Die Grenzen des Wachstums. Pro und Contra
(1974)–Willem Oltmans– Auteursrechtelijk beschermd
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Jay W. ForresterAuf die Arbeiten Jay W. Forresters stützte sich das von Dennis L. Meadows geleitete Forschungsteam am Massachusetts Institute of Technology (MIT), das für den Club of Rome die Studie The Limits to Growth, 1972 (Die Grenzen des Wachstums), erarbeitete. Forrester wurde im Jahre 1918 in Anselmo/Nebraska geboren. Er spezialisierte sich auf Erziehungswissenschaften. 1949 war er maßgeblicher Mitbegründer des Servomechanischen Laboratoriums am MIT. 1956 gründete er das Digitalcomputer-Laboratorium im gleichen Institut und erhielt eine Professur an der Alfred P. Sloan Fakultät für Management am MIT.
Die wichtigsten Veröffentlichungen Forresters und seiner Schule zur Systemdynamik sind:
Professor SkinnerGa naar eind1 hat sich darüber beklagt, daß etwa 90 Prozent der Besprechungen seines Buchs Jenseits von Freiheit und Würde auf einem | ||||||||
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Mißverständnis oder der Nichtbereitschaft beruhten, sich mit den Themen auseinanderzusetzen, die in diesem Buch behandelt werden. Vielleicht waren die geistigen Modelle, die diese Leute auf das Buch anwendeten, einfach unangemessen. Wie waren die Reaktionen auf Ihr eigenes Buch World Dynamics und die Veröffentlichung von Meadows u.a. Die Grenzen des Wachstums? Ich habe etwa den gleichen Eindruck. Tatsächlich habe ich nach der Lektüre der Kritiken über Skinners Buch festgestellt, daß eine dermaßen große Ähnlichkeit zu den Kritiken über World Dynamics und Die Grenzen des Wachstums besteht, daß ich sicher war, ich müßte Skinners Buch lesen, einfach um die ‘zentrale Botschaft’ zu bestimmen. Wenn ein Kritiker sich einem Buch konfrontiert sieht, das die konventionellen Wissensbereiche vergewaltigt oder das eine ihm unvertraute Methodik verwendet, passiert es oft, daß er das Buch verzerrt sieht oder sogar den Inhalt ins Gegenteil verkehrt. In diesem Zusammenhang sollte man den Prozeß einer Buchkritik sehen. Kritiker, die zu negativen Reaktionen in bezug auf ein Buch neigen, veröffentlichen diese viel rascher als solche mit positiven Reaktionen. Außerdem fühlt sich der Rezensent gewöhnlich dazu verpflichtet, mit dem Autor nicht übereinzustimmen; denn sonst sähe es ja so aus, als erbringe er selbst keine intellektuelle Leistung. Ich glaube, wir werden an den Reaktionen auf World Dynamics und Die Grenzen des Wachstums die gleichen Trends entdecken können wie bei den früheren Büchern über Systemdynamik. Die ersten Besprechungen sind negativ. Dann beginnen Leute mit Kopf, die sich für das Thema interessieren, tiefer zu bohren und die Materie zu untersuchen. Nach der ersten Flut von negativen Kritiken entwickelt sich allmählich ein völlig anderer Ton. Selbst in der sehr kurzen Geschichte dieser zwei Bücher zeichnet sich bereits ein Wandel in der Reaktion ab.
Wie würden Sie Systemdynamik erklären, und was ist die Methodik, auf denen diese Bücher beruhen? Woher kommt die Systemdynamik? Wir haben die Systemdynamik am MIT seit 1956 entwickelt. Sie entspringt aus der Vereinigung dreier früherer Bestrebungen: dem klassischen oder deskriptiven Approach an Gesellschaftssysteme, der Theorie der Rückkoppelungsstrukturen und des dynamischen Verhaltens und der Entwicklung der Computer. Der erste Webfaden, der deskriptive Approach an gesellschaftliches Verhalten, liegt den freien Künsten und der klassischen Erziehungsmethode zugrunde. Es ist die Methode des Historikers und Gesellschaftskommentators - der Bericht, die Bewertung und die Prognose. Am stärksten formal ausgeprägt erscheint die klassische Methode der Beschreibung und Verbalanalyse in dem Fallstudien-Approach der Ausbildung, wie sie in juristischen und medizinischen Fakultäten geboten wird | ||||||||
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und wie sie von der Harvard Business School in ihrer Fallstudien-Methode der Management-Ausbildung populär gemacht wurde. Diese klassische Tradition, die sich auf Beschreibung, Analyse, Schlußfolgerungen und intuitive Beurteilung stützt, bildet heute die Basis für alle politischen Entscheidungen, für die Verabschiedung aller Gesetze und für alle Management-Entscheidungen. Die klassische Methode der Fällung von Entscheidungen besitzt große Vorzüge, aber auch große Nachteile. Ihre Vorzüge ergeben sich aus der direkten menschlichen Beobachtung von Kräften, Pressionen und Reaktionen innerhalb unserer gesellschaftlichen Systeme. Jeder Mensch verfügt über einen umfangreichen Informationsvorrat aus seiner Beobachtung der anderen und der Institutionen. Jeder Mensch filtriert seine Beobachtungen durch Diskussion der Pressionen, menschlichen Reaktionen und angenommenen Folgen. Jeder besitzt ein großes Maß an erworbenem Wissen auf den Sektoren und in den verschiedenen Komponenten sozialer Systeme. Zum größten Teil sind diese Beobachtungen auf der Elementarebene individueller Pressionen und Reaktionen im System korrekt. Aber der klassische Approach an Gesellschaftssysteme hat auch zwei ernste Schwächen. Die eine: Die klassische Tradition bietet wenig Unterscheidungshilfe für die Trennung wichtiger Informationen von einer riesigen Menge irrelevanter Information. Und als zweite Schwäche liefert die klassische Tradition keine Methodologie der Interrelation und Verknüpfung für einen gegebenen Satz von Annahmen und keine Garantie dafür, daß man auf die in den Annahmen implizierten Konsequenzen stößt. Also steht dem klassischen Lenkprozeß gesellschaftlicher Systeme ein enormer Vorrat einwandfreier Information über die Teile des Systems zur Verfügung, aber keine brauchbare Methode zur Auswahl der signifikanten Information aus dem Übermaß an Information und keine Möglichkeit, mit Sicherheit die Konsequenzen zu bestimmen, die sich aus selektiver Information über individuelle Pressionen und menschliche Reaktionen ergeben. Als Folge davon zwingt die klassische Tradition die Leute zur Informationsüberfütterung und zu einem hohen Maß interner Widersprüche, da verschiedene Leute verschiedene Schlüsse aus den gleichen Input-Fakten ziehen. Oftmals stehen akzeptierte Schlußfolgerungen im Widerspruch zu akzeptierten Annahmen, und derartige Diskrepanzen bleiben unentdeckt, weil die Systeme dermaüen komplex sind, daß der menschliche Verstand nicht in der Lage ist, die Vielfalt von Ursachen mit der großen Vielzahl möglicher unterschiedlicher Konsequenzen angemessen in Relation zu bringen. Der zweite Webfaden im Hintergrund der Systemdynamik ist seit hundert Jahren formaltheoretisch entwickelt worden. Ich meine damit ein Gebiet, das je nachdem als Kybernetik oder Servomechanik oder Rückkoppelungs-Systemtheorie bezeichnet wird. Rückkoppelungstheo- | ||||||||
