Eneide
(1964)–Hendrik van Veldeke– Auteursrechtelijk beschermdKurzer auswählender Abriss der Sprache VeldekesKnappe Überblicke über die Sprache der Servatiusfragmente, die wir mit wenigen Abstrichen für die Sprache Veldekes nehmen können, haben wir veröffentlicht Heinrich v. Veldeke I, 1947, S. 45-75, XIII, 1952, S. 31-43. Nach den dort gesammelten Erfahrungen stießen wir vor zu einer kritischen Darstellung der Sprache der Lieder, Heinrich v. Veldeke VII, 1947, S. 229-299 (= Beitr. 69 [1947], 155-224). Der nächste Schritt war, nach einer Reihe von Sonderuntersuchungen, der kritische Text des Sente Servas, 1956. In der Einleitung findet man Zusammenstellungen zu schwierigen Fällen der sprachlichen Gestaltung des kritischen Textes. Einen Überblick über Veldekes Altlimburgisch von gesicherter Reimstelle bietet der Reim- und Leseführer S. 291-300. Wir wiederholen, fassen zusammen und ergänzen. Erklärungen und Begründungen zu einzelnem bringen die Anmerkungen in Band II dieser Ausgabe, die ein Register erschließen wird. Band II wird auch Ausführungen zur Reimsprache der Eneide enthalten. Im Folgenden wird nur ergebnishaft beschrieben. | |
Vokalea gilt in van ‘von’, wale ‘wohl’, sal, salt ‘soll, sollst’, wie in dan, danne, want ‘denn’, auch manech, langer. Es bleibt erhalten vor r-Verbindung, z. B. arm, swart, varwe, auch vor ld, lt, z. B. kalt, halden, gewalt. In offener Silbe ist a gedehnt, was aber unbezeichnet bleibt, z. B. clagen, manen, grave, varen, ungemake, Dehnung ist auch anzunehmen vor rd, rt, etwa in harde, vart. Wahrscheinlich ist halen für ‘holen’ anzusetzen, sicher zabel ‘Zobel’. Wir beachten vast adj. und hart adj., woneben herde nur im thür. Schluß. a ist ungeschwächt erhalten in niman, viant. Vor cht gilt Kürze, also z. B. brachte, dachte. Bei Umlautsmöglichkeit ist a vermutlich nur selten gewahrt, etwa in den Fällen apple ‘Äpfel’, tande ‘Zähne’, manlic, machtech und bedachtech, angestlike und scadelike, arkenare, jagermeisteren. Rückumlaut ist fest in z. B. brande, sande, rande, valde, talde, walten, satte, sprancte, masten ‘mästeten’, aber nur im Indikativ, woneben Umlaut in merkede, weckede, deckede, ervede, vor allem auch in legede, segede. Das Gleiche gilt für die | |
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entsprechenden Partizipien. Auch sonst hat sich Umlaut weit durchgesetzt, z. B. geselle, brengen, geslechte, hebben, seggen, leggen, -schepe gen. dat., went ‘bis’, geste pl., helse pl., eldest, geweldech, crechtech, velschen, helsen, welsch, verschelken, megede, ercetrie. Wir beachten aber reimbewiesenes Nebeneinander von negele (:) 497 und nagele (:) 190. Bei den undurchsichtigen Verhältnissen im Limburgischen, vgl. Sente Servas, Reim- und Leseführer S. 295, ist von Fall zu Fall gesondert zu entscheiden. Umlauts-e und germ. e sind zusammengefallen in offener Kürze oder, in offener Silbe, in offener Dehnung, die wiederum unbezeichnet bleibt. In geschlossener Silbe scheidet die Schreibung mit altlimburgischer Überlieferung reinlich e und i, z. B. velt, helpe, erde, rechte, schilt, disch, geschrichte, obwohl sich Umlauts-e vor n- und r-Verbindung mit i berührt, z. B. erkennen, lengen, wenken, gewinnen, springen, drinken, merken, wirken, bei torment und perment ist zwischen e und i nicht sicher zu entscheiden, umgekehrt fallen in offener Silbe e und i im Zeichen e, aber nicht in der Lautung zusammen, da sie als offen und geschlossen getrennt bleiben, z. B. (= e) leven, weder ‘Wetter’, wesen ‘sein’, breken, beachtlich weke ‘Woche’, welic ‘welch’, (= i) vele, bleven, wedere, weten, wese ‘Wiese’, belede, wir bleiben aber bei deutsch winie ‘Ehefrau’ und griffel. Wir beachten negen ‘9’. Nordwestliches i hält sperewissel ‘-wechsel’, ndl.-nd.-rhein. i vor s zeigt gisteren. Wir entscheiden aber für hert ‘Hirsch’, berve ‘biderbe’, dertech ‘30’, anderseits für kirsp ‘kraus’, birsen ‘jagen mit Spürhunden’, dischinkel, das altes i als Ablautsvariante zeigt, und wiste ‘wußte’. Veldeke braucht bispel noch in seiner altertümlichen Form. des und dis stehen reimbezeugt nebeneinander. Es gelten ende ‘und’, men ‘man’, brengen ‘bringen’ und einheitliches bernen ‘brennen’, woneben getrennte brennen trans. und brinnen intrans. nur vereinzelt im Reim. Wir beachten die Suffixe -inge und -nisse. Nordwestliches vremen ‘vorwärts bringen, vollbringen, tun’, nicht vromen, wird Veldekes Form gewesen sein. Kurzes i gilt in (n)immer, wit ‘weiß’, riddere, twintech ‘20’, dar in ‘hinein’, kurzes e in ledder ‘Leiter’. Alter Vokalwechsel im Präsens Singular der e-Reihe ist bei Veldeke ausgeglichen, z. B. ich werde, schelde, entgelde, erwerve, sterve, swelte, er helpet, pleget, weget, entgeldet, werret, sweltet. Fest bleibt i nur in wirt zu werden. i hat diphthongischer Aussprache angenäherten î-Wert in den Zusammenziehungen über h, z. B. tin ‘10’, sin ‘sehen’, geschin ‘geschehen’, gin ‘sagen’, spin ‘spähen’. Hierher auch it, nit, niwet, it(s)wat (= ichte(s)-). In geschlossener Silbe steht kurzes u, offen gesprochen, o nahe, wie umgekehrt kurzes o in labialer und gutturaler Nachbarschaft u-Wert hat. Trotzdem werden o und u in der Schreibung oft sauber getrennt, in Einzelfällen neigt die Schreibtradition zu o, in anderen zu u. Wir schreiben etwa holt, golt, wolde, solde, mochte, dochte, worchte, dorste, aber burch, wurden, umbe, sunne, kunde, unde, begunde, vunden, hulde. Zwischen u und o schwanken die Schreibungen von sculde/scolde, gedult/gedolt, tucht/tocht, sult/solt, was sich im Reimgebrauch spiegelt. Für u entscheiden wir in lussam. Das Fremdwort juste ‘Tjost’ reimt 7358 auf geluste | |
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prät. erluchten ‘erleichtern’ = mhd. erluften oder erlichten. Vor cht sitzt im allgemeinen o-Schreibung fest, daher locht ‘Luft’, vlocht, vlochtech, vochten und die mittelvokallosen Prät. dochte ‘dünkte’ oder ‘taugte’, vorchte, worchte, gelochte zu gelouven, verkochte zu verkoupen, ebenso brulocht. Wir beachten auch bongart ‘Baumgarten’. Nordwestliche Kürze zeigen urlof und urloge. Wir schreiben armborst, tornei, aber durres 2. sg. ‘wagst’, obgleich auch dorres möglich wäre. dorste ind. bleibt im Reim von durste conj. geschieden. Im übrigen bleibt Umlaut unbezeichnet. Statt op ‘auf’ ließe sich auch up erwägen, beides mit Kürze. antworden zeigt an wort, tornen ‘zürnen’ an toren angelehntes o. gilt in mos ‘Moos’, ist gehalten in drochtin. o ist fest in of ‘ob’ und ofte ‘oder’. Neben o in offener Silbe in z. B. wonen, loven, hose nehmen wir a an in halen ‘holen’. geplogen p.p. zeigt jüngeres o nach der IV. Klasse, vochten prät. pl. altes u nach der III. Klasse, während gesteken p.p. e der V. Klasse festhält. o ist in offener Silbe zu offenem, u zu geschlossenem o gedehnt, fallen also in der Schreibung zusammen, dazu die entsprechenden Umlaute gedehntes offenes und gedehntes geschlossenes ö. Es stehen also nebeneinander mit ǭ z. B. bevolen, bevoren, hove, hertoge, toren, mit ō z. B. sone dt., dazu auch