Brieven van Julius Röntgen
(1934)–Julius Röntgen– Auteursrecht onbekend
[pagina 41]
| |
IV Brieven aan zijn Ouders
| |
[pagina 42]
| |
feine vornehme Menschen. Ich wurde sehr freundlich empfangen. Alle meine gedruckten Sachen sind hier schon sehr bekannt und werden viel gespielt.... ....Ich werde es nun ruhig abwarten was sie über mich beschliessen.
In Februari 1878 nam Röntgen, zooals de lezer reeds uit zijn brieven aan Amanda Maier vernomen heeft, de betrekking aan. Zijn eerste brief hierover luidt:
....Coenen stellte mir die Schülerinnen vor. Bis jetzt habe ich mit einer einzigen Ausnahme lauter Damen, darunter aus den feinsten Amsterd: Familien. Die meisten verstehen Deutsch und können sich ganz gut mit mir verständigen. Ich hatte an diesem ersten Tag 6 Stunden zu verarbeiten, aber abends kam die Belohnung und es ging in das Philharmonische Concert und zur Brahms'schen SymphonieGa naar voetnoot1. Zu erst kam eine Ouverture von Verhulst, dann spielte ein junger Herr Heymann mit vollendeter Virtuosität ein Concertstück von Weber und nun kam Brahms! Mir war's sehr merkwürdig zu Muthe als ich ihn ankommen sah und ich sehnte mich schrecklich nach ‘Lehmannsgarten’, wo wir grade vor 4 Wochen dasselbe hatten. Er wurde mit ungeheurem Applaus empfangen, das Orchester tuschte und es war ein fürchterliches Spektakel. Nach jedem Satz gröszter Jubel, gar nicht zu vergleichen mit Leipzig, es war wirklich eine Freude. Den dritten Satz wollten sie durchaus da capo haben, Brahms ging aber unbarmherzig weiter; zum Schlusz wieder Tusch und unendlicher Hervorruf. Es war ein wirklicher Triumph, und ich konnte mir gar nicht vorstellen, dasz ich in dem ‘phlegmatischen’ Holland war. Das Publicum war wirklich aus Rand und Band. Als es endlich ruhig geworden war, ging ich hinauf zu Brahms. Er sprach gleich sehr ausführlich über mein Hieherkommen, fand es ganz gut und sagte, dasz er in meinem Alter noch mehr Stunden hatte geben müszen. Man hatte bei ihm das ganze musikalische Amsterdam zusammen. Der President der | |
[pagina 43]
| |
Maatschappij tot Bevord. der ToonkunstGa naar voetnoot1 hielt in gutem Deutsch eine sehr warme Ansprache an Brahms und übergab ihm einen herrlichen groszen Stich von v.d. Helst's ‘Schuttersmaaltijd’ zur Erinnerung an die heutige Aufführung. Dann stieszen wir alle mit Champagne (immer Champagne, wo Brahms ist!!!) an, und dann ging das Concert weiter bis beinahe 11 Uhr. Nach Ablauf groszes Souper Brahms zu Ehren, und ich bereute nicht mitgegangen zu sein, denn es war wunderhübsch. Ich sasz bei Brahms und seinem Freund Alex. Sillem, gegenüber Verhulst, der ein prächtiger Mensch ist. Alles ging so herzlich zu, so ungezwungen lustig und doch so vornehm, dasz es den angenehmsten Eindruck machte. Aus Utrecht waren auch Engelmanns und Riemsdijks da.... Brahms habe ich nie so munter gesehen. Denkt Euch, er hielt eine wunderschöne Rede auf mich, sprach ganz ernsthaft und rieth der ‘Maatschappij’ mich recht warm zu halten! Es war wirklich zu hübsch von ihm und ist ihm hoch an zu rechnen, da er ja so selten spricht. Toast kam nun auf Toast, holländisch und deutsch wechselte ab, und Alles war in heiterster Stimmung....
Morgen ist die neue Symphonie in Haag, Freitag macht er sie noch einmal hier, er ist hier richtig populär und alles jauchzt ihm zu. Es macht ihm aber auch Freude und man merkte es ihm an, wie wohl er sich hier fühlt....
A propos, habt Ihr die Weinrechnung noch van den Flaschen die Ihr mir zugeschickt habt? Ich habe nämlich seit einigen Tagen die unangenehme Entdeckung gemacht, dasz ich einen Mitarbeiter an meinem Portwein habe. Als ich Freitag mein zweites Gläschen trinken will, kommt's mir vor, als ob ganz unverhältniszmäszig viel aus der Flasche fehlt. Ich denke, der Sache muszt Du auf dem Grund kommen, und mache einen Strich an die Flasche. Richtig den andern Tag war's um einen Zoll gefallen und so ging's weiter bis ich mit meinem Weinmesser so ziemlich auf dem Grund der Flasche angekommen bin. | |
[pagina 44]
| |
Scheuszlich! Es kann Niemand anders als die Magd sein, die mir gleich nicht gefiel, als ich aus Leipzig zurück kam, und der Gedanke, dasz sie vielleicht ohne Hilfe eines Glases sich meinen Wein schmecken läszt, ist gar nicht appetitlichGa naar voetnoot1. Ich wollte die Geschichte etwas mit ansehen, ehe ich meiner Wirthin etwas davon sagte, werde es aber, so unangenehm es ist, nun doch thun. Nun wundert's mich, dasz ich nur elf Flaschen habe und wüszte gern ob die Magd ihre Weinliebhaberei nicht nur ‘en détail’ betreibt.... Ich dachte schon ein recht gediegenes Brechmittel in den Wein zu thun, man kommt schlieszlich auf solche Boshaftigkeiten. Vor der Hand mache ich nun keine neue Flasche auf und sehe ruhig dem baldigen Ende der Ersten, ohne meine Mitwirkung, entgegen.... | |
März 1878....Gestern war also hier die PassionGa naar voetnoot2 und ich musz Euch etwas davon erzählen. Ich kam freilich erst zum zweiten Theil, da ich wie Ihr wiszt, bis ½ 9 Stunde hatte. Eigentlich wollte ich gar nicht hingehen, ich muszte aber wegen Verhulst, mit dem ich soviel darüber gesprochen hatte und der auf mein Anrathen die Recitative noch in letzter Stunde vom Cello und Basz (erst hatte er Clavier) spielen liesz. Es klang freilich stellenweise sehr ruppig, doch immer noch besser als das fremde Clavier. Denkt Euch nun die Matth. Passion im Concertsaal, ohne Orgel, alles in glänzerndster Toilette, die DamenGa naar voetnoot3 mit Bouquets und nach Stellen wie z.B. ‘er ging hinaus und weinte bitterlich’ - den stürmischten Applaus und dreimalige Verbeugung des Tenoristen. Ich war wie mit Wasser begossen! Ebenso nach der Geigenarie, wo KesGa naar voetnoot4, der's übrigens ganz hübsch gemacht hat, und dem ich noch die langen Vorschläge ausgeredet hatte - durch's ganze Orchester und Chor durchkrepelte um sich zusammen mit der Altistin zu verbeugen. Am Schlimmsten war's nach dem Choral ‘O Haupt voll Blut und Wunden’, den sie bald dacapo gemacht hätten. - Ohne Orgel | |
[pagina 45]
| |
fehlt der rechte Hintergrund. Den Schluszchor nahm Verhulst sehr breit, besonders im Mittelsatz, was sich sehr gut machte. Verhulst liesz das Recitativ der Bässe ‘Und die Erde erbebte’ von den Geigen mitspielen, wodurch es endlich einmal klar wird. Ganz verfehlt war die Stelle ‘wahrlich dieser ist Gottes Sohn gewesen’, das herrliche Stückchen in es-dur was er eben so schnell wie die andern Chöre nahm. Am Schlusz ‘nun ist der Herr zur Ruh gebracht’ schmissen sie um, die vier Sänger wuszten gar nicht was sie machen sollten..... | |
März 1878....In der Probe gestern früh gab's einen sehr unangenehmen Auftritt. Der erste Trompeter wollte etwas nicht so blasen, wie es Verhulst ihm sagte, und es kam so weit dasz Verhulst den Taktirstock hinlegte, seinen Rock anzog und nicht mehr dirigiren wollte, Nun legte sich freilich das ganze Orchester in's Mittel, ‘Verhulst bleiben’ rief Alles. Er blieb auch, war aber so aufgeregt, dasz er sich setzte und weinte. Ist das nicht stark? Der infame Trompeter muszte ihn nun um Verzeihung bitten, worauf sich Verhulst wieder beruhigte und weiter dirigirte. Es fehlte aber nicht viel und sie hätten sich geprügelt. Und das alles in der ‘Ländlichen Hochzeit’ von Goldmark! Heute ist Generalprobe mit Publicum, wo es hoffentlich ohne solche Intermezzi abgeht.... | |
2 Febr. 1881....Nun in aller Eile noch etwas über die letzten Brahms-Tage: in der Probe klappte nicht alles besonders. Brahms hatte die Partituren seiner OuverturenGa naar voetnoot1 in Haag liegen laszen und wuszte nun, bis die Noten kamen, nicht recht was er mit dem Orchester anfangen sollte. Dadurch wurde viel Zeit verloren, sodasz nachher Alles etwas eilig abgemacht wurde. Frau Engelmann muszte trotz heftigsten Sträubens das ConcertGa naar voetnoot2 spielen, Brahms dirigirte, bis Verhulst glücklich mit den Ouverturen aus Haag kam, und Brahms' Stelle am Diri- | |
[pagina 46]
| |
gentenpult einnahm und Brahms selbst (aber nicht so gut wie Frau Engelmann) spielte. Am Concertabend hat das Orchester wirklich Wunderbares geleistet. Die sonst mittelmäszigen Bläser waren wie verwandelt; Manches, sagte Brahms gestern Abend, hätte er noch nie so schön gehört. Die Ouverturen gingen wundervoll und denkt, mir und uns Allen gefällt die ‘Akademische’ besser als die ‘Tragische’, d.h. die ‘Tragische’ ist ja, wenn man will, viel bedeutender, und wirklich sehr groszartig und leidenschaftlich: ich finde nur, dasz man Alles darin schon in früheren Sachen von Brahms gehört hat, während die ‘Akademische’ doch ganz neue ‘Saiten’ anschlägt. Ich finde sie wunderschön und sehr genial - mit Ausnahme des daran geklebten Schluszes. Alles andere ist aber herrlich! Das zweite Thema ist der reine Sonnenschein! Nach der ‘Tragische’ kam das Violinconcert, vollendet schön gespielt von BarthGa naar voetnoot1. Dann die ‘Akademische’. Sie gefiel selbstverständlich am Meisten. Nach dem Schlusz kam der ganze Vorstand, Verhulst an der Spitze, zu Brahms an's Dirigentenpult; Verhulst nahm ihn buchstäblich in seine Arme und sprach herrliche, ganz einfache, aber sehr empfundene Worte, unter dem Jubel des sehr zahlreichen Publicums. ‘Du, Brahms’, fing er an, ‘wir danken Dir für Das was Du uns heute Abend gibst und noch geben wirst und möchten es Dir gerne durch einige Worte ausdrücken’. Nun sprach er von Schumann und dasz dessen Prophezeihung in Erfüllung gegangen, u.s.w., schlieszlich setzte er ihm einen Lorbeerkranz auf, mit einem Citat aus Tasso, worauf er sich sehr viel einbildete, dasz ihm das eingefallen wäre. Das Ganze war wirklich feierlich im höchsten Grade und rührend dazu. Reinecke würde so was in Leipzig nicht fertig gebracht haben. Bei dem alten Verhulst machte es sich aber sehr gut. Nachher Tusch und Hurrah! - Ihr seht dasz man das Feiern hier gut versteht. - Der zweite Theil war naturgemäsz nach diesem Höhepunkt etwas matter. Das ClavierconcertGa naar voetnoot2, so schön es ist, war doch zu lang nach allem Vorhergehenden und konnte nicht den Eindruck machen, den es wohl sonst gemacht hätte. Es ging leidlich, für | |