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rie befaßt sich mit einem Verhalten in geschlossenen Regelkreisen, in denen eine Kontrollaktion (Entscheidung) den Zustand eines Systems verändert (die Ebenen der Systemdynamik) und neue Informationsbedingungen aufstellt, nach denen sich künftige Entscheidungen richten müssen. Jede Entscheidung, sei sie öffentlich oder privat, bewußt oder unbewußt, fällt im Zusammenhang mit einer derartigen Struktur von Rückkoppelungsschleifen. Alle Prozesse von Wachstum, Zielsetzung, Gleichgewicht, Oszillation und Verfall entstehen durch das Zusammenspiel von Kräften innerhalb der Rückkoppelungsschleifen. Die erste wissenschaftliche Arbeit über Rückkoppelungsdynamik, die mir bekannt ist, wurde 1867 von Clerk Maxwell der Royal Society in London vorgelegt. Er ist übrigens besser bekannt wegen seiner Maxwellschen Gleichungen für die Fortpflanzung von Radiowellen im Raum. Seine Arbeit mit dem Titel Über Regulatoren stellte eine mathematische Analyse der Stabilität und des Verhaltens des Fliehkraftreglers dar, wie er in James Watts Dampfmaschinen Verwendung fand. Die Bell Telephone Laboratories erweckten die Rückkoppelungstheorie wieder zum Leben und setzen sie bei der Entwicklung von Rückkoppelungsverstärkern für den Einsatz im transkontinentalen Telefonverkehr wieder verstärkt ein. Im Verlauf des Zweiten Weltkriegs wurden die Konzeptionen verbessert und fanden bei der militärischen Ausrüstung Anwendung. In jüngerer Zeit bestimmten Ausläufer dieser Theorie die Planung von chemischen Fabriken, Ölraffinerien und Kontrollsystemen für Flugzeuge und Raumsatelliten. Wir haben die Prinzipien weiterentwickelt, da sie auf nichtlineare Systeme mit multiplen Schleifen anwendbar sind, die sowohl positive wie negative Rückkoppelung umfassen. Die Prinzipien, die sich aus der Rückkoppelungstheorie ergeben, bestimmen den Prozeß der Aussonderung und Organisierung von Information, die aus dem klassischen Prozeß der direkten Beobachtung des realen Lebens zur Verfügung steht. Die Prinzipien der Rückkoppelungstheorie machen uns klar, welche Informationspunkte in dem Sumpf direkter Beobachtung relevant sein könnten, um einen gegebenen festgestellten Modus realen Lebensverhaltens zu produzieren. Die Prinzipien des Rückkoppelungssystems entwickeln sich zu einem Raster, mit dem wichtige Daten von den nutzlosen getrennt werden können. Überdies liefern die Systemprinzipien eine Anleitung dafür, wie die ausgewählte Information strukturell in ein interaktives System einzufügen ist. Die aus der Rückkoppelungstheorie resultierenden Struktur- und Verhaltensgrundsätze tragen dazu bei, daß wir der Informationsüberfütterung entgehen, die der klassischen Tradition der deskriptiven Analyse inhärent ist. Aber auch dabei stünden wir noch mit einer größeren Informationsmenge und einer größeren strukturellen Komplexität da, als der menschliche Verstand bewältigen kann. Die dritte grundlegende Entwicklung, der superschnelle elektronische | ||||||||
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Computer, löst das Problem, wie man korrekte dynamische Schlüsse aus einem vorgegebenen Satz von Voraussetzungen ziehen kann. Der Computer wird mit einem Simulationsmodell gespeist, das aus einer Aufstellung der Motivationsannahmen und Informationsströme für jeden einzelnen Punkt im System und einer Spezifizierung der Interaktionsweise der Kräfte an jedem Punkt innerhalb des Systems besteht. Dann simuliert der Computer - oder spürt Schritt für Schritt auf -, was geschehen wird, wenn die verschiedenen Einzelelemente im System aufeinanderprallen. Die klassische Tradition bietet uns also ein Zuviel an Information, die Rückkoppelungstheorie liefert uns die Anleitung, wie diese Information auszusortieren und einzugliedern ist, und aus der Entwicklung des Computers gewinnen wir die Fähigkeit zur Analyse der strukturellen Feststellungen über Gesellschaftssysteme.
Bei einem Fernsehinterview deutete Dschermen GwischianiGa naar eind2 aus der UdSSR mir gegenüber an, daß die Bedeutung der Computer übertrieben worden sei, daß wir soziologische und psychologische Aspekte berücksichtigen müssen und daß diese nicht per Computer dargestellt werden könnten. Ich pflichte Ihnen bei, daß die Journalisten und viele andere Leute den Aspekt Computer in unserer Arbeit übermäßig betonen. Der wichtigste Input in ein Modell der Systemdynamik sind die deskriptive Information und unsere Vorstellung von den Einflüssen und Reaktionen an einem, beziehungsweise mehreren verschiedenen Punkten des Gesellschaftssystems. Der zweite konzeptionelle Haupt-Input kommt von den Prinzipien des Rückkoppelungssystems, die es uns ermöglichen, eine Auswahl aus dem Übermaß an deskriptiver Information auszuwählen und die gewählten Bezüge zu organisieren. Der Computer ist nötig, und zwar als ein Instrument der Wirtschaftlichkeit, aber er ist nicht Bestandteil der konzeptionellen oder theoretischen Struktur der Systemdynamik. Der einzige Punkt, in dem ich mit Dr. Gwischiani nicht übereinstimme, ist der, daß er wohl der Überzeugung ist, daß psychologische und soziologische Aspekte nicht in das Simulationsmodell eines Computers integriert werden könnten. Man kann nämlich jede beliebige Beziehung einsteuern, die beschreibbar ist. Jedes der sogenannten unerfaßbaren Elemente kann in einem Modell dargestellt werden. Man muß einen Bewertungsmaßstab aufstellen - das ist willkürlich; dann muß man diesen Maßstab zu aktuellen Situationen in Bezug bringen, und dann muß man versuchen, bei der Anwendung dieses Maßstabs konsequent zu bleiben. Indem wir die früheren unerfaßbaren Elemente zwingen, künftige erfaßbare Elemente zu werden, erreichen wir eine größere Genauigkeit. Denken und Diskutieren werden geordneter und sachlich | ||||||||
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eindringlicher. Die psychologischen und soziologischen Aspekte unserer Systeme sind von überwältigender Wichtigkeit. Sie können und sie müssen in theoretischen Modellen einen Platz finden.
