Brieven van Julius Röntgen
(1934)–Julius Röntgen– Auteursrecht onbekend
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V Brieven aan zijn tweede Vrouw
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sind auszergewöhnliche Menschen und alles athmet dort ‘Brahms’. Es war Fellinger's Geburtstag, wir aszen wundervoll zu Mittag mit den schönsten Compots, die Brahms extra für mich ausgesucht hatte, als ich voriges Jahr bei ihnen asz.... | |
Kopenhagen, 2 Dec. 1898....Ach, wärest Du nur heute Abend bei uns gewesen, wir hatten wirklich das Gefühl, dasz es ein Höhepunkt war wie es vielleicht im Leben nicht wiederkommt. Denke Dir, einen Riesensaal vollgestopft mit Menschen, Messchaert sagt: ‘wie die Wanzen’ sitzen sie überall, das ganze Podium voll bis an's Clavier - der Saal faszt 1500 Menschen, es waren aber über 1700 da. Wir haben ja in Wien viel erlebt an Jubel und Enthusiasmus, hier war's aber noch mehr. Ich glaube aber auch, dasz wir noch nie so gesungen und gespielt haben - KreuzstabGa naar voetnoot1, ToccataGa naar voetnoot2 - Liederkreis, en Sonate op. iiiGa naar voetnoot3 - es ging Alles vollendet. Dann Schumann'sche Lieder als Zugabe, viele Klavierstücke und zum Schlusz die Holl. Volkslieder, wo die Leute einfach toll waren. Immer und immer muszten wir danken und Lieder wiederholen. Es war unbeschreiblich. Dann kam das Zusammensein mit Griegs und dem Dänischen Freundenkreis - Austern, Champagne, Reden und Jubel! Groszartig wie Grieg auf uns redete! So eine intensive Begeisterung habe ich selten erlebt.... | |
Kopenhagen, 4 Dec. 1898....Abends spielte ich also das Brahmsche 5tett im hiesigen Kammermusikverein. Dieser Verein ist etwas ganz Originelles - es sind die besten hiesigen Künstler, NerudaGa naar voetnoot4 an der Spitze, die einmal in der Woche, Nachts um ½ ii zusammenkommen und Kammermusik spielen. Er hat viele Mitglieder im ganzen Land. Es werden | |
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immer nur 2 Werke gespielt. Das Ganze hat einen halb öffentlichen Charakter, sehr ungezwungen und gemütlich und höchst künstlerisch. Das 5tett ging sehr schön und der Enthusiasmus war grosz, dann spielten wir meine Sonate, alle Musiker saszen rings herum, Neruda las im Manuscript nach, und ich hatte das Gefühl dasz es verstanden wurde. Zum Schlusz wurden ‘Smörebröd’Ga naar voetnoot1) herumgereicht und man blieb lange zusammen und ich liesz mich feiern mit den bekannten Hurrah's; Grieg und Messchaert waren leider nicht da, es wäre zu spät für sie geworden. Unser gestriger Concert-Erfolg ist wirklich groszartig. Es ist nur eine Stimme, dasz man hier so etwas wie Messchaert noch nicht gehört hat. Der Impresario bot uns das Doppelte für beide Concerte an. Über einige Monate sollen wir wieder hier zurückkommen.... | |
Leipzig, 29 Jan. 1899....Unser letztes Concert in Wien war wohl eines der Schönsten die wir in Wien gehabt haben. Messchaert hat besonders schön gesungen; wir haben jetzt ganz das Gefühl als alte Bekannte wieder zu kommen. Eine Freude wie die Leute hier zuhören und dann am Schlusz der Beifall losbricht! Viele von den Schubert'schen Liedern muszten wiederholt werden, nach all meinen Klavierstücken muszte ich unaufhörlich danken - man wird ordentlich verlegen dabei! Die Hugo Wolf'schen Lieder machten das gröszte Aufsehen, besonders da der Wolf-Verein etwas sehr ostentativ vorging. Zwei Lieder wiederholt und dann das Kritikerlied zum Schlusz! Beim Walzermotiv zum Schlusz dieses Liedes fingen die Wiener richtig an zu brüllen - es war ganz toll! Ich hatte aber im Stillen das Gefühl, dasz dieses Lied nicht so ganz zu unserm vornehmen Programm paszte. Als das Applaudiren gar nicht enden wollte, sang Messchaert noch ein Lied von Grieg zum Schlusz. Dann machten wir die Thüre zu. Nach dem Concert mit vielen Musikern noch lange zusammen... Am andern Morgen war ich schon vor 6 Uhr auf, sah, dasz es | |
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herrliches Wetter war und entschlosz mich nach Semmering zu gehen. In einem alten Omnibus fuhr ich zur Bahn, noch in voller Dunkelheit und sah dann die Sonne aufgehen, die die Schneeberge wundervoll beleuchtete. Es wurde immer strahlender und schöner, ich machte grosze Augen und genosz es, wie seit Langem nicht. Um 10 war ich in Semmering, und bestieg den Sonnwendstein (± 2000 M. hoch) den ich schon damals mit Grieg daraufhin angesehen hatte. Ich erkundigte mich, dasz oben ein Wirthshaus offen war und dasz der Weg hinauf gut zugänglich sei. Es fing auch ganz gut an, natürlich überall tiefer Schnee, nach kurzer Zeit hörte aber der Weg auf oder besser ich konnte ihn nicht mehr erkennen und bald war ich gründlich in der Irre und steckte bis an die Kniee im Schnee. Ich wäre natürlich umgekehrt, wenn ich nicht Stimmen gehört hätte und zwei Touristen aus Wien, die sich ebenso wie ich verlaufen hatten, und auch den Berg besteigen wollten, vor mir sah. Nun gingen wir gemeinschaftlich weiter und nach 1½ Stunden suchen, herauf und herab steigen, rutschen, klettern, fanden wir den guten Weg zurück und erreichten gegen 3 Uhr den Gipfel. Der Rückweg ging sehr bequem, in 2 Stunden waren wir wieder in Semmering, 9 Uhr in Wien und ich hatte gerade noch Zeit den Zug nach Leipzig zu bekommen. - Könnte ich Dir nur beschreiben, wie himmlisch die Alpen und die Luft und die grosze Einsamkeit im Gebirge war! Es packt und ergreift ja noch viel mehr, wie im Sommer. - Wenn ich nicht Lehmannsgarten vorgehabt hätte, wäre ich oben geblieben, so etwas kann einen gesund machen! Nun, ich bin zufrieden und dankbar, dasz ich es gestern habe genieszen können. Es war ein wunderbarer Tag!