[pagina 47]
| |
Brahms war es aber, nach allem Dirigiren, keine Kleinigkeit, es zu spielen. Nächsten Tag abends Brahms bei uns mit vielen andern Brahms - Freunden - Brahms frisch und munter wie immer - ich könnte Seiten lang schreiben über seine Liebenswürdigkeit und - man könnte sagen - Kindlichkeit, mit der er alles anguckte und bewunderte: es war wirklich zu hübsch und wir fühlten uns sehr froh dabei. Erst setzte Amanda Thee vor mit selbstgebackenen Kuchen, was er sehr bewunderte. Dann wurde gleich wieder in gewohnter Weise gründlich musiciert. Erst Amanda's Sonate, dann mein Klavierconcert. Amanda begleiteteGa naar voetnoot1 auswendig, Brahms sasz in der Ecke am Clavier und las in der Partitur sehr eifrig nach. Den letzten Satz begleiteten sie zusammen vierhändig (Brahms die Bässe) aus der Partitur. Es ging sehr gut und Brahms sagte alles mögliche Gute. Im allgemeinen fand er, dasz es ‘immer hübscher wurde’ - das Adagio besser als der erste, am hübschesten der letzte Satz: Amanda hat sich kein einziges Mal auswendig versehen, alle Achtung! Dann ging's gleich an's c-moll Klavierquartett von Brahms. Er spielte besonders schön, viel schöner als die beiden Andern. ‘Es ist aber kein Stück für glücklich-verheiratete Leute, das ist nur für trauerende Junggesellen’, sagte er am Schlusz, und daran ist was Wahres, besonders wenn man weisz, unter welchen Umständen er das Stück componirt hat. Zum Schlusz musz ich doch sagen, dasz es uns ein recht merkwürdiges Gefühl war, so einen Menschen im eignen Haus zu haben und zu bewirthen. Es bleibt für immer eine herrliche Erinnerung.... | |
24 Jan. 1882....Unverhofft kam Brahms abends zu seinen Freunden Cnoop Koopmans. Er war so munter und gesprächig. Er erzählte in einem fort von seinen Concertreisen in der letzten Zeit, allerlei Lustiges von Bülow, den er aber sehr als Dirigent verehrt, überhaupt nicht genug seinen groszen Eifer loben kann, dann von seiner Reise nach Sicilien. Überall ist er bewandert, kennt Alles von neuer Musik | |
[pagina 48]
| |
und sprach sich - was er nicht immer tut - sehr bestimmt darüber aus. Musik machten wir diesmal nicht, er hat wirklich diesen Tagen genug davon, mit all der Concert- und Probe-Hetzerei, die ihn aber grösztes Vergnügen macht. Koopmans traktierte mit Austern und Champagner, wobei Brahms wieder eine Menge der lustigsten Austergeschichten zum Besten gab und mir dabei stets die leeren Schaalen auf den Teller schob. ....Gesternmorgen Probe, Du kannst denken, wie gespannt ich auf das ConcertGa naar voetnoot1 war; er spielte es zweimal, das Orchester spielte ausgezeichnet Brahms war entzückt und sagte es wiederholt den Musikern. Das Concert hat mir beim ersten Hören einen ungeheueren groszartigen Eindruck gemacht, dabei so durchaus gesund und kräftig. Am Meisten ging mir gleich ein der zweite Satz, dieses Prachtstück und - der letzte, den ich ganz reizend finde, wenn er auch nicht der Höhepunkt des Ganzen ist. Das ist jedenfalls der erste; doch den musz ich öfters hören, besonders das, was das Clavier zu spielen hat ist mir noch durchaus nicht klar. Brahms hat gleich an Simrock geschrieben dasz er das Concert an mich schicken soll. Morgen reist er nach Rotterdam, wozu er aber gar nicht viel Lust hat, da die Leute dort so ‘ungemüthlich’ wären. Sonnabend wollen wir mit ihm nach IJmuiden. Zu uns will er kommen um ‘das Kleine’Ga naar voetnoot2 zu sehen. Amanda nennt er nur die ‘Groszmutter’ weil sie ganz so aussehe!!.... | |
28 Jan. 1882....Kommen eben nach Hause, waren trotz gräszlichem Wetter den ganzen Morgen mit Brahms aus, erst Museum, dann im Zool. Garten. Ihr kennt die groszen Bäume am Eingang des Zool. Gartens? Dort spielte Brahms mit uns ‘Kämmerchen vermiethen’Ga naar voetnoot3, er entwickelte eine erstaunliche Virtuosität!.... | |
[pagina VII]
| |
CLARA SCHUMANN 1819-1896
ERNST VON POSSART
| |
[pagina VIII]
| |
SIEGFRIED LIPINER
LOUISE FYK
Fürstin BIBESCO
ANTON RUBINSTEIN
| |
[pagina 49]
| |
Canons schrieben: das ist ungefähr auch jetzt wieder unsere Situation hier seit mehreren Tagen und ich bin nicht mehr weit von der damaligen Canon-Stimmung entfernt. Vorläufig haben wir schon Duette zusammen gespielt, Amanda und ich, alte Schmöker, die sich im Hotel fanden, darunter auch einige recht höbsche von Viotti, die ich mich noch von der Zeit her erinnerte, wo ich sie mit dem Groszvater spielte. Wenn's nun nicht bald anders drauszen wird, dann lerne ich Contrabasz (auch unter den Herrlichkeiten des Hotels) und bis ich einige Fertigkeit darin erlangt habe, wird doch endlich einmal dieser Regen aufhören oder auch nicht, wie es beinahe den Anschein hat. So sitze ich hier und warte Tag für Tag und komme nicht fort, studiere immer von neuem aus allen möglichen Büchern Norwegens und alle Herrlichkeiten und bin in meinem Baedecker wohl schon ein halb Dutzend Mal von Christiania bis zum Nordcap gereist. Zur Abwechselung bricht es einmal wieder Wolken.... es ist wirklich gräulich und bei dieser grauen Regensonntags-Stimmung will einem auch gar nichts Vernünftiges einfallen. - Baden kann man auch nicht, das Meer sieht gar zu nasz aus!.... | |
Amsterdam, 18 Nov. 1882....Es geht gar nicht mehr mit Verhulst. Er hat jetzt eine sehr unangenehme Geschichte im Haag. Er dirigiert dort die Diligentia Concerte und sie wollen ihn nun zwingen etwas von Wagner, Berlioz oder Liszt zu machen, haben eine Cabinetsfrage daraus gemacht und das Ultimatum gestellt, dasz entweder er oder das Comité seine Entlassung nehmen soll. Wie die Sachen stehen, kann Verhulst natürlich nicht zugeben und ich würde es an seiner Statt auch nicht thun. Es thut mir sehr Leid für ihn, dasz er als alter Mann nach so vielen Jahren seiner Directions-Thätigkeit nun auf solche Weise behandelt wird. Und ich fürchte, hier werden sie auch anfangen, denn gerade ein so vollkommener Widerstand, wie ihn Verhulst in dieser Beziehung zeigt, ruft nun so mehr die Opposition hervor. Nun glaube ich, ist es nicht allein die Abneigung, die er gegen die Sachen hat, als auch das Gefühl, dasz er sie nicht aufführen kann. Denn leider hört man ja auch von den guten Sachen nur | |
[pagina 50]
| |
immer wieder dieselben, die er einmal ‘in den Fingern hat’, so ist z.B. die b-dur SymphonieGa naar voetnoot1 und die PastoraleGa naar voetnoot1 seit Menschengedenken hier nicht aufgeführt. | |
19 Juni 1883....Nun noch etwas über das Musikfest in Leiden. Alles in Allem waren es doch recht hübsche Tage und der einzige, allerdings recht dunkle Flecken war, dasz das Orchester so mittelmäszig war und wir nur eine Probe haben konnten. Ich habe auch darüber geschimpft, aber - wo nichts (nämlich kein Geld) ist, hat der Kaiser das Recht verloren, und das war hier der Fall. Die grauenhafte Unreinheit der Bläser (weil sie im Sommer andere Instrumente als im Winter haben, wegen der ‘Schutterij’!!), abgerechnet, ging es wirklich abends noch merkwürdig gut. Dasz ich aber als Clavierspieler unter diesen Umständen doppelte Mühe hatte könnt Ihr Euch denken. Es gehört wirklich eine Portion Ruhe und Sicherkeit dazu, wenn man jeden Augenblick fürchten musz, dasz irgendwo im Orchester ein Unglück passirtGa naar voetnoot2. Eine Hauptursache war auch, dasz der Dirigent, so ausgezeichnet er die Chöre im TriumphliedGa naar voetnoot3 einstudiert hat, dem Orchester gegenüber ganz machtlos und ohne jede Routine ist. Das Triumphlied wurde aber ausgezeichnet gesungen; für mich ist es eine der groszartigsten Musikstücke, die es gibt, eine Macht und Breite ist darin, wie man sie doch nur bei Bach oder in der Missa Solemnis findet.... Die Kammermusikmatinée am nächsten Tag war sehr hübsch. Verhulst war auch da, mein Concert hätte ihm sehr gefallen, sagte er; dasz das Orchester nicht stimmte, hatte ihn gar nicht gestört! Er ist freilich von Amsterdam daran gewöhnt. - Unser lieber Fürst ReussGa naar voetnoot4 kam auch; ich holte ihn von der Bahn ab und brachte ihn in unser Hotel, wo ich ihm eine Stube bestellt hatte. Er wohnte grade uns gegenüber. Einen guten Platz hatte ich ihn auch besorgt, | |
[pagina 51]
| |
er setzte sich aber im Verlauf des Abends neben Amanda. Nach dem Concert waren wir ganz allein mit ihm zusammen im Hotel, da ich das Souper nicht mitmachen wollte. Wir hatten es sehr gemütlich, tranken ein Fläschchen Bier, für welches wir auf der Rechnung gewisz die fürstliche Gesellschaft mitbezahlen muszten, denn es kostete nicht weniger als 1 Gulden. In der Nacht hatten wir ein sehr starkes Gewitter, dasz in unmittelbarer Nähe einschlug - gut, dasz unser Durchlaucht kein ‘Dorchläuchting’Ga naar voetnoot1 war! Nach der Matinée machten wir einen herrlichen ruhigen Spaziergang auf die alte Burg, wo es wirklich ganz ‘Eichendorffisch’ war, so grün und still und zwischen den alten Mauern schöne Ausblicke auf die alte Stadt. Dabei das wundervolle frische Wetter, eine Luft, wie man sie nur nach einem Gewitter zu schmecken bekommt....
