Brieven van Julius Röntgen
(1934)–Julius Röntgen– Auteursrecht onbekend
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XII Brieven aan Oscar C. Posa
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ich mit noch mehr Überzeugung, was ich Ihnen neulich nur in der ersten Freude und Überraschung sagte: ich stelle Ihre Lieder den besten zur Seite, die geschrieben sind, und bin gewisz, dasz sie nur bekannt zu werden brauchen, um dieses Urtheil allgemein bestätigt zu finden. Von welcher Seite ich sie auch betrachte, als reine Musik, als Stimmungsausdruck, als Textbehandlung - überall finde ich sie gleich meisterhaft und hervorragend. Dasz das eine mir lieber als das andere ist, das ist ja natürlich und ist ja schlieszlich eine subjective Sache, die am Ganzen nichts verändert. Aus diesem Gesichtspunkt bitte ich Sie auch mein Urtheil über die einzelnen mir besonders lieben Lieder zu betrachten! Oben an steht mir ‘Beschwichtigung’. Ich finde es das Groszartigste, mit dem weitesten Horizont; es ist wirklich ein groszer Wellenschlag darin und am Schlusz erhebt es sich zu einem wahren Dithyrambus - das es-dur wirkt wie eine Berfreiung! Dabei die grosze Einheit im Ganzen, trotz der sehr wechselnden Stimmungen in der Mittelstrophe! An unmittelbarer Wirkung steht mir besonders hoch: ‘In einer groszen Stadt’. Da trifft jeder Zug in's Schwarze - wie Sie die drei Strophen verschieden begleiten und dadurch die verschiedenen Stimmungen charakterisiren, finde ich ganz herrlich....
....Ebenso das ‘Weberlied’, wo Sie auch mit einfachsten Mitteln die gröszte Wirkung erreichen. Das immer Langsamerwerden, bis zum vollkommenen Erstarren - am Schlusz steht wirklich das Schifflein und das Herz still - ist herrl ch empfunden.... ....So möchte ich Lied für Lied mit Ihnen durchsprechen, doch sage ich Ihnen ja nichts Neues und Sie werden bei sich denken: ‘die Geister, die ich rief’ u.s.w.Ga naar voetnoot1 Etwas Geduld müssen Sie aber schon noch haben! Zuerst zu den beiden lustigen Liedern, ‘Handkusz’ und ‘Irmelin’, die wohl zu den allergelungensten gehören und wahre Effectstücke sind, besonders das Erste! Ich bewundere, wie Sie die passende Musik zu dem tollen Text gefunden haben.... | |
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Bei ‘Irmelin’ habe ich mich besonders als Clavierspieler gefreut, schönste Filigran-Arbeit! - aber schwer ist's für Sänger und Spieler. Wie freue ich mich darauf, es mit Messchaert zusammen zu hören.... ....Ganz aus einem Gusz ist auch das g-dur Lied ‘Es lauscht der Wald’ - es ist von entzückender Frische und Leichtigkeit und klingt so ungezwungen, alsob Sie nur geschüttelt haben, um die Frucht sich in den Schosz fallen zu lassen.... Zu den tiefsten Stücken, die aber wohl nicht gleich unmittelbar wirken können, gehört ‘Narzissen’ - da ist wirklich eine schwüle Stimmung (wie im Wagner'schen Treibhaus!) von Anfang bis zu Ende....Das Ganze atmet ‘Narzissenduft’, vielleicht für Manchen zu berauschend! ‘Heimweh’ und ‘Heimkehr’, - das Erste was ich von Ihnen kennen lernte - sind mir noch lieber geworden. Die Verbindung des Vokalen mit dem Instrumentalen zu einem Ganzen ist in diesen beiden Liedern wohl am Vollendesten. ....