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Dem weitberühmten Magister der Philosophie Timann Kemner aus Werne, Ga naar voetnoot3 dem hochverdienten Gründer und Leiter der wissenschaftlichen Schule zu Münster, wünscht der Lehrer der schönen Wissenschaften Johannes Murmellius Heil und Wohlergehen.
Nicht widersinnig ist es, wenn bei Plautus jener Philolaches seine Meinung dahin äuszert, dasz die Menschen, wenn sie geboren sind, neuen Gebäuden ähnlich seien; Ga naar voetnoot4 gleichwie diese, auch
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wenn dieselben von einem tüchtigen Meister erbaut und mit kunstreicher Sorgfalt ausgesmückt worden sind, meistens infolge unthätiger Sorglosigkeit derer, die sie bewohnen, verfallen
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und zusammen stürzen: so werden auch die Jünglinge, solange sie unter der Gewalt ihrer Erzeuger stehen und den Eltern und Lehrern gehorsamen, mit rechter Sorgfalt erzogen und in den Wissenschaften und guten Sitten unterwiesen; sie werden schlieszlich in allen edlen Künsten soweit ausgebildet, dasz andere Eheleute den Wunsch äuszern, es möchten ihnen Kinder beschert werden, die jenen gleichen. Sobald sie aber nach ihrem eignen Gutdünken leben, da brechen plötzlich soviel Stürme und Platzregen herein, dasz das Gefühl für Scham und Ehrbarkeit in Verwirrung gerät, dasz in der Folge dem Gebäude allseitiger
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und vollständiger Einsturz droht, wofern ihm nicht rechtzeitig Stützen angelegt werden.
Daher haben die Jünglinge dafür Sorge zu tragen, dasz sie nicht vor dem reifen Alter mit der schwarzen Schar schlimmer Leidenschaften ihre Wohnung teilen; sie sollen es vielmehr zulassen, dasz ihre lieben Eltern und ihre wackern Lehrer, welche gewissermaszen ihre geistigen Eltern sind, so lange für die ausschmückende Ausstattung dieser Wohnungen Sorge tragen, bis sie selbst imstande sind, dieselben mit der Hausgenossenschaft der gestrengen Tugenden nicht allein zu bewohnen, sondern auch zu beschützen, die etwaigen Schäden auszubessern, die ausschmückende Ausstattung zu mehren und dieselben nach beglückender Benutzung zu räumen und mit einer weit beseligenderen Wohnung zu vertauschen.
Zum Zwecke einer angemessenen Ausbildung werden nun sowohl von dem Schüler wie von dem Lehrer Pflichten gefordert. Hinsichtlich der Pflichten des Lehrers verweise ich auf andere, welche hierüber mit Umsicht und Bedacht geschrieben haben. Welche Pflichten dagegen dem Schüler obliegen, habe ich nach Maszgabe meiner schwachen Kraft so gut als möglich in diesem Werkchen auseinandergesetzt, welchem man deshalb die Aufschrift ‘Enchiridion scholasticorum’ d. i. ‘Handbuch für Schüler’ zu geben für gut befunden hat.
Wie auch immer dieses Werkchen beschaffen sein mag, ich widme es dir, mein feingebildeter Timann, der du mit nicht gewöhnlicher Gelehrsamkeit und mit reichster Erfahrung ausgerüstet das Gymnasium der schönen Wissenschaften in der Stadt Münster seit längerer Zeit mit Klugheit zum Ruhme und zur Ehre für dich selber leitest und deine Zuhörer sowohl durch erprobte Vorschriften in Sachen der Wissenschaft als auch durch hocherhabene Lehren der Sittenzucht nach allen Kräften unterweisest und bildest. Wiewohl du weit bessere Gabe verdienst, so hoffe ich gleichwohl, dasz du gemäsz deiner bewährten Einsicht dieses kleine Geschenk nicht nach seinem Werte, sondern nach der Gesinnung dessen, der es dir gewidmet, beurteilst und dasz du das, was ich zur Förderung der studierenden Jugend geschrieben habe, gütig und wohlwollend aufnimmst.
Lebe in Gesundheit, du hochgelehrter Mann, und schenke mir, wie du es bisher gethan, deine Liebe!
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Kap. 1. Es ist die Pflicht der Eltern, die Kinder mit Umsicht und in Ehren zu erziehen und zu guten Sitten hinzuführen.
