage Ruyslincks gegen die Korruptionstendenzen in Belgien. In Schweden gibt es keine koloniale Vergangenheit, die zu bewältigen wäre, aber zwei Zuschauer waren auf der schwedischen Premiere von De Buddha van Ceylon von dem durch verzweifelte Wut diktierten sexuellen Realismus der Vorstellung dermaßen schockiert, dass sie den Saal verließen. Ein soziales Engagement spricht ebenfalls aus den zwischen 1951 und 1979 erfolgreich rezepierten acht Kinder- und Jugendbüchern von An Rutgers van der Loeff-Basenau. Sie leitete im Verlag Rabén & Sjögren mit De kinderkaravaan den seit den fünfziger Jahren anschwellenden Strom niederländischer Kinderliteratur in Schweden ein. Wie Vivi Edström in ihrer Gattungsübersicht des Kinderbuches [Edström 1982, 30] angibt, zeigt dieser spannende und sehr dramatische Roman eine auffällige Ähnlichkeit zu Laura Fitinghoffs (1848-1908) Klassiker Barnen från Frostmofjället (1907). Es ist gut möglich, dass es der Erfolg von Rutgers van der Loeff-Basenau war, der 1955 den Gleerup-Verlag zu der ziemlich verspäteten Introduktion des sozial-realistischen | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 176]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Kinderklassikers Afke's tiental (1903) von Nienke van HichtumGa naar voetnoot245 veranlasste, der Schilderung einer friesischen Arbeiterfamilie. Auch die Sehensweise auf die Rechte der Kinder hat sich im Laufe des 20. Jahrhunderts geändert, etwas was an der übersetzten Kinder- und Jugendliteratur abzulesen ist. Ein neues, Erwachsenen gegenüber selbstsicher auftretendes und denkendes Kind begegnet uns in den fünziger und sechziger Jahren bei der von Astrid Lindgren bei Rabén & Sjögren introduzierten Annie M.G. SchmidtGa naar voetnoot246, ein aufrührerisches, protestierendes Kind in den siebziger und achtziger Jahren bei Kuijer und Capteyn, und in den neunziger Jahren ein von der Erwachsenenwelt unverstandenes Kind bei Joke van Leeuwen und ein misshandeltes und missbrauchtes Kind bei Anne Provoost, Margriet Heymans und Anke de Vries. Diese Themen passten anscheinend auch in den jeweils in Schweden waltenden Trend der Kinderliteratur hinein. Weniger Verständnis fand sich für Annie M.G. Schmidts Tendenzroman gegen Umweltverschmutzung und Machmissbrauch Minoes, der 1989 von einigen Rezensenten nur als ein Buch über Katzen interpretiert wurde. Anscheinend war man blind für jede andere Tendenz außer der Vorherrschenden, und 1989 hieß die vorherrschende Tendenz Inzest! (Siehe S. 293). | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
10. AbenteuerDie Abenteuergattung wandte sich zunächst an jugendliche Leser. Um die Jahrhundertwende hatten zwei Jugendbücher die Abenteuer im wilden Westen (Van Balen) und am Kap (Penning) zum Thema. In den dreißiger Jahren konnte man sogar von einem Autorenerfolg reden, als die Abenteuerromane des fesselnden Erzählers Johan Fabricius übersetzt wurden. Zwischen 1934 und 1947 erschienen von Fabricius insgesamt elf | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 177]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Titel, dann endete mit der Autobiographie des Jahres 1957 die Rezeption neuer Titel, aber die bereits übersetzten wurden in mehreren Auflagen herausgegeben. Am erfolgreichsten war der historische Kolonial-und Seeroman für die Jugend De scheepsjongens van Bontekoe, dann kamen Eiland der demonen, Komedianten trokken voorbij, Melodie der verten und Kasteel in Karinthië. Fabricius enthusiastischer Rezensent in BLM, Thure Nyman, schätzte besonders seine Kapazität der Milieuschilderung, die er als ‘typisch holländisch’ bezeichnete, und er meinte, spezifisch für die niederländische Literatur sei es, eine couleur locale schaffen zu können. Die Hälfte der übersetzten Romane spielt in Italien, sonst liegt das Szenario in niederländisch Indien oder die Verwicklungen tragen sich während einer Reise zu. Nach Mario Ferrari (1936) wurde Nyman in seiner Wertung jedoch negativer.Ga naar voetnoot247 Vielleicht war es der Erfolg von De scheepsjongens van Bontekoe, der bewirkte, dass ein Jahr später plötzlich der alte, in seiner moralischen Tendenz an Emil i Lönneberga erinnerende Kinderklassiker aus dem Jahre 1891 Uit het leven van Dik Trom Übersetzt wurde.Ga naar voetnoot248 Überhaupt wurden nach 1936 plötzlich mehrere niederländische Kinder- und Jugendbücher übersetzt, bis der Strom in den fünfziger Jahren erst recht anschwoll (siehe die Übersicht auf S. 124f.). Sehr erfolgreich war ebenfalls De Hartogs Seefahrerroman Hollands glorie, von dem Forum 1944 zwei Auflagen drucken konnte. 1947 erschien dieselbe Übersetzung in Bonniers Bücherklubb, und Anfang der siebziger Jahre, als die niederländische Literatur durch die Anthologie Moderna holländska berättare (1968) und durch Bonniers Wolkersanthologie (1969) plötzlich aktuell geworden war, gab Forum wiederum neue Ausgaben von Hollands glorie und Stella heraus. Zu den Abenteuerbüchern kann man gegebenenfalls auch die Indianerbücher von Vater und Sohn Nowee zählen, von denen von 1967 bis 1988 so gut wie jedes Jahr ein neuer Titel übersetzt wurde oder eine | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 178]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
neue Auflage erschien, insgesamt fünfzehn Titel des Vaters Jan, vier Titel des Sohnes Paul und einer von beiden zusammen. Auch die Comics von Vandersteen (ab 1978 übersetzt) und Toonder befriedigen ein Bedürfnis nach Abenteuerschilderungen. Beide waren, wie wir bereits gesehen haben (S. 125), außerordentlich erfolgreich. Unter den Kriegsromanen (siehe unten) zeichnen sich besonders die in den vierziger und fünfziger Jahren übersetzten Seeromane von De Hartog durch ein starkes Abenteuerelement aus. | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