Sie nennen Gesellschaftssysteme Systeme mit Multi-Rückkoppelungsschleifen. Es ist mir nicht klar, was Sie mit einer geschlossenen Schleife (Regelkreis) meinen, die eine Aktion mit ihren Auswirkungen verbindet. Eine Rückkoppelungsschleife gibt es, wo immer der umfassende Zustand des Systems die Aktionen determiniert, die den Zustand des Systems beeinflussen. Das ist eine absolut vage Definition, die so ziemlich alles umfaßt, was sich im Lauf der Zeit verändert. Man kann die Dynamik eines einfachen schwingenden Pendels als einen Rückkoppelungsprozeß strukturieren, bei dem die Position des Pendels die Beschleunigung bestimmt, die wiederum die Position bestimmt. Man kann die Evolutionsprozesse als eine kontinuierliche Anpassung zwischen einer Gattung und ihrer Umwelt betrachten, wobei der biologische Wandel die Eignung der Gattung für ihre Lebensumstände verändert und neue Pressionen aufstellt, die den am besten geeigneten Individuen der Gattung günstig sind. Entscheidungen im Management und in der Politik werden im Zusammenhang mit einer Rückkoppelungsstruktur getroffen, sofern diese Entscheidungen darauf abzielen, die sozioökonomischen Umstände im Umkreis zu verändern, und die veränderten Umstände stellen einen neuen Informationskomplex dar, der wiederum die Grundlage für künftige Entscheidungen bildet. Allerdings steht das Denken in geschlossenen Schleifen in scharfem Widerspruch zu der Art und Weise, in der die meisten Menschen über Zusammenhänge von Ursache - Wirkung denken. Die meisten Menschen erkennen nicht den ganzen kreisförmigen Prozeß, sondern nur ein eindirektionales Fragment des Gesamtprozesses. Gewöhnlich konzentrieren sich Diskussionen und Debatten darauf, wie Aktion A ursächlich zu dem Resultat R führt, ohne daß man weitergeht und sich überlegt, wie das Resultat R zu einem neuen Muster in der Aktion A führt. Auch die meisten Artikel in der Massenpresse konzentrieren sich auf den vereinfachenden eindirektionalen Standpunkt und verschleiern damit die echte dynamische Kreisstruktur, die gesellschaftliche Veränderungen bewirkt. Vielleicht ist hier ein einfaches Beispiel nützlich. Wenn man am Wasserhahn ein Glas Wasser einlaufen läßt, denkt man gewöhnlich, daß der Wasserzufluß das Glas füllt, und bei diesem eindirektionalen Punkt bleibt die Beschreibung stehen, ohne daß der Rest der geschlossenen Regelkreis-Kausalstruktur identifiziert würde. Aber es trifft genauso zu, daß das Wasser, das in das Glas fließt, den Wasserhahn abstellt. | ||||||||
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Unsere Versuchsperson schaut zu, wie das Wasser einfließt, und dreht den Hahn zu, wenn die erwünschte Wassermenge im Glas erreicht ist. Das ganze System besteht darin, daß zwar der Zufluß des Wassers das Glas füllt, aber genauso richtig ist auch, daß das Wasser im Glas den Wasserzufluß kontrolliert. Der Prozeß ist kreisförmig und eine geschlossene Schleife; Aktion verändert den Zustand des Systems, und der neue Zustand modifiziert seinerseits die Aktion. Jegliches dynamische Verhalten wird von diesen geschlossenen Rückkoppelungsschleifen bewirkt. Es gibt zwei klar zu unterscheidende Rückkoppelungsschleifen. Die positiven Rückkoppelungsschleifen bringen alle Wachstumsprozesse hervor, die negativen bewirken Zielsuche, Gleichgewicht und Fluktuation.
Mehrere Gesprächspartner in diesem Buch haben gesagt: Wir brauchen keine Computer, um mit dieser Sache fertig zu werden. Einerseits trifft das zu, aber andererseits und in einem viel maßgeblicheren Sinn ist es vollkommen unrichtig. Fairerweise muß man bekennen, daß wir in den fünfzehn Jahren, in denen wir versuchten, Gesellschaftssysteme zu analysieren, nicht das geringste entdeckt haben, von dem nicht jemand ehrlich sagen könnte, es sei bereits bekannt und publiziert. Doch über jedes wichtige Thema gibt es Meinungsverschiedenheiten. Menschen beziehen bei jeder Frage unterschiedliche Stellungen. Bei wichtigen Themen tendieren die Meinungsunterschiede wohl zu einer Spanne zwischen 40 bis 60 Prozent, ohne daß allerdings eine Garantie bestünde, daß die Mehrheit Recht behalten wird. Doch in solchen Kontroversen ist es nahezu unmöglich, sich vorzustellen, daß man eine Antwort finden kann, die noch nie zuvor formuliert worden ist. Die ganze Konfusion entsteht einfach deshalb, weil es gegen jede korrekte Behauptung bereits die Meinung eines anderen Wissenschaftlers mit ebenso gutem Namen gibt, der das genaue Gegenteil behauptet hat. Wenn die Kontroverse über den bloßen Einsatz von Computer-Simulationsmodellen entschieden ist, dann werden wir feststellen, daß theoretische Modelle die Kontroverse über den Komplex der gesellschaftlichen Streitpunkte reduzieren können. Diese Verminderung der Kontroversen wird auf zwei Ebenen stattfinden. Zunächst zwingt die Methode zu einer Konzentration auf die zugrundeliegenden Annahmen ohne gleichzeitige Inbetrachtziehung der in diesen Annahmen implizierten Folgen. Die zugrundeliegenden Annahmen müssen unabhängig und ohne Vorurteil dahingehend betrachtet werden, ob sie zu den gewünschten Ergebnissen führen oder nicht. In der politischen Debatte klassischen Stils sind Voraussetzungen und Konsequenzen auf hoffnungslose Weise miteinander verknüpft. Die Tendenz geht dahin, mit einem präsumptiven Ergebnis zu beginnen, das einem am Herzen liegt, | ||||||||
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und von da aus eine Serie von Voraussetzungen vorhandener Zustände zu verfechten, die anscheinend zu dem gewünschten Ergebnis führen. Andere Annahmen werden nicht ausdrücklich aufgestellt und auch nicht im einzelnen diskutiert, um Meinungsverschiedenheiten zu bereinigen. Im Normalfall ergibt sich, daß ein Großteil der Diskrepanzen sich in nichts auflöst, wenn die Voraussetzungen - wie dies in einem Computermodell unumgänglich ist - eindeutig klargelegt werden. Oftmals liegen dem Streit auch nur ein Mangel an Klarheit und semantische Schwierigkeiten zugrunde. Auf der zweiten Ebene führt die klassische Methode des wissenschaftlichen Streits zu endlosen Auseinandersetzungen über die möglichen Folgen, die sich aus einer angenommenen Reihe gegenwärtiger Voraussetzungen ergeben könnten. Dieses Konfliktfeld kann zwischen Leuten, die die Systemdynamik akzeptiert haben, völlig eliminiert werden, denn es ist wohl nicht möglich, daran zu zweifeln, daß der Computer korrekt die Konsequenzen der Vorgaben und Bezüge produziert, mit denen er gefüttert wurde.