Über die Erziehung der Kinder und über die Unterweisung des Knaben- und Jünglingsalters haben hochgelehrte Männer gar viele Werke verfaszt; dieselben sind vortrefflich und lesenswert; sie enthalten Vorschriften über das, was dem gesamten Menschengeschlechte vor allem nützlich ist und not thut. Wer wäre nämlich gesunden Verstandes und sähe nicht ein, welch groszes Unheil es nicht allein den Eltern, sondern der ganzen menschlichen Gesellschaft bringen würde, wenn eine gute Erziehung der Kinder verabsäumt würde! Hierüber spricht sich der Stifter der peripatetischen Schule, Aristoteles, Ga naar voetnoot1 in dem Ein-
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gange des achten Buches der ‘Politik’ dahin aus: ‘Dasz für den Gesetzgeber die Erziehung der Jugend ein Hauptgegenstand seiner Bestrebungen sein soll, wird gewisz niemand bezweifeln. Denn die Vernachlässigung dieser Pflicht zieht in den Staaten eine Schädigung des Gemeinwohles nach sich.’ Ga naar voetnoot1 Laertius Ga naar voetnoot2 berichtet, dasz derselbe wiederholt den Ausspruch gethan habe: Eltern, welche sich die Erziehung ihrer Kinder angelegen sein lieszen, seien bei weitem ehrenwerter als solche, welche ihren Kindern lediglich das Dasein gegeben hätten; diese nämlich hätten denselben nur das Leben geschenkt, jene aber hätten ihnen auch ein gutes und glückliches Leben geschenkt. Plato Ga naar voetnoot3 nun sagt
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in dem Gespräche, welches die Aufschrift hat ‘Theages, über die Weisheit:’ Ga naar voetnoot1 ‘Bis jetzt habe ich noch nicht erkannt, welcher Sache jemand gröszeren Eifer widmen soll, als dasz er seinen Sohn zu einem guten Menschen heranbilde.’ Krates Ga naar voetnoot2 sagte wiederholt, wenn es ihm gestattet wäre, würde er sich an den höchsten Punkt der Stadt hinstellen und von dorther mit lauter Stimme ausrufen: ‘Wohin eilt ihr Menschen, die ihr all euren Eifer der Anhäufung von Gold widmet, die ihr aber euren Söhnen, denen ihr dieses Geld hinterlassen werdet, geradezu keinerlei Leitung und Pflege angedeihen laszt!’ Ähnlich spricht sich der heilige Hieronymus Ga naar voetnoot3 in seinem Briefe an Salvina aus: Es ist kein geringes Verdienst vor Gott die Kinder gut zu erziehen.’ Daher ernten die Lacedämonier nicht geringes Lob, welche sehr grosze Sorgfalt auf die Knaben, und zwar von Staats wegen, verwenden. Ga naar voetnoot4
Wofern ihr nun, ihr wackern deutschen Männer, Ruhm und Ehre begehrt; wofern ihr die Vervollkommnung eurer Kinder liebt; wofern ihr endlich euer eignes Glück und das Heil eurer Kinder erstrebt: so haltet die Lehrer, die der feinsten dafür, dasz eure Söhne in den trefflichen Wissenschaften und Künsten unterwiesen werden. Und solange es in Anbetracht ihres Alters nicht angeht, dasz dieselben diese meine Vorschriften
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über ihre Pflichten entgegennehmen, wie sie von mir neu ersonnen und angeordnet und nicht ganz ohne Geschick zusammengestellt worden sind, so ermahnt ihr selbst sie auf das eifrigste zu dem heiligen Studium der Wissenschaften. Weist sie häufig mahnend darauf hin, welch ein Unterschied sei zwischen einem Herkules und einem Sardanapal, Ga naar voetnoot1 zwischen einem Gebildeten und einem Ungebildeten, zwischen einem Weisen und einem Thoren. Dann wird es euch nicht gereuen, euren Kindern das Leben gescheukt zu haben, und eure Kinder wird es nicht gereuen, das Geschenk des Lebens erhalten zu haben.
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Kap. 2. Die Kinder sollen der Schule übergeben und von zartem Alter an unterrichtet werden.
Dasz nun die Kinder auf das sorgfältigste unterricht werden müssen, kann nur ein thörichter Mensch bezweifeln. Darüber aber, ob es richtiger wäre, dasz sie von Staats wegen unterrichtet würden, oder ob es besser wäre, dasz dieser Unterricht als Familiensache angesehen würde und ob er dann zeckmäsziger zu Hause oder in der Schule vorgenommen würde, darüber lag ehedem unter den Menschen eine Übereinstimmung nicht vor. Fabius Ga naar voetnoot2 aber hat in dem ersten Buche seiner ‘An-
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leitung zur Beredsamkeit’ jeglichen Zweifel über diese Frage in einer Weise beseitigt, dasz ich denjenigen nicht mehr für einen wissenschaflich Gebildeten halte, welcher nicht der Meinung ist, dasz die Knaben weit besser in der Schule -wofern dieselbe nur zweckmäszig eingerichtet ist - unterrichtet werden. Dashalb erspare ich es mir, hierüber noch weiteres zu sagen.
Und wenn ich mich über das Alter, in welchem sie der Schule übergeben werden sollen, ausgesprochen habe, so will ich einiges wenige über das hervorheben, was für einen jeden Schüler als notwendig gelten soll.
Von Kindheit an nun sind sie an gute Sitten und an das Studium zu gewöhnen. So lange erweist sich der Sinn des Jünglings willfährig, solange das Alter lenksam bleibt. Denn, wie der Welweise sagt, nicht wenig, sondern sehr viel, ja eher noch alles liegt daran, ob die Menschen sich in der Jugend so gewöhnt haben. Und unser Dichter Maro Ga naar voetnoot1 sagt:
‘So viel träget es aus, wie die zarteste Jugend gewöhnt wird.’
Auch der satirische Dichter Ga naar voetnoot2 sagt:
‘Lange bewahret der Topf den Geruch, der als neu ihn durchbalsamt.’
Und ein anderer: Ga naar voetnoot3
‘Denn viel lieget daran, in was für Wissen und Sitten
Du ihn erziehest. Der Storch ernährt die Jungen mit Schlangen.
Und Eidechsen, die fern vom Wege in den Feldern er auffand.
Haben sie Schwingen erlangt, dann suchen sie gleiches Getier auf.’