11. Krieg und KatastrophenMan kann sich fragen, weshalb Leser sich so gerne in Kriegserlebnisse und Katastrophen vertiefen. Die Gespräche mit den Studenten der Abteilung (siehe S. 203) bestätigten gewissermaßen meine Hypothese, dass eine Person, die selber weder Krieg noch Katastrophen durchgemacht hat, dennoch gerne wissen möchte, wie man unter widrigen Verhältnissen lebt und überlebt, um einigermaßen auf eine ähnliche Situation vorbereitet zu sein. Lesen hat immerhin eine Funktion des stellvertretenden und bearbeitenden Erlebens. Nach Bruno Bettelheim sollen Kinder als geistige Vorbereitung darauf, was einem im Leben begegnen kann, Märchen lesen.Ga naar voetnoot249 Der dahinterliegende Gedanke ist, dass, ‘wer vorgewarnt ist’, das Chaos besser ordnen und die Hexe überlisten kann. Im Übersetzungskorpus trifft man auf verschiedene Sorten von Kriegsthematik, erstens einer intellektuell analysierenden, zweitens einer abenteuerlichen und drittens einer abschreckend-rapportierenden. Zur ersten Sorte gehören Van Eedens nach dem 1. Weltkrieg übersetztes Drama De heks van Haarlem, in dem moralische Wahlsituationen, denen ein Mensch in Kriegszeiten ausgesetzt werden kann, analysiert werden, Pressers De nacht der girondijnen (üb. 1959) über das moralische Dilemma eines jüdischen Lagerkapos und Mulischs vierzig Jahre nach dem 2. Weltkrieg geschriebener und übersetzter - wie ein Drama konstruierter - Roman De aanslag, in welchem verschiedene Rollen, die ein Mensch während des zweiten Weltkrieges spielen konnte, präsentiert werden: die des Landverräters, des Opfers, des gutherzigen Feindes, des bösartigen Feindes und des Widerstandskämpfers: Wie in einem | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 179]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Detektivroman werden die Motive der Schuldigen aufgedeckt und erklärt. Beispiele der zweiten Sorte sind spannende Romane wie Van Lenneps historischer Roman De roos van Dekama (Grafenkriege des 14. Jhs.), Pennings Jugendbuch De helden van Zuid-Afrika (Burenkrieg), Van Balens De Zwarte Bison (Indianerkriege). Die Fliegerromantik im zweiten Weltkrieg brachte die Übersetzung der Erinnerungen des Fliegers Smirnoff, Smirnoff vertelt. Auch De Hartog verdankte einen Teil seiner Popularität der Aktualität des zweiten Weltkrieges. Seine Hochseeschlepperromane Stella und Mary wurden aber, nach den Rezensionen zu urteilen, vor allem der Spannung wegen geschätzt. In der ‘abschreckend-rapportierenden’ dritten Gruppe gibt es oft einen Aspekt der historischen Aktualität, es werden in realistischer Weise Grauen, Angst und Vernichtung geschildert; die Texte können als abschreckender Lesestoff in den Dienst der Friedensarbeit eingesetzt werden, manchmal nähern sie sich der Reportage. Der abschreckenden Funktion begegnete man bereits 1850 in Consciences sozial-realistischer Erzählung De loteling. Antikriegspropagandistisches Schrifttum kann man zu dieser Sorte zählen, z.B. Van Eedens Bij 't licht van de oorlogsvlam (üb. 1916) und - mit dem Vorbehalt des Autors (siehe S. 166) - ein Roman wie Couperus Wereldvrede. 1938 führte die Aktualität des spanischen Bürgerkrieges zu der Rezeption von Lasts In de loopgraven van Madrid. 2e serie Brieven van het Spaanse front. Nesnas Toen het vaderland riep (über die ersten fünf Tage des deutschen Angriffs bis zur niederländischen Kapitulation) wurde ein Jahr nach seinem Erscheinen in den Niederlanden (1940) übersetzt. Nora Basenau-Goemans Het oude huis en wij wurde 1943 nach der Einleitung zu urteilen als Zeichen der Solidarität mit dem okkupierten ‘Holland’ übersetzt. Die fünfziger Jahre brachten Anne Franks Het achterhuis (1953), mit seinen siebzehn Auflagen und/oder Neuausgaben und Bearbeitungen in Schweden das weitaus bekannteste niederländische Buch aller Zeiten in diesem Lande, ein Klassiker, der, wenn irgendwo ein Krieg wütet - wie im ehemaligen Jugoslavien -, immer wieder herangezogen wird, um das Leiden der unschuldigen Kinder zu symbolisieren, und in letzter Zeit auch dazu, um den Neonazismus und die Fremdenfeindlichkeit zu bekämpfen. Zu den entlarvenden Schilderungen des Kriegselends gehört ebenfalls Pressers De nacht der | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 180]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
girondijnen (siehe oben) und Marga Mincos Het bittere kruid und Een leeg huis (üb. 1962, 1967). Minco war die erste der Vijftigers, die in Buchform übersetzt wurde. Die Rezensionen bezeugen, dass die positive Rezeption der Romane erstens vom Thema (Kriegsschilderung), zweitens von ihrem literarischen Gehalt (Literazität) und drittens vom moralischen Aspekt bedingt war. Wie in den Niederlanden, gab es auch in Schweden Kritiker, die über das jüdische Talent jubelten, das den stumpfen Nazismus überlebt hatte.Ga naar voetnoot250 Die Schicksale der Kinder im Krieg ist das Thema der Jugendbücher von Visser und Clara Asscher-Pinkhoff. Die letztgenannte schilderte die Schicksale der jüdischen Jugend von den Konzentrationslagern bis hin zum Aufbau des Staates Israel. Der Kibbuzroman Tirtsa (üb. 1964) passte gut in die Reiseromantik der schwedischen Jugend der sechziger Jahre hinein (siehe Fußnote 209 auf S. 152). Der Krieg hatte bei allen niederländischen Nachkriegsautoren Spuren hinterlassen; die Rundfunkredakteurin Kerstin Axberger stellt fest, dass die Kriegsproblematik geradezu ein Kennzeichen der niederländischen Nachkriegsliteratur war.Ga naar voetnoot251 Das Thema kehrte in Wellen wieder. 1978 wurde Terlouws Jugendbuch Oorlogswinter übersetzt. In ihm überwiegt das Spannungselement. Anfang der achtziger Jahre übersetzte man Etty Hillesums Het verstoorde leven, Ende der achtziger Jahre Mulischs de aanslag und Oberskis Kinderjaren, in dem der Greuel der Konzentrationslager aus der Perspektive eines kleinen Kindes geschildert wird. In den neunziger Jahren ebbte das Thema ‘Krieg in den Niederlanden’ ab und wurde von den flämischen Kriegsschilderungen von Claus und Van Paemel ersetzt. Das Tagebuch der Anne Frank und Biographien über sie wurden allerdings anlässlich der Geschehnisse in Bosnien wieder aufgegriffen.Ga naar voetnoot252 Der Krieg in Jugoslawien führte auch zu | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 181]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Rundfunksendungen und Schultheatervorstellungen von Ad de BontsGa naar voetnoot253 Mirad, een jongen uit Bosnië. Romane, die die sogenannte Problematik der zweiten Generation, die der Kinder der Opfer und der Henker behandeln, wurden bis jetzt noch nicht aus dem Niederländischen übersetzt. Die Überschwemmungskatastrophe des Jahres 1953 in der Provinz Zeeland führte zur Übersetzung des Jugendbuches Een helikopter daalde (Aleid van Rhijn, üb. 1956), der Reportage De kleine ark von De Hartog (üb. 1954) und später - gleichzeitig mit dem Jugendkriegsroman Oorlogswinter - des Jugendbuches Oosterschelde: Windkracht 10 (üb. 1978) von Terlouw. | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