komen, vernomen, mit gedehntem offenen ö z. B. hovesch, mit gedehntem geschlossenen ö z. B. scotele ‘Schüssel’, logene ‘Lüge’, droge ‘trocken’, koninc, da vore, dore ‘Tür’, unsicher mogen, solen. Umlautslos ist dore ‘durch’. Hierher auch son ‘Sohn’ nach den flektierten Fällen und mit limb. Sonderentwicklung don ‘tun’. Kurzes ü haben sulic ‘solch’, tuschen ‘zwischen’, suster ‘Schwester’. Dehnung ist anzunehmen vor rd, rt, z. B. wurden, wort, antworden. Schwundstufig kurzes o zeigt roden ‘rot (heiß) werden’ 11030. â neigt zu offenem ô, was aber in der Schrift nicht zum Ausdruck kommt. Wir beachten stan ‘stehen’, gan ‘gehen’, swar adj., trach adj., swager, mant ‘Monat’. Lang bleibt â auch in da in z. B. den Verbindungen dar ave, dar in, dar tu, selten abgeschwächt zu der oder gar satzlautend dr-. Länge aus Kürze vor h zeigen z. B. slan, dwan, stalhut. Veldeke kennt keinen Umlaut von â, es heißt also z. B. mare adj., gebare s., gename adj., ate ‘äße’, dade ‘täte’, graven ‘Grafen’, merkare, burgare, hovescare, minnesalech, seltsane. Neben üblich -are steht tonschwach -er(e), z. B. soumer(e) neben soumare, es heißt aber immer riddere. Gekürzt ist â vor cht in z. B. dachte, brachte. ê, das geschlossen zu sprechen ist, sogar ie-Neigung zeigt, gilt auch in twe ‘zwei’ und wenech, nicht aber in beide. Es bleibt hi here ‘Herr’, das nur gelegentlich vor Eigennamen zu her gekürzt werden kann, wie in kerde, lerde und gilt nach nordwestlicher Art in lewe ‘Löwe’. Veldeke braucht noch unzusammengezogenes ehacht. Der Reim fordert owî. Es gilt vif ‘5’. Wir beachten die Stoffnamen auf -ît wie z. B. samit, dimit, wozu auch tapit ‘Teppich’. Gekürzt ist î vor cht in z. B. licht ‘leicht’. Das Adjektivsuffix -în wechselt mit -en. dar in ‘hinein’ reimt auf kurzes i. ô mit und ohne Umlautsmöglichkeit, das geschlossen zu sprechen ist, wird einheitlich durch o wiedergegeben. Der Reim sichert ô auch für none. Es gilt in schroden. Wir beachten nach alter Art der -ôti-Bildungen armode, einode, cleinode. Aus kurzem o über g zusammengezogen | |
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ist altos. Auch û mit und ohne Umlautsmöglichkeit neigt zu geschlossener diphthongischer Aussprache ue, üe vor r, z. B. sur, mure, nagebur. u gilt in nu und dem einmaligen mundartlichen u ‘euch’ 8989 im Reim neben uch, ist gekürzt vor cht in suchten ‘seufzen’. In den gleichen Zeichen i und u, mit der gleichen Neigung zu diphthongischer Aussprache, aber offen, treffen sich die Entsprechungen der mhd. Diphthonge ie und uo, also einerseits lif ‘lieb’, ligen ‘lügen’, biden ‘bieten’, niman, nirgen, beachtlich wi ‘wie’, hi ‘hier’ und gewahrte Länge vor cht in z. B. licht ‘Licht’, anderseits mut, genuch, buc ‘Buch’, auch du adv. conj., dun ‘tun’, woneben don, s. oben bei kurzem u, mit Umlautsmöglichkeit grune, druve, auch ruken, suken, wozu mit gewahrter Länge vor cht die Präterita ruchte, suchte. Neben stunt mit Länge bindet der Reim auch Küize. Aber ginc, vinc, hinc wahren Länge. Kürzung gilt in (n)immer. u mit dem Lautwert eines geschlossenen langen ü, also mit dem Umlaut von altem û zusammenfallend, ist auch Zeichen für mhd. iu, daher hude ‘heute’, lude ‘Leute’, dure, vrunt, dutsch, duvel und wegen Erhalt des Vokalwechsels in der u-Reihe z. B. tuch ‘zieh’, verluse(t) 1.3. sg., genutet 3. sg., mit Kürzung vor cht z. B. doreluchtech 9540. iuw kann sich mit ouw und ûw im Limburgischen in ouw treffen. Wir schreiben daher (= iuw) rouwe, trouwe, (= ouw) scouwen, vrouwe, (= ûw) getrouwen, grouwelic, dazu bouwen schwankender Grundlage. Gewahrt sind ei und ou, also z. B. stein, -heit, vleisch, ouge, boum, mouwe. Wir beachten beide, einweder ‘einer von beiden’, breidel ‘Zügel’, tornei, olei ‘Öl’. Ergebnis einer Zusammenziehung über g ist ei in steil und eislic, beachtlich ferner ei in den Verbformen steit ‘steht’, sleit ‘schlägt’, veit ‘fängt’, jeweils 3. Sing. Präs. Neben gewöhnlich arbeit sichert der Reim einmal arbit, wohl mit Kürzung im Nebenton. Wir beachten vlouwen ‘flohen’ und schrouwen ‘schrien’. Umlaut von ou = öü ist z. B. anzusetzen in houvet, lounen ‘leugnen’, tounen ‘zeigen’, verdouven ‘betäuben’, dougen ‘leiden’, vroude, gelouven. Abgesehen von der Umlautlosigkeit des langen â steht Veldeke mit dem Umlaut auf der Seite des Ostens, wenn er auch nur für den Umlaut von kurzem a ein eigenes Zeichen e kennt. Im Einzelfall ist es häufig sehr schwierig zu entscheiden, ob Umlaut vorliegt oder nicht, vgl. schon Sente Servas, Reim- und Leseführer S. 295ff. Längen werden vor cht gekürzt, z. B. dachte, brechte, licht ‘leicht’, dochte ‘dünkte’, aber nicht die, denen mhd. Diphthonge entsprechen, wie z. B. licht ‘Licht’, suchte ‘suchte’. Alte Kürzen sind in offener Silbe gedehnt, fallen aber nie mit den alten Längen zusammen. Dehnung gilt auch vor rd, rt. Die Präfixe lauten be-, ungeschwächt erhalten auch in beliven, aber nicht in binnen, boven, buten; ge-, ungeschwächt erhalten auch in z. B. gelouven, gelucke, gelike, auch vor Vokal, z. B. in geachten inf., geunnen p.p.; ent-, woneben aber z. B. antworden, antfas, antfanc; er-; ver-, woneben vreischen; te- ‘zer’; mis-; un-; die selbstandig gebrauchte Negationspartikel ne, woneben z. B. angelehnt ni, nimmer, niman. Neben der druckschwachen Präp. te, drucklos auch ter (= te | |
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der), ten (= te den) und integen, steht druckstark tut (= tu te), das Adv. lautet tu Auch. da(r) hat neben sich die drucklosen Formen drane, drumbe, sofern der Versgang sie fordert. Druckschwach sind Vollvokale erhalten in viant, niman neben men, adelar, avunt, weduwe, einweder, dusunt im Reim neben dusent im Versinnern. Sonst gelten die üblichen Abschwächungen wie z. B. in alse, werelt, dazu mant ‘Monat’, ome ‘Oheim’. Wir beachten behurt und decsel. Schwachtoniges i ist erhalten in integen, in richte, in deile, in ein, sulic, welic, drochtin, im übrigen gilt Abschwächung zu e, z. B. hovesch, kindesch, machtech, salech, einech, lockecht. Bei Stoffadjektiven stehen -in und -en nebeneinander, z. B. guldin oder gulden, je nach den Forderungen von Versgang und Reim. In der Frage des tonschwachen e haben wir den vollen Formen in der Schreibung reichlich Raum gegeben, ohne davon überzeugt zu sein, daß sie überall am Platze sind. Aber gerade hier kann sich satzlautende Lesung ohne Schwierigkeiten über die traditionelle Schreibung hinwegsetzen und wird es auch damals schon getan haben. Wir schreiben also z. B. wale, gele, spele, edele, gurdele, verwandelet, spere, here, brudere, vingere, venstere, riddere, ane, ave, anderen, wunderen, vaderes, gemeisteret. Aber neben nedere steht neder gelegentlich im Reim, wir schreiben im Innern im allgemeinen weder, neder, selten mit Rücksicht auf den Gang des Verses nedere. Immer fehlt -e nach flexivischem -er oder -er des Komparativs, z. B. aller, sconer, groter. Hier ist durchstehend ander anzuschließen. Auch nach nebentonigem -en fehlt -e gewöhnlich, z. B. in den Partizipien verholen adv., der arme verloren und den flekt. Infinitiven van bleiken, bit den dougen. Auch das inlautende -e- schwankt, was wir gelegentlich in die Schreibung aufnehmen, z. B. wapende neben gewapenet, meisterde neben gemeisteret, beteikent, apple, temple, solre, aber scotele, sceptre, donre, sconster, dinste neben erneste, ercetre, der wale geborne. Neben durchstehendes ander stellen wir anders und anderen. Wir schreiben sperewissel, herecracht, magedum, aber hertoge, herscap. Der Reim bezeugt gert 3. sg., was nicht unbedingt ins Versinnere übernommen zu werden braucht. Sproßvokal zeigen z. B. baren ‘Kind’, toren ‘Zorn’, horen ‘Horn’. Wir wechseln je nach den Erfordernissen des Reims zwischen voren und vorne, der arme verloren und der wale geborne. Feste Regehn lassen sich hier nicht aufstellen. Zu Schwund oder Erhalt des tonschwachen -e- im Prät. der schwachen Verben s. beim Verb. | |