Wir werden bald eine Besprechung bei Coenen haben über die Errichtung eines Conservatoriums, eine Idee, mit der wir uns schon lange plagen. Dan: de Lange, Messchaert, Coenen und ich wollen uns zusammen thun, und der Sache einmal ordentlich auf den Leib gehen. Vorläufig müszte es von uns ausgehen und dann später vielleicht von der Maatschappij v. Toonkunst übernommen werden, wo die Muziekschool dann als eine Art Vorbereitungs-Schule daneben bestehen könnte. Man sollte doch denken, dasz in einer Stadt wie Amsterdam ein Conservatorium bestehen könne, noch dazu wo wir nun bald einen groszen Concertsaal und in Folge davon ein eignes Orchester bekommen werden. Es scheint mir die Hauptsache, erst ein finanzieller Fundament zu haben, ohne welches wir doch nichts thun können. Coenen will sich an den König wenden. Dann würden wir suchen auf privatem Wege Geld für einige Freistellen zu bekommen und vielleicht einige Concerte zu veranstalten für einen Conservatorium-Fonds. Jedenfalls schadet es ja nicht, die Angelegenheit einmal ordentlich zu besprechen und sich Alles recht klar zu machen. Meine besten Klassen an der Musikschule sind jetzt so gut wie an jedem Conservatorium. Ich habe dort Schülerinnen | |
[pagina 52]
| |
die das g-moll Concert von Saint-Saens und das e-moll von Chopin auswendig spielen. Diese würden natürlich gleich in's Conservatorium eintreten.... | |
22 Sept. 1883....Wir haben in diesen Tagen lang und breit über die Conservatorium-Geschichte verhandelt, womit es jetzt wirklich Ernst wird. Es ist nun von der Maatschappij eine Commission ernannt, mit welcher wir eine ‘Vergadering’ haben und der wir unsere genauen Pläne vorlegen wollen. Coenen und De Lange haben ausführliche Berechnungen gemacht, was die Geschichte unter den gegebenen Verhältnissen kosten könnte. Wir vier verbinden uns auf 2 Jahre zu 4 Stunden wöchentlich, die wir umsonst geben (wenn die Maatschappij nicht doch noch uns honorirt.) Wir nehmen für den Anfang nicht mehr als 15 Schüler an und schreiben 10 Freistellen aus, für die privatim wir das Geld zu bekommen suchen werden (à 200 flrs). Das macht ein Kapital von 3000 flrs im Jahr womit wir die Kosten bequem bestreiten könnten. Auf fünf zahlende Schüler werden wir doch jedenfalls rechnen können. Sollte es gut gehen, so können wir ja schon nach dem ersten Jahr die Sache ausbreiten und uns dann honoriren lassen. Eröffnet soll das Conservatorium zum Herbst werden..... | |
21 Nov. 1884....Nun noch eine Nachricht, die möglicherweise eine recht wichtige werden kann, und die mich in den letzten Tagen viel beschäftigt hat: Heinze, der hier einige grosze Gesangvereine dirigirt, setzt sich zu Ruhe und man hat mich gebeten den einen, ‘Excelsior’ zu übernehmen. Es ist ein gemischter Chor, der nur ‘geweihte’ Musik, aber im weitesten Sinne des Wortes, aufführt und sich zur Aufgabe macht, dadurch das Volk zu veredeln, welches unentgeldlichen Zugang zu den Aufführungen hat. Diese finden in der Kirche statt. Ausserdem giebt es bezahlende Mitglieder. Der Verein soll in den letzten Jahren etwas heruntergekommen sein, und hat wie es scheint, wenig Geldmittel, sodasz die letzten Aufführnngen ohne Orchester gemacht werden muszten. Das finde ich | |
[pagina 53]
| |
nun freilich sehr dilettantisch und halb. Ich habe mit vielen Menschen darüber gesprochen, die meinen, dasz ich die Sache wohl bessern könnte. Ich fürchte vor Allem in Collision mit der ‘Maatschappij’ zu kommen, was ich ja jedenfalls vermeiden möchte. Doch ist dies nicht der Fall, da ‘Excelsior’ ja andere Ziele hat. Für mich wäre es viel werth, endlich einmal zum Dirigiren zu kommen; nächste Woche hat ‘Excelsior’ seine letzte Aufführung unter Heinze, da will ich einmal hören und sehen wie die Geschichte ist, und ob es mir scheint, dasz ich dafür passend bin. ....Die Artikel gegen Verhulst habe ich gelesen. Sie sind sehr scharf, theilweise etwas übertrieben, zum Theil aber auch den Nagel auf den Kopf treffend. Unter andern steht, dasz man hier in den letzten Jahren keinen einzigen frischen Allegro-Einsatz mehr gehört hat, und das Artikel beschreibt einmal das ganze Elend der Orchesteraufführungen, das ewige Schleppen und dann wieder Hetzen, und die Einseitigkeit der Programme, auch was die Wahl der classischen Werke betrifft, sodasz man immer nur die vier selben Symphonieën van Beethoven etc. zu hören bekommt. Dabei werden vollkommen Verhulst's Verdienste in früheren Jahren anerkannt. Im ersten Concert macht er wieder die f-dur SymphonieGa naar voetnoot1 und GenovefaGa naar voetnoot2. Es ist beinahe komisch! | |
1 Dec. 1883Wir haben herrliche Tage in Utrecht gehabt und sind noch nicht damit zu Ende. Frau Schumann wohnt bei R.'sGa naar voetnoot3 in Utrecht und für mich war es eine grosze Freude die liebe Frau nach so langer Zeit einmal wieder zu sehen. Sie ist ganz dieselbe wie früher, und ich kenne wenig Menschen, mit denen ich lieber zusammen bin als mit ihr. Aber sehr alt geworden fand ich sie doch, besonders an dem Abend; gestern war sie viel frischer und sah besser aus. Bei R.'s wo grosze Gesellschaft war, spielte sie zuerst mit Frau EngelmannGa naar voetnoot4 die zwei clavierigen Variationen von Schumann, dann | |
[pagina 54]
| |
spielten Amanda und ich meine fis-moll Violin Sonate, die besonders gut ging und Frau Schumann eine Orgelfuge von Bach, die h-dur Romanze von Schumann und das Paganini Stück in e-durGa naar voetnoot1. Die Fuge und Romanze waren wunderschön, das e-dur Stück für meinen Geschmack etwas zu sehr im Takt und zu zahm. Brahms spielt das ganz anders. Ein herrliches Clavierspiel ist es aber immer noch, und das Höchste von Genauigkeit, was man sich denken kann. Ich glaube aber, dasz sie früher doch mehr Schwung gehabt hat. Nach den Solostücken wurde nichts mehr gemacht, da Frau Schumann sich zurückzog und Frau Engelmann nichts mehr spielen wollte. Wir übernachteten bei Engelmann, der uns am nächsten Morgen in seinem Laboratorium die wundervollsten physiologischen Experimente zeigte, sodasz ich aus dem Staunen vor solcher Gescheutheit nicht herauskam. Nachmittags machten wir Musik bei Engelmanns, immer und immer wieder fingen sie über meine fismoll ViolinsonateGa naar voetnoot2 an; auch Frau Schumann hatte sie auch so besonders gefallen. Frau Schumann und ihre Tochter Marie kamen zu Tisch und da war es nun wirklich ganz wunderhübsch und höchst gemütlich. Engelmanns hatten ein superfeines Essen gemacht und vor Allem war eine Baisertorte, Frau Schumann's und mein Entzücken. Wir aszen um die Wette und die Andern amusierten sich sehr über solche Schwärmerei; nach dem Essen spielte Frau Engelmann Stücke von Herzogenberg. Kennt Ihr die reizende d-dur Gavotte? Sie spielt sie entzückend aber ein fürchterlich Brahms - ähnelndes Stück gefiel Frau Schumann nicht. ‘Dat is to schwiemelig’Ga naar voetnoot3 sagte sie. Ein gutes Wort!! Die andern Stücke gefielen ihr sehr und besonders die Art wie Frau Engelmann sie spielte. - Morgen früh fährt Frau Sch. nach Frankfurt zurück, wir werden sie noch fort begleiten, und haben es dann aber gründlich ‘ausgetischt’. | |
[pagina 55]
| |
groszen Gesangsstück bearbeiten und sind im groszen Ganzen schon fertig damit. Es kann wundervoll werden, ich kenne kaum eine schönere, zartere und doch leidenschaftlichere Poesie. Freilich ist in der Bibel, das heiszt in der Lutherschen Übersetzung nicht viel von der Schönheit des Originals übrig geblieben, da das ganze Gedicht vollkommen falsch aufgefaszt ist. Es ist durchaus weltlich und hat nichts mit Religion zu thun, wenn es auch höchsterweise religiös oder sittlich oder wie man es nennen will, ist. Wir haben es nach dem hebräischen Original in freier Weise natürlich, in einer Reihe von Scenen bearbeitet, ich hoffe, dasz ich dazu komme, es zu componiren und werde es mit auf die Sommerreise nehmen. Die Handlung ist in aller Kürze folgende: Sulamit, die mit einem Hirten verlobt ist, wird von König Salomo zu dessen Königin bestimmt, widersteht aber allen Versuchungen und wird schlieszlich mit ihrem Geliebten vereinigt. Es kommen ganz wunderbare Scenen darin vor, u.a. ein Traum von Sulamit und ein Ständchen von dem Hirten, wo er den Frühling besingt, die gradezu musikalisch sind. Auch Gelegenheit zu Chören ist reichlich da. Zum Schlusz ein wundervoller Hymnus an die Liebe, die Alles besiegt und überwindet. Vielleicht kann ich Euch von unterwegs etwas davon schicken, d.h. vom Text, denn zum Componiren werde ich doch wohl nicht kommen....