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Und eben dahin geht auch die wohldurchdachte Ansicht Quintilians: ‘Von Natur aus halten wir dasjenige ungemein fest, was wir in uns aufgenommen haben, als wir noch jung und unerfahren waren, gleichwie der Geruch, mit dem man etwas Neues erfüllt, anhält, gleichwie die Färbung, die man der Wolle stat ihrer natürlichen Farbe gegeben hat, nicht ausgetilgt werden kann. Und das, was schlecht ist, haftet um so hartnäckiger an uns; denn das Gute ändert sich leicht in Schlechtes.’ So Quintilian. Der heilige Hieronymus pflichtet ihm bei mit den Worten: ‘Schwer läszt sich das ausmerzen, was ein junges und unerfahrenes Gemüt in sich aufgenommen hat. Wer kann der purpurfarbigen Wolle ihre ursprüngliche Färbung wiedergeben! Lange hält der Topf den Geruch und den Duft, womit er einmal erfüllt worden. Wer da immer seinen Sohn und sich selbst liebt, der höre auf die Vorschrift des Phocyllis: ‘So lange dein Sohn zart ist, lehre ihn edle Sitten. Denn wie der Thon, so lange er feucht und weich ist, auf der schnellen Töpferscheibe gebildet wird, so soll der Knabe gerade in dieser Zeit mit Eilfertigkeit und ohne Unterlasz gebildet werden, auf dasz aus ihm frühzeitig ein nützliches Gefäsz in der Kirche des Herrn werde.’
Wer aber seine Jugend in Unthätigkeit oder in verwerflichem Thun verbringt und erst, wenn das Alter schon vor der Thüre steht, sich den Wissenschaften zu widmen versucht, der handelt thöricht und verdient mit Fug und Recht denselben Vorwurf, wie ihn Dädalus bei Petrarca ausspricht:
‘Lerntrieb wandelt dich spät an; der Jugend flüchtige Blüte
Schwand dir; da war es Zeit; doch jetzt noch zu lernen ist schimplich.
Was in der Jugend du solltest erlernen, das will nun des Alter
Alles erfassen, doch flüchtig ist es und kennt nicht den Zügel.
Sei zufrieden mit deinem Geschick; überlasse die Zither
Andern, die sie gespielt von der Kindheit Tagen mit Wohllaut.’
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Kap. 3. Was einem Studierenden not thut.
An einen, der sich dem Studium der schönen Wissenschaften widmet und ein gelehrter Mann werden will, müssen, wie mir
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scheint, folgende Anforderungen gestellt werden: Lernbegierde, Verstandesschärfe, starkes Gedächtnis, feste Gesundheit, mäszige Mittel für Nahrung und Kleidung, günstige Lage des Wohnortes, Zeit und Musze, Seelenruhe, ein erprobter Lehrer, eine Menge Bücher, Umgang mit wissenschaftlich Gebildeten, Ordnung, Masz und Ausdauer in den Studien. Wer alles dies erlangt hat, der mag Gott dem Herrn den wärmsten Dank sagen, denn zeitig wird er in Wahrheit die erfreuenden Früchte seines Strebens gewinnen. Aber es ist sehr schwer, wird man sagen, alles dies zu erreichen; einiges kann das Glück darbieten: anderes kann der Mensch selbst erringen; alles aber kann nur Gott allein gewähren. Ich räume ein, dasz dies mühsam und ungemein beschwerlich ist. Daher sind, so behaupte ich, zu allen Zeiten gelehrte Männer gar selten gewesen. Aber wenn es auch an dem einen oder andern fehlt, so wird deshalb doch niemand dem Studium der Wissenschaften entsagen.
‘Stets nach dem Möglichen streben ist gut, wenn weitres versagt ist.’Ga naar voetnoot1
Wir können nicht alle Männer wie Aristoteles oder Cicero, wie Hieronymus oder Aurelius Ga naar voetnoot2 sein, und nicht allen wird eine solch glückliche Begabung des Geistes zu teil, wie sie jüngst bei Johannes Picus Ga naar voetnoot3 hervorgetreten ist. Gleichwohl studiere jeder eifrigst uns suche nicht feine Unthätigkeit durch den Hinweis
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auf die Schwerfälligkeit des Geistes oder auf die Unzuverlässigkeit des Gedächtnisses oder auf den Mangel an Geldmitteln zu beschönigen. Wofern der Mensch da, wo es sich um sein Heil handelt, es an Mitwirkung nicht fehlen läszt, so wird das Geschick ihm seine Gunst schenken und wird Gott ihm seinen Beistand verleihen; und das Studium der Weisheit wird ihn dahin führen, dasz er persischen Prunk Ga naar voetnoot1 und die Schätze eines Krösus Ga naar voetnoot2 und das Glück eines Augustus Ga naar voetnoot3 gering schätzt.
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Kap. 4. Wie Lernbegierde zu mehren sei.