KonsonantenIm An- und Inlaut ist d unverschoben erhalten, z. B. dach, dochter, dun, drigen, dwingen, vader, nader ‘Natter’, muder, lande, wolde, harde, im Auslaut verhärtet, z. B. got, blut, lant, tant ‘Zahn’, hart, seltsane. Wir setzen jegenode ‘Gegend’ an. t steht in want ‘denn’, und immer in ent-, auch in z. B. entfan, entfengen, entgelden. d gilt auch für wgerm. th, z. B. wedere: nedere, genade, dore ‘durch’, auslautverhärtet z. B. ertrike. Beide d unterschiedlicher Herkunft werden von Veldeke gelegentlich im Reim gebunden. dd gilt, wie zu erwarten, in z. B. | |
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bedde, midden, ertredden swv., aber auch in riddere und ledder ‘Leiter’. Langes dd haben auch bidden, hadde, hedde, letztere aus bd ausgeglichen, dazu die Prät. z. B. scadde, leidde, beidde, behudde, smedde ‘schmiedete’, redde ‘redete’, antwordde, wardde, obwohl der Reim daneben einfaches d bezeugt; aber wir schreiben z. B. immer sande, wande. Übertragen aus dem Prät. ist d in versmaden ‘verschmähen’, wozu smadelike, daher im Prät. nun versmadde. Wir beachten t in tapit ‘Teppich’ und den vielen Stoffnamen auf -it wie in dusentichst ‘1000.’, brulocht mit -t, aber -scap immer ohne -t. Angeglichen ist ofte ‘oder’, zusammengezogen über d berve, mhd. biderbe, auch satzlautend ten (= te den), zugetreten ist t nach n in allenthalven, ellentacht. Wir beachten wirt ‘wird’. Wegen Unsicherheit zwischen bist 2. sg. und bis schreiben wir bei folgendem Pronomen bistu, auch kanstu, im allgemeinen aber getrennt macht du, salt du, wilt du und überlassen die Satzlautung der Lesung. Wir schreiben durchstehend nine für nit ne, vgl. brulocht. Wir beachten it, nit, it(s)wat, iwet, niwet, gelegentlich reimgebunden lit ‘Licht’ neben gewöhnlich licht. t bleibt z. B. in te, tu ‘zu’, tin ‘10’, twintech, beter, water, altos, hertoge, bat ‘besser’, grot, scat ‘Schatz’, hert ‘Hirsch’, went ‘bis’. Aber Reime zwischen t und t = z meidet Veldeke. witegen ‘weissagen’ und witegare sind noch nicht an ‘weise’ und ‘sagen’ angelehnt. laten ‘lassen’ kennt nur Langformen. Wir beachten integen. Aus dem Deutschen entlehnt sind zabel ‘Zobel’, verzagen, cinsacht, cirlic, kerce, witze, creiz, ganz, palenzgrave (-n-!), altertümliches Mundartwort dagegen zage ‘Fieber’. Dazu treten an Fremdwörtern aus dem Lateinischen und Französischen z. B. cindal, ercetre, ercetrie, sceptre, palenzgrave (-z-!), gebalziret ‘wehrhaft gegürtet’, lazstein ‘Wurfstein’. Mit s schreiben wir nur dansen ‘tanzen’. tt gilt in z. B. sitten, luttel, hitte, ergetten, glitten, satte ‘setzte’, nicht aber z. B. in den Part. Prät. gesat ‘gesetzt’, gebut ‘gebüßt’ wie in den Prät. sweite ‘schwitzte’, grute ‘grüßte’, woneben aber hatte ‘haßte’. Wir beachten beste, te leste. s ist gemeinsames Zeichen für den stimmhaften wie den stimmlosen Laut, z. B. seggen, bose, gelesen, slan, swager, spreken, hus, ors, decsel. Wir beachten das Fremdwort simesstein und die heimischen Formen duts ‘tust’, muts ‘mußt’ für die 2. Sg. hs ist zu s(s) angeglichen in z. B. assel, hassen, busse, sperewissel, vas ‘Haar’, was ‘Wachs’, wus ‘wuchs’, Eckesas. ss gilt in z. B. -nisse, gewisse, kussin. Konsonantenerleichterung zeigt lussam. Im Anlaut gilt b, z. B. balde, burch, beachtlich die Bildungen binnen, buten, boven und bit ‘mit’, in stimmloser Umgebung aber z. B. Lancparden. So ließe sich statt halsberch auch halsperch erwägen, wie nicht selten in nordwestlicher Überlieferung. Es wechseln v im Inlaut, z. B. grave ‘Graben’, hevet ‘hat’, bedouven, allenthalven, berve, und f im Auslaut, daher warf neben werven, druflike neben druve, aber auch in stimmloser Umgebung darfs neben durven. Neben ave kennt Veldeke noch af. Seine Formen sind heven (nicht mit -ff-) und uven (nicht mit -f-). Für Veldeke gilt marber ‘Marmor’. f in tafele steht in nordwestlicher Lauttradition. Mit bb beachten wir übliches hebben neben behaven nur im thür. Schluß. | |
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Dem inlautenden v entspricht anlautendes, das gleichfalls stimmhafter labiodentaler Reibelaut ist, z. B. vader, van, vore, vlochtech, gevreischen, in stimmloser Umgebung wie dieses stimmlos werdend, z. B. antfanc, antfas, entfan, dazu in den fremden Wörtern z. B. flume, fiver, inferne, porfir, aber varis. p bleibt in z. B. pat, pellen, plaster, gapen, wapen, gope, helpen, gekrumpen, op, knoup, kamp, stegereip. pp zeigen z. B. appel, scheppen, scuppen. Mit einfachem p zu schreiben sind tapit ‘Teppich’ und koper ‘Kupfer’. griffel ist in dieser Form aus dem Deutschen entlehnt. ‘glaubte’: ‘verkaufte’ treffen sich im mundartlichen Reim gelochte: verkochte. mb ist noch nicht angeglichen, also z. B. umbe, climben, im Auslaut dump, lamp. w ist vor r erhalten in z. B. wreken, wriven, ist geschwunden in suster und tuschen. Es heißt z. B. we s., gra, kni, pa ‘Pfau’ und sne, aber Dat. snewe, Pl. wiwe ‘Weihe’ (Vögel). -vare ‘-farbig’ adj. steht neben varwe s., gare adv. neben garwe adv., ferner gele ‘gelb’. w ist fest in z. B. gegerwe, pulwe, houwen, touwen, mouwe, auch tonstarkem (n)iwet. Neben vrouwe kann vor Eigennamen im Schwachton vrou stehen, neben ewe s. gelten ehacht und ewart. Wir beachten run ‘ruhen’, vroude s. und prät., gevrout p. adj., bouwen, bude prät., gebouwet p.p. Es gilt w in den Prät. vlouwen ‘flohen’ zu vlin und schrouwen ‘schrien’ zu schrien. An- und inlautend g, das je nach dem Anschluß wohl als mehr palatal stimmhafter oder mehr guttural stimmhafter Reibelaut zu nehmen ist, entspricht im Auslaut verhärtet ch, z. B. gast, gedan, gisteren, grot, gut, maget, integen, doget, dach ‘Tag’, genuch, halsberch, trach ‘träge’, c nach n, z. B. lancsam, koninc, hinc. Für Veldeke charakteristisch sind negen ‘9’, droge ‘trocken’ und swegel ‘Schwefel’. In negein ist g als Anlaut empfunden. Wir beachten g in sagen ‘sahen’, gewagen ‘sagen’, swager. hangen gilt für das trans. und intrans. Verb. witegen ‘weissagen’, witegare sind noch nicht an seggen angelehnt. Wir beachten gg in seggen, leggen, liggen, woneben aber z. B. seget 3. sg., geleget p.p. In gin, mhd. jehen, ist g Schreibung