Bei meinen Interviews über die Die Grenzen des Wachstums stellte ich oft überrascht fest, daß viele Wissenschaftler - und ich meine hier besonders Wirtschaftswissenschaftler -, die ja eigentlich an den gleichen globalen Modellen wie Sie arbeiten sollten, abgeneigt scheinen, mit Systemdynamikern Kontakt aufzunehmen. In diesem Punkt verallgemeinern Sie wahrscheinlich zu Unrecht die Äußerungen einiger weniger Personen. Was Sie anführen, trifft keineswegs auf alle Wirtschaftswissenschaftler zu. In der Vergangenheit hat unsere Arbeit maßgebliche Männer interessiert, die die unterschiedlichsten Standpunkte vertraten. Die Arbeit an der Meadows-Studie stand weitgehend im Zeichen der Zusammenarbeit mit vielen Leuten aus den verschiedensten Disziplinen, die für die verschiedenen Bereiche unserer Arbeit Informations-Inputs lieferten. Ich selbst beginne gerade ein neues Programm, das sich mit den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen auf nationaler Ebene mit besonderem Schwergewicht auf den Vereinigten Staaten befassen wird. Schon jetzt ist klar, daß wir mit einer hervorragenden Mitarbeit von seiten der fortschrittlichen Leute in allen Bereichen rechnen können. Natürlich werden bestimmte Einzelpersonen den Kontakt mit uns vermeiden, aber das ist keineswegs typisch für die Menschen im allgemeinen und auch nicht für ein bestimmtes Wissensgebiet im besonderen.
William NordhausGa naar eind3 soll in einer Kritik zu Ihrem Buch World Dynamics nachzuweisen versuchen, daß Ihr Buch Annahmen enthält, die vollkommen im Widerspruch zu den vorhandenen Daten stehen. Haben Sie diese Kritik gelesen? | ||||||||
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Ja. Die Nordhaus-Besprechung ist nicht veröffentlicht worden, sondern nur in Europa und Nordamerika auf privater Basis ziemlich ausgiebig verbreitet worden. Sie ist ein Beispiel dafür, welche Fehler und Trugschlüsse jemand bewirken kann, der ein neues Wissensgebiet nicht begreift, sich jedoch sofort als Experte gebärdet. Die Kritik unterstellt meinen World Dynamics drei grobe und drei geringfügigere Irrtümer. Tatsächlich stellt sich jedoch bei einer sorgfältigen Analyse der Kritik heraus, daß jeder einzelne Punkt auf einem großen Irrtum des Rezensenten oder auf seiner Fehlinterpretation von World Dynamics beruht - daß er zum Beispiel eine Funktion für ihre Ableitung hält, daß er die falschen Maßeinheiten für eine Variable abliest, daß er Variablen aufstellt, die im Buch gar nicht aufgeführt sind, und sie dann dem Buch zuschreibt, daß er Daten der Realwelt mißbraucht, indem er sie mit oberflächlich ähnlichen, jedoch völlig anders gearteten Konzepten des Modells vergleicht. Diese Kritik zeigt deutlich, wie schlecht eine klassische, statische Ausbildung in traditioneller Volkswirtschaft jemanden darauf vorbereitet, die Natur und die Verhaltensweisen nichtlinearer, multipler Rückkoppelungsschleifen-Strukturen zu verstehen, aus denen sich unsere gesellschaftlichen Systeme zusammensetzen. Ich habe eine Analyse und eine Erwiderung auf diese Kritik geschrieben; sie steht jedermann auf Wunsch zur Verfügung. Aus meiner Erwiderung geht klar hervor, daß die vom Kritiker vorgelegten Daten die Hypothesen in World Dynamics kräftig untermauern, sobald die Irrtümer in der Kritik korrigiert sind.