Die Lernbegierde ist dem Menschen von Natur aus eigen; sie kennzeichnet sich gerade in der Lust an Wahrnehmungen und Vorstellungen. Es ist nun nicht zu bezweifeln, dasz dieselbe durch eine verderbte Einbildungskraft und durch geistige Trägheit unterdrückt werden kann, dasz dieselbe dagegen durch unverdorbene Einbildungskraft und durch Nachdenken über Ehrbares gefördert werden kann. Es soll der Knabe vor allem darauf bedacht sein, dasz er seine Gedanken dahin richtet - denn dazu ermahnen ihn Eltern und Lehrer -, inwieweit ein wissenschaftlich gebildeter Mensch sich vor den übrigen auszeichnet, und weiterhin wie wenig an Würde ein ungebildeter Mensch vor den unvernünftigen Tieren voraus hat. Dem Menschen nämlich sind die Gaben der Vernunft und der Rede eigen; ohne wissenschaftliche Beschäftigung kann dieselbe niemand in richtiger Weise ausbilden. Mit ebenso viel Wahrheit wie Geschmack schreibt Quintus Tullius: Ga naar voetnoot4 ‘Gleichwie jedweder fruchtbare Acker ohne Bearbeitung keine Früchte bringen kann, so
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bleibt auch der Geist ohne Belehrung fruchtlos.’ Da endlich von den Peripatetikern Ga naar voetnoot1 drei Arten von Gütern unterschieden werden: geistige, körperliche und äuszere Güter, so soll der Jüngling wissen, dasz für den Menschen lediglich die geistigen Güter, die da in Tugenden und Kenntnissen bestehen, von Dauer sind, dasz dagegen die übrigen dem Wechsel und dem Schicksal unterworfen sind. Dieselben können gleichwohl in keiner Weise besser als nach den durch die Weltweisheit vermittelten Erkenntnissen entweder für den Fall ihres Vorhandenseins bewahrt oder für den Fall ihres Nichtvorhandenseins nicht begehrt werden. Dagegen soll er auch durch die Hoffnung auf Nachruhm, welche nach den Worten des Dichters für den Menschen ein ungemein scharfer Sporn ist, Ga naar voetnoot2 sich zu dem Studium der schönen Künste anregen lassen; er möge die Erkenntnis gewinnen, dasz durch nichts anderes als durch die Wissenschaften der Name des Menschen in eben derselben Weise der Nachwelt überliefert und unsterblich gemacht werden könne. Schlieszlich möge er sich daran erinnern, dasz er eben zu dem Zwecke geboren worden, sich durch ein gutes und ehrbares Leben und durch die Befolgung des göttlichen Gebotes den Weg zum
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Himmel zu bereiten. Wenn er mit den Wissenschaften vertraut ist, wird er dies sehr leicht erwirken; wenn er aber ungebildet bleibt, so liegt nicht geringe Gefahr vor, dasz er in Gemeinschaft mit verblendeten und thörichten Menschen in die Hölle gestürzt wird
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Kap. 5. Die Menschen jedweder Lebensstellung sind zum Lernen verpflichtet.
Weniges habe ich über die Lernbegierde hervorgehoben; aber auf dasz nicht etwa einer nicht vor Lust an wissenschaftlicher Beschäftigung entbrenne, will ich mir eine eingehendere Auseinandersetzung gestatten. Einige rühmen sich des Adels ihres Geschlechtes und geben der Meinung Raum, sie brauchten sich um dieWissenschaften nicht zu kümmern, weil sie nicht Geistliche werden wollten. Allein diese Thoren wissen nicht, dasz für niemanden die Weisheit mehr vonnöten ist als für die Fürsten und für die Leiter der Länder und Staaten. Wahr und der Erinnerung wert ist das Wort, welches Rudolf Langen, Ga naar voetnoot1 der fromme Dichter und die besondere Zierde Deutschlands, im Munde führte: ‘Damals, als die Fürsten gelehrt waren, unterstand fast der ganze Erdkreis ihrer Botmäszigkeit; jetzt aber, da sie von den Wissenschaften keine Kenntnis nehmen, haben sie kaum vier Morgen Landes zu eigen.’ Alexander der Grosze, für den ‘eine’ Welt nicht genug war, begehrte ebenso durch Gelehrsamkeit aller Art als durch Herrschergewalt es den übrigen Menschen zuvorzuthun. Julius Cäsar, Octavianus Ga naar voetnoot2 Augustus, Karl der Grosze und viele andere Kaiser und Könige haben ebenso sehr durch den Ruhm der schönen Künste als durch den der Waffen geglänzt. Wenn du also edel geboren bist, so erstrebe es mit allem Eifer, dasz zu dem Ruhm des Geschlechtes sich hinzugeselle der Glanz der Sittenzucht und des Wissens. Wenn du aber aus einer Familie stammst, deren
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Namen ohne Klang ist, so widme dich mit Eifer der Philosophie; denn sie bringt in Wahrheit den Adel; durch sie wirst du es leicht erreichen, dasz du deine Vorfahren überstrahlst und dasz diese dir einen berühmten Namen verdanken. Der Adel ist nämlich, wie Juvenal sagt, einzig und allein die Tüchtigkeit. Ga naar voetnoot1 Wenn du ein freier Mann und von freien Eltern geboren bist, mit welchem Rechte wirst du es dann wagen, die Künste zu verachten und zu vernachlässigen, welche man aus keinem andern Grunde die ‘freien’ Künste nennt, als weil sie sich für die Freien ziemen. Wenn du als ein Knecht geboren bist, so ist es vonnöten, dasz du der Philosophie verknechtet seist, auf dasz dir die wahre Freiheit zu teil werde; denn den Namen eines Knechtes verliert derjenige, dessen Geist frei ist. Terentius, Ga naar voetnoot2 der unter den lateinischen Lustspiel-Dichtern einen Namen von so gutem Klang hat, soll der Sklave des Lucanus Terentius gewesen sein; da er sich treu erwies und leichte Fassungskraft bekundete, so wurde er Lehrern der schönen Wissenschaften übergeben; auf diese Weise wurde er dank der Sorgfalt und der Freigebigkeit seines Herrn ein berühmter Dichter. Der Fabeldichter Äsop Ga naar voetnoot3 war ein phrygischer Sklave;
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er wurde der Zahl der Weisen beigesellt. Der Stoiker Epiktet, Ga naar voetnoot1 der Sokratiker Phädon, Ga naar voetnoot2 Menippus Ga naar voetnoot3 und andere, deren
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Gellius Ga naar voetnoot1 Erwähnung thut, sind aus Sklaven nicht unberühmte Philosophen geworden. Tagtäglich erfahren auch wir es, dasz solche, die sonst wohl Schäfer oder Schweinehirten geworden wären, dank der Beschäftigung mit den Wissenschaften nicht Hirten der Herden, sondern Hirten der Menschen werden.