für j wie in ginder adv., woneben aber z. B. jegenode und, wohl mit französischer Aussprache, juste ‘Tjost’, justiren. Intervokalisch g ist geschwunden in altos adv., steil adj., breidel ‘Zügel’, lounen ‘leugnen’, tounen ‘zeigen’, dazu in den fremden Wörtern piment und perment, nicht aber in Fällen wie maget, dagedinc, nagel, magencracht, integen, stegereip. Auch j ist geschwunden in z. B. vere ‘Ferge’, ohne Halbvokal cra ‘Krähe’. Wir bleiber aber bei winie ‘Ehefrau’ im absterbenden Wort älterer deutscher Dichtung. Bei den Verba pura entscheiden wir für z. B. naien, muien, dazu ruien ‘rudern’, duien ‘stopfen’. Auslautend ch gilt in z. B. noch, doch, sach ‘sah’, louch ‘Lohe’, cht in z. B. recht, drochtin, licht, bedacht, beduchten ‘fürchten’, erhalten auch in z. B. vorchte, worchte, dazu aus ft in z. B. cracht, crucht, stichten, suchten ‘seufzen’, geschrichte, -hacht, brulocht. Aber wir haben wohl ofte ‘oder’, nicht ochte anzusetzen. Wir beachten (n)it, (n)iwet, nine (aus nit ne). Zwischenvokalischer h-Schwund gilt z. B. in tin ‘10’, sin ‘sehen’, slan ‘schlagen’, dwan ‘waschen’, gemale, stalhut, vet ‘befehdet’, tien ‘zeihen’, lien ‘leihen’, wir bleiben aber bei behurt. Wir beachten | |
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naken ‘nähern’. In -hacht kann h, vor allem nach t, fallen, also z. B. warhacht, ehacht, aber ernestacht, ellentacht. Wir weisen auf ome ‘Oheim’. Für -ech-heit schreiben wir-echeit. Beachtlich sind die h-Pronomina, s. dort. In der Verbindung lh ist h geschwunden in male ‘Ledertasche’, bevelen, beval, bevolen. Auslautend (c)h ist gefallen in z. B. ga, na, ru, ra ‘Schiffsrahe’, di ‘Oberschenkel’, sma. Neben ho, host steht hoge. Veldekes Form ist dore ‘durch’, woneben nur einmal im Reim östlich-deutsches durch. Mit den Servatiusfragmenten schreiben wir k vor Vokal, c vor Konsonant, im Auslaut und allgemein in fremden Wörtern, z. B. kan, keren, komen, kunne, merken, drinken, clagen, cracht, dranc, buc ‘Buch’, calcedone, cateblatin, culte, Claudius, aber Kamille. Bodenständige Besonderheiten sind knagen ‘nagen’ und crucht ‘Gruft’, naken ‘nähern’ und luken ‘lugen’. Wir beachten inket ‘Tinte’. Einfaches k hat bokele ‘Schildbuckel’. Die Geminate wird durch ck wiedergegeben, z. B. bracke, dicke, stucke, wecken, ungelucke. Wir beachten declaken, decsel ‘Decke’. k bleibt in der Regel unverschoben, z. B. maken, weke ‘Woche’, gelike, suken, baneken, ungemac, pec, sulic, estric. Der Reim sichert Maroc. Allerdings sind gerade im Bereich der Gutturale lautverschobene Fälle aus den benachbarten Rheinlanden nach Limburg vorgedrungen. Fest sind bei Veldeke ich, mich, sich, uch, ouch, während in andern Fällen nur im Reim gelegentlich zugelassen werden z. B. stach neben üblich stac, gelich neben üblich gelic, buch neben üblich buc. Schreibung sch ist durchgeführt vor e, i und r wie im Auslaut, sonst ist sc geschrieben, z. B. schelden, schip, tuschen, schriven, dutsch, hovesch, aber scade, herescap, scolde, sculde. ld, lt sind erhalten, z. B. hulde, wolde, gewalt, golt, scult. Es heißt bispel, Dat. bispelle, noch ohne Anlehnung an ‘Spiel’. Nordwestlich ist l in martelen, martilie. Wir schreiben werelt. Nasal ist geschwunden in z. B. sacht(e), vif, joget, doget, erhalten in z. B. koninc, penninc, uns, unse ‘unser’. Wir beachten als Veldekes Formen sint adv., san adv., -lingen adv., seltsane, turn ‘Turm’. Wir sprechen ihm arkenare ‘Erker’, dumensdach ‘jüngster Tag’, ferner logene ‘Lüge’ und burdene ‘Bürde’ zu, aber rede, nicht redene. -n gilt in pellen. prasin zeigt altes -n, nicht jüngeres -m, bei triaken entscheiden wir für die gelehrte n-Form, nicht die gewöhnliche mndl. l-Form. leren gilt gleicherweise für ‘lehren’ und ‘lernen’, hangen für trans. wie intrans. Gebrauch. Die vielen -e: -en Reime sprechen für schwache Artikulation des auslautenden -n. Wir beachten bodenständiges bongart ‘Baumgarten’ und durchstehend (n)immer. r bleibt erhalten vor Vokal und t, n, m in z. B. dar ave, dar tu, dar na, dar mede, war ave, war tu, fehlt aber in alleinstchenden da, wa, auch hi. Normalformen sind ere adv., mere adv., woneben nur selten im Reim e, me. Wie achter für ‘hinter’ und ‘hinten’ gilt, so auch under für ‘unter’ und ‘unten’, neder(e) für ‘herunter’ und ‘unten’. r gilt in iser s., iserin adj., iserhut, isergewant wie in morter ‘Mörtel’. Wir beachten ercetre ‘Arzt’ und ercetrie ‘Arznei’. Einfaches r ist fest in here ‘Herr’, doppeltes hi verre adv. und sterre ‘Stern’. Veldeke kennt r-Umstellung z. B. in den | |
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Fällen dertech, borne, borst, ors, kirsp, aber z. B. nicht in vorchte, worchte. Neben gewöhnlich bernen beschränkt sich brennen trans., brinnen intrans. auf wenige Reimfälle. | |
SubstantiveDie Genitivendung -es und die Dativendung -e der starken Maskulina und Neutra sind in der Regel erhalten, snewe zu sne läßt noch den wa-Stamm erkennen. Ausgenommen davon sind die häufig unflektiert bleibenden Dative von Fremdwörtern, z. B. castel, palas, cateblatin. Auch sonst ist e-loser Dativ nach n möglich, z. B. pellen, wapen. Im Reim sind nebeneinander bezeugt Troian und Troiane. Nach alter Art braucht Veldeke noch man neben manne im Reim. Wir schreiben vader, ohne uns festzulegen, ob der Dichter vadere oder vader meinte. Alt ist e-loser Dativ von hus, Erbe eines Lokativs. In andern, durch den Reim gesicherten Fällen, liegt gelegentlich wohl auch lokativer Dativ vor, meist aber ist an den Akk. anstelle des Dativs zu denken, der nach einer Reihe von Präpositionen im Nordwesten üblich ist im Gegensatz zum Deutschen. -e im Akk. Sing. von got, also gode, bezeugten schon die Servatiusfragmente. Wir beachten umlautlosen Plural von apple und tande, aber der Reim sichert nebeneinander z. B. nagele und negele. -e-Plural der Neutra ist Veldeke im allgemeinen fernzuhalten, Ausnahme einmal reimbezeugtes wive ‘Frauen’, das früh im Nordwesten auftaucht. Im Gen. Dat. Sing. der femininen i-Stämme kennt Veldeke noch die alten Formen auf -e, woneben sich aber oft schon die jungen Ausgleichsformen nach Nom. und Akk. stellen. Neben dem Reim lassen wir uns von guter Überlieferung oder den Forderungen des Verses leiten. Zum alten u-Stamm hant gehört bei Veldeke der umlautlose Plural hande. Im Dat. Sing. steht neben üblichem hant (:) im Serv. ein hande (:), in der Eneide ein rhein. hende (:). Starke und schwache Feminina auf -e sind zusammengefallen in der Flexion Sing. -e, -en, -en, -e, Pl. -en. Im Gen. und Dat. kann man deshalb oft nicht sagen, ob ein Wort im Sing. oder im Pl. gebraucht ist, zumal bei Abstrakten. Die gleiche Einheitsdeklination gilt für die schwachen Maskulina, Typ bode, boden, boden, bode, pl. boden. Schwache Maskulina sind bei Veldeke nach nordwestlicher Art auch vrede, sede, scu und kni, stark ist bongart. Vor Namen können here und vrouwe im Nom. und Akk. gleicherweise her und vrou lauten. Fremde Wörter zeigen gelegentlich heimische Flexion, z. B. van jaspen. Bei den fremden Namen kann Veldeke je nach Reimbedürfnis und Versgang zwischen heimischer, lateinischer und französischer Flexion schwanken. So gestattet er sich z. B. nebeneinander im Nom. Latin und Latinus, Nise und Nisus, im Dat. Ascane und Ascanion, Turnuse und Turnon. Während wohl Venuse und Pallase gleicherweise für Dat. und Akk. anzusetzen sind, steht neben Enease dat. acc. im Akk. wahrscheinlich auch Eneam. Bei den Namen vom Typ Lavine ist man versucht, im Akk., je nach dem Reim, zwischen -e und -en abzuwechseln. | |