Naar aanleiding van een Gewandhausabonnementsconcert, waar Röntgen's jongste zuster, Caroline, het d-moll concert van Brahms had gespeeld, schrijft hij: | |
11 Oct. 1884....Wie freuen wir uns nun von Euch mehr über das Concert und alles was damit zusammenhängt, zu hören! Die Zeiten, oder besser die Menschen haben sich doch sehr geändert! Vor 10 Jahren wäre es noch sehr gewagt gewesen, das Brahms'sche Concert zu spielen; das haben wir ja damals mit Frau Schumann erfahren, die gar keinen Eindruck beim groszen Publicum damit machte. Und sie hat es doch gewisz gut gespielt. Auch Brahms selbst ist ja immer ziemlich kühl damit aufgenommen worten, so z.B. auch hier vor | |
[pagina 56]
| |
einigen Jahren, wo er es freilich auch recht falsch gespielt hat. Ich freue mich zu sehr darauf, wenn Line es hier spielen wird und bin sehr gespannt, wie es dann gegen die Schandaufführung von vor'gem Jahr sich ausnehmen wird. Wir beide haben auch richtig die Concerte von Brahms ‘gepachtet’, es fehlte nur noch, dasz ich num im nächsten Concert das b-dur Brahmsconcert spielte. Was hat denn Reinecke dazu gesagt? Er findet es doch wohl schwerlich eins seiner ‘angenehmern’ Stücke? Reinecke hat also ein Harfenconcert componiert? Ich weisz nicht, aber dabei wird es mir doch gar zu weichlich zu Muthe.... Heute Abend sind wir also wieder mit unserer lieben Prinzessin BibescoGa naar voetnoot1. Ihre Liebenswürdigkeit läszt sich wirklich nicht beschreiben; ich hoffe dasz Ihr die einmal kennen lernt. Vielleicht geht sie nach Leipzig, wenn Rubinstein dorthin kommt. Sie reist ihn überall nach, so begeistert ist sie für ihn. Er hält aber auch viel auf sie als Clavierspielerin. Schade, dasz Ihr nicht hier seid, denn die Fürstin hat mir nämlich eine ganz wunderbare grosze Kiste der schönsten Confituren aus Paris kommen lassen, ich sage Euch, ganz erhaben! | |
29 Nov. 1884Messchaert's DebutGa naar voetnoot2 ist gut abgelaufen, besonders was die Sangleistungen betrifft, die ganz vortrefflich waren. Ich habe noch nie eine solche Kraftentwicklung von Männerstimmen gehört. Nur hatte er ein schrecklich langweiliges und nichtssagendes Ding gewählt: ‘Heinrich der Finkler’ von Wüllner, das vier enge Textseiten von nichts als Patriotismus handelt, und wo sie 1½ Stunde sich damit beschäftigen, Heinrich die Kaiserkrone an zu bieten. Ich habe selten eine so physiognomielose Musik gehört - natürlich sehr anständig gemacht, es konnte aber auch irgendwo etwas anderes als Musik sein. Das Orchester begleitete ziemlich schlecht, die Rhapsodie von BrahmsGa naar voetnoot3 ging spurlos vorüber und gefiel mir diesmal gar nicht, | |
[pagina 57]
| |
obgleich ich ja weisz, das sie schön ist. Wie soll das mit dem Requiem werden!Ga naar voetnoot1
Die Fürstin Bibesco hat hier die Variationen in a-moll von Rameau (herausgegeben von Pauer) gespielt und Alles damit entzückt. Sie sehen nicht gerade interessant aus, machen aber, wenn man sie brillant spielt, gröszte Wirkung.... ....Dr AsherGa naar voetnoot2 schickte mir ein philosophisches Buch von ihm, worin er zu beweisen sucht, dasz Schopenhauer'sche Philosophie nichts anderes als Mozes' Lehre sei. Damit denkt er die Welt zu erlösen.... | |
19 Dec. 1884....Dein Brief traf mich in sehr vergnügter Stimmung, da ich grade von meiner ersten Orkesterprobe zum RequiemGa naar voetnoot3 kam, die ich nun doch noch durchgesetzt habe und die sehr gut abgelaufen ist, viel besser, als ich mir vorstellte. Die Leute haben sich die möglichste Mühe gegeben, und haben es ganz anständig gemacht. Der Oboïst ist freilich beinahe 70 Jahre alt. Es ist mir aber auszerordentlich viel werth, dasz ich die Probe gehabt habe. Ich habe nun 4 Contrabässe und 6 Celli, 3 Pauken und eine Harfe. Für mich wird der heutige Tag ein hübscher Erinnerungstag bleiben: zum ersten Mal ein Orchester zu dirigieren ist doch herrlich!.... | |
6 Dec. 1884....Unser Nicolasabend ist wunderhübsch gewesen, wenn wir ihn auch nicht ganz auf die gewöhnliche Weise gefeiert haben. Erst ging es morgens in die Probe wo Joachim spielen sollte. Er war grade angekommen und ganz der Alte, freundlich und gut. Er sagte wie leid es ihm gethan habe, dasz ich nicht nach Berlin gekommen wäreGa naar voetnoot4, dasz ich aber ganz recht hätte, da zu bleiben, wo es mir so gut ginge. | |
[pagina 58]
| |
Gespielt hat er wie wir ihn nie schöner haben spielen hören, es war Alles vollendet und hat uns wieder einmal auf's allerhöchste entzückt. Er spielte das Beeth. Concert und die Schumannsche Fantasie, letztere ganz besonders schön. Nach der Probe ging ich schnell nach Hause, wo ich die erste hübsche Nicolasüberraschung hatte. Auf einer wunderschönen, hocheleganten Eichenholzstaffelei mit gelbem Sammet drapiert, stand ein groszes Bild von - Wagner! Dabei ein Vers, ungefähr so: dasz ich es so lange ansehen müszte, bis ich sein ‘Genie’ anerkannte und entdeckte was ‘hinter ihm stecke.’ Dahinter nämlich die Photographie von - Brahms! Ein Frl. R, grosze Wagnerianerin, hatte sich diesen Spasz ausgedacht! Auszerdem schickte sie noch ein groszes Bild von Joachim.... Zu Mittag aszen wir sehr gemüthlich bei H., wo Joachim wohnte; während des Essens bekamen wir Alle Paquete, Joachim eine Kindergeige mit einem hübschen Cigaretten-etui. Er muszte die Geige zerbrechen, was er als Geiger gar nicht über's Herz bringen konnte! Ich bekam ein Clavierchen, mit einem hübschen goldnen Bleistift. Es war sehr lustig! Dann fuhren wir alle nach dem Concertsaal. Joachim spielte vollendet, gab noch das schnelle e-durstück von Bach zu. Heute spielt Joachim in Utrecht das Brahms'che Concert. | |
25 Jan. 1885Mittwoch Abend ‘Excelsior’Ga naar voetnoot1, was übrigens jetzt der reine Bachverein geworden ist. Seit voriger Woche habe ich wieder einige ausgezeichnete Soprane dazu bekommen und glaube dasz das Bach'sche Magnificat sehr gut gehen wird. Sie singen es alle sehr gern, was das technische betrifft, sogar viel lieber als das Requiem von Brahms und jetzt merke ich erst, wie schwer meine erste Aufgabe war. Bei Brahms musz ja beinahe Takt für Takt nuanciert werden, was bei Bach mit seinem ‘ehrlichen’ forte ja beinahe ganz wegfällt. Dabei modulirt es nicht fortwährend, besonders nicht enharmonisch, wodurch man lange nicht so viel Schwierigkeit mit | |
[pagina 59]
| |
dem Reinsingen hat. Auszerdem viel bequemere Lage der einzelnen Stimmen, besonders der Tenöre, die im Requiem schrecklich hoch liegen, lauter kurze Chöre - Alles das zusammen macht dem Chor groszes Vergnügen und mir die Sache viel leichter. Magnificat gehört wohl mit zum Gröszten was Bach gemacht hat, also was überhaupt gemacht ist; bei dem Chore ‘Omnes, omnes generationes’ klingt es wirklich alsob ‘alle Völker’ sängen - ohne Handlung ist es doch durch und durch dramatisch. Welche Freude ich am Einstudieren habe, kann ich nicht beschreiben! Hier ist aber auch Alles erstaunt über diese Pracht, von der Niemand eine Ahnung hat, da ja ausser den Passionen keine Note von Bach hier bekannt ist. Die Aufführung fällt grade am 21. März, Bach's Geburtstag, und ich schlug vor den ganzen 1en Theil Bach zu machen, u.a. das d-moll Clavierconcert mit doppelter Quartettbesetzung und Contrabass. Das fanden aber die andern Herren schrecklich unpassend und halb und so muszte ich die Idee, die ich mir sehr hübsch gedacht hatte, leider aufgeben. Ich habe stets zu kämpfen mit meinen Programmen und schlieszlich fallen die Concerte dann immer sehr gut aus, so z.B. letzten Sonnabend, wo ich Messchaert den Schumann'schen Liederkreis singen liesz, was wieder auf allgemeine Opposition stiesz, da es nicht ‘Kammermusik’ sei. (Das ist aber noch die Frage!) Nun machte sich's aber herrlich, hat gröszten Erfolg gehabt und uns Allen die gröszte Freude bereitet. Das Brahms'sche c-moll Quartett ging neulich sehr gut. Es gefiel natürlich lange nicht so, wie die beiden andern Quartette, die sehr bekannt sind, uns hat es aber um so mehr Freude gemacht. Das Adagio klingt doch gar zu schön! Nur der letzte Satz wird mir nicht lieber als früher, ich finde mehr Arbeit als Erfindung darin. Die drei andern Sätze sind aber so schön wie Brahms nur etwas geschrieben hat. Jetzt aber musz ich von den wundervollen Wintertagen erzählen, die ganz Holland in einen wahren Rausch versetzt haben, dem leider jetzt ein eben so gründlicher Katzenjammer durch das plötzlich gekommene Thauwetter gefolgt ist. Holland ist am allerschönsten an solchen Wintertagen, wo das ganze Volk auf Schlittschuhen lebt, von Stadt zu Stadt läuft, wo es überhaupt nur noch ein Interesse, das Eis, gibt. Alles andere hört auf, die Schulen haben Ferien, in | |
[pagina 60]
| |
den Zeitungen liest man nichts als Eisfeste, Wettrennen, und alle möglichen Volksfeste auf dem Eise und was das Merkwürdigste ist, das sonst so rohe Volk ist auf dem Eise wie umgewandelt: reich und arm läuft zusammen und ich habe auch nicht die geringste Gemeinheit bemerkt, Alles ist fröhlich, hilft einander, überall werden die Bahnen gefegt, alles Nöthige ist vorhanden, und das Alles frei, man gibt nur freiwillig an die Bahnfeger einige Cente. Diesmal war es aber auch ein ideales Wetter und in einer Zeitung las ich soeben, dasz der letzte Sonntag werth wäre für immer im Volksliede fort zu leben. Hellster Sonnenschein, mäszige Kälte, kein Wind und kein Schnee und das ganze Land eine spiegelglatte Eisbahn! Sonntagmorgen zog ich mit einigen guten Schlittschuhläufern aus; erst lieszen wir uns über das ‘Y’ setzen, wo mit Mühe das Wasser für das Dampfschiff offen gehalten wurde, dann wurden die Schlittschuhe angeschnallt und fort ging es, immer landeinwärts über viele Dörfer bis nach Monnikendam, wo sich die Zuiderzee öffnet. Dort waren wir ungefähr 12 Uhr, mit vielem Aufenthalt, lustigem Frühstück etc. unterwegs. Nun kam aber das Schönste, die Fahrt über die See nach der Insel Marken, die wir ungefähr in einer halben Stunde erreichten. Diese unbegränzte Eisfläche, über die man hinsaust, macht einen ungeheuer groszartigen Eindruck. Dazu die Marker Fischer in ihren ‘Pumphosen’, und die Fischerinnen in bunten Kleidern, mit langen Locken - eine ganz eigenthümliche nur auf dieser Insel vorkommende Tracht - die verwundert über den Besuch so vieler Fremden auf ihrer einsamen Insel einem auf Schritt und Tritt umschwärmen und dann - das Merkwürdigste! - die groszen ‘Eisschuiten’ - Segelschiffe als Schlitten eingerichtet, die mit der Schnelligkeit eines Eisenbahnzuges nach allen Richtungen über die See fahren: ein herrlicher Anblick! Auf Marken machten wir längere Station und tranken heiszen Kaffee, aszen Roggenbrod und uralte Knackwurst dazu, das Einzige, was auf der ganzen Insel zu bekommen war. Dann ging's den selben Weg zurück, beim schönsten Sonnenuntergange, der die ganze Landschaft röthlich färbte. Um 6 Uhr waren wir wohlbehalten zu Hause und die folgende Nacht glaube ich, hätte die ganze v. BaerlestraatGa naar voetnoot1 in die Luft | |
[pagina 61]
| |
fliegen können - ich hätte in meinem Bette nichts davon gemerkt! Gestern morgen machte ich mich aber wieder auf, und lief noch einmal halb nach Haarlem, muszte aber wegen Stunden im Conservatorium bald nach Hause. Und wie ich da war, fing es - o Entsetzen! - plötzlich an zu regnen, ein niederträchtiger Südwestwind kam dazu und schon Abends standen die festlich geschmückten Grachten voll Wasser. Ganz Amsterdam in Trauer! Ein groszes Eisfest fand trotzdem noch statt, aber zum Schlusz spielte die Musik einen Trauermarsch und die Flaggen wurden ‘halfstok’ gehisst, wie bei einer Landestrauer. - ‘Auch das schöne musz sterben’.
