Brieven van Julius Röntgen
(1934)–Julius Röntgen– Auteursrecht onbekend
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XIII Brieven aan Prof. Carl Flesch
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Fuglsang, 17 Aug. 1904....Meine Sommererlebnisse lassen an Reichhaltigkeit und Abwechselung nichts zu wünschen übrig. Erst die sehr schöne Schweizer-Italienische Reise, begünstigt von dem wunderbarsten Wetterglück, das ich je in den Alpen erlebte - dann einige Bier-erfüllte Tage in München, und als origineller Reiseschlusz ein Besuch des alten Städtchens Rothenburg, ein Nürnberg ‘en miniature’, nur noch viel interessanter und absolut mittelalterlich....
....HierGa naar voetnoot1 leben wir das herrliche seit Jahren gewohnte Sommerleben, ausgefüllt mit allen nur denkbaren Genüssen - ein Verkehr mit lieben, bedeutenden Menschen, stets wechselnden Gästen, Segelparthieën, Waldtouren zu Fusz und per Fahrrad, wo sich dann die ganze zahlreiche Gesellschaft zusammenfindet und Frühstück oder Mittagessen köstlich mundet. Der ‘Clou’ des diesjährigen Aufenthaltes aber war der Bau einer Hütte auf einer nahegelegenen, | |
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durchaus unbewohnten Insel, die dieser Tage festlich eingeweiht werden soll. Eine Fahne wurde von einigen Damen unter den Gästen angefertigt: sie stellt vor, wie zwei von uns in Adams-Costüm mit einer Hummer - unserm hiesigen Lieblings-gericht, einen phantastischen Tanz aufführen. Dies Detail nur um Ihnen einigermaszen die Stimmung des Ganzen an zu deuten. Dies die eine Seite unseres Lebens. Die andere - die musikalische, füllt die übrige Zeit ganz aus. Wir sind fabelhaft fleiszig - Abend an Abend wird musiciert. Die Beethoven Quartette haben wir der Reihe nach gespielt und sind gestern bis zum f-moll gekommen. Beide Sextette von Brahms, Quintette von Schubert, viel skandinavische Musik, überhaupt was nur denkbar ist, wird gemacht. Wenn ich erwähne, dasz ich sogar wieder als Tenorist aufgetreten bin, so genügt dies um Ihnen den weiten Kreis unsres Repertoires zu verdeutlichen. Jetzt erwartet mich die Hauskapelle zur Probe und ich höre schon ungeduldige Motive, die mir weiteres Schreiben unmöglich machen.... | |
Fuglsang, 12 Aug. 1905....Vor einigen Tagen kamen wir von unsrer groszen Norwegischen Reise zurück und sind nun hier in Fuglsang zu Ruhe gekommen, genieszen das hiesige Schlaraffenleben nach dem immerhin anstrengenden und aufregenden Norwegischen Wandertagen und haben es in jeder Beziehung ausgezeichnet. Norwegen war wirklich herrlich und unsre Reise war in jeder Beziehung hochgelungen. Wir haben groszartige Bergbesteigungen gemacht, hatten das schönste Wetterglück dabei, und der Hauptzweck der Reise: der Besuch bei Grieg war auch im höchsten Grade erreicht - wir fanden Grieg sehr wohl und ganz im Stande die Tage mit uns in alter schöner Weise zu verbringen. Wir machten Ausflüge mit ihm, musicirten sehr viel, und hatten wahre Festtage zusammen. Auch Pläne für nächsten Winter wurden gemacht. Grieg wird wenn seine Gesundheit es ihm gestattet - im Mai nach England gehen und will vorher für ein Concert nach Amsterdam kommen. Er hat eine Lyrische Suite für Orchester (nach Clavierstücken bearbeitet) gemacht, die er mir gewidmet hat und die er dann zum | |
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ersten Mal in Amsterdam aufführen möchte. Ausserdem würde ich das Clavierconcert spielen und Messchaert Grieglieder singen.... Und Sie sind immer fleiszig und bereiten Ihre Berliner Concerte vor? Wenn ich von Ihrem Studiren lese, schäme ich mich meiner Sommerfaulheit. Mein Musikmachen erstreckt sich beinahe ausschlieszlich auf unsern allabendlichen Fuglsangconcerte, die wieder in vollem Gange sind. Ich habe mich diesmal im Quartett auf die 2e Violine verlegen müssen, da es an einem geeigneten Spieler fehlte. Es macht mir, als Abwechselung, viel Spasz - den Zuhörern vielleicht weniger! Die ‘greatest attraction’ ist aber unsere Insel mit der neuerbauten Hütte - ‘Zuluruh’ - dort verbringen wir die meisten Nachmittage und genieszen das absolut ungebundene Leben wie im Paradiese vor dem Sündenfall. Das Segelboot steht jetzt wieder bereit und man erwartet mich.... | |