Wenn du ein edles Äuszere besitzest, hüte dich, es durch Laster zu verunehren. Wenn dich aber die Natur miszgestaltet erschaffen hat, so bemühe dich, das, was dem Körper abgeht, durch Bildung des Geistes auszugleichen. Es giebt Obst, welches unter unschöner und rauher Schale einen süszen und geschmackvollen Kern birgt. Odysseus war kein schöner Mann, gleichwohl war er wohlberedt. Wenn du Reichtum in Überflusz besitzest, so setze dein Vertrauen nicht auf das flüchtige und veränderliche Gut,
‘das im Nu der entfliehenden Stunde Ob durch Bitte, durch Kauf, durch Gewalt, durch letztes Verhängnis Seine Besitzer vertauscht und dem Rechte von andern anheimfällt.’ Ga naar voetnoot2
Kenntnisse können uns selbst tausend Gewaltherrscher nicht entreiszen. Den Aristipp, Ga naar voetnoot3 der sich aus dem Schiffbruch
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gerettet hatte und sich von jeglichem Besitze entblöszt sah, liesz die Philosophie nicht im Stiche. Den Ovid Ga naar voetnoot1 haben die Musen bis zu den Geten begleitet; einem Menschen wie ihm, der sich so groszem Elend überantwortet sah, gewährten sie dauernd Tröstung.
Wenn du arm bist, so ergieb dich dem Studium der schönen Künste; in kurzer Zeit wirst du reich sein, oder, was noch mehr deinem Besten dient, du wirst des Reichtums nicht begehren. Was soll ich der Ärzte und der Rechtsgelehrten Erwähnung thun, deren Gewinn ein überreicher ist! Auch Gram-
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matiker und Dichter haben ein groszes Vermögen erlangt. Virgilius übersandte alljährlich seinen Eltern Geld zu reichlichem Unterhalt. Ga naar voetnoot1 Horaz wünschte sein erworbenes Vermögen u verzehren. Ga naar voetnoot2 Oppian, Ga naar voetnoot3 welcher die Natur der Fische in griechischer Sprache beschrieb, tauschte zu seinem Heil und Glück für jeden einzelnen Vers ein Goldstück ein.
Daher wollen wir alle eifrig lernen und das Mahnwort des Flaccus beobachten:
‘Dieses Werk und Geschäft laszt uns mit Eifer betreiben, Wollen dem Staat und uns selber wir leben zur Wohlfahrt und Freude.’
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Kap. 6. Über die Verschiedenheit der geistigen Anlagen.
In welcher Weise dem Knaben Lernbegierde eingeflöszt wird, ist nun, denke ich, zur Genüge auseinandergesetzt worden. Nunmehr wollen wir von der Ausbildung des Geistes sprechen.
Gott hat den Menschen unterschiedliche Gaben verteilt; sein Wille ist es, dasz die einen sich hierin, die andern sich darin auszeichnen. Daher sehen wir, dasz die einen scharfsinnigen und lebhaften Geistes, die andern dagegen stumpfen und schwerfälligen Geistes sind. So sagte der göttliche Plato, dasz Aristoteles des Zügels, Xenokrates Ga naar voetnoot4 dagegen des Spornes bedürfe. Die Naturforscher berichten, dasz der Geist des Menschen
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sich in seiner besondern Art nach der Art der Luft gestalte, in welcher der Mensch lebe. So erwähnt Cicero, dasz die Thebaner trägeren Geistes, die Athener dagegen scharfsinniger und gewitzigter gewesen, weil die Luft zu Theben dick uns schwer, zu Athen dagegen dünn und fein gewesen. Ga naar voetnoot1
Es finden sich indes sehr wenige, welche von Natur aus ungelehrig sind. Denn wie nach der Hervorhebung des Fabius Ga naar voetnoot2 die Vögel zum Fliegen, die Pferde zum Laufen, die reiszenden Tiere zur Wildheit erschaffen sind, so ist uns Menschen die Thätigkeit und Regsamkeit des Geistes eigen. Und die Klugheit des Demokrit Ga naar voetnoot3 zeigt an, dasz, wie Juvenal sagt,
‘Männer von mächtigem Geist und bestimmt zu erhabenem Beispiel
Könne die dickeste Luft und Heimat erzeugen der Schöpfe.’ Ga naar voetnoot4
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Auch Deutschland ist ungemein reich an scharfsinnigen Köpfen, wiewohl es gar weit gegen Norden sich erstreckt. Wenn diese von Jugend an in rechter Weise unterrichtet würden, wenn sie zu des Lebens Mäszigkeit und zur hingebenden Beschäftigung mit den schönen Künsten angehalten würden: so hätten sie sich nicht zu scheuen, mit den hochfahrenden Italienern um den Ruhm in den Wissenschaften den Wettstreit zu wagen.