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Gelegentlich läßt sich das Geschlecht nicht sicher bestimmen, wie z. B. bei twich, olive, blikolve, in andern Fällen mußten wir zwischen verschiedenen Möglichkeiten eine Entscheidung treffen. Selten ist Veldeke selbst wechselndes Geschlecht eines Subst. zuzuweisen wie bei mare f. oder n., tit f. oder m., letzteres aber in verschiedener Bedeutung. Es treten auseinander übliches dagedinc n. und gelegentliches dagedinge f. Maskulina sind bei Veldeke z. B. arbeit, angest, lof, halsberch, rouwe, vrede, sede, swere ‘Schmerz’, für's Maskulinum entschieden haben wir auch z. B. bei art und vrome. ome ist sw. Maskulinum. Feminina sind z. B. gewalt, gedracht, galge, dore, bokele, balsame, für's Femininum entschieden haben wir auch z. B. bei dit und flume. Neutra sind z. B. horen ‘Horn’, castelan, gewere, geschrichte, cleinode, hogetide, für's Neutrum entschieden haben wir z. B. auch bei sant, gebare, -nisse. | |
Adjektive und nominale AdverbienZum e-losen Typ gehören bei Veldeke auch hart, vast, swar, trach, gevuch, woneben herde nur im thür. Schluß. Doppelformen zeigen gereit, gereide und ho, hoge. Im Nom. Sing. Mask. Neutr. und Akk. Sing. Neutr. ist ein Nebeneinander von unflektierten und flektierten Formen auf -e anzunehmen, für die nach Versgang oder Wohlklang entschieden werden kann, z. B. die Nom. gut rat, gut lant oder live here, live kint, die Akk. gut geleide oder grawe har, min unsachte leven, im Nom. Sing. Fem. scheint -e fester, z. B. grote magencracht. Der Dat. Sing. Mask. Neutr. zeigt -en, z. B. te guden spele, das aber nach schwachtonigen -en unterbleiben kann, z. B. bit den blien gere. Übriges stimmt zu mhd. Brauch, z. B. vroes mudes, guder spisen. Zu beachten bleibt die eigentümliche nordwestliche Angleichung des Adjektivs an das vorausgehende Pronomen und überhaupt die Übereinstimmung von Pronomen und Adjektiv in Fällen wie des boses seden, sines lives vrundes, der liver gemalen, dese gude veste acc. sg., di mare gude knechte, di vremede birsare. Neben attributiver Vorstellung des Adj. kennt Veldeke, zumal im Reim, unflektierte oder flektierte Nachstellung, z. B. helet balt, koninge lovesam, op den mere breiden, bit steinen groten. Subst. Adj. fügen sich üblichem Brauch, z. B. ich arme, manegen wunden, junge ende alde, van den armen, der Reim sichert genuch wunden ende doden ‘Verwundeter und Toter’. Im Nom. Pl. allerdings beachten wir nach Artikel einen feinen Unterschied zwischen üblich -en, z. B. di jungen bit den alden ‘alle insgesamt’, Bezeichnung einer Gruppe von Einzelwesen, und gelegentlich -e, z. B. di kune, wo der Nachdruck auf dem Adj. bleibt ‘die, die tapfer sind’. Starke Flexion sichert der Reim für dat sin nom., der sine gen. pl. Nominale Adverbien gehen auf -e aus. In unverholen(e) kann dies nach nebentonigem -en fallen, wie der Reim bezeugt. Adj. und Adv. zeigen eine Form z. B. bei scone, spade, openbare. Bei den -like Adverbien ist der im Deutschen wuchernde -echlike Typ gegenüber -like, -elike, auch -enlike, auf die wenigen berechtigten | |
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Fälle einzuschränken, z. B. genendechlike, geweldechlike, innechlike, aber z. B. listlike, snellike, einmudelike, minnelike, grimmelike. Über jeden Fall muß nach den landschaftlichen Gegebenheiten gesondert entschieden werden. | |
Pronomen und ZahlwörterBei den persönlichen Pronomen gelten ich, verschoben, du, wir und ir mit -r, die Gen. min, din, die nur in der Verbindung vom Typ mines selves -es zeigen, unser und zusammengezogenes ur, mich und dich als Einheitsformen für den Dat. und Akk., dazu das Refl. sich, auch für beide Kasus. Nach Präp. gilt aber nicht wie bei Verben sich, sondern das geschlechtige persönl. Pronomen. Im vereinzelten Reim di[r]: wi[r] des thür. Schlusses treffen sich limb. auch vorhandene Mundart-möglichkeiten mit resthaft westthür. Mundartformen und, bei ergänztem -r, sogar mit einem geläufigen Reimtyp der mhd. Dichtersprache. Ferner gelten uns und uch (mit Länge) als Einheitsformen für Dat. und Akk., woneben allerdings als alte Form für den Dativ noch ein u (mit Länge) reimbezeugt ist. In der 3. Person herrschen h-Pronomina, tonstarkes he mit den enklitischen Nebenformen her, 'er, 'r, ebenso het mit et, 't, heme als Einheitsform für Dat. und Akk. mit den enklitischen Nebenformen 'ne, 'n, die vor allem im Akk. Verwendung finden, here gen. dat. sg. f. und gen. pl., hen dat. pl. si nom. acc. sg. f. und nom. acc. pl. hat, zumal im Akk. Pl., die Schwächungsform se neben sich. Die Possessivpronomen lauten min, din, sin, unse ohne r, ur, here. Sie werden flektiert wie die Adj., also z. B. sine burch, minen willen dat. sg., unse hus acc. sg., uren vader acc. sg., ebenso here, also heren sone dat. sg., nur wird bei den r-Formen von ur und here, ‘eurer’ und ‘ihrer’, das r nicht verdoppelt, also z. B. ure dochter dat. sg., here minnen gen. sg., here manne gen. pl. Substantiviert wird das Poss. Pron. stark flektiert nach Ausweis der Reimfälle dat sin nom. sg., der sine gen. pl. Artikel und Demonstrativpronomen unterscheiden sich durch tonschwächere und tonstärkere Formen nur im Nom. Sing. Mask., der und de, und im Dat. Sing. Mask. Neutr., den und deme. Neben des Gen. bezeugt der Reim auch dis. In den sind beim Artikel Dat. und Akk. Sing. zusammengefallen. (der) gene haben wir bei Veldeke nicht zugelassen, da de bei ihm noch volle demonstrative Kraft hat. An Instrumentalfügungen kennt Veldeke z. B. noch (des) di bat und di gelike, aber nach Präp. verwendet er den Instr. nicht mehr, daher z. B. na deme dat, dar ave statt von diu mancher Handschriften. Stärker demonstrativ ist dese, dit. In den r-Formen gilt deser ohne Angleichung des s. Bei den Fragepronomen beachten wir neben we ‘wer’ und wat ‘was’ weme ‘wem’ oder ‘wen’ als Einheitskasus für Dat. und Akk. Veldeke ist wi ‘wie’ zuzuschreiben und welic mit seinem Gegenstück sulic. Er braucht wanne ‘woher, wodurch’. Er kennt auch noch weder ‘welcher von beiden’. Die Pron. Adj. flektieren im allgemeinen wie die Adj. al kann, wenn es nicht allein steht, unflektiert nachgestellt, z. B. dat lant al, vorgestellt, z. B. al ertrike, | |