Amsterdam, 6 Sept. 1907....Sie haben Recht, ich verliere sehr viel an GriegGa naar voetnoot1 - er war ein ganz seltener Mensch, eine herrliche Mischung von Geist und wärmsten Gemüthes. Die Tage des Zusammenseins mit ihm und seine zahlreichen Briefe, deren ich mich in den letzten 25 Jahren erfreute, gehörten zu meinen gröszten Lebensfreuden. Auch musikalisch hatte ich soviel an ihm, ich meine in persönlichem Verkehr und Austausch der Meinungen. Zu Brahms war mein Verhältnisz nur das der passiven Verehrung und bei Joachim fühlte ich mich durch sein Conservativismus beëngt - das Alles fiel bei Grieg weg und ihm gegenüber hatte ich weder Scheu, noch das Gefühl, dasz die Musik mit Brahms zu Ende sei. Wie froh bin ich diesen Sommer noch bei ihm gewesen zu sein! Beim Abschied sagte er mir: ‘Wir wedden uns nicht wiedersehen’ - ich dachte nicht, dasz sich seine Todesahnung so schell erfüllen würde.... | |
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de BalmeGa naar voetnoot1 2300 M. hoch eingeschneit, und hatten es da, als alleinige Bewohner einer Alpenhütte, höchst gemütlich. Als endlich die Sonne wieder zum Vorschein kam, machten wir die groszartige Tour du Mont Blanc, die der ungünstigen Schneeverhältnissen halber sehr anstrengend war. Dann kamen einige Tage in Ober-Italien bei herrlichstem Wetter und schönstem Asti. Dann wieder in 's Hochgebirge, über's Matterjoch nach Zermatt. Später noch 6 Wochen in Fuglsang, wo wir wieder Abend an Abend musicirten. Ich habe sogar noch componirt: ein Heft Clavierstücke ‘Dolce far Niene’Ga naar voetnoot2 genannt. Und nun ist's mit dem ‘far niente’ vorbei und es giebt viel Arbeit. Am 1ten Oktober fängt es an mit einer Messchaert-Röntgen Tournée.... | |
Amsterdam, 25 Juni 1910....Das war ja eine ebenso erfreuliche wie imponirende NachrichtGa naar voetnoot3, zu der ich Ihnen meine allerherzlichsten Glückwünsche ausspreche! ‘Vater werden ist nicht schwer’Ga naar voetnoot4 - das habe ja auch ich in reichem Maasse erfahren - aber zu solcher Virtuosität habe ich's bis jetzt nicht gebracht, das sind ja die reinen Doppeloctaven, für die Sie ja nun einmal das Monopol haben. Mögen Sie viel Freude an diesem Doppelgriff erleben; wäre ich Fiedler, ich würde Ihrer Frau die schönste Berceuse im zweistimmigen Contrapunkt componierenGa naar voetnoot5.... Heute gehen wir nach Scheveningen um Casals und Frau zu begrüssen. Er spielt heute mit Thibaud und Cortot und wir reisen dann zusammen zurück.... | |
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Amsterdam, 9 Oct. 1911....Meinen herzlichsten Dank für die ‘Urstudien’Ga naar voetnoot1 und ebenso herzliche Gratulation für Ihre Arbeit, die mir - so weit ich sie beurteilen darf! - etwas ganz ausgezeichnetes scheint. Klarheit und Kürze bei dem schwierigen und reichhaltigent Stoff: das ist das Erste, was einem bei der Lektüre auffällt. ....Werden wir uns am 17ten in Berlin sehen? Ich musz jedenfalls die Bekanntschaft der Zwillinge machen und mich auch von dieser so erfolgreichen Seite Ihrer Urstudien überzeugen.... | |
Amst., 5 Sept. 1913....Es war längst meine Absicht, Ihnen zu schreiben und kann nur zu meiner Entschuldigung sagen, dasz ich in den Ferien so viel Notenpapier gefüllt habe, dasz das Briefpapier zu kurz kam. Ich habe meine OpernpartiturGa naar voetnoot2 in Fuglsang vollendet und ausserdem eine Menge Chöre für's Kaiserliederbuch bearbeitet - eine angenehme aber ziemlich zeitraubende Arbeit....