Wenn andere dagegen ganz und gar unbildsam sind und menschliche Anlagen kaum bekunden, so mögen sie Schweine oder Ziegen hüten und das Studium der Weisheit Besserbeanlagten überlassen. Wenn aber einer ein wenig schwer von Begriff, sonst aber lernfähig ist, der soll der Überzeugung Raum geben, dasz er um so gröszeren Fleisz auf das Studium der Wissenschaften zu verwenden hat; der soll sich durch unausgesetzte Geistesübung seine Anlagen zu entwickeln suchen. Denn wie Plinius der Jüngere mit beredten Worten schreibt:
‘Wie man am Wachs es lobt, wenn weich es sich formte und geschmeidig
In kunstfertiger Hand wird zu dem Werk, das man will,
Jetzt sich gestaltet zum Mars, und jetzt zur keuschen Minerva,
Jetzt von Venus ein Bild, jetzt von Cupido uns giebt;
Und wie der heilige Quell nicht Feuerbrände mir löschet,
Sondern Blumen auch oft labet und Auen im Lenz:
So auch ziemt es dem Geiste, wenn ihn durch erheiternde Künste
Auch darf nach meinem Dafürhalten der Umstand nicht unerwähnt bleiben, dasz der Fortschritt in den Wissenschaften nicht unwesentlich gefördert wird durch fromme Anrufung vornehmlich der jungfräulichen Gottesmutter, dann auch durch kindliche Verehrung des h. Hieronymus, der h. Katharina und
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anderer Heiligen. Was nämlich der Mensch gemäsz der Unbeholfenheit seines Geistes nicht zu fassen vermag, das wird er meistens auf die Fürbitten der Heiligen erreichen.
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Kap. 7. Von der Stärke des Gedächtnisses.
Lehren der Wissenschaft entgegennehmen, ohne sie im Gedächtnisse zu behalten, hat keinen Nutzen. Die, welche leicht empfänglichen Geistes sind, haben gewöhnlich ein weniger gutes Gedächtnis; diejenigen dagegen, welche das Lernen grosze Anstrengung kostet, behalten das Gelernte länger in ihrem Geiste. So nimmt eine weiche Masse den Siegelabdruck leicht an, aber es zergeht derselbe auch sogleich wieder; der Fels dagegen verliert die Zeichen, die in ihn eingehauen werden, nur nach vielen, vielen Jahren. Vor allem hat man sich davor zu hüten, dasz die Gedächtniskraft nicht etwa durch andauernde Bekümmernis oder durch nachhaltige Erschlaffung gleichsam durch Schlafsucht schwinde. Am meisten ist Trunkenheit zu meiden; nichts nämlich ist verderblicher für die geistige Kraft; sie richtet die Werkzeuge der äuszern und der innern Sinne zu Grunde und reibt den Geist mit samt dem Körper auf. Daher unterscheiden sich trunkene Schlemmer von Tieren nur noch durch ihre Leibesgestalt; weder die Füsze noch die Geisteskräfte leisten ihnen den schuldigen Dienst. Häufig ist das Haupthaar zu beschneiden, doch nicht sowohl zu dem Zwecke, dasz der Knabe zierlich aussehe, sondern auf dasz die Kammern des Gedächtnisses sich eines bessern Zustandes erfreuen, soll ihnen doch ein ungemein kostbarer Schatz an Wahrnehmungen und Erfahrungen anvertraut werden.
Doch es mag genug sein an diesen wenigen Worten der Ermahnung. Über die sonstigen Mittel, durch welche das Gedächtnis gestärkt werden kann, möge man, wenn es notwendig erscheinen sollte, die Ärzte um Rat angehen.
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Kap. 8. Dem Studierenden ist eine feste Gesundheit vonnöten.
Bei jeder Art des Studiums ist eine feste Gesundheit vonnöten. Wenn der Körper mit Krankheit behaftet ist, so
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erweist sich der Geist zum Nachdenken weniger geeignet. Aber es ist nicht in deine Hand gegeben, dasz du immer gesund bist. Die Gesundheit des Körpers ist gleich den andern Gütern ein Geschenk Gottes, welches kostbarer ist als Gold und Edelsteine. Gleichwohl hängt es von deinem Willen ab, die Mäszigkeit hoch zu halten, die da für die Festigkeit der Gesundheit von der gröszten Bedeutung ist, Höre auf die Worte des Columella, Ga naar voetnoot1 welcher hierüber vortreffliche Vorschriften gegeben hat: ‘ Wer sich durch grosze Thaten auszeichnen will, insonderheit wer in den Wissenschaften Ruhm zu erringen strebt, der musz sich des Schlafes und des Weines so viel wie möglich enthalten; Schlaf und Wein nämlich sind die schlimmsten Feinde des Fleiszes. Denn dem Trunkenen entschwindet das Pflichtgefühl ebenso wie das Gedächtnis, und dem Schläfrigen entgeht das meiste. Welche Thaten könnte er nämlich selbst vollführen, oder was könnte er schlafens Hohes und Ruhmwürdiges in seinen Gedanken ergründen!’