Einer der Punkte, in denen Kritik an World Dynamics geübt wurde, war, daß die Hilfsquellen nach dem wirtschaftlichen und nicht nach dem physikalischen Vokabular hätten bemessen werden sollen und daß das Modell irreführend sei, weil es nicht auch ein Preisbemessungssystem enthalte. Wer vorschlägt, daß das Problem der Knappheit sich mittels des Preissystems lösen lasse, geht von einem kurzfristigen Standpunkt aus und denkt in Begriffen von relativer, nicht von absoluter Knappheit. Diese Leute sprechen wahrscheinlich von der Warte der traditionellen Volkswirtschaft aus, auf der alles zunächst einmal in Geldbegriffe übertragen wird, bevor man darüber diskutiert. Aber nichts an einem Preismechanismus schafft physischen Raum oder schafft Rohstoffe, die es nicht bereits in der Erdkruste gäbe. Die Preisbemessung ist eine Methode der Umorientierung der Anstrengungen und der Bestimmung, wer die noch vorhandenen knappen Rohstoffvorräte ausschöpfen darf. Wer es sich leisten kann, hohe Preise zu bezahlen, wird weiter die Hilfsquellen benutzen können, nachdem die übrigen, die sich die hohen Preise nicht mehr leisten können, vom Markt ausgeschieden wurden. Der Preismechanismus ist keineswegs eine Lösung für die in World | ||||||||
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Dynamics aufgeworfenen Fragen. Realistische Zweifel über die Bedeutung des Preismechanismus drückt Professor Wallich von Yale in der Zeitschrift Fortune vom Oktober 1972 aus: ‘Wir wissen natürlich, daß die Preise für die meisten natürlichen Rohstoffe heute keinerlei Erwartungen über künftige Verknappung widerspiegeln... Wir können auch nicht sicher sein, ob das Preissystem - angesichts der Aussichten auf Verknappungen zu einem künftigen Zeitpunkt - effektiv mit ausreichenden Vorsichtsmaßregeln reagieren würde. Verschiedene Faktoren, abgesehen von menschlicher Fehlbarkeit, lassen darauf schließen, daß dies nicht geschehen würde.’ Dann geht Professor Wallich von den Rohstoffen zu einem der eindeutig begrenzten Aspekte der Umwelt über, nämlich Boden: ‘Grundbewirtschaftung und Bodenpolitik stellen einen Sonderaspekt innerhalb des Problems der natürlichen Rohstoffquellen dar. Das Angebot an Grund und Boden steht weitgehend fest... Und auch hier wieder bietet das Preissystem keine vollkommene Garantie dafür, daß es in der Lage ist, mit der Situation fertig zu werden... Die Beweise häufen sich in letzter Zeit, daß das Preissystem, wenn schon nicht strukturell ungeeignet, so doch zumindest substantiell wirkungsunfähig ist, mit regionalen Ballungsproblemen fertig zu werden. Es hat den Anschein, als reagiere die Fluktuation der Bevölkerung auf steigende Mieten und wachsende Übervölkerung nur nach sehr langen Zeitabständen.’ Man sieht, wie richtig die Bedeutung langer Zeitabstände erkannt ist. Wir finden hier auch die Ansicht vertreten, daß die Preise, weit entfernt davon, das Angebot zu bestimmen, nur als Bestimmungsfaktor dafür funktionieren, wer verbrauchen kann, wenn das Angebot hinter dem Bedarf zurückbleibt. Um es anders auszudrücken: Ich sehe in den Preisen intermediäre Variablen, die bestimmen, wer Zuwendungen eines knappen Rohstoffs erhalten soll. Viele Leute argumentieren, daß höhere Kosten die Menschen dazu bewegen würden, Rohstoffe minderer Qualität zu verwenden, und daß dieser Prozeß die Vorräte durch besseren Kapitaleinsatz, Energieeinsatz und Einsatz der Arbeitskräfte strecken würde. Das stimmt, und dieses Konzept ist im Modell von World Dynamics eingesetzt. Es ist ebenfalls in das Modell des Club of Rome-Berichts integriert, nicht als ein Preissystem, sondern durch ein physikalisches Extraktiv-Leistungssystem. Man muß sich darüber im klaren sein, daß die abnehmende Qualität der Rohstoffe höhere Anstrengungen bei der Gewinnung bedingen, und dies wiederum führt zu einer realen im Unterschied von einer monetären Inflation. Der steigende Preis umfaßt eine absinkende Produktivität. Er bedeutet also niedrigeren Lebensstandard, weil mehr Anstrengung nötig ist, um die gleiche Menge an Gütern zu produzieren. Bei der Zuteilung kann sehr viel mehr getan werden, ich will damit nicht sagen, daß der Punkt vollkommen und endgültig behandelt worden sei, sondern nur, daß derartige Probleme nicht übersehen | ||||||||
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wurden. Manche Leute haben angedeutet, daß die Wachstum-und-Zusammenbruch-Modi, die in den Büchern vorgestellt werden, nur deshalb erscheinen, weil Preis- und Finanzprozesse in den höchst zusammengesetzten Modellen implizit statt explizit auftreten. Ich bin der Überzeugung, daß die Einbeziehung von Preisen und Finanzflüssen sich in der entgegengesetzten Richtung auswirken wird. Es werden neue Modi der Systeminstabilität im Modell möglich, wenn die zusätzlichen Systemebenen und Interaktionen zwischen Geld und Material hinzugefügt werden. Wenn das gesamte Verhalten des sozioökonomischen Systems deutlich wird, wird es sich, so glaube ich, als evident erweisen, daß das monetäre und Preissystem mindestens ebenso stark der Mißwirtschaft unterworfen ist wie die physikalischen, demographischen und die Rohstoff-Kapitalaspekte und daß die Preis- und Finanzströme, anstatt einen problemfreien Übergang zu ermöglichen, auf dem Weg vom Wachstum zum Gleichgewicht zusätzlich Risiken bewirken.
Einige Leser von World Dynamics haben den Eindruck, daß das technische Wachstum vernachlässigt worden sei. Diese Reaktion auf das Buch hatte ich einfach vorher nicht bedacht. Denn sonst hätte ich umfassender dargelegt, wie und warum ich die technischen Veränderungen so behandelte, wie es der Fall ist. In Anbetracht der jahrelangen Arbeit, die ich in Wissenschaft und Technologie gesteckt habe, erschien es mir einfach als ziemlich unwahrscheinlich, daß man von mir annehmen könnte, ich wüßte nichts von dem rapiden Tempo des wissenschaftlichen Fortschritts. Das Thema wird in World Dynamics nicht im Detail erörtert, aber es wird ausdrücklich auf Seite 53 angeschnitten: ‘Kapital umfaßt Gebäude, Straßen und Fabriken. Es umfaßt auch Erziehung und die Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschung, denn letztere werden nirgendwo sonst im Modellsystem repräsentiert, und die Investition in sie verfällt etwa mit der gleichen Geschwindigkeit wie die in physisches Kapital.’ Es geht hier um die richtige Anwendung der Aggregation von Variablen in ein Modell von einigermaßen einfacher Struktur. Man kann in eine einzelne Variable Dinge mit ähnlichem dynamischem Verhalten aggregieren. Forschung und technischer Wandel verfügen über ein dynamisches Verhalten, das dem der physischen Kapitalanhäufung sehr ähnlich ist. Beide haben unter Bedingungen, die dem Wachstum günstig sind, einen positiven Rückkoppelungscharakter. Kapital produziert mehr Kapital; Wissen bildet die Grundlage, auf der noch mehr Wissen produziert wird. Beide verfallen. Der größte Teil unseres technischen Wissens ruht in den Köpfen von Menschen und muß in jeder Generation durch kostspielige Investitionen in Erziehung neu aufgebaut werden. Die Zeitkonstanten für das Veralten und Verschwinden dieses Wissens gleichen den Zeitkonstanten für materielles Kapital. Mehr noch, der | ||||||||
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signifikante Einsatz ist für beide gleich: Wissen und materielles Kapital heben beide den Lebensstandard, vermehren die Effizienz der Kapitalansammlung und vermehren die Erträge der Landwirtschaft. Dies sind die drei Anwendungsmöglichkeiten der kombinierten Variablen Kapital - Wissen im World Dynamics-Modell. Deshalb werden also Kapital und wissenschaftliche Kenntnisse aggregiert, da beide auf ähnliche Weise entstehen, einen ähnlichen Lehensprozeß durchlaufen und für die gleichen Zwecke eingesetzt werden.