Nu volgde voor Röntgen hoogst interessante dagen door de komst van Anton Rubinstein, den grooten musicus-pianist uit Petersburg (geb. 1829 en gest. 1894). Hij schrijft hierover: | |
März 1885....Wir haben eine herrliche Musikwoche gehabt und sind mitten in den Rubinsteintagen, die freilich Alles Andere verschwinden lassen. Er hat Donnerstag Abend gespielt, dasz wir alle ganz auszer uns waren über diese Groszartigkeit und Schönheit. Beschreiben läszt sich das nicht. Mich verfolgt es unaufhörlich und gestern den ganzen Abend in ‘Felix’Ga naar voetnoot1, wo wir doch Sarasate und Henschels hatten, bin ich den Eindruck von Rubinstein's Spiel nicht losgeworden. Ich bin froh, dasz wir ihn diesmal etwas für uns haben. Als er vor 7 Jahren hier war, war er in langweilige Gesellschaft gerathen, diesmal haben wir ihn aber gleich in Beschlag genommen und ich hoffe dasz er von der Amsterdammer Gesellschaft nun einen angenehmeren Eindruck bekommt. Frau Engelmann schrieb uns vor einigen Tagen, dasz wir doch etwas für Rubinstein thun sollten, da er sich sehr über die Amsterdammer damals beklagt habe. Er war jetzt mit Engelmanns mehrere Tage in Frankfurt zusammen gewesen und Frau Emma schrieb in der höchsten Begeisterung | |
[pagina 62]
| |
über ihn. Er soll das g-dur ConcertGa naar voetnoot1 über alle Maaszen schön gespielt haben. Mittwoch Abend kam er an, und wir hatten ihm ein Zimmer im Doelen Hotel mit Blumen geschmückt, warum Frau Engelmann gebeten hatte. Wir besuchten ihn am nächsten Tag mit Frau S. und fanden ihn auch zum Glück ganz allein. Wir saszen lange bei ihm und er war ungeheuer liebenswürdig und ganz einfach, allerdings nichts ‘Bülow'sches’. Bei aller Verehrung für Brahms - ich meine auch für den Menschen, denn bei uns war er ja mit Ausnahme des letzten unglücklichen Besuches immer sehr angenehm und fein - ist doch Rubinstein's Persönlichkeit eine viel sympathischere. Nun galt's etwas mit ihm zu arrangiren. Er hatte schon eine Einladung bei aufdringlichen Leuten abgelehnt, konnte also nicht gut zu uns kommen. Nun lud er uns alle in's Hotel ein und wir durften mitbringen wen wir wollten. Das war uns eigentlich etwas ‘schanirlich’, es ging aber nicht anders und so waren wir dann zuerst Rubinstein's Gäste. In seinem Concert spielte er auf dem alten Bechstein und er klang wie der schönste neue Flügel. Er fing mit einigen Praeludiën von sich an, die uns sehr gefielen. Dann die fis-moll Sonate von Schumann. Er spielte sie ganz herrlich! Dann Impromptu's von Schubert und eine Menge Chopin'sche Sachen. Besonders groszartig eine ganz unbekannte Polonaise in fis-moll. Zum schlusz Etuden von Chopin, die grosze c-moll Etude, dasz es einem dabei grauste. Dann die d-moll und die a-dur Sonate von Beethoven; die d-moll Sonate spielte er ganz einfach und hinreiszend schön. Zum Schlusz eine Menge russische Sachen. Im Ganzen 2½ Stunden, mit ganz kleinen Pausen; er ist doch ein Riese! Wenn er los legt, da hört eben alles auf!.... Wir gingen also Alle nach dem Concert in's Hotel und aszen mit Rubinstein, Amanda sasz neben ihm, ich leider neben seinem Impresario, einem gräszlichen Kerl, der die Künstler rein nur als Waare betrachtet. Hübsch war, dasz wir das Programm für Montag, wo er wieder spielt, machen durften, Jeder suchte sich etwas aus, ich die Sonate op. iiiGa naar voetnoot1.... | |
[pagina 63]
| |
[pagina 64]
| |
Sonntag kommt er nach einer kurzen Tournée durch Holland, wieder hier und SillemGa naar voetnoot1 hat, da Rubinstein nicht zu irgend einem von uns kommen konnte, ihm und uns in Café Riche zu Mittag eingeladen. Unter ‘uns’ müszt Ihr Euch denken unsern ganzen musikalischen Freundenkreis in Amsterdam. Glücklicherweise sind wir den Impresario los. Es kann sehr hübsch werden - Rubinstein war sehr entzückt vom neuen Gewandhaussaal in Leipzig und fand auch den Chor sehr gut. Auch Sarasate sagte mir, dasz es dort herrlich klänge, ebenso wie im alten. Gestern also Concert in ‘Felix’ mit Sarasate, der ganz vollendet gespielt hat, leider aber eine sehr langweilige schottische Phantasie von Bruch. Seine Spanischen Geschichten waren aber wieder ganz fabelhaft, nur bekommt man es sehr bald satt, besonders wenn man eben warm von Rubinstein kommt....
In Oct. van 't jaar 1885 werkte Röntgen mede aan eene uitvoering der Kamermuziekvereeniging te Amsterdam, door hem daar opgericht. Op het programma kwam o.a. het b-dur Trio van Brahms voor, en interessant is te zien uit den volgenden brief, hoe hij nu over dit werk oordeelde:
....Am Trio von Brahms habe ich gröszte Freude. Es ist wirklich kein so wüstes Stück, und dasz es uns damals gar nicht gefiel, hat wahrlich mehr an uns als an das Stück gelegen, wie bei so vielen andern Stücken von Brahms. Es ist ja noch nicht die Klarheit wie in den Clavierquartetten, d'rin, dafür aber um so mehr Erfindung, mehr ohne Zweifel als in den letzten Kammermusiksachen von ihm. Das Scherzando ist ein wundervoller Satz und von höchster Wirkung. Überhaupt gefällt das Stück überall sehr wo es hier gespielt worden ist. Es ist schwer für Clavier....
In de maand daarop van hetzelfde jaar kwam Brahms weer naar Holland, en Röntgen schrijft:
....Wir sind mitten in unsern ‘Brahms-Tagen’ und haben wenig Zeit: könnten nur in solchen Tagen die gewöhnlichen Beschäfti- | |
[pagina IX]
| |
De musiceerende Gasten van het Echtpaar Richter te Wehlen (zie brief pag. 26) Onder: De hotelhouder Richter
| |
[pagina X]
| |
CÉSAR CUI 1835-1918
Princesse D'ARGENTEAU DE CARAMAN-CHIMAY (Marraine de l'Ecole Russe)
FRANS COENEN 1826-1904
HENRI BOSMANS 1856-1896
| |
[pagina 65]
| |
gungen aufhören, so musz man aber nebenbei Stunden und Proben abmachen und will doch gern soviel als möglich mit den Freunden zusammen sein. Also Montag ging's los. Brahms kam von Elberfeld, wo er die neue SymphonieGa naar voetnoot1 dirigiert hatte, und liesz nun Bülow allein am Rhein weiter concertiren. Auf diese Weise hatten wir ihn ohne Bülow, was ja sehr angenehm war. Er lobt freilich Bülow sehr und meint, dasz er trotz aller Stacheln, doch einen guten Kern hätte. Nur wäre er kein geborner Musiker und sie wären fast immer ganz verschiedenster Meinung in allen musikalischen Sachen. Morgen kommt er mit dem Meininger Orchester hierher. Montagabend wurde nicht mehr musiciert, aber Brahms gab mir die neue Symphonie in seiner eignen Schrift mit und Dienstag früh machten wir uns gleich daran. Danach trafen wir Brahms mit unserm Freundenkreis im Museum, von dort bummelten wir zu KrasnapolskiGa naar voetnoot2, wo uns Sillem auf ‘Frühstück’ einlud. Nachmittags um 6 trafen wir uns dann alle wieder bei Sillem, der ein superfeines Diner bei sich hatte. Da weiter gar keine Menschen da waren auszer unser Kreis und Verhulst, so war es urgemüthlich, Brahms ganz so wie wir ihn hier kennen und lieb haben. Wir fuhren von Sillem zu der Familie C.K. wo Brahms dieses Mal wohnte, und spielten die Symphonie, Brahms erstes, ich zweites Clavier, leider auf einem sehr schlechten alten Erard, bei dem ein Ton ganz kaput war. Sowie dieser Ton vorkam, muszte Brahms ihn immer auf seinem Clavier spielen. Sonst ging's aber sehr gut und im Scherzo haben wir um die Wette gepauckt, sodasz wir am Schlusz gründlich warm waren. Erst machten wir's hinter einander durch, dann nochmals den ersten Satz. Die ganze Symphonie hat etwas Nordisches, herbes, und ist ganz verschieden von den drei andern. Bis jetzt ist mir der erste Satz und das prachtvolle Scherzo am liebsten. Vor der ‘Chaconne’ (Finale) habe ich groszen Respekt, bin aber noch nicht ganz darin. Sie klingt auch am wenigsten für 2 Claviere. In der Auffassung des ersten Satzes habe ich mich aber nicht geirrt. Der ganze Schlusz ist von höchster Kraft und grösztem | |
[pagina 66]
| |
Schwung! Ich schreibe Euch mehr darüber, sobald ich sie im Orchester gehört habe. Ich habe sie wieder mit nach Hause genommen und kann sie bis nächste Woche behalten. Ob Brahms sie in Leipzig macht, ist noch ganz unsicher; er scheint nicht viel Lust dazu zu haben. In Berlin macht sie Joachim. Morgen sind wir mit Brahms bei C.K.'s und gehen dann zusammen in's Concert wo seine 3de Symphonie gemacht wird. Freitag die 4e, Sonnabend in Haag, Sonntag kommt Brahms wieder nach Amsterdam.