Auch von den Diensten der Liebesgöttin wende man sich ab. Wer sich nämlich diesen widmet, vermag an nichts anders zu denken als an das, was er liebt. Hat sich der Sinn von diesen Verlockungen bestricken lassen, so hält er keinen Preis für erfreuender als die Befriedigung der Begierde und kein Opfer für schwerer als die Vereitelung seines Verlangens.
Seneca Ga naar voetnoot2 sagt in einem Briefe an Lucilius Folgendes: ‘Beobachtet daher eine vernünftige und zweckdienliche Lebens-
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weise, so dasz ihr dem Körper euch nur in soweit nachgiebig zeigt, als dies zur Erhaltung der Gesundheit sich ausreichend erweist. Es ist derselbe mit einiger Strenge zu behandeln, auf dasz er nicht dem Geiste den gebührenden Gehorsam verweigere.’ Ga naar voetnoot1 Hierin verdient Sokrates Nachahmung. Derselbe soll, wie Gellius Ga naar voetnoot2 berichtet, eine solche Enthaltsamkeit bekundet haben, dasz er fast die ganze Zeit seines Lebens hindurch sich andauernder Gesundheit erfreute. Bei jener verheerenden Pest, welche im peloponnesischen Kriege vornehmlich die Stadt Athen durch mörderische Krankheit entvölkerte, Ga naar voetnoot3 hat jener durch die Weise seiner Mäszigung und Enthaltsamkeit sowohl sich vor Krankheit, wie sie dem Sinnengenusz entstammt, bewahrt als auch dem Körper die gesundheitsförderlichen Kräfte erhalten, so dasz er in keinerlei Weise dem sonst für alle gemeinsamen Unheil der Seuche ausgesetzt war.
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Kap. 9. Ein mäsziges Vermögen ist für den Schüler am zuträglichsten.
Auf dasz sich jemand mit den Wissenschaften beschäftigen könne, ist für ihn der Besitz des Notwendigen erforderlich. Es
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ist nämlich nicht gut möglich, dasz der Mensch einem gewinnbringenden Erwerb nachgeht und zugleich den Studien der Philosophie obliegt. Eine vernünftige Einrichtung war es daher, dasz bei den Ägyptern die Kaste der Priester, die für ihres Lebens Unterhalt nicht zu sorgen hatten, philosophische Studien anstellte, Ga naar voetnoot1 insofern ja der Weise und der Gerechte und andere ihresgleichen der Dinge bedürfen, die zum Leben notwendig sind. Und wie an einer andern Stelle gerade Aristoteles sagt: ‘Es ist unmöglich oder doch immerhin nicht leicht möglich, dasz einer, dem die Mittel fehlen, herrliche Thaten verrichtet, dem Freunde, Reichtum, Einflusz und Macht in der Bürgerschaft sind die Werkzeuge für viele solcher Thaten.’ Mit Recht sagt daher unser Juvenal: Ga naar voetnoot2
‘Schwer kommt einer empor, des Tugenden häuslicher Notstand Hemmend entgegen sich stellt.’
Und in einer anderen Satire sagt er mit ebenso viel Wahrheit als Menschenkenntnis: Ga naar voetnoot3
‘Aber der Meister des Sangs von nicht gewöhnlicher Ader,
Der des Verbraucheten nichts pflegt abzuspinnen und der nicht
Ein alltäglich Gedicht nur münzt von gemeinen Gepräge,
Diesen, wie nicht ihn schildern ich kann und nur ihn empfinde,
Macht ein Gemüt, das Kummers entbehrt, nichts Herbes erduldet,
Das nach Wäldern verlangt und vermag, der Aonischen Schwestern Ga naar voetnoot4
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Quellen zu trinken. Es kann in Pierischer Ga naar voetnoot1 Grotte ja nimmer
Sang anstimmen und nicht nach dem Thyrsus Ga naar voetnoot2 greifen betrübte
Armut, die auch des Geldes entbehrt, das bei Nacht und bei Tage
Heischet der Körper: Horaz ist satt, läszt hören er: ‘Euho!’ Ga naar voetnoot3
Wie kann blühen der Geist, wenn nicht Gesang nur sich mühet
Und sich ergriffen nur fühlt durch Cirrhas Herren und Nydas Ga naar voetnoot4
Euere Brust, die nicht es vermag zwei Sorgen zu tragen?’
Mitunter pflegt gleichwohl inmitten der äuszersten Schwierigkeiten eine edle Natur nach Art der Palme sich in die Höhe zu erheben, und gewöhnlich schadet guten Anlagen maszlose Fülle des Besitzes mehr als selbst der gröszte Mangel.
‘Maszlos werden die Menschen zumeist, wenn das Glück ihnen hold ist;
Gleichmut zu wahren im Glück ist für die Menschen nicht leicht.’