Hier innerhalb Lehmannsgarten ist Alles unverändert, echt gemütlich wie wir es kennen und lieben - aber auszerhalb, ist's schauderhaftGa naar voetnoot1, eine Verwüstung und Unordnung, dasz man lieber nicht hinschaut! | |
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Troldhaug,Ga naar voetnoot1 17 Juli 1899....Wir haben einen unvergleichlich herrlichen Tag auf Troldhaug verlebt, einen der immer in strahlender Erinnerung bleiben wird. Grieg und BeyerGa naar voetnoot2 waren bei der Einfahrt vom ‘Ingerid’ in Bergen am Land und empfingen uns voll Freude. Wir fuhren den ganzen Weg in Grieg's Wagen nach Troldhaug, wo Nina uns erwartete, die Fahne wehte auf dem Thurm, gegenüber auf ‘Nässet’Ga naar voetnoot3 Beyer's Flagge. Wetter unbeschreiblich schön, glänzend, warm und frisch zugleich! Wir nahmen ein Bad im Fjord, ruderten dann nach Nässet herüber und holten Marie Beyer ab.... So ging's gegen den Abend, der immer klarer und lichtstrahlender wurde, eine unvergleichliche Beleuchtung war's! Wir genoszen es im Garten, musicirten dann etwas und dann hinauf auf den Thurm, wo man ja ein volles Panorama der wundervollen Umgebung hat. Ein Sonnenuntergang - so schön! und dann blieb's hell bis halb zwölf! Das macht immer auf's Neue einen wunderbaren Eindruck, die Stimmung eines solchen Abends läszt sich nicht beschreiben! Grieg gab sie uns zum Schlusz am Clavier in einem herrlichen ganz merkwürdigen Stimmungsstück, dasz er voriges Jahr auf Troldhaug geschrieben und diesen Winter in Kopenhagen instrumentirt hat. Es fängt ganz allein an für Hoboe oder Englisch Horn, phantasiert eine lange Zeit und dann wird dieselbe lange Melodie harmonisirt. Alles so echt und so ‘Grieg-Extrakt’ wie nur möglich. Es wirkte ganz fabelhaft. | |
Ga naar voetnoot4Fjeldstue, Grotlid, 22 Juli 1899....Von Aalesund fuhren wir früh mit Dampfschiff nach Oie am Norangsfjord. Der höchste Berg von Söndmore, Slogen, ragt direkt über den Ort auf und wir beschlossen ihn zu besteigen, da das Wetter so herrlich war und die Besteigung anstrengend aber ganz ungefährlich sein sollte. Grieg und Beyer sollten wir am nächsten Tag in Aure treffen, einen Ort, den sie auf einem bequemeren Weg | |
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erreichen wollten. Wir nahmen einen guten Führer und brachen ½ 3 auf, erst 3 Stunden lang steil in die Höhe in glühendster Sonnenhitze. Dann waren wir in Schnee, hatten die groszartigste Aussicht zu beiden Seiten tief hinab in zwei Thäler, ringsherum Gletscher und kühne riesige TinderGa naar voetnoot1. Da plotzlich steigen Nebel auf und in kurzer Zeit war alles verschwunden. Kein Gedanke mehr die Spitze zu erreichen; auch nach dem Ort, wo wir ein Nachtquartier finden sollten, konnten wir nicht mehr kommen, da wir einen Übergang zu machen hatten, der bei Nebel gewagt, ja beinahe unmöglich war. Was thun! Es war 8 Uhr geworden, und der nächste Ort, den wir ohne Gefahr erreichen konnten, war über 6 Stunden entfernt. Nun galt's einen SäterGa naar voetnoot2 zu finden, wo wir Unterkommen für die Nacht und Milch finden konnten. Nach 2 Stunden kamen wir zu einem - er war unbewohnt! Nun weiter und weiter zum nächsten Säter. Wir kamen ½ 12 hin und fanden zu unserm Jubel Kühe und SäterjenterGa naar voetnoot3, die im tiefen Schlaf lagen. Sie waren aber bald munter, brachten uns eine Riesenschaale mit Römmekolle (saurer Milch) von der wir nur die Sahne aszen, dasu Fladbrot. Unsere durch und durch nassen Kleider zogen wir aus, bekamen die Bette der ‘Jenter’, die sich im Heu draussen legten, und so war Alles in schönster Ordnung. Wir schliefen gut und lange, am andern Morgen konnten wir den Übergang machen, das Wetter war leidlich und so kamen wir abends 8 Uhr endlich nach Aure. Dort fanden wir Nachricht von Grieg und Beyer durch einen Boten. Sie konnten auch wegen dem schlechten Wetter nicht nach Aure kommen und wollten uns in Hellesylt treffen. Es ging noch am selben Abend ein Schiff dorthin, wir fuhren die ganze Nacht durch, und am andern Morgen trafen wir glücklich wieder zusammen, was bei den groszen Entfernungen und den schlechten Verbindungen wirklich ein groszes Glück war. Nun ging die Reise gemeinschaftlich weiter, das Wetter wurde besser, den Geirangerfjord sahen wir in herrlicher Beleuchtung. In Merok nahmen wir uns einen Wagen und nun fing die herrliche Fahrt an, erst bei Regenwetter, sodasz wir schon glaubten umkehren zu | |
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müszen. Es wurde hundekalt, bis wir zu einem Haus auf einsamer Höhe kamen, wo wir Wein und Essen bekamen; da plötzlich, wie ich's nie erlebt habe, - Sonnenschein, tiefblauer Himmel und eine Umgebung von höchster Groszartigkeit, nichts als Schnee und Eis, gefrorne Seeën, mit blauen Eisblöcken, über Allem ein unbeschreiblicher Sonnenglanz, Windstille, - das Ganze wie ein Märchen! Nun fuhren wir weiter, sangen dazu und kamen in eine unbeschreibliche Stimmung! Die steigerte sich noch, als wir nach Grotlid kamen, ein ausgezeichnetes Unterkommen fanden und wir zum Schlusz unsere Weinflaschen hervorholten! Höhepunkt der Situation! Heutemorgen aber - groszer Katzenjammer von Grieg! Keine Möglichkeit weiter reisen zu können - wir andern ganz munter, nur er muszte es büszen! | |
Kopenhagen, 28 Nov. 1899Unsere Concerte sind ganz glänzend, Messch. herrlich bei Stimme, gestern ausverkaufter Saal und groszartiger Enthusiasmus, Messchaert hatte eine grosze Aufgabe, 4 Lieder v. Brahms, 5 v. Lange-MüllerGa naar voetnoot1 und dann den ganzen SchwanengesangGa naar voetnoot2. Die Lange-Müllerschen Lieder machten groszes Glück, zwei muszten wir wiederholen. Nach dem Concert waren wir mit den Dänischen Freunden, Lange-Müllers und Griegs noch lange zusammen, sehr amusant! Lange-Müller ist ein stiller feiner Mensch, ganz wie seine Musik! Er war glücklich über die Lieder, die er zum Theil zum ersten Mal gehört hat. Soeben war Grieg lange bei mir im Hotel. Er kam um mir für seine Ballade zu danken, für die Mühe und die Liebe die ich für sein Stück gehabt habeGa naar voetnoot3. Wir sprachen viel darüber, aber der Schlusz will er sehr schnell haben: es steht aber da unpoco Allegro, was also nicht recht ist. | |
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schritt in wahrer Dramatik mit Hans HeilingGa naar voetnoot1. Der Schlusz hinreiszend! Freilich manche Trivialität! | |
Wien, 17 Jan. 1900Ich kann mit der frohen Nachricht anfangen dasz es Messchaert viel besser geht und dasz alle Aussicht vorhanden ist für unsere beiden nächsten Concerte. Wir machen dann viele PosaGa naar voetnoot2 -Lieder. Eben war er hier, ein sehr sympathischer Mensch, bildhübsch, recht zum Verlieben! - sehr fein und gescheut, dabei ruhig, etwas zurückhaltend und wie mir scheint, auch etwas pessimistisch angelegt. Ihm thut Sonnenschein noth und hoffentlich können wir ihn den besorgen. Hier kennt ihn Niemand. Der Impresario, der ihn hier traf, frug ob er in Wien lebte!!!! Sonntag früh kommt er mit neuen Liedern und eine Violinsonate. Er ist von Beruf eigentlich Jurist und als solcher thätig weil er sein Brod nicht mit Stundengeben verdienen will. Er hat nicht viel componiert und scheint langsam zu arbeiten. Nun etwas von gestern Abend - ja, Du räthst nicht was ich da ausführte: ich ging auf - einen Maskenball!! um etwas von dem berühmten Wiener Fasching zu sehen. Es hat mich aber sehr enttäuscht und ich fand's ebenso langweilig wie höchst ordinär; nicht 'mal schöne Frauen waren da, nur Exemplare niedrigster Gattung und ich ging gegen 12 wieder fort, hörte dann, dasz das Hauptleben allerdings erst in den späteren Nachtstunden losginge. Am Meisten amusierte mich die Musik, da liegt doch etwas Unwiderstehliches d'rin. In der Nacht träumte ich dann von einem ganz merkwürdigen Maskenball, wo alle möglichen Personen aus der früheren Zeit und aus der frühesten Kindheit bis zur Jetztzeit auftraten.... | |
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Platz gefüllt, vornan alle möglichen Fürstlichkeiten; für die Herzogin von Cumberland - eine Dänische Prinzessin - war auch noch Platz gemacht worden. Auf's Stürmischte wurden wir begrüszt, die Menschen lachten und winkten uns ordentlich zu. Gleich nach dem 2ten Lied - FeldeinsamkeitGa naar voetnoot1 - unendlicher Beifall. Wir wiederholten es aber erst als Zugabe nach dem letzten Lied - TodessehnsuchtGa naar voetnoot1. Nach meinen Brahms-Rhapsodieën minutenlanger Beifall, ich muszte noch ein Brahms'sches Stück zugeben, das kleine b-dur Intermezzo - und so ging's weiter mit Wiederholungen und Zugaben. Als ich das Lied: die GrenadiereGa naar voetnoot2 anfing, fingen sie so zu jubeln an, dasz ich einfach aufhören muszte, bis sie sich beruhigten.