Mehrere Kritiker haben die Veröffentlichung von Die Grenzen des Wachstums ohne vorherige Veröffentlichung des Computer-Modells bemängelt, aus dem man die Resultate erhielt. Das war eine unerwartete Auswirkung von Finanzierungs- und Organisationsschwierigkeiten. Wie auch immer, die Kritik ist nur zum Teil berechtigt. Zunächst einmal wurden die Entwürfe des Modells zu Die Grenzen des Wachstums im Frühjahr 1972 bei Erscheinen des Buchs verschiedenen Forschungsgruppen zugänglich gemacht, die sie im Detail untersuchen wollten; es stand ihnen eine Gruppe von Leuten für diesen Zweck zur Verfügung, und sie erhielten Zugang zu einem Computer, um mit dem Modell zu arbeiten. Zweitens ist die Aussage in Die Grenzen des Wachstums wesentlich die gleiche wie in World Dynamics, und die Details des Modells zu World Dynamics waren von Anfang an zugänglich. Das ziemlich umfangreiche Buch mit den Detailangaben und einer Rechtfertigung des Meadows-Modells liegt 1973 vor.
Das führt uns zur Frage der Wertmaßstäbe und Prioritäten. Manche Leute sind der Meinung, daß arme Nationen über Wachstum ganz anders denken werden als die reichen Nationen. Ihre Frage impliziert, daß die reichen Nationen das Ende des exponentiellen Wachstums begrüßen würden, die armen Nationen hingegen nicht. Doch herrscht in den entwickelten Ländern keine einheitliche Meinung, und ich glaube, daß es auch in den Entwicklungsländern nicht nur eine einzige Ansicht gibt. Tatsächlich wird man vielleicht die Bezeichnungen von entwickelten und Entwicklungsländern in Länder mit ‘übertriebener Konjunktur’ und in Länder mit ‘Gleichgewicht’ ändern müssen. Die weniger entwickelten Länder werden vielleicht sogar besser in der Lage sein, ihre traditionellen Zielsetzungen und Wertmaßstäbe zu bewahren, als die entwickelten (über-angespannten). Ich glaube, wir werden es mit zwei gedanklichen Richtungen in den weniger entwickelten Ländern zu tun bekommen. Politische Führungspersönlichkeiten, die in entwickelten Ländern erzogen worden sind und die das theoretische und politische Wertsystem der Industrienationen übernommen haben, werden eine positive Einstellung zum Wachstum | ||||||||
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haben, bis die wachstumsbedingten Pressionen Schatten auf ihre Zukunft und ihre politische Glaubwürdigkeit zu werfen beginnen. Die Traditionalisten und die Philosophen in diesen Ländern hingegen erkennen wahrscheinlich, daß die Werte der Vergangenheit besser mit einer langfristigen Zukunftsplanung in Einklang stehen, und werden dafür plädieren, an der Vergangenheit festzuhalten und nicht in kurzem Abstand nacheinander zwei Wertumstürze durchzumachen - den zum Wachstum und den zurück zum Gleichgewicht -, nur um zu einer Gesellschaft zu gelangen, die der eigenen Vergangenheit ähnlicher ist als dem Muster der Industrieländer. Die weniger entwickelten Länder werden möglicherweise einen rationaleren Standpunkt beziehen als die entwickelten - aus einem Grund: Sie haben mehr Zeit zum Handeln. Wir sollten aber sehr vorsichtig sein, bevor wir uns zu Schlußfolgerungen darüber hinreißen lassen, wie andere Gruppen reagieren werden; wir haben bei unseren früheren Arbeiten herausgefunden, daß soziale und politische Gruppen ganz anders reagieren, als man erwartet. Gelegentlich sind es gerade jene Gruppen, die dem Anschein nach am unmittelbarsten und am nachteiligsten betroffen sind, die den stärksten Impuls zu vernünftigem Handeln auf lange Sicht besitzen und die am besten befähigt sind, über kurzfristige Perioden hinauszublicken. Es wird sich vielleicht erweisen, daß die angebliche Hingabe der unterentwickelten Länder an wirtschaftliches Wachstum weitgehend nur in den Köpfen von Nationalökonomen, Regierungsbürokraten und Geschäftsleuten der entwickelten Länder herumspukt, die versuchten und versuchen, den weniger entwickelten Ländern die eigenen Werte und Zielsetzungen zu oktroyieren. Je stärker diese Wachstumswerte bezweifelt werden und sich als nachweislich von nur vorübergehendem Vorteil erweisen, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, daß die weniger entwickelten Länder sich gegen jene zu wenden beginnen, die sie allmählich als Anpreiser falscher Hoffnungen und Werte erkennen. Und weil das Ethos vom Wirtschaftswachstum in den unterentwickelten Ländern mit geringerer Überzeugung übernommen wurde als in den hochentwickelten Nationen, werden wir vielleicht feststellen müssen, daß auch die traumatische Erfahrung der Zukunftsbewältigung für die armen Länder weniger hart sein wird als für die reichen.