12. Kriminalroman und Thriller.In den zwanziger Jahren wurde in Schweden der Kriminalroman so populär, dass man ihn, wie ehemals den historischen Roman, aus dem Ausland importieren musste um der Nachfrage gerecht zu werden [Den svenska litteraturen IV, 261 ff.]. So wurden aus dem Niederländischen zwischen 1925 und 1929 neun Titel aus der Geoffrey Gillserie von Ivans (eig. Van Shevichaven, 1886-1935) übersetzt; ein später Nachzügler erschien 1943, als Geber für die Romanserie Hög spänning (‘Hochspannung’) geeignete Titel suchte und sich anscheinend an den Erfolg der zwanziger Jahre erinnerte. Dann dauerte es bis in die siebziger Jahre, bevor man einen neuen Kriminalautor entdeckte. Von Van de Wetering (* 1931) wurden 1976-1985 fünf Titel übersetzt.Ga naar voetnoot254 Großen Erfolg hatten in den achtziger und neunziger Jahren die Gattungshybriden De kroongetuige und Het woeden der gehele wereld von 't Hart sowie Het gouden ei von Krabbé. Die beiden letztgenannten Romane bekamen 1993 (Het gouden ei) bez. 1994 (Het woeden der gehele wereld) von Svenska Deckarakademien (der schwedischen Detektivroman-Akademie) die Auszeichnung ‘bester übersetzter ausländischer | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 182]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Detektivroman’. De kroongetuige wurde in Schweden verfilmt (siehe S. 270) und sowohl De kroongetuige wie Het woeden der gehele wereld wurden als Hörspielreihe gesendet (siehe S. 271). | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
13. Der FamilienromanIn den kombinierten Familien- Mädchen- und Frauenromanen von Jo van Ammers-Küller (1884-1966), von der 1930-1936 fünf Romane übersetzt wurden, wird eine traditionelle Frauenrolle propagiert. Zwar schrieb Marika Stiernstedt in ihrem Vorwort zu De appel en Eva, dass in diesem unterhaltenden Roman die Modernitätsproblematik berührt werde, aber Annie Romein-Verschoor rechnete Jo van Ammers-Küller zu den Autorinnen, die eher die Nachteile der Frauenemanzipation illustrierten. Darin kann man ihr nur zustimmen. Die Autorin lässt ihre Heldinnen zwar am Anfang der Romane gegen die Unterdrückung ihrer Emanzipationswünsche kämpfen, aber beweist am Schluß immer wieder, dass es besser gewesen wäre, wenn sie die traditionelle Frauenrolle nicht verlassen hätten. Sie wurde weder in BLM noch in Studiekamraten rezensiert, fand aber trotzdem den Weg zum Publikum. Als nach 1936 von Van Ammers-Küller keine neuen Titel mehr herausgegeben wurden - von Maskerade erschienen jedoch 1937 und 1939 neue Auflagen -, wurde sie im Norstedt-Verlag von Ina Boudier Bakker abgelöst, von der 1937-1943 vier Romane übersetzt wurden. De klop op de deur trägt im schwedischen Untertitel die Inhaltsankündigung ‘Familienroman aus Amsterdam’ und wurde von dem enthusiastischen Kritiker niederländischer Literatur in BLM, Thure Nyman, übersetzt. Der Verlag Fahlcrantz & Gumaelius traf 1940 eine triviale Wahl mit der Lancierung der, wie die Seifenserie Dallas, in der Geschäftswelt sich abspielenden Romane des KLM-Direktors Martin (1886-1964).Ga naar voetnoot255 Der erste Titel, Getijden, war mit vier Auflagen (1940, 1941, 1942 und 1947) ein Verkaufserfolg. Bis 1965 erschien fast jedes Jahr ein neuer Titel von Martin, der also nach den Comic-Autoren Vandersteen und Toonder und der so gut wie anonymen Autorin der Regenboogboekjes, zusammen mit den beiden Indianerbuchautoren Nowee der am meisten übersetzte niederländische Autor ist (siehe S. 125). | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 183]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
14. SexualaufklärungDie schwedische Entwicklung auf dem Gebiet der Sexualaufklärung spiegelt sich fast exemplarisch in den Übersetzungen aus dem Niederländischen wider. Mit dem Roman Vrouwenarts des Frauenarztes Van Arkel Zegwaard, eingeleitet vom Arzt Sigurd Elvin, wurde 1949 ein Versuch unternommen, die Jugend durch einsichtsvolle Aufklärung in Familienangelegenheiten vor dem verderblichen Einfluss erfahrerner, gleichaltriger Kameraden zu behüten. Es blieb bei einer Auflage. Größeren Erfolg hatte Aalberse 1964 und 1965 mit De liefde van Bob en Daphne 1 und 2; von diesen aufklärerischen Jugendpornoromanen wurden nämlich gleich im ersten Jahr neue Auflagen gedruckt. Als 1966 der dritte Teil erschien, hatte das Publikum jedoch genug bekommen. Es blieb bei einer Auflage. Möglicherweise wurde der Bedarf an fröhlicher Pornografie durch die einheimische Produktion der sechziger Jahre hinreichend gedeckt. In den Niederlanden wurde der dritte Teil verboten, da er inzestuöse Elemente enthielt.
Wir haben konstatieren können, dass das schwedische Publikum im 19. Jahrhundert in der niederländischen Literatur vor allen Dingen Unterhaltung und Belehrung gesucht hat: Man las über das Leben in den Niederlanden und Flandern (Van Lennep, Conscience), man importierte sowohl vor wie nach der Jahrhundertwende aus den Niederlanden hauptsächlich konservative Frauenliteratur (z.B. Bosboom-Toussaint und Van Ammers-Küller), man zeigte ein Interesse für das Leben in den Kolonien, das einerseits einen moralischen Aspekt hatte, andererseits aber vom Hang nach dem exotischen Abenteuer geprägt war (Multauli und Székely-Lulofs), man orientierte sich in der niederländischen Literatur über die verschiedenen Aspekte des Krieges (Van Eeden, Huizinga, Frank) und man las niederländische religiöse Literatur. Nach dieser Übersicht über die vom Publikum begehrten Themen möchte ich mich dem Begriff der Literazität zuwenden und darlegen, wann und inwieweit der qualitative Aspekt der niederländischen Literatur aktualisiert worden ist. Man kann sich fragen, ob es richtig ist, die Literazität auf der selben Ebene wie die Themen zu behandeln, es handelt sich immerhin um unvergleichliche Größen. Es handelt sich aber zugleich auch um ein belletristisches Produkt, das, wie die oben beschriebenen, auf ein gewisses Publikum zielt, nämlich auf die | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 184]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
verhältnismäßig kleine Schicht der belletristischen Feinschmecker, der Literaturkritiker, der Intellektuellen. | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
15. LiterazitätLiterazität ist ein Begriff, der in Schweden erst um die Jahrhundertwende mit der niederländischen Literatur verbunden wurde. Die ziemlich erfolgreichen Autoren Van Lennep und Conscience, die heute zur Qualitätsgruppe A gerechnet werden, wurden als Unterhaltung übersetzt und Bosboom-Toussaint wegen der Aktualität ihres Majoor Frans in der Diskussion über die Stellung der Frau. Das Aktualitätskriterium galt, wie wir gesehen haben, ebenfalls für Couperus, auch wenn dieser gleichzeitig für seine psychologische Schilderung gerühmt wurde. Selbst Multatuli wurde in erster Linie wohl auf Grund der Exotik und der TendenzGa naar voetnoot256 in Max Havelaar übersetzt. So wenig formbewusst (‘literazisch’ bewusst) war man bei der Introduktion des Romans, dass seine Darstellung sogar gekürzt wurde. Levertin sprach in seiner Präsentation vor allen Dingen über die Persönlichkeit und moralische Empörung des Autors. Durch die Publikation in der Weltliteraturserie des Verlags Natur & KulturGa naar voetnoot257 und durch das Vorwort des führenden Kritikers der schwedischen Moderne Artur Lundkvist in jener Ausgabe wurde das Buch 1945 in Schweden in den literarischen Übersetzungskanon aufgenommen, aber es handelte sich immer noch in erster Linie um einen ‘moralische Kanon’, obwohl die literarische Dimension des Romans durch die Lancierung via Lundkvist nun stärker hervortrat. Als ich 1979, im damaligen antikolonialistischen Aufnahmeklima eine neue Übersetzung vorschlug, war der Herausgeber leicht davon zu überzeugen, dass man das Werk jetzt als literarisches Kunstwerk respektieren müsse und folglich von der ursprünglichen Version Dekkers ausgehen sollte, d.h. ohne Van Lenneps politisch bedingte Streichungen und die populistische Kürzung der ersten Übersetzung. Herausgeber war der qualitätsbewusste Kjell Peterson im Verlag Atlantis, der das Werk in seine Klassikerserie aufnahm. Auf Anregung des Direktors der Stichting voor vertalingen, Joost de Wit, | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 185]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