Een paar dagen later schrijft Röntgen:
....Wie hat sich alles hübsch und gemüthlich mit Brahms und Bülow eingerichtet! Bülow machte alles mit und scheint sich überall sehr gut zu befinden. Er ist von ausgesuchtester Liebenswürdigkeit und man unterhält sich wirklich ganz ausgezeichnet mit ihm. Gestern sasz ich neben Brahms beim Diner und wir haben sehr viel über Alles mögliche gesprochen, auch viel über Herzogenberg und seine Symphonie, die ja auch gestern gemacht wurde. Er hält nicht sehr viel davon und stellt die Streichquartette von H. viel höher, findet aber auch bei denen, dasz sie, wenn sie gespielt werden, die Zuhörer ganz kalt lassen. Bülow sagte ganz richtig, dasz das ‘Blut’ darin fehlte. Brahms sprach sehr eingehend über die Symphonie, sagte herrliche Sachen, und nachher stiesz er mit mir auf H.'s Symphonie an. Die Brahms'sche Vierte klingt herrlich, uns wohl ganz besonders, die wir sie ja so ganz genau kennen. Gestern hat mir im Klang der letzte Satz am Besten gefallen. Das ist wirklich ein merkwürdiges Stück voller Kraft und Eigenthümlichkeit. Das c-moll Thema wird erst zehnmal in moll variirt, dann wird's e-dur, doppelt so langsam, erst eine schöne Variation zwischen Oboe und Clarinette, dann treten drei Posaunen und Tuba ein und bringen das Thema in feierlichsten Klängen, was von wunderbarster Wirkung ist. Nach dem herrlichen e-dur Stück kommt das Thema wieder in der Anfangsgestalt, und wird nun mit immer gröszerer Kraft und Kühnheit variirt - immer aber bleiben es dieselben acht Takte, | |
[pagina 67]
| |
nur ganz am Schlusz wird es in 4 Takte zusammen gezogen, worauf der Satz dann mit einigen energischen Accorden abschlieszt. Dieser Schlusz ist mir bis jetzt noch etwas zu kurz erschienen, besonders als Abschlusz einer groszen Symphonie. Der ganze Satz weicht überhaupt vollkommen von dem, was man in einer Symphonie gewöhnt ist, ab. Prachtvoll klingt der dritte Satz, Allegro giacoso, c-dur, ein höchst schwungvolles, derblustiges Stück, mit Triangel, die es noch lustiger macht. Der Satz geht hinter einander fort, ohne Trio. Das Andante klingt wunderbar, aber man musz sich im Anfang etwas an die Harmonisirung gewöhnen; ganz wundervoll ist aber der Anfang des ersten Satzes. Die Symphonie gefiel sehr, obgleich das ja nur äuszerlich war, denn wer die zum ersten Mal hört, kann ja fast nichts davon haben. Sie ging nicht so gut, als die f-dur Symphonie, die wirklich ganz vollendet war..... ....Nach dem Concert wieder gemütlich bei Krasnapolski.
Morgen Abend grosze Gesellschaft bei C.K.'s, ‘Kijkdag’ wie Sillem sagte; C.K.'s laden dann alle mögliche Menschen ein, die jetzt schon Gift und Galle sind, dasz sie bisher nichts von Brahms zu sehen bekamen. Wir spielen dann die Symphonie noch einmal. Messchaert soll den KreuzstabGa naar voetnoot1 singen.
Eenige dagen later reisde Brahms weg en Röntgen schrijft:
....Brahms ist heute abgereist, und damit diese herrliche Zeit abgeschloszen. Wir haben ihn aber gründlich genoszen, und waren fast immer mit ihm zusammen. Gestern war er mit den Freunden bei uns zu Mittag, auch Prof. Loman war da und sie haben sich sehr gut unterhalten, wollten beinahe nicht vom Tische aufstehen, Brahms fand es so gemütlich. Viel musiciert wurde später nicht, ich spielte meine Czardàs VariationenGa naar voetnoot2, die Brahms sehr gefielen, nur das Thema nicht, er | |
[pagina 68]
| |
sagte es sei ein verdorbenes Czardàs, sang ein ähnliches, ich aber fand, dasz es ein ganz anderes wäre. Nachher fuhr die ganze Gesellschaft zu Van LaarGa naar voetnoot1, wo Sillem mit Austern wartete (so eine Ess- beinahe Fress-Gesellschaft!). Am Vormittag waren wir mit Brahms in Haarlem und spazierten in den Dünen.
Bij dit samenzijn met Brahms bij de Röntgens in de v. Baerlestraat dreigde een pijnlijk incident bijna de vroolijke stemming te verstoren. Toen de gasten namelijk verzocht werden aan tafel te gaan, bemerkte Brahms, dat een der stoelen met bloemen versierd was. Hij snelde er heen en wilde de bloemen er afrukken, toen de gastvrouw, dit ziende hem er van weerhield, zeggende: ‘Aber, Herr Doctor, hätten Sie mir wirklich eine solche Taktlosigkeit zugetraut, dasz ich Ihren Stuhl bekränzt hätte? Es ist ja eine Huldigung für eine meiner Gäste, die heute Geburtstag hat!’ Brahms, die werkelijk gevreesd had, een op deze wijze voor hem smakelooze bloemenhulde te moeten ontvangen (wat hem in Weenen zoo dikwijls te beurt viel), werd innig beschaamd en verdrietig door zijne fatale vergissing en bruuske onhandigheid, maar door de taktvolle houding der gastvrouw kwam gelukkig de goede stemming spoedig weer boven.
In December 1885 voerde Röntgen met het koor van ‘Excelsior’ Brahms' Requiem op. Over deze uitvoering schrijft hij:
....Das Requiem ging auch ohne jeden Fehler. In der Generalprobe kam noch allerlei vor, z.B. war die Sopranistin ganz unsicher. Gestern habe ich noch lange mit ihr studirt und sie machte es auch schlieszlich ganz gut, ich finde es aber ein schweres Stück. Die zwei tiefen Clarinette (eigentlich Bassethörner) und 2 Fagotte klangen oft etwas ‘muckerig’. Zum Glück hatte ich drei sehr gute Posaunen die ja auch fast immer zu blasen haben. Ich muszte viel | |
[pagina 69]
| |
wegstreichen; in der neuen von Brahms revidierte Partitur ist fast kein Takt ohne Posaunen. Der Saal war wieder bis auf den letzten Platz gefüllt, dabei eine musterhafte Stille während des ganzen Requiems, die Prinzessin von Meiningen war auch da.... Es war ein höchst gelungener Abend. Auf der Strasze sprechen mir oft mir ganz unbekannte Leute an, um mir zu danken; von allen Seiten bekomme ich Dankkarten und Briefe.
Nachher gehe ich zur Meiningensche Prinzessin und hoffentlich erfahre ich dort etwas über Brahms. Bülow war schon am letzten Tag etwas böse auf ihn, weil Brahms ihn gebeten hatte, seine vierte Symphonie in Frankfurt mit dem Frankfurter Orchester, und also nicht mit den Meiningern, auf zu führen. Ist das vielleicht der Grund? Zuerst waren sie hier die gröszten Freunde! | |
Erster Weihnachtsfeiertag 1885....Denkt einmal, dasz wir das Requiem beinahe noch einmal gemacht hätten und zwar zu einem wohltätigen Zweck. Von vielen Seiten wurden wir darum gebeten. Schlieszlich muszten wir es aber dach aufgeben. Ich höre noch täglich wie sehr es allgemein gefallen hat. Die Leute sagen, sie hätten noch nie so starke Chöre in Amsterdam gehört. Ja, das machen die 30 Proben, - wobei schlieszlich ja auch die dümmsten Papageien anfangen mit zu singen. Ich habe nun grosze Pläne für nächstes Jahr und denke an die hohe Messe von Bach, die nie in Holland gemacht ist. Joachim will mir Alles dazu schicken, sogar einen hohen Trompeter, den sie in Eisenach gehabt haben. Die nächste Aufführung in März soll Händel's Messias werden, um dem Chor einmal etwas Leichteres und Bekannteres zu geben. Dazu haben wir auch alle Stimmen. Messchaert hat schon zugesagt wieder zu singen. Von der wundervollen Wirkung des Kreuzstabes könnt Ihr Euch aber keinen Begriff machen! Messchaert hat es aber auch gar zu schön gesungen und zwar Abends viel schöner als in der Probe. Es ist bei ihm so wechselnd. | |
[pagina 70]
| |
In Februari 1886 werd Röntgen door Brahms verzocht, zijn f-moll quintet in het Leipziger Gewandhaus te spelen en hierop schrijft Röntgen:
....Dasz Brahms es vorzieht, zu zuhören und mich bittet, sein Quintett zu spielen, hörte ich durch BrodskyGa naar voetnoot1. Ich habe zugesagt und komme also schon wieder nach ‘Lehmannsgarten’. Die Aussicht, wieder ein Paar Tage dort sein zu können, war doch zu verlockend und hat mich hauptsächlich bestimmt die Einladung an zu nehmen.