Überhaupt sind diese beiden Lieder besonders reich an harmonischen und motivischen Feinheiten. Welche Freude habe ich daran gehabt! Von den kleineren Liedern stelle ich obenan ‘Du’. Auch hier ist die den Gesang umspielende Begleitung von grösztem Reiz und besonderer Feinheit. Nun noch ein Wort über die beiden groszartigen Stücke: ‘Die gelbe Blume Eifersucht’Ga naar voetnoot1 und ‘Ende’Ga naar voetnoot2. Musikalisch packen sie mich fabelhaft, nur weisz ich nicht, ob sie im Rahmen eines Liedes nicht zu gewaltsam sind. Das Eifersuchtslied ist comprimirte dramatische Musik, ich bin neugierig welche Wirkung es als Lied machen wird. Die grelle Farbe ist fabelhaft getroffen, am Schlusz bekommt mancher wohl eine musikalische Gänsehaut. Es ist aber durch und durch echte Leidenschaft.... Nun aber wirklich Ende! Sie werden genug haben und ich hätte auch lieber die Lieder mit Ihnen durchmusicirt, als Worte darüber geschrieben, was durchaus nicht mein Fach ist! Ich freue mich herzlich darauf, Sie nächstens in Wien kennen zu lernen. Haben Sie | |
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noch mehr mir zu schicken, so brauche ich nicht zu sagen, wie willkommen mir Alles sein wird! Nochmals Dank für die Liederfreuden!.... | |
Amsterdam, 7 Sept. 1900....Das Erste was mich nach meiner Rückkehr aus Norwegen erfreute war Ihr Brief und die vier neuen LiederhefteGa naar voetnoot1. Von Neuem habe ich mich auf's Intensivste daran erfreut und immer lieber werden mir die Lieder, je öfter ich zu ihnen zurückkomme. Eine besondere Überraschung war ja ‘der Frühling’Ga naar voetnoot2 - ich bin ganz entzückt davon, es ist ein wahres ‘Cabinetstück’ und ich kann nicht erwarten bis es Messchaert, für den es ja wie gemacht ist, singen wird. Auch als ‘Clavierstück’ gehört es zu den mir liebsten Stücken und die Freiheit und Neuheit der Tonartfolgen darin finde ich ganz genial.... ....Nun hoffe ich nur, dasz Messchaert nächsten Winter mehr Glück hat und die Lieder nicht nur auf den verschiedenen Programmen stehen, aber auch gesungen werden. Also bekomme ich wohl bald Ihre Violinsonate und viel Anderes.... ....An Simrock habe ich heute über Ihre neuen Lieder geschrieben.... | |
Amsterdam, 6 März 1901....Haben Sie Dank für Ihre inhaltsschwere SendungGa naar voetnoot3, die langerwartete, auf deren Eintreffen ich mich so gefreut habe! Erwarten Sie heute noch nichts Ausführliches darüber, ich musz Alles erst ganz in mich aufnehmen und mir selbst erst ganz klar darüber werden. In diesem Sinne fassen Sie wohl auch auf, was ich heute schon über die Sonate und die Lieder sage. Zuerst aber den Gesammteindruck: die Sonate hat mich auf's neue und noch mehr als neulich begeistert und ich finde das Material was Sie verarbeiten, von gröszter Schönheit! | |
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Gestern habe ich die Sätze einige Male mit ElderingGa naar voetnoot1, unserm ausgezeichneten Geiger durchgespielt. Alles klingt vortrefflich, die Violine dominirt überall trotz des vollen Claviersatzes und die zarten Stellen - Mittelsatz und Andante - klingen zauberhaft! Das ist überhaupt ein Stück, dasz in ganz erdentrückten Regionen spielt, und der Contrast mit dem gewaltigen Hymne-artigen Anfang der Andante ist ganz herrlich. Der zweite Satz steht mir, als Musik, noch über dem ersten - es ist eine Intensität der Empfindung darin, sowohl im Pathetischen wie im Zarten, die mich an den letzten Beethoven denken läszt. Dabei steht Alles in harmonischer Beziehung so fest und gesund da, dasz man nie den Boden unter den Füszen verliert. Ich könnte immer weiter in diesem Ton schreiben, doch Sie haben nichts davon - es kommt mir vor, alsob ich Ihnen etwas quittire, was Sie schon, längst empfangen haben!....