wurde D.H. Lawrences klassische Einleitung zur englischen Übersetzung ins Schwedische übersetzt und der neuen Ausgabe beigefügt. Der erste, der in Schweden einen Versuch der formbewussten Bewertung des literarischen Gehalts der niederländischen Literatur machte, war Arnold Norlind. Er übersetzte, wie wir gesehen haben (S. 148), 1906 ein paar Gedichte der Tachtiger, und er schrieb die Gutachten für das Nobelkomitee (S. 102ff.). Von den für den Nobelpreis vorgeschlagenen Autoren wurden von Van Eeden, Timmermans und Huizinga mehrere Werke, von Van Schendel jedoch nur ein einziger Titel, von Buysse nur ein Zeitungsbeitrag und von Streuvels und Teirlinck überhaupt nichts übersetzt. Von Kloos fand ich nur den Zeitungsbeitrag Norlinds. Erst viel später (1944) sollten er und die anderen Tachtiger in Muusses' Anthologie erscheinen (siehe unten). Die Verlage zeigten also, neben der Suche nach niederländischem Lesefutter für ein größeres Publikum, lange nur einen sehr schwachen Ehrgeiz, das literarische anspruchsvolle Publikum zu befriedigen, vielleicht sogar einen Nobelpreisträger zu lancieren. Hans Reutercrona folgte Norlind anfänglich in der Suche nach niederländischer Spitzenliteratur, er schrieb nach Norlinds Tod die Gutachten für das Nobelkomitee, übersetzte in den zwanziger Jahren u.a. Huizinga und A.M. de Jong, widmete sich dann aber in den dreißiger und vierziger Jahren Unterhaltungsautoren wie Fabricius und De Hartog. Erst der Niederländerin Muusses gelang es, in den vierziger Jahren, das schwedische literarische establishment durch Übersetzungen und Literaturübersichten davon zu überzeugen, dass die niederländische Literatur nicht nur aus Abenteuer-, Heimat- und Damenromanen bestand, sondern dass auf Niederländisch auch Poesie geschrieben wurde. Ihre Arbeit hatte, wie wir in den Abschnitten 2.2. und 2.3. konstatieren konnten, zur Folge, dass die Information über niederländische Literatur in Nachschlagewerken und Literaturgeschichten reichhaltiger wurde. Ihre Vermittlungsarbeit wurde fortgesetzt von Sonja Berg-Pleijel, die 1955 als Übersetzerin des Kinderklassikers Afke 's tiental debütiert hatte und die es in den sechziger Jahren zusammen mit dem Ehepaar Törnqvist als ihre Aufgabe sah, in Zeitschriften, Anthologien und in Buchform denkbare Nobelpreiskandidaten zu lancieren (siehe Abschnitt 2.4.). So übersetzten Sonja Berg Pleijel und Marguérite Törnqvist u.a. Vestdijk, Mulisch, Wolkers und Hermans, von denen Wolkers als einziger auch | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 186]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
beim Publikum Erfolg hatte. Hermans Rezeption scheiterte u.a. daran, dass seine Symbolik nicht verstanden wurde.Ga naar voetnoot258 Sybren Polet debütierte dank dem schwedischen Autor Anderz Harning und der Professorin Amy van Marken 1964 in einer Zeitschrift, seine Romane (1965 und 1966) waren für das Publikum jedoch zu experimentell. Die Bemühungen um die Qualitätsprosa wurden in den sechziger und siebziger Jahren von den Radiomitarbeiterinnen Kerstin Axberger und Sonja Carlberg unterstützt. Die Anthologien Med andra ögon (1968) und Moderna holländska berättare (1969) schlossen an die Tradition von Martha Muusses Landvinning (1944) an. Ähnliche Anthologien erschienen übrigens in den sechziger und siebziger Jahren auch in Norwegen (K. Langvik-Johannessen, 1969 und 1976) und Dänemark (Clara und H.H. Hammerich, 1973), so dass man von einer internationalen Tendenz sprechen kann, die größtenteils mit der finanziellen Unterstützung für Übersetzungen, die von der Stichting voor Vertalingen (siehe S. 92, Fußnote 138) erteilt wurde, zu erklären ist.Ga naar voetnoot259 In den siebziger Jahren arbeiteten verschiedene Kräfte für das gemeinsame Ziel, nun endlich einen niederländischen Nobelpreisträger zu lancieren. Die Skandinavistikprofessin Amy van Marken in Groningen und ihr Kollege Alex Bolckmans in Gent präsentierten in den führenden Literaturzeitschriften Artes - der neuen Zeitschrift der Svenska Akademin - und Ord och Bild Übersichten über die niederländische Qualitätsliteratur, und es wurden von verschiedenen Übersetzern Boon, Gijsen, Wolkers, Geeraerts, Lampo und Vandeloo übersetzt. Damit wurde übrigens auch der Rückstand der Übersetzungen flämischer Literatur eingeholt, denn, wie wir gesehen haben, waren in der ganzen Periode von 1838 bis 1970 (132 Jahre) im Ganzen nur 12 flämische Werke übersetzt worden, während es in den neun Jahren von 1970 bis 1979 - abgesehen von den 74 Comic-Titeln! - ebenfalls 12 waren (S. 124f.). | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 187]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
In den sechziger und siebziger Jahren vollzog sich infolgedessen, wie wir in der vorigen Abschnitten konstatieren konnten, eine Umgestaltung im Übersetzungskorpus: In den fünfziger Jahren betrug der Anteil der Qualitätsgruppen A und B etwa 20%, in den sechziger Jahren 50% und in den siebziger Jahren 75% der belletristischen Übersetzungen aus dem Niederländischen.Ga naar voetnoot260 Die Konzentrierung auf die Qualitätsliteratur hielt in den achtziger und neunziger Jahren an, wuchs sogar auf so gut wie 100% an.Ga naar voetnoot261 Der Übersetzer Per Holmer arbeitete unermüdlich an der Introduktion und Übertragung von formbewussten Autoren wie z.B. Claus, Bernlef und Van Paemel. An der niederländischen Abteilung der Universität wurden von der Universitätslektorin und Übersetzerin Ingrid Wikén Bonde die begabtesten Studenten im literarischen Übersetzen ausgebildet (siehe S. 194). So konnten die Verlage weitere Qualitätsromane herausgeben, die sonst mangels eines guten Übersetzers nicht übersetzt worden wären.Ga naar voetnoot262 Die Introduktion moderner