....In Sept. 1886 werd Röntgen benoemd als opvolger van Joh. Verhulst, tot directeur der ‘Felix Meritis’ concerten te Amsterdam en der Mij. tot Bev. der Toonk., afd. Amsterdam. In December van hetzelfde jaar werd de 4e symphonie van Brahms onder Röntgen's leiding opgevoerd, iets wat met groote moeilijkheden gepaard ging, omdat er in dien tijd nog geen vast orkest bestond en het geld ontbrak voor vele geregelde repetities. Röntgen beklaagt zich daarover met recht en schrijft:
....Bei einem Orchester, wie das hiesige, ist es unmöglich nach drei Proben alle Hauptfehler, die im Laufe der Jahre eingerissen sind, heraus zu bringen. Vor allem fehlt's an Rythmus. Punktirte noten werden immer ‘latschig’ gespielt und es dauerte sehr lange bis ich den Anfang des Andante ordentlich bekam, besonders bei den Bläsern! Dann sind sie vom pp. wie auch vom ff. spielen ganz entwöhnt und es wird noch lange dauern, bis sie es von selbst thun. Einige der Bläser, vor Allem die Fagotte, taugen sehr wenig. Doch ich will nicht räsonniren, da ich ja allen Grund habe, zufrieden zu sein, und was die Hauptsache ist: ohne Ausnahme haben sie Alle mit der gröszten Aufmerksamkeit gespielt, und sich die allergröszte Mühe gegeben. Viele kamen zu mir und fragten ob ich zufrieden wäre!! Das ist mir das allerwichtigste! Bis 12 Uhr probirten wir, machten eine kleine Pause und ich begleitete die Sängerin unterdessen ihre Lieder. Es war ein viel zu langes Programm, bedenkt, | |
[pagina 71]
| |
dasz ich mit der Symphonie erst nach zehn Uhr abends anfing! Das Concert war sehr besucht und das Publicum empfing mich auf's freundlichste. Bibesco's waren auch da und saszen ganz voran; den mir von Joachim empfohlenen Maler Passini hatte ich eingeladen - er fand das Orchester sehr gut, kam grade von Wien und Berlin, und hatte dort auch die Brahms'sche Symphonie gehört unter Joachim. Die 1e Violinen sind ausgezeichnet, auszer den festen Mitspielenden haben wir noch drei extra Geiger, die sehr gut sind, engagirt. Trotz der vorgerückten Stunde wurde die Symphonie mit gröszter Aufmerksamkeit angehört. Niemand ging vor dem Finale wegGa naar voetnoot1, was ich gefürchtet hatte, und nach jedem Satz wurde applaudirt, was ja in ‘Felix meritis’ keine Mode ist! Letzteres war wohl mehr Höflichkeit gegen mich als Begeisterung für das Werk, was unmöglich auf's erste Mal von dem Felix-Publicum verstanden werden kann. Für's Orchester aber hatte ich nichts Passenderes wählen können! Denke, dasz ich die Symphonie, ohne eigentlich dabei zu denken, auswendig dirigirt habe und meine Partitur nur nach den einzelnen Sätzen anguckte. Um so mehr konnte ich nun das Orchester ansehen. Op een der volgende concerten voerde Röntgen o.a. Orpheus van Liszt op en schreef hieromtrent:
Das gestrige Concert ist herrlich abgelaufen und ich habe die gröszte Freude gehabt. Denke nur, das Liszt'sche Stück machte sich ganz ausgezeichnet und gefiel sehr - sogar mir (d.h. jetzt finde ich's wieder scheuszlich; so lange man aber dafür zu sorgen hat, dasz es gut geht, interessirt man sich dafür.) Nun, gut gegangen ist es, und ich glaube der Klang war sehr schön. Die beiden Harfen stimmten zum Glück; auch das Engl. Horn blies sehr gut - ja, drei tüchtige Proben merkt man doch! Ich bin froh auch etwas von Liszt gemacht zu haben; für diesen Winter kann es nun genug damit sein: von allen mir bekannten Lisztstücken ist übrigens Orpheus für kleinere Säle das brauchbarste. Es hat gar nichts Prometheus-artiges und schwimmt nur immer in den weichlichsten Quartsextaccorden herum! | |
[pagina 72]
| |
Wie göttlich aber wirkte das g-dur ConcertGa naar voetnoot1 darauf in seiner himmlischen Schönheit und dann so schön und echt gespielt wie von Frl. Janotha. Es hat alle entzückt, und sie hatte einen groszartigen Erfolg. Ihr Spiel erinnert doch sehr an ihre Lehrerin, Clara Schumann. Leider kam ein gräszlicher Sänger, der bei allem Mangel an Ausbildung, auch noch heiser war. Er fiel gründlich durch. Die Symphonie ging ausgezeichnet und gefiel sehr. Was sagt Ihr dazu! Wo bis jetzt jedes Orchesterwerk mit ehrerbietigem Schweigen angehört und zu Grabe getragen wurde, applaudirte man jetzt nach jedem Satz! Das Orchester war in jeder Beziehung nett und zuvorkommend. Jetzt bin ich mitten in den Vorbereitungen für's Russische Concert. Heute Abend erste Chorprobe. Leider habe ich noch nicht alle Chorstimmen, ich fürchte, dasz der Schnee daran Schuld ist, sie müszen nähmlich aus Petersburg kommen!
Naar aanleiding van dit russische concert wil ik hier vermelden, dat de werken der toenmalig nieuw-russische school na 1885 langzamerhand vermaardheid in West-Europa hadden verkregen en de interessante echt russische scheppingen van componisten als Moussorgski, César Cui, Borodine en Rimsky-Korsakoff overal meer en meer opgevoerd werden. Röntgen's groote sympathie voor deze russische school was de oorzaak, dat hij alles in 't werk stelde om deze werken ook in Amsterdam op het podium te brengen. Hij werd hierin gesteund door de gravin Mercy d'Argenteau, van geboorte eene russische prinses de Caraman-Chimay, die jaarlijks César Cui eenige maanden te gast had in haar kasteel Argenteau, gelegen op een hooge rots aan het schilderachtige Maasdal, tusschen Visé en Luik. In haar groote vereering voor het genie van Cui zond zij aan Röntgen zijne orkestwerken en zijne prachtige opera's: ‘William Ratcliffe,’ ‘Angelo’ en ‘le Prisonnier du Caucase,’ waarvan Röntgen helaas slechts fragmenten ten gehoore kon brengen. Al mijn pogingen om de correspondentie die hieromtrent gevoerd werd met César Cui, op te sporen, zijn op een paar brieven na | |
[pagina 73]
| |
[pagina 74]
| |
vruchteloos gebleven, daar Argenteau in andere handen is overgegaan en de nakomelingen der vriendin van César Cui naar Californië zijn vertrokken. Het archief en alle brieven zijn spoorloos verdwenen, zoo vertelde mij de tegenwoordige bezitster van Argenteau, eene belgische Barones van Zuylen. Wel staat nog in een der zalen een vleugel met het portret van Cui erop en vindt men in de bibliotheek nog eenige werken met zijn naam er eigenhandig opgeschreven, als tolk van lang vervlogen dagen vol van kunstgenot, waarvan de oude slotmuren zeker nog veel zouden kunnen vertellen. Een haastige briefkaart van Röntgen toont aan, wat hij met zijn russische propaganda had bereikt: | |
23 Jan. 1887....Habe eben 24 eng geschriebene Seiten an die Comtesse Argenteau geschrieben, also nur noch einen steif-fingerigen Grusz! Freitag war's brilliant und ich habe solchen Enthusiasmus bei Orchesterwerken in ‘Felix’ noch nicht erlebt. Das Sextett aus der OperGa naar voetnoot1 mit Chor zündete grade zu. Das Ganze war ein groszer Erfolg. Es freut mich für die Russen und auch für mich, denn es war doch ein groszes Wagstück. Einem groszen Theil des Erfolges verdanke ich Louise PykGa naar voetnoot2, die ganz wundervoll gesungen hat, viel schöner und wärmer als früher. Habe eben alle Critiken übersetzt für die Russische Presse auf Wunsch der Gräfin....
Men begrijpt dat na dit russische concert, waar behalve de operafragmenten van Cui, ook werken van Borodine, en Rimsky-Korsakoff werden opgevoerd, Röntgen brieven vol innige dankbaarheid van de verschillende componisten ontving. Ook wil ik hier een brief laten volgen van de gravin zelve, na een bezoek van Röntgen aan Cui op haar kasteel:
Cher monsieur Röntgen, Je ne puis résister au désir de vous dire, combien nous avons été heureux de votre visite. - César et moi - | |
[pagina 75]
| |
nous avons parlé de vous pendant une grande partie de votre voyage avec la même affection et la même amitié. Vous nous êtes également sympathique à tous deux, et votre châloureuse admiration du talent de César l'a profondément touché; car il n'est pas gâté dans sa patrie, tant on lui envie non seulement son talent mais aussi sa position sociale. Il a été très frappé de votre fine organisation d'artiste, de votre nature si ardente et de votre talent à la fois si achevé et si sincère. Je suis très heureuse et très fière de penser, que c'est ma main, qui a mis la vôtre dans celle de César Cui. Notre petit voyage à Anvers sera un charmant souvenir et je vous remercie encore. J'ai accompagné mon cher ami jusqu'à Aachen - et c'est étrange de penser qu'il s'éloigne encore et qu'il n'arrivera chez lui que ce soir. Il est dans les steppes de la Lithuanie en ce moment. Il est tout heureux de vous confier l'instrumentation de ses trois beaux morceaux - faites la bien riche, bien neuve, bien colorée - ce sera un grand bonheur pour moi de voir votre nom à côté du sien dans une oeuvre qui m'est dédiée - et je vous avoue que si je ne vous appréciais pas, comme je vous apprecie, j'aurais été très contrariée de votre intervention - au lieu de cela j'en suis absolument heureuse. | |
Röntgen zelf schreef aan de gravin op 5 Febr. 1887:Gnädige Frau Gräfin,
Viel Neues habe ich Ihnen heute nicht mit zutheilen, will Ihnen aber doch beifolgende Programme und Notiz über die Symphonie von Borodine senden. Die Symphonie soll am letzten Donnerstag sehr gefallen haben; ich konnte nicht in dieses Concert gehen, hörte sie aber in der Matinée am Sonntag (es ging recht gut!) Nächstens wird die Symphonie auch in dem andern Verein ‘Orkestvereeniging’ aufgeführt. Sie wird also nach und nach ganz populär in Amsterdam. In dem nächsten Concert unter meiner Direction wiederhole ich die ‘Skeppenskizze’. Leschetitzki spielt und vielleicht geben wir ihm zu Ehren noch etwas Russisches. Ich habe einen langen Brief an Cui geschrieben und ihm von Allem genau berichtet. | |
[pagina 76]
| |
Haben Sie herzlichen Dank für Ihre beiden letzten Briefe, die mich auf's höchste interessirten, wenn gleich ich mit Ihnen bedauere, dasz das Brüsseler Concert nicht besser abgelaufen ist. Unbegreiflich! Dort sind doch die besten Kräfte vorhanden, doch manchmal hat ein Concert eine unglückliche Constellation - dann miszlingt alles! Ich bin gar zu froh, dasz es hier nicht der Fall war; gerade für ein erstes Russisches Concert war's ja von gröszter Wichtigkeit, dasz es vollen Erfolg hatte. Jetzt weisz man, was man bei einem folgenden Male zu erwarten hat und man kann dann noch kühnere Programme machen. Ich werde alle meine Kräfte daran setzen, im nächsten Jahr ‘Ratcliff’ und ‘Angelo’ hier bekannt zu machen. Ich finde den ersten Chor von ‘Ratcliff’ ganz grandios und sehr geeignet für ein Concert (natürlich mit dem Vorspiel); die langen Erzählungen scheinen mir sogar für den Concertsaal noch wirkungsvoller als für die Bühne. Die ‘Schwarzenstein-Sinne’ aber gehören voll und allein dem Theater an! Ich kann kaum erwarten, bis ich ‘Angelo’ bekomme und kennen lerne. BennetGa naar voetnoot1 schickte mir das Werk von Mussorgski, - sehr wüst und wie mir scheint, etwas sehr äusserlich.
Nu volgen weer brieven aan Röntgen's vader: | |
5 März 1889....Wir haben gestern ein glänzendes Concert gehabt und ich bin doppelt froh darüber da ich es allein durchgesetzt habe. Zuerst muszte ein Garantiefonds da sein; den haben wir in zwei Tagen zusammen bekommen und konnten nun Possart einladen und Alles vorbereiten....