Nach dem Concert nahm KalbeckGa naar voetnoot3 mich mit zu Frau Cantor zu einem glänzenden Souper. Ein fabelhafter Luxus, wie man doch in Holland keine Ahnung hat: die ausgesuschtesten Leckerbiszen aus aller Herrn Länder, Caviar ein ganzes Fasz voll, aus dem man mit echten russischen Löffeln schöpfte, frische Spargel, Trüffeln und Poularden mit groszen Hummerstücken gefüllt - dazu alte Cabinets - Rheinweine, Cigarette eigens für Frau Cantor in Cairo gemacht, mit ihrem Namen darauf! Als ich wegging, fand ich ein Paquet davon in meinem Rock! Ich war eigentlich nur mitgekommen um mit Kalbeck zusammen zu sein.... | |
Budapest, 27 Jan. 1900Wir kamen gestern Abend hier an. Ich bin ganz entzückt von Pest, ich habe noch keine so prächtige Stadt gesehen; es macht einen viel groszartigeren Eindruck als Wien, dabei ist die Lage an der Donau, mit ziemlich hohen Bergen, wundervoll. Ich war den ganzen Morgen auf den Beinen, das Wetter herrlich klar, und habe viel Schönes und Groszartiges gesehen. Merkwürdig ist die fremde Sprache; Deutsch ist ganz verschwunden, ehemalige Deutsche Namen magyarisiert, die Leute verstenen wohl zum Theil noch | |
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Deutsch, wollen es aber nicht sprechen, wir bleiben bis Morgenmittag hier, also noch Zeit genug, um die Stadt kennen zu lernen.
Grüsze von
Messchaert Janòs und Röntgen Gyulà!! | |
Wien, 29 Jan. 1900....Eben war ich bei Fellingers, wo ich herrliche Stunden verlebte. Ich sasz auf Brahms' seinen Platz, merkwürdiges Gefühl, wenn ich an den letzten Nachmittag mit ihm dachte. Nach dem Essen im Garten und dann spielte ich der Frau F. viel vor. Sie genosz es so und ist doppelt dankbar für Alles, war sie hört, weil sie nie ausgeht....
Unser Concert ist wieder glänzend abgelaufen ich war aber sehr ängstlich für Messchaert der sich sehr anstrengen muszte. Nach den ersten Nummern war er total erschöpft. Posa hat groszen Erfolg gehabt, drei Leider muszten wiederholt werden.... Zum Schlusz nach den Löwe'schen Balladen wieder der minutenlange tobende Beifall, der sich nur durch eine Zugabe beruhigen liesz. ‘Les Adieux’Ga naar voetnoot1 habe ich noch nie mit so viel Unterbrechungen gespielt! Im letzten Satz applaudirten sie dreimal mitten d'rin: nicht grade ein Zeichen dasz die Sonate sehr bekannt ist! Sie ging aber brillant. Ich bekam einen prachtvollen Kranz von Hubermann, dem kleinen jetzt ziemlich herangewachsenen Geiger, mit dem ich vor Jahren in Amsterdam Concert gab. Als ich im Hotel damit ankam, frug mich der Hausknecht, bewundernd den Kranz betrachtend: ‘Habn's heit ä Leich, Herr Professor?’ - Mit all den Zugaben, auch von mir, wurde das Concert recht lang. Nachher noch mit Posa zusammen, er war natürlich glücklich über seine Lieder, und ist nun mit einem Male bekannt geworden. | |
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Wien Febr. 1900Also heute Abend wieder Concert, Alle Sitze vergriffen, die Herzogin von Cumberland muszte mit Gefolge abgewiesen werden. Gestern abend in Don Juan, ganz herrlich! In erster Linie das unvergleichliche Orchester unter Hans Richter, welch ein Dirigent! Diese Ruhe und Einfachheit in Allem, dabei kommt das kleinste Detail heraus, nichts entgeht ihm. Einige Tempi waren mir etwas zu ruhig. So lange hatte ich den Don Juan nicht gehört und fand es noch viel schöner als früher.... | |
Berlin, 23 Febr. 1900Unser Concert hier war ganz wie in Wien, das hatten wir aber hier nicht erwartet! Und gleich zum ersten Mal der vollste Sieg! Nach der Beeth. Sonate op. 90 kam mein alter Freund F. zu mir, umarmte mich und sagte dasz Berlin zwei solche Künstler lange nicht gehört hätte. Ebenso Dr Friedländer, der Schubertforscher war ganz enthusiast. Es wurde immer toller und toller und wir muszten Zugaben ersinnen!! Nach dem Concert war ich mit EngelmannsGa naar voetnoot1, er war natürlich mit seiner ganzen Familie im Concert gewesen.... wie glücklich war Messchaert! In Leipzig auf der Durchreise war ich abends in der Strausz'schen Fledermaus, eine grosze Enttäuschung, ich kann das allgemeine Entzücken über diese Musik nicht begreifen; dabei ist die Handlung gar zu abgeschmackt, es sind wirklich keine Menschen, nur Affen, die man drei Stunden lang albernes Zeug ausführen sieht.... | |
Garmisch, 7 April 1900Es war 'mal wieder nichts mit dem Concert!Ga naar voetnoot2 Messchaert's Heiserkeit wurde schlimmer und wir muszten uns entschlieszen das Concert ab zu sagen, der arme Messchaert! Er musz nun nach Wien fahren in der ziemlich sichern Aussicht auch dort nicht singen zu können. | |
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Trotz dieses Concertpechs, liesz ich mich nicht abhalten nach Garmisch zu fahren - es war herrlich wie die Berge nach und nach näher kamen und ich so plötzlich mich in's Hochgebirge versetzt fühlte. Ich bin augenblicklich der einzige Fremde im Hotel. Heute Morgen erwachte ich mit heftigem Schneegestöber, jetzt hat es aufgehört, die Sonne kommt durch, aber an Bergbesteigungen ist natürlich nicht zu denken. - Das Volk hier ist prächtig - lauter schöne Menschen, gestern Abend sasz die ganze Wirthsstube voll Bauern, es war wie eine Geschichte von Karl StielerGa naar voetnoot1. Ober-Ammergau liegt ganz in der Nähe und es wird viel von den Vorbereitungen zum diesjährigen Passions-Spiel gesprochen. Der Darsteller des Christus sieht wirklich ideal aus, ich sah seine Photographie. Die Sonne siegt und ich werde mich aufmachen in die Berge! Könnten wir's nur zusammen machen.... | |
BaselGa naar voetnoot2 8 Juni 1900Meine Wirthen, eine Familie Speiser-Sarasin, (der Mann ist Regierungsrath und Professor) wohnen in einer groszen herrlichen Villa mit wundervollem Park. Eben habe ich unten gefrühstückt mit einer groszen Schaar Kinder, sehr gemütlich und herzlich. Um 10 Uhr kommen die Sänger für die Rispetti hieher. Die Sopranistin ist die Tochter eines alten Leipziger Freundes, des Cellisten Emil Hegar, dem ich meine b-dur Cellosonate gewidmet habe. Auszerdem habe ich noch mehrere Bekannten hier, u.a. Kapellmeister Volkland und Frau, die besten Freunde Herzogenbergs in Leipzig, sie kommen alle hier zu Speisers - also bin ich nicht unter Fremden. Messchaert wird hier geradezu vergöttert - wenn er nur gut bei Stimme ist, dann kann's hübsch werden!.... | |
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gehen. Abends mit Volkland und Hegar in alten Lehmannsgarten-Erinnerungen gelebt! Die Proben hatten wir in einem hübschen Gartenzimmer, die Vögel sangen um die Wette mit den Rispetti. Heute früh herrliches Wetter. Da ich noch nichts zu thun habe, fahre ich direkt auf den Rigi und bin abends wieder hier.... | |