niederländischer Lyrik wurde von dem Team Lasse Söderberg, Sonja Berg Pleijel, Per Holmer und Eva Runefelt fortgesetzt in Zeitungen und Zeitschriften und in Zusammenarbeit mit kleinen Qualitätsverlagen. Verkaufserfolge und neue Auflagen kamen allerdings weniger vor als in den dreißiger und vierziger Jahren, da das interessierte Publikum nicht mehr so groß ist. Nur von Claus' Het verdriet van België druckte der Verlag nach der vielen Publizität für diesen Autor (siehe Kapitel 4) außer den ersten 3000 Exemplaren (1992) 1993 noch weitere 2000 Exemplare, von Krabbés Thriller Het gouden ei, Wolkers Turks fruit und 't Harts De kroongetuige erschienen je drei gedruckte Ausgaben (und eine TPB-Ausgabe), von Mulischs De aanslag zwei Ausgaben (und eine TPB-Ausgabe). Außerdem wurde 't Harts De kroongetuige in Schweden verfilmt. Der schwedische Rundfunk sendete De kroongetuige und Het woeden der gehele wereld von 't Hart als Fortsetzungsromane. Sowohl Krabbés Het gouden ei als 't Harts Het woeden der gehele wereld wurden von der schwedischen Detektivromanakademie zum besten übersetzten | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 188]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Detektivroman des Jahres gewählt. Es sieht so aus, als sei es den unterhaltenden Hybriden (Thriller/Kriminalroman-psychologscher Roman) der niederländischen Literatur der achziger und neunziger Jahre gelungen, sich einen Platz sowohl unter Lesern wie auch unter Kritikern zu erobern. Die finanzielle Unterstützung der Verlage durch die Stichting ter bevordering van de vertaling van Nederlandstalig literair werk (1953 gegründet, meistens kurz Stichting voor vertalingen genannt, 1991 durch den Nederlands literair Productie- en Vertalingenfonds und der Abteilung für Kunst am flämischen Kulturministerium ersetzt) führte zu weit mehr Übersetzungen, als es sonst der Fall gewesen wäre. Diese Institution und ihre Nachfolger informierten die Verlage, schützten sie vor den ökonomischen Folgen eines FehlschlagsGa naar voetnoot263 und trugen dadurch zu einem wahren Sinterklaasfeest für Kritiker bei. Als die niederländische Literatur 1993 Thema der Frankfurter Buchmesse wurde, lenkte dies das Interesse einflussreicher deutscher Kritiker wie z.B. Marcel Reich Ranicki auf die niederländische Literatur, was im unmittelbaren Anschluss daran zu einem enthusiastischen Echo bei schwedischen Kritikern (u.a. Lars Olof Franzén über Nooteboom) führte. Im Frühling 1997 fand in Stockholm ein Übersetzerworkshop für skandinavische Übersetzer niederländischer Literatur statt, und im Herbst 1997 wird die niederländische (Qualitäts-) Literatur das Thema der Buchmesse in Göteborg sein. Hinter beiden Unternehmen stehen die oben vorgestellten, staatlichen Instanzen in den Niederlanden und Flandern.
Nachdem wir in dieser Weise konstatiert haben, welche Produkte man aus dem niederländischen Kulturraum nach Schweden importiert hat und aus welchen Gründen, wende ich mich einem Teil der sprachlichen Vermittler zu, um zu ergründen, was sie zu ihrer Vermittlerrolle getrieben hat. | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
3.5.2. Wer waren die Übersetzer, und was wollten sie?Die Verlage verwenden oft den Übersetzer als Lektor. Wenn der Übersetzer/Lektor ein Buch nicht übersetzen möchte, wird der Verlag | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 189]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
stutzig. Die Entscheidung liegt letzten Endes natürlich beim ökonomisch verantwortlichen Verlag, aber trotzdem hat der Übersetzer einen gewissen Einfluss. Dieser Einfluss variiert, aber die Verlage wissen, dass die besten Übersetzungen zustandekommen, wenn die Übersetzer irgendeine spezielle Affinität zu den Werken, die sie übersetzen, haben. Es ist schwer, etwas über Übersetzer zu erfahren, da sie meistens nicht in Nachschlagewerken stehen. Ich habe jedoch versucht, etwas über die Vermittler zu erfahren, die entweder sehr viele Titel übersetzt haben, oder sonst zur Verbreitung beigetragen haben (siehe S. 137).Ga naar voetnoot264 Hans Reutercronas (1893-1945)Ga naar voetnoot265 erste Übersetzung (1927) war Huizingas Herfsttij der middeleeuwen. Er arbeitete seit 1921 beim Norstedt-Verlag, wo er seit 1928 der Lexikonabteilung vorstand. Nachdem Norlind gestorben war, schrieb er für das Nobelkomitee die Gutachten über Timmermans, Arthur van Schendel und Johan HuizingaGa naar voetnoot266 (siehe Abschnitt 2.7.). Nach der Huizinga-Übersetzung folgten De Jongs Merijntje Gijzen's jeugd I und II, und schließlich widmete sich Reutercrona den unterhaltenden Abenteuerromanen von Fabricius (fünf Titel), die bei Norstedt, wo er arbeitete, herausgegeben wurden. Er übersetzte auch De Hartogs erfolgreichen Seefahrerroman Hollands glorie (vier Auflagen!). Es handelt sich in diesem Fall um einen Übersetzer, der seine Kenntnis der Sprache einem akademischen Studium verdankt. Wir haben gesehen (S. 25ff.), dass man seit 1910 über eine niederländische Sprachlehre mit literarischen Texten für den akademischen Unterricht verfügte, und der Uppsalaprofessor Psilander verfasste in Nachschlagewerken Artikel über niederländische Literatur. Psilanders Frau, Signe Psilander, übersetzte 1936 Huizingas In de schaduwen van morgen. Eine Diskussion über einen eventuellen literarischen Nobelpreis war unter den Akademikern wohl unvermeidlich. Dass Reutercrona später Unterhaltungsliteratur übersetzte, lag womöglich daran, dass er in erster Linie Sprachwissenschaftler war und deshalb ein nachsichtigeres literarisches Gewissen hatte als etwa der Literaturkritiker Menno ter Braak (siehe S. | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 190]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