....Und nun nochmals Dank für die grosze Freude, die Sie mir wieder bereitet haben. Ich weisz mir nichts Schöneres, als so eine Sendung zu empfangen und mich darin zu vertiefen!.... | |
Amsterdam, 13 März 1901....Ihre Sonate beschäftigt mich jeden freien Augenblick, und Sie können denken, wie mich Ihr Brief erfreute, der mir in vielem mehr Klarheit brachte, und vor Allem zeigte, dasz Sie meine Bemerkungen freundlich aufgenommen haben!.... ....Wie freut es mich, dasz meine Schreiberei dazu beigetragen hat, Sie auf's Neue zur Arbeit an der Sonate zu veranlassen. Ich freue mich unendlich darauf sie öffentlich zu spielen. In Eldering habe ich den besten Partner, den ich mir wünschen kann. Morgen spielen wir den zweiten Satz einigen guten Freunden vor; ich möchte gern die Wirkung ausprobiren, die er auf ganz unbefangenen Zuhörer macht (ich meine was die Länge betrifft)Ga naar voetnoot2. Es würde mir eine wahre Freude sein Ihr werk auf dem Heidelberger Tonkünstlerfest mit Eldering zu spielen. Wir hatten die | |
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Absicht eine neue Violinsonate von mir bei dieser Gelegenheit zu spielen, ich war aber von dem Plan zurückgekommen, weil ich mich in den letzten Monaten gesundheitlich nicht zum Besten befand und es mir etwas an Unternehmungslust fehlte. Aber wenn's Ihre Sonate gilt, so bin ich bereit! Ich werde mich an Gen. Direct. Steinbach in Meiningen melden, der Präsident des Vereins ist und die Hauptstimme bei der Wahl der aufzuführenden Werke hat. Von Heidelberg nach dem NordcapGa naar voetnoot1 - il n'y a qu'un pas - besonders wenn wir vorläufig statt Nordcap Amsterdam sagen. Also fangen wir einmal mit Heidelberg an!.... | |
Amsterdam, 10 April 1901....Jetzt habe auch ich den Kampf mit dem letzten Satz Ihrer Sonate ausgefochten und rufe Ihnen aus voller Überzeugung ‘Sieg’ zu! Es ist wirklich ein Stück, das man sich erst erobern musz. Zu Anfang interessirte mich natürlich am Meisten die fabelhafte Arbeit, in motivischer und rythmischer Beziehung, nach und nach kam erst das rein Musikalische durch und jetzt finde ich Beides vollkommen auf gleicher Höhe. In technischer Beziehung stelle ich den Satz weit über den ersten - auch weil keine Note darin ist, die nicht thematische Bedeutung hat. Blose Begleitungsfiguren, wie im ersten Satz, gibt es ja nicht mehr. Es ist Bach'sche Kunst darin. Ich habe soeben den Satz mit Eldering durchgespielt, er klingt ausgezeichnet und auch in der Instrumentation ist nichts zu ändern. Auch der Anklang an den 1. Satz macht sich sehr gut und ganz ungezwungen. - Eldering hat vor einigen Tagen an Steinbach in Meiningen geschrieben wegen des Heidelberger Musikfestes und speciell über Ihre Sonate. Das nächste musz nun sein, dasz Sie die Sonate einschicken. Wird sie dann zur Aufführung angenommen, dann können wir weiter sehen. Ihre Idee, sie selbst zu spielen, gefällt mir sehr, so gerne ich auch das Werk selbst spielen würde. Am natürlichsten ist es jedenfalls, dasz Sie als Componist selbst spielen. Hier kann ich die Sonate erst nächsten Winter bringen, wir | |
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haben Sonnabend unser letztes Kammermusik-Concert. An Simrock werde ich dieser Tage schreiben. Über die beiden ersten Sätze hat er schon von mir gehörtGa naar voetnoot1.... | |
Amsterdam, 3 Mai 1901....Zu meiner Freude kam die Nachricht aus Heidelberg, dasz Ihre Sonate und Ihre Lieder dort gemacht werden. Steinbach schrieb sehr warm darüber. Messchaert kann bei dem Feste mitwirken und Ihre Lieder singen. Neulich spielten wir zum ersten Mal die ganze Sonate in einer musikalischen Privatgesellschaft. Der letzte Satz macht stets die gröszte Wirkung!.... | |