Eine der Kritiken an World Dynamics lautete, daß es für unsere gegenwärtigen Probleme eine vernichtende Lösung wäre, zum Null-Wachstum überzugehen. Manche Kritiker der jüngeren Weltstudien glauben offenbar, daß wir das Unmögliche empfehlen, daß wir unterstellen, das Wachstum könne sofort angehalten werden. Möglich, daß diese Reaktion auf einigen Computerdurchläufen beruht, die zeigten, was passieren würde, wenn man jetzt handelte. Aber grundsätzliche Veränderungen in Wertsyste- | ||||||||
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men und politischen Programmen treten natürlich nicht rapide auf. Die Computerprogramme beabsichtigen den Nachweis, daß selbst sofortiges Handeln zu großem Stress führt und daß verzögertes Handeln zu noch größerem Stress auf das gesamte Gesellschaftssystem der Welt führen wird. Die Zeit ist knapp, aber noch ist Zeit vorhanden für Alternativen, Zeit für die Diskussion, Annahme und Durchführung von Programmen, die sich als günstiger erweisen werden als eine Fortsetzung der gegenwärtigen Politik. Wir stehen zwei großen Dilemmas gegenüber. Ein fortgesetztes Wachstum wird sich für die derzeitigen menschlichen Wertmaßstäbe und Institutionen als vernichtender erweisen als eine rasche Bremsung des Wachstums. Doch ein Wachstumsstopp würde seinerseits eine Reihe von Pressionen schaffen - weniger harte, als wenn man das Wachstum unkontrolliert weiterwuchern ließe, aber doch beträchtliche. Es gibt offenbar an unserem Horizont keine pressionsfreien Utopien, aber es existieren viele Alternativen für die Wahl unter möglichen Zukünften. Die Herausforderung liegt darin, daß die Beschaffenheit dieser Alternativen untersucht und die Reihe von Pressionen gewählt werden müssen, die uns in eine lebenswerte und durchführbare Zukunft geleiten. Die Aussage von World Dynamics und Die Grenzen des Wachstums lautet: Wenn wir heute Pressionen vermeiden und ignorieren, führt uns das zu noch größeren Pressionen morgen. Wenn wir so rasch wie möglich zu handeln beginnen, dann sind solche Aktionen möglicherweise schwierig und bewirken möglicherweise kurzfristige Kontroversen und Pressionen, aber ein solches Verhalten kann die Pressionen verringern, denen wir uns sonst in relativ hoher Zukunft konfrontiert sehen werden. Die Kernfrage ist nicht die, wie man Pressionen aus dem Wege gehen kann, sondern es handelt sich um die Entscheidung, welche Pressionen, zu welchem Zeitpunkt und zu welchem Ziel.
Carl Kaysen vom Institute for Advanced Study in Princeton ist der Überzeugung, daß die Wachstumsmechanismen viel tiefer in unserer Gesellschaftsordnung verwurzelt sind, als dies in den Modellen von Ihnen und Dennis Meadows dargestellt wurde. Welche Tiefe man an einem systemdynamischen Modell feststellt, hängt sehr stark davon ab, was man als Leser sehen möchte. Wenn man den geringstmöglichen Inhalt sehen möchte, gelangt man zu sehr andersartigen Schlußfolgerungen, als wenn man den größtmöglichen Inhalt sehen möchte. Es muß bei einem hochaggregierten Modell notgedrungen Platz sein für unterschiedliche Interpretationen. Und es ist möglich, daß die unterschiedlichen Interpretationen beide korrekt sind, je nachdem was der einzelne mit dem Modell anstellt. Die Weltmodelle mit ihrem derzeitigen hohen Grad an Aggregation weisen | ||||||||
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nicht ausdrücklich alle Details der psychologischen und soziologischen Kräfte auf, die materielle Variablen mit Humanreaktionen verknüpfen. Die Methodik der Systemdynamik kann ohne Schwierigkeiten den ganzen Bereich beliebiger psychologischer, moralischer, soziologischer oder Wertstrukturen gelten lassen, die man einbeziehen möchte. Dies wird sich bei der Aufstellung künftiger Modelle der Welt- und Nationaldynamik als wichtig erweisen. Doch in World Dynamics und Die Grenzen des Wachstums wollen wir uns nur auf die hauptsächlichen intersektoralen Kräfte zwischen Bevölkerung, Kapital, Nahrung, Rohstoffen und Umweltverschmutzung konzentrieren; dies bedeutet, daß aus Gründen der Vereinfachung viele dazwischenliegende Variablen wie Preise und psychologische Reaktionen den handgreiflicheren Variablen säuberlich subsumiert wurden, aus denen sie entspringen und auf die sie sich auswirken.
Haben Sie jemals die weniger handgreiflichen Variablen in Modellen berücksichtigt? Ja, wir wissen, daß es möglich ist. Ein Beispiel war ein Modell der Dynamik des Unternehmenswachstums, wovon allerdings nur zusammenfassende Berichte veröffentlicht worden sind. Dieses Modell berücksichtigte einige 250 Variablen, die interagieren und Wachstum und Krisen eines neuen Unternehmens mit technischer Basis bewirken. Dieses Unternehmensmodell enthält die psychologischen und Führungscharakteristika der Unternehmensgründer, es reproduziert die Art, wie Tradition und Geschichte des Unternehmens selbst Ziele und Planvorhaben beeinflussen, und befaßt sich mit den soziologischen und psychologischen Aspekten im Prozeß der Hilfsquellenzuteilung des Unternehmens. Doch ein solches Modell ist äußerst detailliert und komplex; es besitzt nicht die Einfachheit und Klarheit, wie sie für ein Buch wie World Dynamics nötig sind, wenn der Durchschnittsleser in der ihm zur Verfügung stehenden Zeit das Modell verstehen soll. Im übrigen sollten wir nicht vergessen, daß die gedanklichen Modelle, die bis heute bei der Fällung von nationalen oder weltweiten Entscheidungen Anwendung finden, wahrscheinlich auch nicht umfassender sind als die in World Dynamics und Die Grenzen des Wachstums vorgestellten.
Sollten Weltmodelle erweitert werden und soziale und psychische Einflüsse umfassen? Ein Modell von beträchtlich größerer Komplexität ist letztlich wünschenswert. Zum Teil, um die Zulänglichkeit einfacherer Modelle zu verifizieren. Zum anderen Teil wird die Aufnahme bisher unterdrückter Variablen es dem Modell ermöglichen, zusätzliche Verhaltensmodi zu produzieren, die in tatsächlichen Gesellschaftssystemen möglich sein können. Es gibt zusätzliche Stressarten und zusätzliche Modi des | ||||||||
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Bevölkerungsgleichgewichts und -zusammenbruchs, die einfachere Modelle nicht darstellen können. Doch die Einbeziehung der zusätzlichen Variablen wird wahrscheinlich nichts an der Hauptaussage der zwei Bücher ändern.
Und diese Aussage wäre? Die gegenwärtigen Wertmaßstäbe der Welt und die daraus resultierenden Wachstumstrends in Bevölkerung und Industrialisierung können höchstens noch einige Jahrzehnte so weiterbestehen. Viele unterschiedliche Pressionen können die Zukunft umgestalten. Einige Wege in die Zukunft sind sehr viel günstiger als andere. Je heftiger wir uns bemühen, die derzeitige Politik fortzusetzen, desto höher werden die gegenwirkenden Pressionen aus der natürlichen und sozialen Umwelt ansteigen. Noch haben wir Zeit, Entscheidungen zu wählen, die die Zukunft beeinflussen werden. Ich sehe - ganz im Gegensatz zu den Leuten, die den zwei Büchern ein Weltuntergangsetikett aufgeklebt haben - sie als eine Botschaft der Hoffnung. Wir können eine bessere Zukunft haben als die, mit der uns blinde Hingabe an vergangene Wertvorstellungen und Traditionen bedroht.