71). Möglicherweise gönnte er auch ‘seinem’ Verlag den Verkaufserfolg. Der Norstedt-Verlag introduzierte Fabricius 1934, ein Jahr nachdem man Saima Fultons (1897-1973) sehr erfolgreiche Übersetzung von Székely-Lulofs Rubber herausgegeben hatte. Saima Fultons TochterGa naar voetnoot267 kam anläßlich der Übersetzertätigkeit ihrer Mutter darauf zu sprechen dass es Berufe gibt, auf die die Leute herabsehen. Saima Fulton war Lehrerin und hatte 1925-1928 mit ihrem Gatten, der auf einer Gummiplantage arbeitete, auf Sumatra gewohnt, wo sie Niederländisch gelernt hatte. Im Jahre 1928 waren sie und ihr Mann nach Schweden zurückgekehrt, wo sie als Nebenverdienst übersetzten. Nach dem Tode des Mannes 1937 setzte Saima Fulton die Übersetzertätigkeit alleine fort. Sie übersetzte außer Székely-Lulofs vor allem An Rutgers van der Loeff-Basenau, Annie M.G. Schmidt, Fabricius und Martin, also Kinder- und Jugendliteratur und Unterhaltung. Am schwersten war es, fand Saima Fulton, Martin zu übersetzen, weil er so viel Fachterminologie verwendete. ‘Es gab bei ihm immer so viele spezielle Berufe’. Das Übersetzen war sehr ermüdend und schlecht bezahlt. Ich meine aber, dass sie durch die Kolonialromane, die sie übersetzte, die Erinnerung an ihre Jahre in den Tropen lebendig erhalten konnte. Auch bei Ingrid Rääf (1884-1964) stimmt der persönliche Hintergrund sehr gut mit der Wahl der übersetzten Autoren überein, sie übersetzte nämlich acht Heimatromane von H.J. van Nijnatten-Doffegnies [auf schwedisch Nynatten], und sie war, wie ihr Sohn Peder Ulf Rääf (* 1918)Ga naar voetnoot268 mir erzählte, auf dem Landgut Hägerstalund in Barkarby geboren. Auch sie war Lehrerin. Sie übersetzte aus dem Deutschen, Französischen, Englischen, Dänischen, Norwegischen und Niederländischen. Wie sie Niederländisch gelernt hatte, wusste der Sohn nicht, ‘sie kannte Leute’. ‘Die Arbeit war unverschämt schlecht bezahlt.’ Durch Bemittlung eines Freundes konnte sie für Natur & Kultur übersetzen. Ingrid Rääf las sehr gerne und hörte gerne ‘Theaterstücke im Radio und im Fernsehen’. Vestdijk zu übersetzen empfand sie als schwierig. ‘Am schwersten’, sagt der Sohn ‘sie nahm es ja mit dem Sprachlichen so ernst’. Sie übersetzte keineswegs nur Heimatromane. | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 191]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Ihre erste Übersetzung war Anne de Vries' psychologischer Roman über den Bauernjungen Bartje, von dem drei Auflagen erschienen. Von De Vries übersetzte sie noch weitere zwei Titel, ferner u.a. Een mensch van goeden wil von Walschap, De kleine Rudolf von Van der Leeuw, Erasmus von Huizinga und 1960 den antikolonialistischen Roman De nikkers von Van Aken, der bei Tiden, im Verlag der Arbeiterbewegung, erschien. Auch Sonja Berg Pleijel (1909-1996)Ga naar voetnoot269 übersetzte am liebsten Bücher, durch die sie sich in ihre Jugendjahre zurückversetzen konnte. Ihre Tochter, die Autorin Agneta Pleijel, hat sich in einem ihrer Romane (schw. Vindspejare, 1987, ‘Die Windspäher’) von der Familiengeschichte inspirieren lassen. Sonja Berg Pleijel wurde auf Java geboren. Der Vater war ein schwedischer Kaufmann, die Mutter Niederländerin javanischer Abstammung. Als sie 13 Jahre alt war, ließ sich die Familie in Stockholm nieder. Sie studierte Literaturgeschichte, Schwedisch und Französisch und bildete sich als Musikpädagogin und Pianistin aus. Von 1958 bis zu ihrer Pensionierung 1974 arbeitete sie am Bibliothekstjänst. In der Periode 1968-1976 stellte sie für Utlandsspegeln, einer Informationsschrift für die schwedischen Volksbibliotheken, Listen mit niederländischer Literatur zusammen, auf denen die Bibliotheken ihre Einkäufe der Bücher in niederländischer Sprache gründeten. Seit 1955 übersetzte sie aus dem Niederländischen, Französischen, Deutschen und Englischen. 1971 erschien ihr erstes eigenes Jugendbuch. In Studiekamraten und in BLM schrieb sie Artikel über Niederländisch-Indien und über niederländische Literatur. Auch ihre vier Jugendbücher spielen in tropischer Umgebung. Sie trat ebenfalls als Verlagslektorin in Sachen niederländische Literatur auf. Das erste Buch, das sie übersetzte, war Nienke van Hichtums Klassiker Afke's tiental. Es folgten insgesamt fünfzehn Kinder- und Jugendbücher bei Natur & Kultur, Bergh und Gleerup und zwölf Werke für Erwachsene, u.a. von Vestdijk, Wolkers und Boon. In Zeitschriften übersetzte sie u.a. Achterberg, Boon und Mulisch. Am liebsten übersetzte Sonja Berg Pleijel Literatur, die sich auf das Land ihrer Kindheit, Niederländisch-Indien, bezog (z.B. Brouwers | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 192]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Bezonken rood). Sie erklärte mir einmal halb ernsthaft, halb scherzhaft, sie könne mir kaum verzeihen, dass ich die neue Multatuli-Übersetzung (1979) gemacht hätte. Erstaunlich ist es, dass sie noch im Alter von 68 Jahren zum ersten Mal Wolkers übersetzte. Sonja und ich waren uns darüber einig, dass guterzogene Mädchen wie wir mit dem intimen Vokabular dieses Autors etwas Mühe hatten. Sonja erzählte, dass sie dabei viel Nutzen von ihren Enkelkindern hatte: ‘Ich frage sie, ob sie noch ein Wort wissen für “Hintern” und da jubeln sie und rufen eine ganze Reihe von Synonymen.’ Lasse Söderberg und Sonja Berg Pleijel arbeiteten zusammen an der Vijftiger-Nummer von Tärningskastet und an der Lucebert-Anthologie Dubbel metamorfos (1988). Marguérite Törnqvist (heute: Verschuur, * 1935)Ga naar voetnoot270 studierte Skandinavistik in Amsterdam und kam 1958 nach Uppsala, wo sie den Literaturwissenschaftler Egil Törnqvist heiratete, der 1969 Professor für Skandinavistik an der Universiteit van Amsterdam wurde. Wir haben gesehen, dass Egil Törnqvist zusammen mit Sonja Berg Pleijel 1965 in BLM für niederländische Qualitätsliteratur Reklame machte. In derselben Nummer standen Marguérite Törnqvists Übersetzungen von Vestdijks Het veer und Wolkers Vivisectie. 1969 übersetzte sie für die Anthologien Moderna holländska berättare und Den ryslige snögubben och andra noveller Novellen von Vestdijk, Hermans, Van het Reve, Mulisch, Wolkers und Hamelink. Beide Anthologien wurden von Sven Delblanc eingeleitet. 1970 introduzierte sie in BLM den später als Nobelpreiskandidaten vorgestellten Boon. Im selben Jahr kehrte sie aber in die Niederlande zurück und begann, aus dem Schwedischen zu übersetzen. Es muss die junge Niederländerin schockiert haben, als sie bei ihrer Ankunft in Schweden konstatieren musste, wie unbekannt die niederländische Literatur war, obwohl sie in ihrem Ursprungsland gerade eine Blütezeit erlebte. Dass sie das Glück hatte, in Uppsala mit Delblanc in Kontakt zu kommen, war gleichzeitig ein Glück für die niederländische Literatur. So lösten sie und Sonja Berg Pleijel im rechten Augenblick Martha A. Muusses ab, die der Nachkriegsliteratur eher abwartend gegenüberstand. | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 193]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Brita Dahlman (1911-1980)Ga naar voetnoot271 studierte nach ihrem Abitur am Handelsinstitut Schartau in Stockholm, danach ein Jahr an der Sorbonne in Paris und fuhr dann nach England. Nach ihrer Heimkehr schrieb sie Reportagen, führte Interviews für die Abendzeitung Nya Dagligt Allehanda durch und redigierte ausländische Fortsetzungsromane (einfache Unterhaltungsliteratur) für Wochenzeitungen. 