Troldhaug, 24 Juli 1900....Grieg ist wieder wie verwandelt, und kann Alles mitmachen; er sagt dasz ich ihn immer gesund und ‘leistungsfähig’ mache. Also Sonntag kam ich bei himmlischem Wetter in Bergen an, ich wollte allein von dort über den Berg Lövstakken nach Troldhaug gehen, aber Grieg und Beyer waren am Bahnhof und so gingen wir zusammen. Es war Edvard's erste Bergbesteigung und es ging brillant; unbeschreiblich schöne Aussicht! Nina, ihre Schwester und eine ältere Schwester von Grieg, empfingen uns, nachmittags wurde tüchtig musicirt. Ich spielte ihnen meine SonateGa naar voetnoot1 vor und sie schien Edvard ganz besonders zu gefallen. Er sagte, es läge ein besonderer Ausdruck von Glück darüber, besonders über den ersten Satz - na, na, da hat er gewisz Recht, denn sie ist in glücklicher Zeit gemacht! Und dann sang Nina alle seine neuen Lieder, worunter einige seiner allerbesten sind. Mit jedem Lied wurde Nina's Stimme besser; der Vortrag ist und bleibt etwas ganz auszerordentliches bei ihr - Dann ruderten wir herüber zu Frants Beyer, ich muszte dort in aller Eile op. iiiGa naar voetnoot2 spielen. Zum Schlusz ‘ganz zum Überflusz’, spielte ich noch die ganzen DavidsbündlerGa naar voetnoot3 - Ein herrlicher Tag!.... | |
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alten Sälen mit herrlichen Wandmalereien, dabei mit modernstem Luxus, aber alles höchst künstlerisch eingerichtet. Es war ein Vergnügen da zu wohnen und man bezahlte gerne die allerdings sehr honen Preisen. Die Aussicht von dem Fenster über einen stillen Klostergarten und den ganzen Bodensee, Alles in schönster Mondschein beleuchtung, war gestern Abend ganz zauberhaft. Heute in der Bahn habe ich viel in ‘Max Havelaar’Ga naar voetnoot1 gelesen, und sehr genoszen. Ein sehr bedeutendes Buch! Wie gescheut ist Alles und klar und scharf!.... | |
Im Zug nach Interlaken, Oct. 1900Die Musik und Concerte sind vorbei, nun geht's wieder in die Berge! Das Wetter bleibt unvergleichlich schön und glänzend. Gestern nachmittag hörte ich die h-moll MesseGa naar voetnoot2 im Baseler Münster. Die grosze Kirche bis zum letzten Platz gefüllt, es war ein groszartiger Anblick! Dabei das himmlische Wetter, strahlender Sonnenschein, der schöne Blick von dem Münsterplatform auf den Rhein, die Berge und die Stadt, - und dann fing das Kyrie an! Chor wundervoll, herrliche Tenöre, überhaupt wurde ausgezeichnet gesungen. Der Dirigent war Dr Hans Huber, ein bekannter Schweiser Componist. Der frühere Dirigent, mein Freund Volkland, hat ihm die Stelle abgetreten, da er etwas leidend ist, und zuviel zu thun hat. Huber machte es sehr gut. Das Orchester weniger gut, besonders die Bläser.... | |
Rigi Kulm, Oct. 1900Ja, wieder einmal vom Rigikulm, wo ich als einziger Gast in einem Riesenhotel mich befinde. Eine merkwürdige Situation. Ich kam grade zum Sonnenuntergang, der mir mit einem Male die Aussicht auf den Vierwaldstättersee und die Schneeberge eröffnete. In wärmstem Sommerwetter stieg ich hinauf und kam oben in vollem Winter, Eis und Schnee an; merkwürdige Gegensätze wenn ich | |
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morgen Abend wieder im Concertsaal in Zürich mich befinde! Die Fusztour hat mir übrigens sehr wohl gethan und hat mich ganz aufgefrischt. Es ist doch das Herrlichste! Wie die Schneeberge wieder auftauchten und je höher ich stieg, um so leichter wurde es mir zu Muthe. Einsam ist's aber hier, gerade weil so viel Platz für hunderte Menschen da ist, und ich der Einzige bin. Es wirkte ordentlich komisch, als ich in den Riesen-Eszsaal trat und er plötzlich in voller elektrischer Beleuchtung erstrahlte - nur für einen Gast! Nun hoffentlich meint's die Sonne gut morgen, für ihren einzigen Anbeter - es wäre herrlich! Gute Nacht, Dein Rigi-Einsiedler! | |
Kopenhagen, 6 Nov. 1900Es war gestern ein groszer Abend, Saal ausverkauft, unbeschreibliche Begeisterung! Nach der Sonate op. iiiGa naar voetnoot1 vier-, fünfmal zurückgerufen! Ich hatte auch das Gefühl dasz die Sonate auch nie so gut ging und ich habe mich 'mal über mich selbst gefreut! Wir fingen übrigens das Concert wieder mit Ängsten an. Am Morgen war Messchaert in miserablem Zustand, es machte sich aber im Lauf des Tages und abends war er soweit hergestellt, dasz er die beste Hoffnung hatte. In der WinterreiseGa naar voetnoot2 hatte er aber das Gefühl heiser zu werden und hat nur mit gröszter Mühe gesungen, aber eine Tasse starken Kaffee während op. iii that geradezu Wunder. Die übrigen Lieder waren glänzend. Natürlich Zugaben, Wiederholungen, das Publicum war unersättlich.... | |
Berlin, 11 Nov. 1900....Gestern hatten wir hier ein brillantes Concert, Messchaert wundervoll bei Stimme, das Berliner Publicum in höchster Begeisterung, ganz toll, Alles stand auf zum Schlusz und kam ganz nahe am Podium, eine Dame stampfte und schrie gradezu, wir beruhigten sie mit dem ‘Lindenbaum’ von Schubert!.... | |
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Das Beste aber war nachher Joachim, der so warm und herzlich war! | |
Jan. 1901 Auf der Eisenbahnfahrt nach GrazDas Klagenfurter Concert war wieder glänzend. Ein schöner neuer Saal, sehr grosz, ganz voll und grosze Begeisterung! Aus unserem Schwäne-Hotel zogen wir aus - es ist nicht zu beschreiben dieser Schmutz, ich bin froh dasz wir ohne Folge davon gekommen sind. Herrlich war meine Nachmittagsparthie nach der Wörthersee bei schönstem, klarstem Winterwetter. Die Fahrt jetzt ist auch wundervoll, könntest Du nur einen Blick davon haben!.... Weiszt Du warum unser Concert in Pest so leer war? Weil am 1. Februar Miethstermin ist ‘Zins’, wie es hier heiszt und die Menschen vorher im Ende Januar nicht ausgehen und ihre Guldens sparen. Ist das nicht unglaublich? Auch die ‘Kafehàzer’ stehen ganz leer. - Die ‘Elite’ war aber da und nach dem Concert hörten wir herrliche Zigeunermusik, die uns zu Ehren die schönste Ungarischen Sachen spielten, es war hinreiszend! Um mir ein besonderes Vergnügen zu machen spielten sie dann zum Schlusz.... den Abendstern aus Tannhäuser!! Das war nun noch schlimmer als ob ich CzardàsGa naar voetnoot1 spielte! Sie schienen's aber nicht zu fühlen. | |
Auf dem Dampfschiff ‘Venus’ nach Bergen (Norw.) 11 Mai 1902Auf hoher See! Es ist aber ruhiges Wetter, die Fahrt ist ein Genusz. Die Reise durch England hat mich sehr interessirt, weil das Land doch etwas ganz Neues für mich ist. In York hatte ich eine Stunde Aufenthalt und besah mir das ‘Minster’, ein gothischer Prachtbau | |