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al dat lant, oder flektiert nachgestellt, z. B. desen heren allen, vorgestellt, z. B. alle sine holden, gebraucht werden, wobei der Versgang oft den Ausschlag geben muß. Wir weisen auf die festen Fügungen alle(n) gelike(n), alle(n) besunder, alle(n) samen. ander, woneben z. B. anders, anderen, nimmt als ‘anderer’ gen. dat. sg. f. und gen. pl. kein zweites r an, also ander koninginnen gen. pl. selve zeigt noch keine erstarrten Formen. Es wird grundsätzlich schwach flektiert, z. B. si selve, mich selven dat., mich selve acc., hat aber teil an der charakteristischen Angleichung des Adj. an das benachbarte Pron. in Fällen wie z. B. mines selves, here selver, den selven man acc. Neben indefinitem ein stehen einech ‘irgendein’ und negein ‘kein’. (n)iman hat als Dativ (n)imanne neben sich. Veldeke kennt noch das korrelative some ... some ... ‘einige ... andere ...’, woneben, vor allem im Reim, somelike, ferner manech, manege. Bei ‘jeder’ scheidet der Dichter noch zwischen ‘jeder von vielen’, z. B. ein igelic, here igelic, riddere gelic, und ‘jeder von beiden’, iweder, Gegenteil neweder ‘keiner von beiden’. Die beiden letzten bleiben im Nom. Sing. endungslos. Wir weisen auf itwat ‘etwas’ (= ichte[s]-, nicht hd. ete[s]-) und niwet ‘nichts’, flekt. niwets, niwete. Beim verallgemeinernden Pron. kennt Veldeke alle Stufen von z. B. so wi so über so wi, wi so bis zu einfachem wi ‘wie auch immer’. twe ‘2’ gilt für alle Geschlechter, Gen. twere, aber Dat. twein (:) wie reimbezeugt entwein neben entwei. Auch dri bleibt ohne geschlechtliche Veränderung, Gen. drier, Dat. drin. vir, gewöhnlich unflektiert bleibend, zeigt nachgestellt oder substantiviert Flexion, Gen. vire, Dat. viren, daher auch subst. tine ‘10’, ut tin dusenden ‘10 000’, wo aber Flexion auch unterbleiben könnte. An sonstigen Zahlen begegnen in der Eneide vif, ses, seven, negen ‘9’, tin, virtin, seventin, twintech, dertech, virtech, viftech, hundert, dusent, das im Reim auch die alte Form dusunt festhalten kann. An Ordinalzahlen sind verwandt derde ‘3.’, tinde ‘10.’ und dat hundert dusentichste deil. Für ‘-mal’ gelten warf und stunt. | |
VerbenDie Endungen des Präsens lauten üblich in der 1. Sing. -e, 2. Sing. -es, 3. Sing. -et, woneben Reim und Versgang selten -t fordern, z. B. gert neben entberet, 1. 3. pl. -en, 2. pl. -et, Konj. 3. Sing. -e. Der Imp. Sing. der st. Verben ist endungslos, die sw. Verben zeigen -e, der Pl. allgemein -et. In der 2. Sing. Prät. der st. Verben gilt schon die Analogieform auf -s, z. B. du wurdes, verlores, wares, bestundes, entspricht also den sw. Verben, z. B. du haddes. Im Prät. der sw. Verben ist zwischen Erhalt und Schwund des Zwischenvokals zu entscheiden. Wir schreiben, nach Beobachtungen am Reim, z. B. jagede, makede, levede, erstervede, wisede, rumede, aber z. B. generde, kerde, weinde, beidde ‘wartete’, hatte ‘haßte’, sweite ‘schwitzte’, im Part. Prät. z. B. gejaget, gemaket, geleget, gebeddet, verirret, berichtet, geleret, genidet, gespiset, gelonet, erscheinet, gemuret, aber z. B. gegert, gespart, gewunt, machen also einen Unterschied zwischen z. B. weinde und geweinet, kerde | |
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und gekeret. Beim Zusammentreffen von Dentalen gilt üblicherweise langes dd in z. B. wardde, smedde, redde, beidde, leidde, genadde, behudde, antwordde, woneben nur wenige d-Fälle im Reim, aber immer z. B. sande, wande. Einfaches t ist fest in z. B. sweite ‘schwitzte’, grute ‘grüßte’, stichte ‘stiftete’, troste ‘tröstete’, woneben aber hatte ‘haßte’. Der Inf. endet auf -en, flektiert gilt einfaches n, z. B. te lovene, te seggene. Das Part. Präs. endet auf -ende. In den Bereich der Aktionsart gehören Infinitive und finite Verbformen mit oder ohne ge-. ge- hebt auch das Plusquamperf. vom Prät. ab, es gilt auch im Part. Prät. außer den üblich ge-losen Fällen. Im Bereich der Präfixe, bei denen die Überlieferung starke Abweichungen zeigt, muß von Fall zu Fall sorgsam entschieden werden, zumal bei er- und ver- und dem gewiß einzuschränkenden, in den Hss. wuchernden be-. Gelegentlich ist auch einfaches Verb wieder herzustellen. Im übrigen gelten die Präfixe in den Formen be-, ge-, er-, ver-, ent-, te-, vol-, mis-. Die mit Partikeln verbundenen Verben sind trennbar oder untrennbar gefügt, untrennbar sind z. B. auch dorebréken, doreschíten, dorestéken. In der e-Reihe der st. Verben ist der Wechsel i, e im Präsens zugunsten von e aufgegeben, es heißt also z. B. 1. Sing. schelde, erwerve, werde, 2. Sing. queles ‘leidest Schmerz’, 3. Sing. pleget, helpet, werret. i hält sich nur in wirt. In der u-Reihe dagegen hat der Ausgleich des Wechsels i (mhd. ie), u (mhd. iu) erst die 1. Sing. erfaßt. Es heißt also zwar schon z. B. 1. Sing. entbide, verlise, aber 3. Sing. noch z. B. druget, verluset, Imp. tuch ‘zieh!’. Es ist damit zu rechnen, daß im Präs. der jan-Verben wie tellen und liggen alter Wechsel zwischen -ll- und -l-, -gg- und -g- im Präs. weithin ausgeglichen ist. Wir schreiben im Versinnern z. B. tellet, ligget, wenn auch der Reim vereinzelt telet und leget stützt, letzteres nur im thür. Schluß. Wir wahren aber den Wechsel hebbe, heves, hevet, segge, seges, seget. Zu den üblichen Fällen des grammatischen Wechsels tritt sin ‘schen’, sagen ‘sahen’. Zu den st. Verben vermerken wir, daß vechten noch zur III. Kl. gehört, also Prät. Pl. vochten, plegen zur IV. Kl. übergetreten ist, also Part. Prät. geplogen, steken in der V. Kl. geblieben ist, also Part. Prät, gesteken. Das Prät. zu schrien lautet schre, schrouwen, zu vlin vlo, vlouwen. Es gilt scheppen, scup, gescapen. rouwen ist bei Veldeke st. Verb, Prät. rou. geven ist gewöhnlich st. Verb, Veldeke kennt aber auch die Möglichkeit sw. Flexion. Bei beginnen wechseln im Prät. began und begunde. verleschen hat sw. Prät. verleschede, aber st. Part. Prät. verloschen. Es gilt brengen, brachte. gin und geschin haben sw. Prät. und Part. Prät., vergide, geschide, geschit. laden ist sw. Verb. Veldeke kennt Rückumlaut z. B. in den Verben vom Typ senden, tellen, setten, also z. B. sande, brande, genande, valde, talde, satte, masten ‘mästeten’, gesant, gerant, bewant, gehacht, gestalt, gesat, dazu, in der Schreibung nicht sichtbar werdend, z. B. horde, erloste, wuste, gurdde, vurde, selbstverständlich in den mittel-vokallosen Bildungen brachte, dachte, dochte ‘dünkte’. Im übrigen gelten mit Umlaut z. B. merkede, weckede, deckede, ervede, ertreddet, auch, trotz limb. grobmund-artlich Rückumlaut in sachte und lachte, segede, geseget zu seggen und legede, | |