Fuglsang, 4 Aug. 1901....Es sind nun schon 14 Tage vorüber seit wir Abschied nahmen und seitdem habe ich ja geschwiegen - wenigstens mit der Feder - Dasz nach so langem und gutem Zusammensein ein Zusammenleben in Gedanken stattgefunden hat, brauche ich wohl nicht zu sagenGa naar voetnoot2. Erst folgten wir Deine weiteren alpiner Thaten und freuten wir uns über Deine Spuren in den beiden Karten. Die letzte war von der Halle'schen Hütte. Wir reisten molto presto zurück, hatten es sehr schön am Stilfser Joch und kamen noch am selben Abend nach Bozen, reisten direkt durch nach München und waren 2 Tage später schon in Leipzig.... Mit groszer Freude und Dank denke ich an unsre Reisetage zurück und ertheile Dir, wenn das überhaupt noch nöthig ist, ein Führerpatent ersten Ranges! Auch was Deine Geduld und Nachsicht mit uns Dilettanten betrifft.... Und nun bist Du wohl auch wieder stabil geworden und an die Sommerernte gegangen. Unsre Wienerpläne sind noch ganz im Dunkeln, Messchaert zankt sich mit den Impresariën herum - ich gebe aber Wien nicht auf, trotz allen Agenten. Dafür ist es mir künstlerisch viel zu lieb. | |
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Amsterdam, 4 Sept. 1901....Dasz Düsseldorf nichts wurde, ist sehr SchadeGa naar voetnoot1. Es wäre eine so hübsche Nachbarschaft gewesen. Was nun? Dasz Dich Wien nicht zum Bleiben lockt, begreife ich sehr gut. Würde aber Berlin besser sein? Auf gut Glück, ohne etwas Bestimmtes, irgend wohin zu gehen, scheint mir nicht rathsam. - Hier in Holland ist auch Alles überfüllt, dazu kommt dasz man keine Ausländer heranläszt und nur eigenes Wachsthum gelten läszt. Ich hoffe bald Gutes von Dir zu hören. Schreibe mir bitte Alles was Deine nächsten Pläne betrifft, ich nehme von Herzen daran Theil!.... | |
Amsterdam, 3 Oct. 1901....Messchaert kommt ohne mich nach Wien, ich will aber Wien nicht aufgeben und es nun auf eigne Faust probiren. Ich verlange sehr von Dir zu hören und zu erfahren, was Deine Pläne für den Winter sind. Ich fürchte Dein Schweigen bedeutet, dasz Du mir nichts Günstiges mitzuteilen hast.... Dasz Deine Violinsonate gedruckt wird, freut mich unter allen Umständen.... ....Weiszt Du was ich dieser Tage gethan habe? Ich habe nach Amerika über Dich geschrieben. In Boston ist ein groszer Musikfreund und Mäcenas, der sich sehr für Alles Neue interessirt und eine grosze Bibliothek hat. Er musz Dich kennen lernen. Würdest Du wohl, wenn sich die Gelegenheit fände, eine Stelle in einer groszen Amerikanischen Stadt annehmen? Ich habe auch darüber geschrieben. Wenn's auch bis jetzt ein Schusz in's Blaue hinein ist, so kann es doch jedenfalls nichts schaden.... | |
Amsterdam, 20 Jan. 1902In diesen Tagen sind meine Gedanken viel in WienGa naar voetnoot2. Ich habe noch gar nichts von Messchaert gehört. Hoffentlich geht es ihm gut! | |
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Nach den Concerten seid Ihr doch gewisz in alter Weise zusammen? Ich freue mich darauf von Allem ausführlich zu hören! Und nun nochmals Dank für Deine Sonate; wären nur die Nachrichten über Dich erfreulicher gewesen. Es ist traurig, dasz Du keine Dir zukommende musikalische Stellung finden kannst, und dasz der jetzige Zustand einen - mir sehr begreiflichen - lähmenden Einflusz auf Dein musikalisches Schaffen hat. Aus Amerika bekam ich auch nicht Erfreuliches zu hören: dort, wie überall, Überfüllung, und Gedeihen der Mittelmäszigkeit. Deine Lieder haben wir nach Boston geschickt und die dortigen Freunde werden uns benachrichtigen, sobald irgend eine passende Stellung sich findet. Ich gehe dieser Tagen nach Leipzig, und werde dort Deine Sonate vorspielen. Ich bin sehr beschäftigt mit einer Bearbeitung Alt-Niederländ. Lieder für Männerchor und Orchester, die bald bei Breitkopf und Härtel erscheinen sollGa naar voetnoot1. Letzte Woche gab es hier ein dreitägiges Musikfest, wo nur Werke Niederl. Componisten gemacht wurden. Ein Te Deum von Diepenbrock machte einen ungeheueren Eindruck! Es gehört zum Bedeutendsten was in der Neuzeit in Holland geschrieben ist, und ich habe seit dem Brahms'schen Requiem von keinem Chorwerk einen solchen Eindruck bekommen.... Ich musz schlieszen, will Dir nur noch mittheilen, dasz wir zum Sommer op. 5 erwarten, und dasz meine Frau es bereits an Grieg gewidmet hat, als Dank für die ihr gewidmeten letzten lyrischen StückeGa naar voetnoot2. Also hoffentlich wird es ein Edvard.... | |
Amsterdam, 13 April 1902....Gestern Abend haben wir Deine Sonate in unsrer Kammermusik-Soirée gespielt, sie hatte einen sehr groszen Erfolg! Gleich der erste Satz machte groszen Eindruck, der zweite natürlich noch mehr und nach dem Finale wurden wir 3 mal zurückgerufen. Offen gesagt, ich hätte nicht geglaubt, dasz das Stück so wirken würde - es ist ja viel zu bedeutend, als dasz ein gewöhnliches Concertpublicum | |