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ersten Ranges. Überhaupt sieht man überall die schönste Architectur, Castles und Cathedralen, sogar in kleineren Städten. Newcastle macht einen sehr groszstädtischen Eindruck. Die Lage an und über dem Tyne ist schön. Ich hatte dort 2 Stunden Zeit und habe die Stadt mit Trams und zu Fusz durchstreift. Sehr angenehm war's mir, auf dem SchiffGa naar voetnoot1 plötzlich nach ‘Norwegen’ zu kommen und wieder ordentlich mit den Leuten sprechen zu können. Der Kapitän kannte mich und wuszte natürlich alles über Beyer's FestGa naar voetnoot2.... | |
Nestun bei Bergen, Mai 1902Ich habe etwas Wunderhübsches erlebt und bin plötzlich mitten in's Norw. Volksleben hineingerathen! Nestun ist ein reizender Ort nicht weit von Hop (bei Bergen) und ich fuhr hieher um aus der gefährlichen Nähe von Frants Beyer zu kommenGa naar voetnoot3. Aber denke Dir, ich fuhr von Bergen bis Hop im selben Zug mit Frants Beyer!! Ich hatte mich ganz in meinen Reiserock eingewickelt, den Hut tief in's Gesicht und so sah ich ihn (nichts ahnend wer neben ihm sasz), in Hop aussteigen! Es war eine spannende Situation! Das wäre also gelungen. In Nestun fand ich das Hotel festlich geschmückt und gefüllt mit einer Bauernhochzeit, alle in den schönsten Bauerntrachten. Sie waren grade bereit in die Kirche zu gehen und ich schlosz mich natürlich dem Brautzuge an. Die Braut mit einer prachtvollen Brautkrone aus Gold, mit lang herunterhängendem blonden Haar, die ganze Kirche voll, alle in echter Bauerntracht, ein herrlicher Anblick. Merkwürdig war, als der Zug aus der Kirche kam begegnete er dem Begräbnisz eines Kindes, dessen blumengeschmückter Sarg getragen wurde. Die ganze Hochzeits-Gesellschaft versammelte sich dann im Hotel, die Braut credenzte Limonade, Himbeersaft in kleinen Gläsern, und grosze Schüsseln mit selbstgebackenen Kuchen gingen | |
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herum. Es dauerte nicht lange so wurde ich dazu eingeladen ein Glas mit der Braut zu trinken: es war unverdünnter Himbeersaft - ich habe nie etwas so süszes und dickflüssiges getrunken! Der Vater der Braut fragte mich aus, ich erzählte wo ich her kam und er war sehr stolz auf solchen ‘Ehrengast’! Da es die ganze Nacht dauern sollte, nahm ich Abschied - wie gerne hätte ich aber den ‘Spillemand’Ga naar voetnoot1 noch gehört.... | |
Bergen, Mai 1902Die Überraschung war groszartig gelungen. Grieg ruderte mich ganz früh morgens herüber zu NaessetGa naar voetnoot2, ich schlich mich in die Clavierstube, und fing op. iiiGa naar voetnoot3 an. Beyer stürzte hinein und war beinahe gelähmt vor Freude! Jetzt ist das Fest in vollem Gang.... | |
Cabane de Mountet bei Zinal (2894 m.) Juli 1902Jetzt sind wir mitten drin in der Herrlichkeit, an einem der groszartigsten Punkte der Walliser Alpen, umgeben von den höchsten Bergriesen, Dent blanche, Grand Cornier, Weisshorn und wie sie Alle heiszen. So weit das Auge reicht nur Schnee, Eis und Fels. Es ist noch viel groszartiger, als unsere Tyroler Hütte vom vor'gen Jahr, und doch hättest Du ganz leicht mit hinaufkommen können. Alles ist absolut klar. Wir wollten eigentlich gleich weiter und den Triftpasz nach Zermatt machen, wir sind aber alle etwas müde und bleiben hier die Nacht. Man möchte gar nicht wieder herunter, wenn man an das glüh-heisze, staubige Rhônetal denkt! Posa und PostelGa naar voetnoot4 sind heute morgen allein fort und machen eine Besteigung, hoffentlich kommen sie gut wieder zurück. Sie sind unglaublich sicher und erfahren. Ich habe sie wieder bewundert, wie sie gestern mit gröszter Sicherheit den Weg fanden, nur mit Hilfe der Karte - wir hatten vier Stunden über einen sehr interessanten Gletscher zu gehen - ich geniesze heute aber die vollkommene Ruhe. Die | |
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Hütte ist ausgezeichnet. Posa und Postel sind voll Lob über Deine vorjährigen Leistungen, wir müszen ein anderes Jahr wieder zusammen gehen.... | |
Wien, 8 Nov. 1902Das war wieder einmal Wien! So was gibt es doch nirgendwo in der Welt! Gleich nach dem ersten Satz muszte ich viermal mich bedanken!Ga naar voetnoot1) Der grosze Saal hat eine herrliche Akustik, sodasz man wie in der Stube spielen kann, der feinste pp kommt zur Geltung. Ich hatte ein herrliches leichtgehendes Klavier, sodasz ich ohne jede Anstrengung spielen konnte. Nach dem Concert mit dem Vorstand und dem Dirigenten Löwe zusammen. Posa hatte ich auch dazu geholt.... Heute morgen besuchte ich Huberman und probierte die Sonaten mit ihm,.... gehe aber später nach Semmering, um noch etwas Bergluft ein zu athmen.... | |
Semmering, 9 Nov. 1902Jetzt sitze ich hier in tiefster Einsamkeit und instrumentire meine SerenadeGa naar voetnoot2. Aussicht auf die Berge, mitten in schönster Waldlandschaft! Ein besseres Componierstübchen läszt sich nicht wünschen. Die Fahrt gesternabend hieher war sehr eigenthümlich - in der Dunkelheit sah Alles noch viel groszartiger aus, tief unten in den Schluchten Lichter von Ortschaften und oben auf den Bergen Schnee, Alles in phantastischer Beleuchtung. Ich ging auf den Sonnwendstein, kehrte aber unter dem Gipfel um, da er in Nebel lag. Posa war bei mir, stiller als je, er zeigte mir ein Scherzo-Satz aus seinem Quartett, wunderschön, kann sich aber nicht entschlieszen die andern Sätze auf zu schreiben. Er hat absolut kein Selbstvertrauen, findet es nicht der Mühe werth; drei Variationen über sein schönes d-moll Thema spielte er mir vor, weiter ist er noch nicht gekommen, was soll daraus werden! Er rieth mir im nächsten Winter | |
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in Wien ein eignes Concert mit meinen Sachen zu geben und ich habe viel Lust dazu. Z.B. meine Serenade, Violinconcert, Ballade, Liedje v.d. Zee, wäre ein gutes Programm, dann noch einen Sonatenabend mit EldringGa naar voetnoot1: dann muszt Du mitkommen.... | |
London, 11 März 1903Die Überfahrt war wirklich ‘molto tranquillo’. In London wurde ich von echt Londoner Regen und Nebelwetter empfangen - Alles Grau in Grau! Ich nahm mir auf Empfehlung Hotel Widde, nach einer endlosen Fahrt hielt der Cab aber vor einer entsetzlichen Spelunke - es sah nach den schönsten Wanzen aus. Ich liesz den Kutscher direkt zu Keyzer's Hotel fahren und habe es hier nun most comfortable, Aussicht über den Victoria Embankment, Blackfriarbridge, St. Pauls - herrlich, wenn es nur so grau, so grau nicht wär! Meinen Regenschirm habe ich natürlich gestern in der Eile vergessen und werde meine Londoner Thätigkeit damit anfangen einen neuen Umbrella zu kaufen. Dann gehe ich in die National Gallery um Farben zu sehen.... | |
London, 12 März 1903....Ich genosz gestern sehr in der National Gallery, wo ich lange war, Westminster und der ungeheueren Stadt, und langweilte mich abends in Empire, bei gelehrten Hunden und Affen und Ballets. Nun bin ich neugierig, was Birmingham bringen wird unter Mossel's FührungGa naar voetnoot2.... | |