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geleget zu leggen. Bei den Verba pura muien, duien, ruien, bruien, gluien, naien entschieden wir im Prät. für -i-, also z. B. gluiden, muiden, aber im Part. Prät. für z. B. genat, wie der Reim sichert. Wir beachten die mittelvokallosen Prät. vorchte, worchte zu wirken und vor allem die grob mundartlichen Fälle gelochte ‘glaubte’, verkochte ‘verkaufte’. Es gelten weten ‘wissen’, 1. 3. Sing. weit, in der 2. Sing. ist neben dem alten reimgebundenen weist im Versinnern mit der Analogieform wetes zu rechnen, im Prät. entschieden wir für wiste. Es gelten dogen, douch, Prät. dochte ‘taugte’, das in der Form mit ‘dünkte’, auch ‘fürchtete’, zusammenfällt. unnen nimmt kein ge-an, also an, unde. Wir beachten das starke Part. Prät. geunnen. Es heißt kan 1. 3. sg., kanst 2. sg. oder mit angelehntem Pron. kanstu, kunde prät., durven, darf 1. 3. sg., darfs 2. sg., da hier die alte -t-Form auch nicht mehr bekannt ist, dorchte prät. Auch bei ‘wagen’ wird man in der 2. sg. schon die Ausgleichsform gedurres ansetzen müssen, obwohl auch gedars noch denkbar wäre, Prät. Ind. dorste, Konj. durste. Die Frage des Umlautes bei den Prät.-Präs. ist kaum sicher zu beantworten. Es gelten solen, sal 1. 3. sg., salt 2. sg., bei salt du wahren wir Getrenntschreibung, solen 1. 3. pl., sult 2. pl., woneben im Reim auch solt, Prät. solde, mogen, mach 1. 3. sg., macht 2. sg., bei macht du wahren wir Getrenntschreibung, Prät. mochte. Neben muten, mut 1. 3. sg. ist in der 2. Sing. das grobmundartliche muts anzunehmen, reimend auf duts ‘tust’, aber mutes conj., 2. Pl. unzusammengezogenes mutet, Prät. muste. Es gelten gan, stan, van, wozu in der 2. 3. Sing. Präs. die charakteristischen nordwestlichen -ei-Formen gehören, geis, steis, veis, geit, steit, veit. Aber ‘tust’, ‘tut’ hat sich nicht angeschlossen. Die Prät. ginc, vinc wahren Länge, auch stunt, obwohl hierneben als bequeme Reimform stunt mit Kürze steht. Im Part. Prät. haben nach Ausweis der Reime die Langformen gegangen, gestanden, gevangen zu gelten. dun ‘tun’, das im Inf. lautliche Doppelentwicklung zeigt, reimgebunden dûn oder dōn, bildet die 1. Sing. Ind. schon ohne -n, ich du, in der 2. Sing. gilt grobmundartliches duts, in der 3. Sing. dut, nicht -ei-, Prät. Sing. dede, Prät. Pl. daden, Part. Prät. gedan. Es gilt willen ‘wollen’, wozu im Ind. Präs. Sing. nach nordwestlicher Art anzusetzen sind ich wille, du wilt, er wil(le)t, woneben im Reim 1. 3. Sing. wele (oder wil?), im Konj. ich wille, du willes, er wille, Pl. willen, Prät. aber wolde. wesen und sin gelten nebeneinander, 1. Sing. bin, 3. Sing. is, in der 2. Sing. sind bis wie bist reim bezeugt, so daß fürs Versinnere keine Entscheidung zu treffen ist. Wir schreiben bei angelehntem Pron. satzlautend bistu, das als bis du oder bist du gedeutet werden kann. Ferner gelten was, waren und gewesen, in zusammengesetzten Zeitformen mit hebben verbunden, z. B. hadde gewesen, Imp. wis! hebben, wie seggen jan-Verb, kennt keine zusammengezogenen Formen, 1. Sing. hebbe, 2. Sing. heves, 3. Sing. hevet, Pl. hebben, Prät. Ind: hadde, Konj. hedde. Auch laten kennt nur Vollformen, z. B. lat imp. sing., latet oder lat (= latet) 2. pl., je nach dem Versgang. | |
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Besonders schwierig sind Entscheidungen über die Verbalrektion, wo die Schreiber jeweils ihre eigenen Wege gehen. Es gibt Fälle, wo auch Veldeke schwankt, wie z. B. bei beginnen, das er meist mit dem Gen., aber auch mit dem Akk. verbindet, oder bei bidden, wo die auffällige Verbindung mit dem Dat. d. Pers. neben der mit dem Akk. steht, aber dunken müssen wir bei ihm wohl immer mit dem Dat. d. Pers. verbinden, entseven mit dem Akk., in ein gedragen mit dem Gen. d. Sache, um nur einiges zu nennen. Bei achten z. B. ist der Entscheid für den Gen. willkürlich, auch der Akk. wäre möglich. Nicht ungewöhnlich ist bei Veldeke die Koppelung zweier Verben verschiedener Rektion, z. B. si hadde hen allen gelike verseget ende verkoren oder, bei allerdings doppeldeutigem heme, di heme dar tu solden raden ende wisen, wo das jeweils zweite Verb eigentlich den Akk. forderte. hen bat ende rit verbindet aber Verben, die bei Veldeke gleicherweise den Dat. d. Pers. bei sich haben können. Auch die abhängigen Präp. können zum Problem werden. So entschieden wir z. B. für raden ane, nicht op, und für weten van, nicht umbe. | |
PräpositionenIm allgemeinen verbindet Veldeke Präpositionen mit dem gleichen Kasus wie das Mittelhochdeutsche, also z. B. ane ‘ohne’, dore ‘durch’, umbe, went ane ‘bis an’ mit dem Akk., binnen, bit ‘mit’, boven, buten, inwendech, na, te, tut, tuschen, ut, uter, van mit dem Dat., achter, ane ‘an’, bi, in, op, over, under, vore je nach der Blickrichtung mit dem Dat. oder dem Akk. Er schwankt zwischen Dat. und Akk. bei den sich allerorten beeinflussenden integen und weder. Daneben gibt es aber vereinzelte Fälle, wo der Reim Verbindung mit dem Akk. sichert, wo wir den Dat. erwarteten, z. B. bi heren palas ‘bei ihrem Palast’, in den walt ‘im Wald’, vore sinen munt ‘vor seinem Mund’, op dat castel ‘auf der Befestigung’, ane di liste ‘an der Leiste’. Hier und da könnte man an alten Lokativ denken, wie er sich in hus dat. allgemein hält, im übrigen steht Veldeke hier aber auf der Seite des Mittel-niederländischen, wo sich durch die Berührung von Dat. und Akk. Besonderheiten der Rektion ergeben haben. Wir beachten die b-Verbindungen binnen, boven, buten. bit präp. steht neben tonstärkerem mede adv. Auch te und tut verdanken ihr Nebeneinander Nachdrucksunterschieden. went ‘bis’, das als Bildung in einen engeren nord- und ostmndl.-ndd.-md. Bereich gehört, kann nur verstärkend vor Präp. als Präp. gebraucht werden, z. B. went ane. | |
AdverbienZu den nominalen Adverbien s.o. Im übrigen beachten wir Schwanken der Form, je nach dem Reimbedürfnis, zwischen gare und garwe, danne, dannen und dane, hinnen und hinne, ere und e, mere und me, nedere und neder, voren und vorne, | |
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ave und vereinzelt af. dar inne und dar in sind bedeutungsmäßig nicht mehr rein geschieden. Wir beachten besonders dus, aldus mit erhaltenem d, achter ‘hinter’, zusammengezogenes altos, umlautloses hi, da bevoren gegenüber Umlaut in hi, da vore, i in gisteren, ginder ‘dort’, sint ‘seither’, (n)immer, vort in festen Fügungen wie vort bat, vort mere, her vort, (n)irgen, die b-Bildungen binnen, buten, bovene, die -lingen-Bildungen sunderlingen, ruggelingen, schredelingen, neder(e) für ‘her-unter’ wie ‘unten’, noch du und noch dan, vol na neben na, bi ein ‘beieinander’ und op ein ‘aufeinander’, Scheidung von samen für Ruhe und te samen für Richtung. Bezeichnend sind die vielen Verbindungen mit da(r) wie z. B. dar ave, dar ane, dar inne, dar mede, dar na, dar tu, dar umbe, da vore, auch mit hi, z. B. hi bevoren, hi bi, hi buten, hi na, hi nedere, hi weder, und mit her, z. B. her nedere, her over, her tu, her ut, her vort. Verbindungen mit hin, die die Überlieferung häufig eingeführt hat, sind dagegen Veldeke abzusprechen, ebenso solche mit dan. Charakteristisch ist adverbiale Fernstellung, von den Handschriften oft beseitigt, z. B. da ich ni minne tu gewan, da si here muder hulde al bit alle mede verlos. Veldeke macht reichen Gebrauch von Steigerungsadverbien wie vele, wale, starke, vaste, harde, sere. | |