Aber können Sie angesichts der Dringlichkeit genug Spezialisten der Systemdynamik für den notwendigen riesigen Forschungs- und Lehrbereich ausbilden? Die Dringlichkeit ist groß, doch Ausbildung und Forschung werden sich eine Weile verzögern, weil gegenwärtig ein hohes Maß an Kontroverse bezüglich der Arbeit und der dadurch aufgeworfenen Streitfragen besteht. Die Kontroverse ist wahrscheinlich unvermeidbar, weil sie Teil der Übergangsperiode ist zwischen der überholten Gewißheit, daß die alten Traditionen zufriedenstellend waren, und den neuen Denkweisen, Erziehungsweisen, analytischen Methoden und den neuen Mustern von sozialen Systemen, zu denen Sie Fragen gestellt haben. Im Augenblick scheint es unwahrscheinlich, daß jemand die nötige finanzielle Hilfe auf die Beine stellt, um die Entwicklung des Lehrkörpers zu sichern, der nötig wäre, um ein vollkommen neues Erziehungssystem von der Oberschule aufwärts zu schaffen. Ich glaube aber, daß die Zweifel verschwinden werden. Dann werden wir in unserer Arbeit fortfahren können. Durch die derzeitige Periode müssen wir hindurch. Jeder wesentliche Bruch mit überholten Traditionen führt unvermeidlich zu einer Kontroverse, während der die neuen Vorstellungen mehr und mehr akzeptiert werden.
Wie groß ist Ihre Hoffnung, daß dies in relativ kurzer Zeit möglich sein könnte? Wäre es zum Beispiel denkbar, daß die Chinesen oder die Sowjetunion zur Beteiligung an Ihren Methoden gebracht werden könnten wie die Japaner? | ||||||||
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Ich erhalte Nachrichten und Briefe aus praktisch allen Ländern. Die Briefe von außerhalb der USA sind so zahlreich wie die aus den USA. Die Briefe enthalten Fragen, Kommentare, Bitten um Vorträge und Angebote von Menschen, die hierherkommen möchten, um zu studieren, aus allen möglichen Ländern, auch aus den sozialistischen. Das Wissen von unserer Arbeit ist sehr weit verbreitet. Bisher sind die Ideen noch nicht tief vorgedrungen, aber sie haben sich weit verbreitet. Überall fangen Leute an, sehr viel aktiver über Systeme nachzudenken, die die Zukunft der Gesellschaft beeinflussen.
Wenn man sich die Reaktionen rund um die Erde ansieht, die sich seit der Veröffentlichung von World Dynamics und Die Grenzen des Wachstums ergaben, stellt man ein enormes Maß an Diskussion über die aufgeworfenen Fragen fest. Haben Sie die Hoffnung, daß diese Reaktionen genügend Menschen erreichen werden, um ein Führungscorps zu schaffen, das die Zukunftsaussichten der Menschheit analysieren und gegenwärtige Einstellungen und Grundsätze verändern könnte? Die Fragen sind so wesentlich, und die neuen Orientierungen müssen so verschieden von den alten sein, daß Leadership allein nicht genug sein wird. Zusätzlich muß die Öffentlichkeit in breitem Maß Verständnis und Unterstützung aufbringen. Um dies zu bewirken, muß unser Erziehungssystem viel wirksamer in die Lage versetzt werden, ein Verständnis für die Funktionsweisen des sozioökonomisch-technischökologischen Systems zu vermitteln. Ich bin der Überzeugung, daß die Konzepte, die in der von uns Systemdynamik genannten Methode verankert sind, dies ermöglichen werden. Systemdynamik ist eine Methode, mittels der man auf einer allgemeinen Basis die unterschiedlichen geistigen Disziplinen und die unterschiedlichen Aspekte der Existenz miteinander in Bezug bringen kann, so daß also die technischen, wirtschaftlichen, politischen und naturgegebenen Aspekte unserer Existenz in eine einzige Struktur integriert werden können. Man kann sie alle gleichberechtigt zueinander in Beziehung setzen, um herauszufinden, wie sie interagieren, um gesellschaftliche und wirtschaftliche Veränderungen zu bewirken. Die Probleme der Welt werden nicht von den Streitpunkten geschaffen, die irgendeiner geistigen Disziplin oder irgendeinem Untersektor unserer Umgebung inhärent sind. Die Probleme und Stresse entstehen aus den Interaktionen zwischen den zahlreichen Subsektoren. An keiner Stelle unseres Erziehungssystems und an keiner Stelle unseres politischen Systems werden diese Interaktionen angemessen behandelt - nicht in den Vereinten Nationen, nicht in Regierungen und nicht in Industrieunternehmen. Ein vollkommener revolutionierender Verständniswandel in bezug | ||||||||
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auf unsere Umwelt liegt vor uns. Dieses neue Verständnis wird auf einer allgemeinen Grundlage dynamischen Verhaltens entwickelt werden, das sich auf jedes Gebiet oder auf jede Kombination von Gebieten anwenden läßt. Bei dieser neuen Unterrichtsmethode wird sich der Schüler oder Student auf Strukturen konzentrieren, die auf vielen verschiedenen Gebieten auftreten. Es gibt dynamische Strukturen in der Physik, die in Management, Politik und Ökologie wiederauftreten. Wenn eine Struktur und ihr mögliches Verhalten verstanden ist, dann versteht man sie, gleichgültig ob man in der Medizin oder der Unternehmenspolitik oder in der Demographie auf sie stößt. Diese Vorstellungen können ab der Unterstufe in Oberschulen vermittelt werden. Die Welt hat eine neue Variante des ‘Renaissancemenschen’ nötig, damit meine ich Individuen, die sich zwischen geistigen Disziplinen bewegen können, die viele Gebiete und ihre signifikanten Interrelationen begreifen können. Die Erzieher haben ganz unnötigerweise die Hoffnung aufgegeben, jemals wieder einen Menschentyp zu erreichen, der in die offensichtliche Komplexität der vielfältigen Aspekte der menschlichen Angelegenheiten vordringen könnte. Doch wir sollten nicht verzweifeln, daß es uns gelingen wird, eine neue elementare Grundstruktur als Basis für die Verbreitung der mannigfaltigen geistigen Wissensgebiete zu finden. Dies ist jetzt bereits in Sicht. Es wird möglich werden, Brücken allgemeiner, gemeinsamer dynamischer Strukturen und Verhaltensweisen zwischen den schönen Künsten, der Wissenschaft, der Biologie und gesellschaftlichem Leben zu schlagen. |
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