Birmingham, 14 März 1903Ich habe es auszerordentlich nett und gemüthlich bei Mossel. Er wohnt reizend auszerhalb der Stadt in einem schönen Villenviertel und hat Alles very comfortable. Er hat eigens aus London einen Steinway Grandpiano für mich kommen lassen. Die Stadt gefällt mir, obgleich sie ganz modern ist; aber alles ist | |
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so praktisch und vornehm gebaut und überall merkt man den groszen Reichthum, die grosze Auffassung vom Leben. Abends gingen wir zu Freunden von M., wo der Sänger Davis wohnt, der in unserm Concert singen wird. Ich spielte viel vor, Brahms, Grieg und Elgar, der hier sehr beliebt ist und ganz in der Nähe wohnt, ich werde ihn morgen besuchen. M. hat hier alles in Händen, gibt mit seinem Quartett überall Concerte, läszt Richter mit seinem Orchester aus Wien kommen und die besten Solisten. Ich bin sehr gespannt wie das Concert wird. Morgen gehe ich etwas in die Berge, ganz in der Nähe ist ein Ort Malvern, (bei Worcester) wo es sehr schön sein soll. | |
Bonn, 2 Mei 1903Ga naar voetnoot1....Die Begeisterung für Joachim ist groszartig, aber das Ganze hat doch etwas wehmütiges, denn der alte Joachim ist nicht mehr der alte! Der Unterschied mit vor 2 Jahren ist grosz. Und dabei klingt es, alsob die andern auch mit alt geworden sind. Der Bratschist geradezu trocken. Joachim läszt übrigens Dich herzlichst grüszen.... | |
NässetGa naar voetnoot2, Juni 1903....Wir genieszen das strahlende Wetter in schönster Stimmung: ‘Ruhe vor dem Sturm’, wie Grieg sagt. Auf Troldhaug alles geschmückt und für das Fest vorbereitet. Gestern wieder zu meiner Ehre die schönsten Hummern. Nach dem Essen spielte ich alle Brucken-Fock'sGa naar voetnoot3, sie gefielen auszerordentlich, wie hätte ich gewünscht, dasz er dabei gewesen wäre! Wir haben so viel über ihn gesprochen und Grieg versteht ihn so ganz. ....Die Aussicht von meiner Stube aus über den Fjord, die Marmorinsel und den Berg Lövstakken ist unvergleichlich schön. | |
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Dabei diese Ruhe und Einsamkeit, nur Vogelgesang von allen Seiten. Wie schön ist Norwegen um diese Zeit! Björnson erscheint morgen. | |
Nässet, Juni 1903....Das grosze Fest geht nun zu Ende, wenigstens in seinen offiziellen Theilen. Gestern war der Höhepunkt, das grosze Festessen. Ich habe einen der gröszten Eindrücke in meinem Leben gehabt: Björnson's Festrede! Sie dauerte mehr als eine halbe Stunde, und ich habe nie eine solche gewaltige Rede gehört, voll von tiefsten Gedanken und herrlichster Poesie. Wir waren Alle auf's Tiefste ergriffen, und begeistert. Und nicht weniger schön sprach Grieg, freilich ganz anders, mehr humoristisch, aber jedes Wort schlug ein! Ich sasz neben Björnson und konnte ihn also in nächster Nähe genieszen. Hätte man nur einen Phonographen gehabt um alles zu behalten! | |
Stuttgart, 10 März 1904Ga naar voetnoot1....Die Ankunft hier war scheuszlich ungemütlich! Denke Dir, dasz in der Residenzstadt Stuttgart kein Wagen an der Bahn war, und ich mit einem Dienstmann meine Wohnung aufsuchen muszte, die ungefähr ½ Stunde vom Bahnhof lag. Mein Wirth, ein echter Däne, gefiel mir sogleich. Er hatte mir, was ich später entdeckte, sein eignes Schlafzimmer abgetreten, alles mit feinstem Geschmack und Luxus eingerichtet. Das Wetter ist himmlisch, ich ging später etwas aus, sah mir die Stadt an und genosz die wundervolle Lage, den weiten Blick auf die Berge (Schwäb. Alp). Die Probe zur Rispetti ging gut. Es war alles famos einstudiert; die Sopranistin Elisa Wiborg, eine Norwegerin, ist hervorragend und der Bass, Holm (mein Wirth) auch sehr gut, die Altistin gut und der Tenor: - Tenor!! dumm aber sehr gute, in der Höhe glänzende Stimme. Einige Fehler saszen aber bei ihm so fest, dasz er sie nicht mehr verändern konnte. Sie singen es mit der gröszten Liebe und Begeisterung. Das Hofconcert ist also heute Abend, es soll ganz | |
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gemütlich hergehen, die Majestäten nehmen an Allem Theil, keine Spur von Steifigkeit.... | |
Stuttgart, 11 März 1904....Unser Hofconcert ist ausgezeichnet gelungen, und ich hatte nicht gedacht dasz so etwas so nett und ungezwungen sein könnte. Gegen 8 fuhren wir in's Palais und wurden gleich auf's Liebenswürdigste vom König und der Köningin empfangen. Es machte durchaus den Eindruck einer groszen Gesellschaft. Es fing an mit Wotan's Abschied und Feuerzauber, gespielt auf dem Klavier (!) vom Hofkapellmeister Pohlig, dann verschiedene kleinere Gesangnummern und als Hauptstück zum Schlusz die Rispetti. Ich drehte mir den Flügel herum, sodasz der Hof mich nur von hinten bewundern konnte - es war nötig, weil ich die Sänger sehen muszte. Es hat sehr groszen Erfolg gehabt, es durfte aber nicht applaudirt werden! Wie es aus war, kamen der König und die Königin gleich zu uns, ganz entzückt und sprachen eingehend über die Rispetti. Ich sagte Ihnen, dasz ich sie eigentlich Stuttgart zu verdanken habe, weil ich sie nach meinem dortigen Aufenthalt bei Stockhausen geschrieben habe und dadurch dazu inspirirt worden bin. Dann ging es zum Souper, alles in gröszter ‘Gezelligheid’. Allerdings habe ich zum ersten Mal von silbernen Tellern gegessen. Nach dem Souper versammelten sich Alle wieder im Musiksaal und nun kam der König und bat mich noch etwas zu spielen. Nach dem ziemlich reichlichen Champagne fiel mir das etwas schwer auf's Herz. Weigern war ja natürlich unmöglich. So spielte ich etwas von Grieg und dachte, dasz es damit genug wäre. Aber sie wollten noch mehr haben, und so kamen noch meine Czardàs-Variationen daran - das war nun sehr passend und machte groszen Eindruck.... Endlich verabschiedete das Königspaar sich und die Gäste gingen. Ein Hofmarschalk steckte mir ein Paar extra Cigarren zu, als er sah, dasz ich begeistert war von der herrlichen Sorte.... | |
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tation: Nuszbäume, zahme Kastanien. Chiavenna und Comosee sind nur noch 14 Kilometer entfernt. Ich bin stolz auf meine Entdeckung! Ich komme eben zurück von einer herrlichen Tour, in Val Bondasca - morgen über Passe Cacciabella nach Vicosoprano und dann nach Engadin zurück. Das Engadin ist doch etwas ganz eigenthümliches, was es nicht zum zweiten Mal in den Alpen gibt. Ein Hochthal (höher als der Rigi) mit einer Reihe von grünen Seen. Die Wanderung gestern von Samaden bis Maloja, war höchst genuszreich. In Maloja schlieszt das Engadin und dann geht es steil hinab nach Promontogno....