....Und dann habe ich mich entschlossen den Direktorposten am Amst. Conserv. vorläufig für ein Jahr an zu nehmen, nachdem man auf meine Hauptbedingung: die Muziekschool vom Conservat. zu trennen, eingegangen ist.... Auf unser Amsterdammer Concert mit Ihnen freue ich mich riesig. Was gedenken Sie zu spielen? Im Januar kommt meine OperGa naar voetnoot3 in Amsterdam, Haag und Rotterdam zur Aufführung. Die Königin hat am Garantiefonds theilgenommen und versprochen, die Aufführung bei zu wohnen. Eine vortreffliche Sängerin für die Hauptpartie, Frl. Dennery aus Cöln, habe ich gefunden....
....Unsere Sommerreise haben wir zwischen Schweiz und Dänemarken vertheilt. Erst waren wir in Zürich, dann in's Engadin, an | |
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die Ital. Seen und durch's Wallis - Saasfee herrlich! - zurück....
Gratulire zum Albrechts Orden, meinen früheren Landes Herrn.... | |
Amst., 24 Juni 1914....Wir haben Schmuller gewähltGa naar voetnoot1. Er hat einen ausgezeichneten Eindruck als Geiger, Musiker und auch als Mensch gemacht. ....Ich habe sehr anstrengende Tage gehabt, Examens von früh bis Abends, dann das Probespiel und zwischen durch zwei Beethovenconcerte im Concertgebouw.... | |
Amst., 7 Juni 1915....Für Ihr liebes Telegramm zu meinem leider 60ten Geburtstag - wohl das längste das ich erhalten habe, und den prachtvollen Bücherschrank, der jetzt meine Stube schmückt, ein Meisterwerk von NieuwenhuisGa naar voetnoot2, der vor 10 Jahren das schöne Album für mich entworfen hat, soll Ihnen jetzt mein Dank erklingen!.... Ich hörte in den letzten Zeiten Gerüchte, dasz Sie nach Wien gingen als Landsturm - hoffe vom Herzen dasz Sie frei bleiben.... In Amsterdam entging ich nicht meinem Schicksal und muszte mich feiern lassen - die 60 Jahre sind doch eigentlich kein Verdienst, mehr ein notwendiges Übel - Mengelberg machte 2 Orkester Stücke von mir ganz vorzüglich und das Conservatorium gab mir sogar einen ganzen Abend mit meinen Sachen, der sehr stimmungsvoll und herrlich verlief. Heute fangen die ‘Eind-Examens’ an, es sind 22 Candidaten à 1½ Stunde - eine saure Arbeit bei diesem göttlichen Sommerwetter, wo jede Stunde, die man nicht draussen verbringt, eine verlorne ist. Zum Geburtstag habe ich mir ein lustiges StreichtrioGa naar voetnoot3 geschrieben, als Protest gegen die 60 Jahre. Für die noch übrigen erbitte ich mir die Fortdauer Ihrer Freundschaft.... |
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