VerneinungEs steht natürlich ne in Fällen wie z. B. 6723 he (= Eurialus mit seinem glänzenden Helm) ne mochte nit gewiken, men ne sage wale ware'r ginc, 8050 ich ne gelovede hen niwet dat, ich ne solde din huden bat ‘so war es nicht gemeint, sondern ich hätte dich besser behüten sollen’, aber auch im Falle starker Versfüllung wie 2671 of si da laten solden di lude di heme ne dochten ende gevechten nine mochten. Im übrigen gilt grundsätzlich doppelte Verneinung. Wo ne in den Hss. neben z. B. nit, niwet, nimmer fehlt, muß es der kritische Text ergänzen. nit ne in Kontaktstellung ist gewöhnlich als tonstarkes nine anzusetzen, bei nit ne blieben wir nur in Fällen wie z. B. dat he si nit ne sach noch ne sprac, noch kräftiger ist niwet. ni ne bleibt unangetastet. Als ursprüngliche Subst. haben sie gewöhnlich den Gen. bei sich. Aber die adverbiale Abschwächung ist schon so weit im Gange, daß bei Veldeke daneben schon der Akk. möglich ist. Zwischen nit, nine und niwet muß gelegentlich der Versgang entscheiden. An verstärkten Negationen beachten wir noch negeiner wis ‘keineswegs’, nimmer ‘durchaus nicht’, ni negein ‘keiner’. In der Bedeutung ‘nichts’ wird niwet flektiert, niwets gen., niwete dat. | |
KonjunktionenFür die reich entwickelte syntaktische Neben- und Unterordnung und den erstaunlich häufigen Periodenbau stehen eine ganze Reihe von Konjunktionen zur Verfügung, anreihend z. B. ende, ouch, beide... ende, trennend und ausschließend ofte ‘oder’, wofür auch ochte zu erwägen wäre, weder... ofte, noch, | |
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noch... noch ‘weder... noch’, weder... noch, ane ‘außer’, mare ‘außer’, gegensetzend doch, idoch, ane ‘sondern’, mare ‘sondern’, auch die oft noch zeitlichen noch du und noch dan. Unter den zeitlichen Konjunktionen ist du besonders häufig, vor allem in der beliebten du... du-Konstruktion, woneben auch schon alse... du, ferner z. B. nu, ere, sint (dat), di wile (dat), went (dat). Vergleichend stehen z. B. so und also, alse in verschiedenen Korrelationen wie so... alse, also... alse, also... so, alse... so, alse... alse, dan nach Komparativ, begründend z. B. want, auch sint (dat), nu, bedingend z. B. of, einräumend al ‘obgleich’, ‘wie... auch’ mit Zweitstellung des Verbs, vereinzelt resthaft doch, selten wi. dat dient wie allerorten vielen Zwecken, beachtlich der pleonastische Gebrauch in den häufigen Verbindungen mare dat, sint dat, went dat wie auch sonst zur Wiederaufnahme eines adverbialen Ausdrucks als sogen. ‘rhein. dat’. | |
WortschatzDer bewegliche Wortschatz fordert größte Behutsamkeit. Für jede Entscheidung wünschte man sich als sichere Grundlage eine besondere WortmonographieGa naar voetnoot28. Wir mußten uns auf das Notwendigste beschränken, das in den Anmerkungen in Bd. II ausgebreitet ist. Im Auge zu behalten war in jedem Fall, in wie unterschiedlichen Verbänden der limburgische Wortschatz stehen kann. Das haben wir schon in dem Buche ‘Heinrich von Veldeke zwischen Schelde und Rhein’ von 1949 grundsätzlich dargetan. Manches beschränkt sich aufs Ostmittelniederländische, z. B. te banen komen ‘zum Verderben gereichen’, anderes gilt nur mittelniederländisch, z. B. winnen ‘(das Land) bebauen’, gerinen ‘berühren’, oder aber mittelniederländisch-rheinisch, z. B. swegel ‘Schwefel’, verwinnen ‘überwinden’, oder gar mittelniederländisch-rheinisch-mitteldeutsch, z. B. liden ‘vergehen’, merren intrans. ‘zögern’, wobei das Niederdeutsche jeweils ein- oder ausgeschlossen sein kann. Eingeschlossen z. B. bei mittelniederländisch-niederdeutsch art ‘Land’, mittelniederländisch-rheinisch-niederdeutsch eilant ‘Insel’, mittelniederländisch-niederdeutsch-mitteldeutsch vrie ‘Brautwerbung’. Anderes wiederum gilt nur rheinisch-mitteldeutsch, z. B. in ungewalt komen ‘ohnmächtig werden’, oder rheinisch-mittelhochdeutsch, z. B. dageweide, even-maten ‘vergleichen, gleichstellen’. Die Verbände können alt oder jung, fester | |
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oder loser sein, gelegentlich nur die Form, das Geschlecht oder die Bedeutung betreffen. Die Form ist z. B. wichtig bei nordwestlichem weke gegenüber mhd. woche, tapit gegenüber mhd. teppich, berve gegenüber mhd. biderbe, das Geschlecht bei femininem galge gegenüber dem hochdeutschen Maskulinum, die Bedeutung bei halden ‘sich befinden’ gegenüber gewöhnlich ‘halten’, toren ‘Unglück, Schade’ gegenüber gewöhnlich ‘Zorn’. Der Nordwesten kann Veraltendes festhalten, z. B. entmaren ‘losbinden’, gehirmen ‘ruhen’, entginnen ‘öffnen’, umgekehrt Altes aufgegeben oder in den Hintergrund gedrängt haben, z. B. selede ‘Wohnsitz’, run ‘ruhen’, besondere Modeworte pflegen, z. B. lussam, einen eigenen Kreis von Fremdworten aus dem Französischen prägen, z. B. balziren ‘ritterlich gürten’, sentine ‘unterster Schiffsraum’, inket ‘Tinte’. Wir haben nach bestem Wissen entschieden, wenn auch viele Unsicherheiten im Einzelnen bleiben. Wir haben immer wieder die mangelnde Vorarbeit in wichtigen Bereichen zu beklagen. Oft können wir uns in unseren Entscheidungen auf gute Überlieferung stützen, in andern Fällen weisen uns Verschreibungen, Entstellungen und Umdeutungen der Schreiber den richtigen Weg. Auseinanderstrebende Überlieferung ist oft ein Zeichen dafür, daß die Schreiber, jeder auf seine Weise, einem Mundartwort des Nordwestens aus dem Wege gingen. Hier beginnt der dornige Weg der höheren Kritik, wo mitunter gewagt werden muß, den Schutt der Überlieferung ganz und gar abzuräumen und dafür das zu setzen, was dem Dichter vermutungsweise zugehört. Am Ende wird man aber, zumal an Hand des Wörterbuches in Bd. III, das auch die verworfenen Abweichungen der Überlieferung gewissenhaft registrieren wird, verfolgen können, wie sich die Sprache in den verschiedenen Lebensbereichen, die für diesen ersten eigentlich höfischen Roman wichtig sind, entfaltet, zuvörderst natürlich im Bereich der Liebesszenen, wo sie in Monologen, Dialogen, Szenen der Freude und des Schmerzes, der ersten Annäherung, des Miteinander und des Abschieds, dem gesellschaftsfähig gewordenen Gefühl Ausdruck verleiht; dann im Bereich des Kampfes, des Burgenbaus, der Belagerung, des Angriffs, des Ausfalls, der Verteidigung, des Waffenstillstands, des Massenkampfes, des Zweikampfes, wo altererbte Formeln und Wendungen mit unerhört Modernem und Zeitgemäßem eine reizvolle neue Einheit eingegangen sind; dann der weite Bereich der für höfische Dichtungen so bezeichnenden Beschreibungen, Beschreibungen der menschlichen Gestalt, wie Dido im Jagdschmuck, Kamille im Waffenschmuck oder die häßliche Sibille, des Pferdes der Kamille, der Waffen des Eneas und vor allem dann die weit ausladenden Beschreibungen der Grabmäler des Pallas und der Kamille. Mühelos bewegt sich Veldeke in vielen fachsprachlichen Gebieten. Ins Auge fällt die Fülle der rechtssprachlichen Wendungen. Dazu treten Fachausdrücke der Schiffahrt, der Jagd und der Baukunst, um nur einiges zu nennen. Charakteristisch ist die Auswahl der Fremdworte, für die der Dichter sich entscheidet. Dies alles muß zugleich gesehen werden auf dem Hintergrunde der hohen Sprachkunst des anglonormannischen Roman d'Eneas, dem Veldeke als seiner Vorlage und seinem Vorbild verpflichtet bleibt. |
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