Niet alleen de bergsport, maar ook het fietsen was een groote liefhebberij van Röntgen en op een zijner tochten met zijn zoon Engelbert schreef hij de volgende humoristische brieven vol van gephantaseerde ongelukken, om zijn vrouw te plagen: | |
Cleve, 11 Nov. 1904Liebe Verlassene, Soeben hier angekommen. Die Fahrt war reich an Abenteuern! In Nijmegen fuhr ich wegen meinen schlechten Augen in einen Wagen mit porzellangeschirr - Alles zerbrach! Es wurde ein groszer Auflauf und ich war froh, als ich mit 10 Gulden Schadenersatz davon kam. Ja, das kommt davon, wenn man so kurzsichtig ist und doch Fietstouren unternimmt! Dann weiter nach Berg en Daal mit dem steilen Waldweg. Ich konnte mein Fiets nicht zum Halten bringen und stürzte den Abhang herab, die Hosen zerrissen, die Brille gebrochen und der Hut in einen Wassergraben gefallen - sonst lief's ganz gut ab. Dann kam der berüchtigte Reichswald, der uns gleich einen sehr unheimlichen Eindruck machte. Ein groszer Hund stürzte sich auf Engelbert und zerrisz ihn seinen Fietsmantel in Stücke, er wollte auch auf mich losgehen, als glücklich ein Maréchaussée-Mann kam, der den Köter mit seiner Flinte wegtrieb. Dann wurde es immer einsamer und plötzlich kamen zwei Kerle aus dem Dickicht auf mich los - Engelbert war vorausgefahren! - bettelten mich an und ich war froh, wie sie mit ein Paar Mark zufrieden waren - der eine | |
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schaute sehr bedenklich nach meiner Uhrkette! Ich fietste weker, konnte aber Engelbert nicht wieder finden - er ist gewisz nach einer andern Richtung gefahren, und nun musz ich hier geduldig auf ihn warten. Er hat keinen Pfennig Geld bei sich! Weiter ist bis jetzt nichts passirt und ich hoffe Dir bald wieder gute Nachrichten schicken zu können. Jetzt zum Schneider mit der zerrissenen Hose und zum Optiker mit der zerbrochenen Brille. Morgen weiter nach Xanten. Ich höre soeben dasz dort Pokkenepidemie herrscht, alle Schulen geschlossen, das macht aber nichts. Also: Du kannst ruhig sein! Wenn nur Engelbert hieher findet!! Bald mehr von Deinem glücklichen Fietsreisenden | |
Xanten, 2ter ReiseberichtEngelbert kam gegen Abend, ganz verhungert, in Cleve an, und wir fuhren dann mit einer neuen Bahn Cleve-Xanten hieher. Diese Nacht kleiner Hotelbrand, glücklicherweise im Nebenzimmer. Wir schliefen ruhig weiter. Wir lassen uns vorsichtshalber impfen (der Barbier besorgt das) und fietsen dann bei lieblichem Regenwetter weiter. Wenn wir nur nicht in Mörs aufgehalten werden, dort ist groszer Arbeiterstreik. Gestern sind zwei Touristen angeschoszen worden. Also immer weiter in's Vergnügen!! | |
ChristianiaGa naar voetnoot1, 5 März 1907Das Concert glänzend, durchschlagender Erfolg! Nach dem ersten Satz schon viele Hervorrufe, und nach dem Schlusz so viel, bis ich mich wieder an's Clavier setzte oder viel mehr dem Publicum sagte, dasz ich ‘einige Holl. Volkslieder und Tänze spielen werde’. Groszer Jubel! Die Stücke paszten ausgezeichnet und schlugen durch! Nach der Ballade eine grosze Ovation, Orchesterfanfaren, das anze Publicum stand auf! Na, ich konnte zufrieden sein! | |
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Heute ist ein anstrengender Tag, jetzt gleich Probe für die Kammermusik. Denke Dir, einen dieser Tage soll ich mit Edvard Grieg zum König Haakon gehen - er wünscht meine Bekanntschaft zu machen. | |
Christiania, 6 März 1907....Ich komme grade aus der Probe zur Kammermusik. Nina Grieg hat herrlich gesungen, frischer als je, es ist ein Wunder mit 63 Jahren. Die vierhändigen Tänze gingen auch sehr gut. Das Concert wird ausverkauft, das Königspaar kommt auch. Gestern waren wir noch beim König im Schlosz. Er war auszerordentlich liebenswürdig und einfach, kam gleich auf mich zu, gab mir die Hand und sagte dasz er gehört habe, wie sehr ich Norwegen liebe und dasz er mir dafür den Olafsorden geben möchte. Er holte ihn aus seiner Tasche und überreichte mir ihn mit dem freundlichsten Gesicht! Er ist sehr hübsch, jung und beweglich. Grieg sagte, er bedauere dasz er jetzt nicht im Schlosz wohne, und wir ihn deszhalb nicht zum Concert einladen konnten (er wohnt diesmal oben in Voksenkollen). Er erwiderte: ‘Wenn Sie wünschen, komme ich gerne, und ich werde auch sorgen dasz mein Kommen bekannt wird.’ Das war zugleich praktisch bedacht. Heute morgen schon stand es in allen Zeitungen. Der Arme ist ganz unmusikalisch, und musz u.a. Bach, Brahms und Beethoven hören!.... | |
Christiania, 9 März 1907Das Concert war so glänzend, beschreiben läszt sich's nicht! Punkt 8 kam das Königspaar und Princessin Victoria. Ich fing an mit der Bach-Toccata. Der König nickte mich so freundlich zu und hat den ganzen Abend applaudirt, alsob er dafür bezahlt worden war. Nina herrlich bei Stimme, - das Publicum war zum Schlusz einfach rasend! Ich spielte noch meine Czardàs Variationen und legte los was ich konnte. Und als dann endlich der König wegging und es stille wurde, bis er heraus war, fing das Publicum auf's Neue an zu applaudiren und ich muszte dann noch die Holl. Tänze spielen, die hier ganz populär geworden sind. Als sie noch immer klatschten, | |
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und ich AufschwungGa naar voetnoot1 noch zugab, und sie dann noch nicht aufhörten, machte ich das Clavier zu. Das war der Schlusz. Und dann strömten die Menschen zu uns hin, und wir blieben noch lange in dem Saal. Edvard giebt morgen ein Festessen mir zu Ehren wo er mehr als 50 Menschen eingeladen hat. Die ganze Björnson-Familie und Sigurd Ibsen kommen auch.... | |
Bonn, 9 Mai 1907Das Joachim-Quartett spielte a-moll von Schubert. Ich war erst ganz erschrocken über Joachim, man hörte ihn kaum - und es war wehmütig, wenn man an früher dachte! Gleich im Anfang platzte ihm eine Seite; er muszte aufhören und eine andere Geige holen, was sehr lange dauerte. Nach und nach kam er mehr hinein und spielte sicherer - aber es ist doch nur noch eine Ruïne, und man hört mit mehr Angst als Vergnügen zu! Nach dem Quartett kamen Lieder von Julia Culp. Sie sang ganz herrlich und begeisterte Alle. Dann spielte Dohnányì einige Solostücke und zum Schlusz kam das c-dur quintettGa naar voetnoot2. Joachim viel besser und stellenweise noch wie in alter Zeit. Ich habe lange mit ihm gesprochen, lieb wie immer aber er sollte nicht mehr spielen - es macht einen zu peinlichen Eindruck. ....Abends fuhr ich nach Rolandseck; dort hatte ich einen herrlichen Abend mit Nachtigallen und frischem Grün und blühenden Seringen....