1953-1961 wohnte sie in Den Haag, wo ihr Gatte schwedischer Botschafter war. Dort lernte sie Niederländisch und fing mit ihrer ersten Hermans-Übersetzung an, die 1962 bei Norstedt erschien. Der Verlagsdirektor Ragnar Svanström war ein alter Studienfreund ihres Ehemannes, der mit einer in der vorhergehenden Generation eingewanderten Niederländerin verheiratet war. Von den Autoren, die sie übersetzt hatte, gefiel ihr Hermans am besten: Er war der spannendste, aber ein bisschen schwierig. Vestdijk war ja Nobelpreiskandidat, sein Rumeiland war gut, aber Hermans war spannender. Brita Dahlman hat im Ganzen etwa vierzig Titel übersetzt, davon elf aus dem Niederländischen: Hermans, Vestdijk, Wolkers, Van de Wetering, Gijsen, Lampo und Hillesum. Ich kann mich persönlich daran erinnern, dass sie - Dame und Botschaftergattin - über den sexualfixierten WolkersGa naar voetnoot272 lachen musste, etwas, was ihr vom Verlag übelgenommen wurde.Ga naar voetnoot273 Statt dessen übersetzte sie später für Coeckelbergh Gijsen, der einer älteren Generation angehörte und weniger provokativ war. Ingrid Wikén Bonde (* 1943 in Uppsala) wohnte 1957-1962 in den Niederlanden, wo sie an einem niederländischen Gymnasium das Abitur machte. In der Familie wurde Schwedisch gesprochen. Sie studierte Deutsch, Französisch, Niederländisch und Schwedisch in Stockholm, an der Sorbonne, in Amsterdam (UVA, Niederlande) und Löwen (Flandern). Seit 1967 unterrichtete sie Niederländisch an der Universität von Stockholm. In Boons desillusioniert-humoristisch-anarchistischem | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 194]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Roman De kapellekensbaan (ihre erste Übersetzung 1975) fand sie ihre eigene Lebenshaltung ausgedrückt. Durch die Rezensionen, die auf die Übersetzung folgten, und in denen viele Kritiker einen Nobelpreis für Boon befürworteten, sah sie ein, dass man durch Übersetzungen ein größeres Publikum erreichen konnte als im akademischen Unterricht. In den siebziger Jahren gab es plötzlich fast keine Übersetzer mehr: Reutercrona, Saima Fulton, Ingrid Rääf und Martha Muusses waren nicht länger aktiv, und Marguérite Törnqvist widmete sich in den Niederlanden dem Übersetzen aus dem Schwedischen. Es blieben Sonja Berg Pleijel, Brita Dahlman und Ingrid Wikén Bonde übrig. Deshalb versuchte sie, auch nachdem sie eine ganztätige Anstellung als universitetslektor (‘akademische Rätin’) für Niederländisch bekommen hatte, in der Freizeit ihre Übersetzertätigkeit fortzusetzen. Insgesamt übersetzte sie zwischen 1975 und 1994 zwölf Werke aus dem Niederländischen. Da sie aber einsah, dass es eines Nachwuchses bedurfte, entschloss sie sich, im Rahmen ihrer Unterrichtstätigkeit eine Übersetzerausbildung für begabte Übersetzertalente unter den Studenten einzurichten. Die Seminararbeit im dritten, vierten und fünften Semester konnte in Form einer Übersetzung mit wissenschaftlichem Kommentar der bei der Arbeit sich ergebenden Übersetzungsproblematik geschrieben werden.Ga naar voetnoot274 Die Texte wurden von der Seminarleiterin Wort für Wort nachgeprüft, da Wikén Bonde den Verlagen gegenüber die Verantwortung für das eingelieferte Manuskript übernommen hatte.Ga naar voetnoot275 Die Diskussion mit den Studenten stellte sie der Arbeit in einer Werkstatt gleich, in der eine Handwerkerin Lehrlinge ausbildet. Für literarisches Übersetzen gibt es kein Lehrerdiplom, dagegen galten ihr der | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 195]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Übersetzerpreis des Flämischen Kulturministeriums (1978), der Martinus Nijhoffpreis (1979) und ein Übersetzerpreis des schwedischen Schriftstellerverbandes (1980) als Diplome im literarischen Feld und die Beurteilungen der Kritiker in Rezensionen als Beweis, dass sie immer noch befugt war, als ‘Dozentin für literarisches Übersetzen’ aufzutreten. In dieser Weise entstanden siebzehn Übersetzungen aus dem Niederländischen, von welchen sechzehn von den Verlagen herausgegeben wurden.Ga naar voetnoot276 Für die Studenten bedeutete dies, dass sie durch die Publikation ihrer Übersetzung bei einer eventuellen Arbeitssuche eine zusätzliche Qualifikation vorlegen konnten und dass sie vielleicht noch ein Studiensemester finanzieren konnten, zum Beispiel als ERASMUS-Austauschstudenten.Ga naar voetnoot277 Es gab auch Studenten, die sie den Verlagen als Übersetzer empfehlen konnte, ohne dass sie sich durch eine von ihr bearbeiteten Übersetzung bewährt hatten. Das betraf z.B. Ingegerd Kvist und den Wolkersübersetzer Torbjörn Wessner. Einige vormalige Studenten fanden auch ohne ihre Vermittlung den Weg zu den Verlagen (z.B. Anne Marie Landtblom und Cecilia Hansson). Um den in dieser Weise ausgebildeten Übersetzern die Chance zu geben, sich auf dem Übersetzermarkt ohne Konkurrenz ihrerseits eine Position zu erwerben, hat sie die Übersetzungswerkstatt ab 1995 aufgehoben und übersetzt auch selber nicht mehr aus dem Niederländischen. Ob es ihr gelungen ist, den Nachwuchs zu sichern, muss die Zukunft lehren. Trots einiger Niederländischstunden an der Universität steht Per Holmer (* 1951) ganz außerhalb dieser akademisch-praktischen | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 196]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Ausbildung und betont, dass er Autodidakt ist.Ga naar voetnoot278 In einem Interview, das ich 1995 mit ihm machteGa naar voetnoot279, erzählte er, er habe als Kind in seinem Inneren eine Phantasiewelt mit sich gegetragen, die nur ihm gehörte. Als er 1975 durch die schwedische Übersetzung von De Kapellekensbaan Boon kennenlernte, wurde Flandern diese Welt. Er lernte Niederländisch, fuhr in die Niederlande und nach Flandern und übersetzte 1981 als ersten niederländischen Text ein Fragment aus Boons Roman Geuzenboek für die sozialistische Zeitschrift Folket i Bild. 1983 erschien als erster Einzeltitel Oek de Jongs Opwaaiende zomerjurken. Daraufhin übersetzte er bis 1995 elf niederländische und zehn flämische belletristische Werke, unter ihnen drei Kinder- und Jugendbücher, eine Gedichtsammlung und zwei Dramen. Außerdem verfasste er über 60 Rezensionen und Artikel über die Niederlande und Flandern und stellte vier Radioprogramme zusammen. Außer den vielen niederländischen Titeln hat er Werke aus dem Englischen und Deutschen übersetzt. Im Jahre 1991 erhielt auch er den Martinus-Nijhoffpreis. Sein eigener ‘proletarischer’ Hintergrund - er ist der Sohn eines Feuerwehrmannes und arbeitete selber nach seinem Abitur als Briefträger - stimmte mit demjenigen Boons überein. In seinen Romanen schildert Holmer das Leben der kleinen Leute, wie es Boon tat. Bei seinen schwedischen Kritikern gilt Holmer als Arbeiterschriftsteller. So erinnerte sich in einer Geburtstagshuldigung anlässlich von Holmers vierzigstem Geburtstag der Journalist an die Vietnamdemonstrationen der sechziger Jahre.Ga naar voetnoot280 Boon bedeutete inhaltlich, aber auch formell viel für Holmer. Nachdem