Deze voorbereiding gold eene opvoering van het melodrama Manfred van Schumann met Ernst von Possart als Manfred. Verder schrijft Röntgen:
Ich hatte den Kopf voll von allen möglichen Hindernissen, dazu | |
[pagina 77]
| |
das Damokles-Schwert der LandestrauerGa naar voetnoot1 und Ihr könnt Euch denken, wie glücklich ich war, als ich gestern Abend vor meinem Pult stand - Chor und Orchester - Solisten - Possart mit seinen Schauspieler-Stichwörtern und den ganzen Plunder zusammen hatte und - (das war mein gröszter Triumph) einen bis auf den letzten Platz gefüllten Saal vor mir sah. Es war ein groszartiger Anblick! Die Aufführung gelang so herrlich, dasz ich die gröszte Freude an Allem hatte. Nicht das Geringste passierte und das ist bei Manfred doch leicht möglich, besonders wo wir eigentlich keine so rechte zusammenhängende General-Probe gehabt hatten. Possart hat mir viel besser gefallen als damals im Theater, er hat's ganz groszartig gesprochen, viel weniger gesungen, als früher. Wir machten es ohne Pause, am Schlusz ein Enthusiasmus, wie ich ihn nach dem ernsten Ende nicht erwartet hätte. Possart bekam vom Chor einen Kranz und Tusch und ich freute mich!.... | |
Gausdal Sanatorium (Norwegen) 31 Juli 1892Heute war der Björnson-Tag. Ich habe grosze Freude von meinem Besuch gehabt und einige herrliche Stunden mit Björnson verlebt. Ich traf ihn zu Hause, nur mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern, sodasz ich ihn so recht für mich haben und kennen lernen konnte. Ich habe einen sehr groszen Eindruck von ihm bekommen: es ist eine mächtige Persönlichkeit, wie ich noch keiner im Leben begegnet bin - da ist Alles aus groszem, festem Holz geschnitzt, durchaus wahr und einfach und aufrichtig in Allem, mag man nun seiner Meinung sein oder nicht. Doch am Besten, ich erzähle von meinem Besuch und wie wir in wenigen Stunden bekannt, ja ich kann sagen befreundet geworden sind. Heute früh fuhr ich von Lillehammer mit Karriol ungefähr 2 Stunden bis zu seiner Besitzung, Aulestad im Gausdal. Das Haus liegt herrlich, hoch oben am Berg, mit Aussicht auf das weite grüne Thal: die Gegend ist mehr lieblich, als groszartig aber doch ganz norwegisch. Sein Haus ist auf's Schön- | |
[pagina 78]
| |
ste eingerichtet, eine echte Künstlerwohnung - überall die schönen Bilder von Norwegischen Malern, Erinnerungen von seinen Reisen in Italien und Frankreich, ein schönes Musikzimmer - Alles sehr gemütlich und fein. Ich gab unten den Brief von Grieg ab und wurde sogleich gebeten hinauf zu kommen. Er begrüszte mich auf's Freundlichste, noch ehe er den Brief geöffnet hatte - dann las er ihn und liesz sich Satz für Satz von mir näher erklären. Das gab gleich das lebhafteste Gespräch: Es ging abwechselnd Deutsch und Norwegisch - er spricht übrigens ganz gut Deutsch und was er sagt ist Alles so echt ‘Björnsonsch’ - Mit groszem Pathos und Brustton, aber durchaus nicht affectirt, wie es wohl bei Prof. D. der Fall war. Sein Äuszeres ist prachtvoll - Du kennst ihn ja vom Bilde her - aber seinen Blick kennt man nicht, er ist gradezu durchdringend - die buschigen Augenbrauen geben dem Gesicht beinahe etwas wildes und drohendes. Ich habe aber kaum Jemanden so herzlich und fröhlich lachen hören, wie ihn. Der Gesammteindruck ist: Gesundheit und Kraft und vollständiger Mangel an ‘Nervosität’. Nachdem wir uns über allerlei unterhalten und dei ‘ersten Züge’ der Bekanntschaft gemacht hatten, stellte er mich seiner Frau und seinen beiden - sehr hübschen, etwas französisch eleganten - Töchtern vor. Die Aelteste, Bergliot, ist mit Ibsen's Sohn Sigurd, verlobt. Der Bräutigam kam später; ein sehr netter Mensch, Doktor, und durchaus nicht Ibsenartig. Auch ein Sohn von Björnson, der das Gut bewirtschaftet, kam noch dazu. Wir sprachen natürlich gleich über Musik und ich kann Grieg's Urtheil nicht theilen, dasz Björnson nichts von Musik versteht - mir war es sehr sympathisch was er sagte; er ist aber ganz anti-Wagnerianer. (Deszhalb vielleicht ist Grieg musikalisch gegen ihn gestimmt.) Ich hätte nur gewünscht, Ihr hättet ihn über Wagner sprechen hören! Am meisten interessirte mich natürlich, was er als Dichter über ihm sagte, denn da kann er ihn ja ganz beurtheilen!! Da blieb freilich nicht viel Gutes übrig. Wir kamen von der Edda auf Wagner zu sprechen. Er sagte, dasz Wagner die alten Götter miszhandelt hätte und aus dem herrlichen Wotan etwas ganz Abscheuliches gemacht habe. Es käme ihm wie Carricatur vor! Seine Verse findet er gräszlich und meistens - lächerlich! ‘Ich habe ja auch Stabreime gebraucht’, sagte er, ‘aber | |
[pagina 79]
| |
ich habe immer gesucht dasz man es nicht merkt’. Wir sprachen über sein ‘Bergliot’ und er freute sich, dasz ich es kannte. Sehr lustig war, was er von Tristan und Isolde erzählte; er hörte eine Aufführung in München. ‘Als das grosze Liebesduett anfing, hörte ich erst 10 Minuten zu, dann fing ich an zu lachen - die Leute, die neben mir saszen, sagten, ich dürfte nicht lachen; ich lachte aber noch viel mehr, und endlich lachten die Andern auch mit. Man musz nur Muth haben, seine Meinung zu sagen - dann folgen die Andern auch’. Und in diesem Ton ging's weiter. Übrigens lobte er den Lohengrin-Text und Tannhäuser bis auf die ‘widerliche’ Venusbergscene. Alles in Allem findet er dasz Wagner ein groszes Unglück für die Kunst ist. ‘Am Allerschlimmsten aber sind seine Jünger, das ist grade wie die jüngeren Schriftsteller, die Ibsen nachmachen’. Ich glaube im Grunde ist ihm der Ibsensche Pessimismus sehr verhaszt - er ist ja der grosze Optimist in Allem! Auch in der Politik. Er glaubt fest daran, dasz er Norwegen von Schweden ‘befreien’ wird. ‘Ich bin jetzt mehr Politiker’, sagte er, ‘und das Ziel wird erreicht werden’. Damit meint er die Trennung Norwegens von Schweden. Dann sprachen wir viel über Bismarck - sehr interessant! Er hat mit ihm über die Dänische Frage seiner Zeit viel correspondirt und sagt, dasz Bismarck ihn belogen habe. ‘Er ist ein groszer Mann, aber ein verdammter Kerl’ - sagte er, ‘aber jetzt habe ich tiefes Mitleid mit ihm; denken Sie sich wenn man Ihnen sagte: Sie dürfen keinen Ton mehr Clavier spielen - und Bismarck, der doch gewöhnt ist zu reden, und seine Meinung zu sagen’. Er findet dasz der Deutsche Kaiser ihn unverantwortlich behandelt. Und das will etwas sagen - wo er - Björnson - doch kein Bismarckfreund ist. Dann gingen wir zum Clavier und ich muszte ihm aus der JotunheimsuiteGa naar voetnoot1 vorspielen - das war nun ein Vergnügen zu sehen wie ihm das gefiel. Das ist ‘männliche Musik’, sagte er. ‘Sie sind ja Norweger!’ Das 2te Stück muszte ich dreimal spielen, immer wenn Jemand von seiner Familie kam, bat er mich, es noch einmal zu | |
[pagina 80]
| |
spielen. Dann zeigte er mir allerlei neue Sachen von Sinding, u.a. ein Chorstück ‘til Molde’; - dessen Text sein herrliches Gedicht ist: ‘Molde, tro som en Sang,’ etc. Ich spielte es ihm vor und - denke nur - am Schlusz war er so ergriffen, dasz er kein Wort sagen konnte und mit groszen Schritten im Zimmer hin und her ging. Endlich sagte er zu seiner Frau: ‘das hat mich so ergriffen das Lied wieder zu hören’ -; dann drückte er mir die Hand wiederholt. In dem Augenblick verstanden wir uns ganz. Ich freue mich Dir das Stück zu zeigen, es ist ganz Sinding'sch. Auch wunderschöne Deutsche Lieder von Sinding lernte ich kennen. Dann spielte ich aus den Sinding'schen Variationen, die Björnson nicht kannte, - die Sinding aber auf Björnson's Rath ‘recht einfach zu componieren’ geschrieben hat. Vor dem Mittagessen nahmen wir ein Sturzbad, ein echt Björnson'sches! Denke Dir, er hat von einem Wasserfall eine Leitung machen lassen, sodasz man einen kleineren Wasserfall etwa 20 Fusz hoch als Sturzbad benutzen kann. Es war herrlich! Er sah aus wie ein alter Viking, als er sich nackt unter den Wasserfall stellte, mit seinem breiten Rücken und gewaltigen Löwenkopf. Danach schmeckte das Mittagessen herrlich. Er holte eine Flasche alten feurigen Spanischen Wein hervor, den er direkt aus Spanien als Geschenk bekommen hat und so trank er mit mir ‘välkom’Ga naar voetnoot1 und dann Euer ‘Skaal’ und lud mich auf's Herzlichste ein bei ihm zu bleiben, ich schlug es aber ab, so verlockend es auch war, denn ich verlange nach den Bergen, und so ein Besuch ist nicht grade eine Erholung. So ging ich also mit dem festen Versprechen, wieder zu kommen und: - ‘tusind tak og atter välkommen’Ga naar voetnoot2 waren die letzten Worte die ich von ihm hörte. Morgen habe ich 8 Stunden zu marschiren, mit Führer zu einem SäterGa naar voetnoot3. Übermorgen erreiche ich Jotunheim. Gute Nacht! (halb elf nachts bei Tagelicht geschrieben!) | |
[pagina 81]
| |
Das ist Jotunheim! Aber schön und groszartig war's wieder und ich habe Euch viel davon zu berichten. Ich war 2 Tage am Gjendin See, wo ich GjendineGa naar voetnoot1 - die nach dem See heiszt, wo sie geboren war als Einzige ihres Namens! - traf. Sie war unverändert und sang die ‘alten lieben Lieder’. Das war merkwürdig die Ballade wieder zu hören in ihrer UrformGa naar voetnoot2. Aber schon hatte sich die Melodie wieder verwandelt und wenn ich sie jetzt nachgeschrieben hätte, wäre ein ganz anderes Stück daraus geworden. Man sieht daraus, dasz es eine Art Improvisation ist. |
|