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zum ersten Mal dahinter kommen könnte. Ich selbst hatte beim ersten Durchspielen des letzten Satzes einen gewissen spröden Eindruck. Dieser Satz wird auch immer am schwersten verstanden. Wir haben die Sonate sehr viel für uns gespielt. Einen Fehler hat sie: die Schwierigkeit der Ausführung, besonders für den Clavierspieler. Ich kann mich nicht erinnern mit einem Kammermusikstück so viel Mühe gehabt zu haben. Den letzten Satz musz man fast ohne Pedal spielen. Der Schlusz ging im Concert famos. Schade dasz Du nicht zugegen warst, und die Hervorrufe selbst einkassirtest. Meine Freude, dasz das Stück so gefiel, war grosz! Nun wollen wir sehen was die Kritiker sagen!! Weiszt Du was ich gethan habe? Ich habe am letzten Mittwoch die ‘einfluszreichsten’ Kritiker zu mir eingeladen und habe ihnen die Sonate mit Eldering vorgespielt. Der Gedanken dasz sie nach einmaligem Hören beurtheilt werden sollte, war mir gräszlich und deszhalb bisz ich in den immerhin sauern Apfel.... | |
Amsterdam, 3 Mai 1902....Ich habe an Steinbach über Dich geschriebenGa naar voetnoot1 - möge es Erfolg haben! Was in meinen Kräften steht, thue ich gern und bitte Dich ganz über mich zu verfügen und mir Alles zu sagen, worin und womit ich Dir vielleicht behülflich sein kann. ....Ich war sehr fleiszig in den letzten Wochen. Erst schrieb ich ein groszes Orchesterstück, eine Art symphonische Phantasie über ein Alt-Niederländisches VolksliedGa naar voetnoot2 und gleich darauf ein Violin-concert, mit dem ich gestern glücklich fertig geworden bin. Eldering hat es sogleich vom Blatt gespielt! Nächsten Winter spielt er es hier und mit den Meiningern. Ich fühle mich aber etwas wie nach einer groszen Bergbesteigung und musz etwas ausruhen. Heute das letzte Winterconcert. Ich spiele eine Suite Alt-Nied. Tänze, die ich nach einer alten Ausgabe von 1550 bearbeitet habe. Hoffentlich sind die Finger nicht ganz steif nach der vielen Notenschreiberei. Lasz mir nur bald wieder | |
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von Dir hören, auch wenn Du ‘nicht viel zu sagen hast’. Wir müssen jedenfalls in Verbindung bleiben, bis Deine Segel wieder mit frischem Wind gehen!.... | |
Amsterdam, 13 Dec. 1908....Dein Brief hat mich sehr erfreut: so lange hatte ich nichts Eingehenderes von Dir gehört. Durch Messchaert wuszte ich allerdings dasz Deine äussern Berliner Verhältnisse keine erfreulichen sind und leider bestätigt mir dies Dein Brief. Es nützt nichts, darauf näher einzugehen und ich will mich lieber an die ‘angenehmeren Töne’ halten und Dir meine Freude über die drei neuen Lieder aussprechen. Sie sind alle drei meisterhaft und ich bewundere auf's neue die technische Vollendung, die interessanten harmonischen Feinheiten und vor allem, wie überall die Gedichte restlos in der Musik aufgehen.... Bis jetzt habe ich mich noch nicht an Alles gewöhnen können; was Dir natürlich ganz einfach oder wenigstens ungesucht erscheint, wirkt auf mich noch befremdend obgleich ich mit dem Verstand mir sage: es ist logisch.... ....Messchaert war heute früh bei mir und erzählte mir von dem groszen Erfolg Deiner Lieder im vorletzten Berliner Concert. Heute Abend wollen wir die neuen Lieder durchnehmen. Er beabsichtigt noch diesen Winter wieder Lieder von Dir zu singen und ich habe ihm gesagt, dasz Du sie ihm dann begleiten solltest. Ich werde dies heute Abend nochmals mit ihm besprechen und werde darauf dringen. Dieser Tage habe ich in contrapunktischer Weise 12 Alt-Niederl. Weihnachtslieder bearbeitet. Es ist eine gesunde Gymnastik.... | |
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Amsterdam, 11 Oct. 1910....Nur auf einer Karte die Nachricht, dasz wir in 4 glänzenden Concerten - Arnhem, Haag, Utrecht, Amsterdam, Deine Lieder gemacht haben: überall wurden sie mit grösztem Beifall aufgenommen und, wie es scheint, auch verstanden. In Amsterd. wiederholten wir Dein Weihnachtslied. Gerade das hat tiefsten Eindruck gemacht. Messchaert hat herrlich gesungen, mit tiefster Empfindung und vorzüglich disponirt - nun ist er wieder erkältet, und wir haben die übrigen Concerte absagen müssen.... |
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