er 1973 mit dem realistischen autobiografischen Briefträgerroman Drängen i Klara debütiert hatte, überraschte er die Kritiker 1976 mit einer modernistischen - von Boon inspirierten - Romanform im Roman Allmänheten. Heute gilt er als der fleißigste Introdukteur niederländischer Literatur in Schweden. Er setzt seine Übersetzertätigkeit unermüdlich fort, möchte aber am liebsten nur Autoren übersetzen, zu denen er Affinität verspürt, wie Claus, Monica Van Paemel und Bernlef. Trotzdem übersetzt er jedes Jahr wieder neue, aktuelle Autoren. In Interviews gibt er immer wieder der Hoffnung | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 197]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Ausdruck, es werde ihm endlich gelingen, für Claus den Nobelpreis für Literatur zu sichern. Aufgrund dieser kurzen biographischen Notizen lassen sich unter den Übersetzern drei Hauptanliegen konstatieren. So versuchten erstens Martha A. Muusses, Hans Reutercrona, Sonja Berg Pleijel, Marguérite Törnqvist, Ingrid Wikén Bonde und Per Holmer alle durch Übersetzungen einen Nobelpreis für die niederländische Literatur zu erringen. Zweitens bestand für die meisten Übersetzer die Notwendigkeit, Geld zu verdienen. Das galt besonders für Ingrid Rääf und Saima Fulton, die viele Unterhaltungsautoren übersetzten. Wäre das aber die einzige Triebfeder gewesen, dann hätten alle Übersetzer die schwierigen literarischen Autoren vermieden und einfache Kioskliteratur übersetzt. Immer wieder ist von der schlechten Bezahlung und der anstrengenden Arbeit die Rede. Holmer und Wikén Bonde, die Preise und Stipendienreisen erhielten, waren besser gestellt als Fulton und Rääf. Die Position der Übersetzer ist durch die Anstrengungen des schwedischen Schriftstellerverbandes und durch die Stichting voor Vertalingen und ihre Nachfolger in den Niederlanden und Flandern gestärkt worden. Aber außer den beiden Triebfedern Ehre und Geld scheint es noch eine dritte, psychologische, zu geben, nämlich der Wunsch durch die Übersetzungen gleichsam seine eigene Geschichte zu erzählen, durch den Autor dasjenige zu sagen, was man gerne selber gesagt hätte. Durch die Kolonialliteratur erlebten Saima Fulton und Sonja Berg Pleijel ihre Zeit in Niederländisch Indien aufs Neue und vermittelten ihre Erfahrung weiter an das Publikum, durch die Heimatromane malte Ingrid Rääf immer wieder das Bild eines Lebens auf dem Lande, und Ingrid Wikén Bonde konnte durch Übersetzen ihren Landsleuten die niederländische Landschaft ihrer Jugend vermitteln und ihre schwedischen Eltern - die der niederländischen Literatur negativ gegenüberstanden - von der Qualität der niederländischen Literatur überzeugen. Boon war im selben Jahr geboren wie der Vater Ingrid Wikén Bondes, und sie übersetzte ihn in das persönliche Idiolekt ihrer Eltern, schuf ihnen dadurch ein kleines Sprachdenkmal. Durch Boon konnten sie und Per Holmer ihr anarchistisch-politisches Credo der sechziger Jahre ausdrücken. Per Holmer sagte in einem Interview ‘Ich übersetze nur Autoren, mit denen | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 198]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
ich mich verwandt fühle’.Ga naar voetnoot281 Auch Brita Dahlman muss es als wichtig empfunden haben, durch die Hermans-Übersetzungen für die niederländische Gastfreundschaft danken zu können und die Erinnerung an schöne Jahre wach zu erhalten. So hat die Literatur nicht nur für Autoren eine analytische Spiegelungs- und ErinnerungsfunktionGa naar voetnoot282, sondern auch für Übersetzer. Im Folgenden werden wir sehen, dass dies auch für Leser gilt, und zwar sowohl für Freizeitleser wie für Berufsleser.Ga naar voetnoot283 | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
3.5.3. Und umgekehrt: Was sahen die Niederländer und Flamen in Skandinavien?Zum Vergleich mit den oben konstatierten niederländischen Interessegebieten der schwedischen Leser wird hier sehr kurz ein Bild der anderen Seite skizziert, insofern es sich aus der bisherigen Forschung herauslesen lässt. Etwa um die gleiche Zeit, als in Schweden der literarische Import aus den Niederlanden und Flandern mit den historischen und realistischen Romanen von Van Lennep und Conscience wiederauflebte, wurde in den Niederlanden von E.J. Potgieter (1808-1875) nach einer Reise in den Jahren 1831-1832 das Interesse für ein naturschönes und bäuerliches Schweden geweckt. Potgieter publizierte Übersetzungen von Franzén, Atterbom, Tegnér und Geijer, schrieb 1842 in der von ihm selber 1836 gegründeten einflussreichen Monatszeitschrift De Gids einen langen Artikel über Fredrika Bremer und - beim Erscheinen der niederländischen Übersetzung von Frithiofs saga - ausführlich über | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
[pagina 199]
| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
schwedische Literatur. Von Bellman, den er mit Jan Steen und Bredero verglich, war er begeistert.Ga naar voetnoot284 Das Interesse der Niederländer für die schwedische Literatur war noch um die Jahrhundertwende größer als das für die Literaturen Dänemarks und Norwegens. Es gehörte zur Allgemeinbildung, die besten Produkte der schwedischen Literatur zu kennen [Rosman 1903, 229]. Nach Potgieter übernahm die Lagerlöf-Übersetzerin Meyboom die Vermittlung der schwedischen Literatur [Van Marken 1969, 67]. Die Flamen hingegen konzentrierten sich nicht auf Schweden, sondern auf Norwegen. Der norwegische Kampf um die Unabhängigkeit sprach die um ihre Selbständigkeit ringenden Flamen an. Außerdem repräsentierte der Norden für sie die Idee des gesunden ländlichen Lebens der Germanen gegenüber dem ketzerischen Leben der (romanischen) Großstadt. Ihre Sympathie galt weniger StrindbergGa naar voetnoot285 als dem Konvertiten Jørgensen und dem Bauernschilderer Bjørnson. Die Erneuerer der flämischen Literatur im Kreise der Zeitschrift Van Nu en Straks bevorzugten jedoch Schriftsteller wie Ibsen, Kielland und Jakobson. Beide Richtungen waren in dem Ibsen- und Bjørnsonverehrer Stijn Streuvels vereint, der mit zahlreichen Übersetzungen in Flandern die skandinavische Literatur verbreitete. Vieles wurde nicht direkt aus den skandinavischen Sprachen übersetzt, sondern über die deutsche Sprache; dasselbe war ja auch umgekehrt der Fall. [Grit 1991]. In Reiseberichten am Anfang des Jahrhunderts wurde der Norden wohl auch gelegentlich als primitive und unzivilisierte Peripherie Europas abgebildet (so durch Aletta Jakobs und Marcellus Emants), besonders die Samen wurden manchmal recht rassistisch beschrieben [Broomans 1993]. Neuerdings sieht man aber den nordischen Menschen oft wieder als im Einklang mit der Natur lebend und den Norden als schöne Oase [Van Marken 1988]. |
|