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ParisGa naar voetnoot3, 13 Juni 1907Gestern hatte ich einen herrlichen Tag, den ich nicht leicht vergessen werde, so voll der schönsten und glücklichsten Eindrücke war er.... Ich traf Casals im Morgenanzug auf dem Sopha liegend und SuggiaGa naar voetnoot4 neben ihm cello spielend. | |
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Grande Surprise, embrassements très chaleureux! Dann stürzte er sich gleich auf meine neue Cellosonate, las erst ein wenig darin und dann spielten wir sie und zwar vollendet. Alles klang so wie ich's mir gedacht hatte und meine Freude war grosz. Und wie hat er gespielt! Den 2ten Satz wiederholten wir gleich; épatant! Wir könnten es heute im Concert spielen - es brauchte nichts verändert zu werden. Schöner könnte ich aber auch eine erste ‘Aufführung’ nicht denken - und Suggia dabei, die so musikalisch ist und Alles gleich so gut verstand. Und diese warme Begeisterung von Casals! Nach dem Spielen gingen wir im Garten, Casals liesz zur Feier seine Fontaine und einen etwas schwindsüchtigen Wasserfall springen, Suggia holte Spanischen Wein, dazu sangen die Amseln - der herrlichste Sommerabend! Dann verschwand Casals und machte Toilette, von Zeit zu Zeit sahen wir ihn eingeseift beim Fenster um mit uns zu sprechen. Dann spielte ich den ersten Satz noch einmal mit Suggia, die es auch vortrefflich las und dann fuhren wir zusammen in die Stadt nach dem geliebten Restaurant von Casals: ‘Boeuf à la Mode’. Dort war es höchst gemütlich - Heute Abend bin ich wieder Casals' Gast in seiner Villa Molitor, es kann reizend werden. Und wir werden wohl wieder tüchtig musiciren.... | |
Troldhaug, 22 Juli 1907Nun bin ich hier zu Ruhe gekommen nach meiner herrlichen Jotunheimreise. Edvard u. Nina und Beyer empfingen mich in fröhlichster Stimmung. Heute morgen war ich schon um ½ 6 auf und ging spazieren. Begeisternd ist Troldhaug's Natur. Morgen essen wir alle bei Frants Beyer. Eine herrliche Geschichte, er wollte mich mit Hummer traktiren, sie dürfen aber hier nur bis 20 Juli verkauft werden. So kaufte er eine grosze, lebende am 19 Juli und setzte sie in die See. Aus Mitleid aber löste er die zusammen gebundenen Scheeren und.... die Hummer benutzte ihre Freiheit und schwamm in den Fjord hinaus!!.... | |
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neue in Erinnerung was ich früher hier gehabt hatte und wie leer kam es mir jetzt vorGa naar voetnoot1, wie musz das erst für die arme Nina sein! Gut dasz sie die lieben Beyers so nahe hat.... | |
Paris, April 1910Ich habe wieder einen so gemütlichen herzlichen Eindruck von der Villa MolitorGa naar voetnoot2 und ihren beiden Bewohnern, dasz ich ganz erfüllt davon bin. Sie haben mir ihr Zimmer eingeräumt, und sorgen wirklich rührend, um es mir so angenehm wie möglich zu machen. Pablo war an der Bahn und fand mich, als ich mich gerade an der Douane mit meinen Cigarren herumplagte. Wir fuhren im Auto bei herrlichstem Wetter - es war ein groszer Genusz, Paris in dieser Beleuchtung, diesem Glanz, zu sehen - Place Concorde war wundervoll und dann die Einfahrt in die Champs Elysées - der Amstelveensche Weg ist nichts dabei!! Ich sah allerdings nur mit halbem Auge da ich so viel mit Casals zu sprechen hatte und mich natürlich anstrengen muszte, um mich zu verständigen. Und dann kamen wir in die Villa Molitor, so still und grün und friedlich! Guilhermina kam uns entgegen, so herzlich und lieb. Ich muszte gleich von meiner neuen Composition erzählen, und er war ganz aufgeregt dasz es ein Cello-concert war und wollte es gleich hören. Also direct am Clavier und Du weiszt wie er bei solchen neuen Sachen ist, wie er gleich Alles auffaszt und sich freut, und es auch sagt. Wir spielten es mehrere Male durch, dann spielte er die Clavierparthie und sang die Cellostimme dazu. ‘Epatant’ u.s.w.! Er sagte er wollte den ganzen Sommer dafür geben, um es zu ‘travailler’ und dann im Winter überall spielen. Als wir es zum 2ten Male spielten, sagte Guilhermina es käme ihr vor alsob sie es immer schon gekannt hätte.... Zu Tisch war es sehr lustig: Pablo trank auf Catalonischer Weise aus einer Flasche mit einem langen spitzen Hals, aus dem der Wein in einem Strahl herausläuft und so von ferne mit dem Mund aufgefangen wird, man sollte ihn so photographiren! Abends waren wir | |
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bei Madame Piazza eingeladen, wo eine sehr interessante Gesellschaft aus den heterogensten Menschen zusammengesetzt war. Als Beispiel trafen sich dort General Picquart, der jetzige Kriegsminister und der Sohn von Joachim, Preussischer Officier. Ausserdem war Harold Bauer da und viele andere Künstler. Das Hauptineteresse für mich war aber Picquart, mit dem ich mich lange unterhielt. So einen liebenswürdigen, einfachen und bedeutenden Menschen habe ich lange nicht getroffen. Er spricht flieszend Deutsch und Joachim sagte mir, er hielt ihn für den gröszten Kenner der Deutschen Armee. Die Beiden sind sehr befreundet - merkwürdige Combination. Heute morgen machte ich einen langen Spaziergang im Bois um mir meine Kopfschmerzen weg zu laufen. Casals räth sehr zu einem Concert mit EngelbertGa naar voetnoot1 in Paris - überhaupt sagt er, dasz der Zeitpunkt für Engelbert, um sich als Cellist einen Namen zu machen, sehr günstig sei. Casals selbst hat diesen Winter 120 Concerte gehabt.... | |
Bilthoven, Nov. 1924....Aus Leipzig bekam ich einen langen Brief vom ‘Bempe’Ga naar voetnoot2 über eine Bach-Sache. Die neue Bach-Gesellschaft will meine Bearbeitung der Bach'schen Lieder, die ich für StraubeGa naar voetnoot3 machte, herausgeben und fragt meine Zustimmung. Sie können aber nichts bezahlen, weil die Kasse, - Bempe ist Kassirer - ganz leer ist. Im selben Heft kommt Bach's letzter Choral ‘wenn wir in höchsten Nöten sein’ den er auf dem Sterbebett seinem Schüler Altnikol diktirte. Ich schlug Bempe vor den Choral als Motto für die Kasse der neuen Bach-Gesellschaft zu gebrauchen.... |
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