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‘Für viele, sagt Seneca, sind Reichtümer ein Hindernis zur Pflege der Philosophie.’ Ga naar voetnoot1 Deshalb - wie der h. Hieronymus in seinem Briefe an Paulinus erwähnt - befreite sich Krates, Ga naar voetnoot2 einst der reichste unter den Thebanern, von seinem vielen Gelde, als er nach Athen ging, um dort philosophische Studien zu betreiben; er war der Meinung, dasz er nicht zu gleicher Zeit Tugenden und Reichtümer besitzen könne. ‘Willst du deine freie Zeit - sagt Seneca - dem Geiste widmen, so muszt du entweder arm oder dem Armen ähnlich sein. Dein Streben kann nicht ersprieszlich werden ohne Sorge für Mäszigkeit, Mäszigkeit aber ist freiwillige Armut.’ Ga naar voetnoot3
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Kap. 10. In welcher Weise der reiche, der wenig bemittelte, der mittellose Schüler leben soll.
Wenn deine Eltern Reichtum in Fülle besitzen und dich mit Geld freigebig ausrüsten, so treibe keinen Miszbrauch mit demselben und setze kein allzugroszes Vertrauen auf dasselbe. Die Wissenschaften gehen - wie Hieronymus in seinem Briefe an Rufinus sagt - nicht dem Geldbeutel nach; sie sind die Begleiter von innerer Mühe und Anstrengung; sie sind die Genossinnen der Hungrigen und nicht der Gesättigten, der Mäszigen und nicht der Verschwender. Demosthenes Ga naar voetnoot4 soll mehr Geld für Öl als für Wein ausgegeben haben; allen Künstlern soll er es stets in nächtlichen Arbeiten zuvorgethan haben.
Wenn deinen Eltern beschränkte Mittel zur Verfügung stehen, wenn sie diese Mittel durch eigene Arbeit zu erwerben und durch strengste Wirtschaftlichkeit zusammenzuhalten suchen, auf dasz du um so ungehinderter dich den Studien der schönen Künste widmen könnest, so hüte dich, dasz du nicht etwa nach der Weise nichtsnutziger Menschen häufiger Schenken und Gar-
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küchen als das Gymnasium aufsuchest. Sondere dich lieber ab von denen, die reiche Mittel im Überflusz haben. Gieb das, was unter vielem Schweisz erworben worden, nur für unabweisbare Bedürfnisse aus. Finde Gefallen an deinen Büchern, halte sie in Ehren und liebe sie auf das zärtlichste. Trachte nicht nach Vergnügungen, sondern fliehe weit weg von ihnen. Denke daran, dasz du zu etwas Gröszereum geboren bist, als der Sklave deines Leibes zu sein. Wähle dir solche Speisen aus, welche nahrhaft und der Gesundheit dienlich sind, nicht aber solche, welche den Gaumen durch lieblichen Geschmack kitzeln. Sei für den kommenden Tag insoweit besorgt, dasz du es verstehst, mit geringen Mitteln eine geraume Zeit auszukommen, auf dasz du nicht genötigt bist unter häufiger Unterbrechung der Studien in deine Vaterstadt zurückzukehren. Die Natur ist mit wenigem, selbst mit dem wenigsten zufrieden. Ist der Bauch fett, so ist der Geist mager. Die Kleider sollen dir nicht zum Prunk oder zum Schmuck, sondern zum Schutze des Leibes dienen. Schmücke deinen Geist mit guten Sitten. Wenn etwas abgenutzt ist, so lasse es beizeiten wieder in stand setzen, auf dasz du dich nicht später mit einer gröszeren Ausgabe belastet findest.
Wenn du indes ganz und gar mittellos bist, und wenn dir nicht dasselbe Geschick zu teil wird, welches ehedem dem Protagoras Ga naar voetnoot1 widerfahren sein soll - als nämlich Demokrit Ga naar voetnoot2 aus Abdera sah, wie dieser, um sich den Lebensunterhalt zu erwerben, ein Bündel Holz trug, nahm er ihn mit sich, sorgte für seinen Unterhalt und unterwies ihn in den Lehren der Philosophie - so muszt du dich der Notwendigkeit beugen und ehrenwerten freigebigen Menschen deine Dienste widmen und deine Arbeitskraft mitunter verdingen und deinen Geist soweit, wie es angeht, von den Arbeiten abwenden und dem Studium
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der Philosophie widmen. Plautus, Ga naar voetnoot1 der launigste unter den Lustspieldichtern, soll behufs Erwerbung des Lebensunterhaltes sich einem Bäcker verdingt haben, um die Mühle, die man Handmühle nennt, zu drehen. Der Philosoph Kleanthes Ga naar voetnoot2 trug des Erwerbes wegen des Nachts Wasser zur Befeuchtung der Gärten herbei.
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Kap. 11. Über den zwiefachen Ort des Studiums.
Der Ort, wo du deine Studien vornehmen kannst, ist ein zwiefacher: ein öffentlicher und ein häuslicher. Besuche den ‘öffentlichen’ Ort des Studiums, wenn demselben ein tüchtiger Rektor vorsteht. Jener Ort darf indes nicht unbequem oder ungeeignet gelegen sein. Aber man soll dabei nicht auf die himmelanstrebende Masse des Gebäudes achten; auch wird die Schule dadurch nicht besser, dasz sie mit mancherlei Gemälden und Bildsäulen geschmuckt ist, oder dadurch, dasz sie das Auge ergötzt durch den ungehinderten Ausblick auf den vorbeigleitenden Strom oder auf grünende Wiesen. Wenn die Schule dagegen abseits liegt von dem Verkehr und dem Gewühl des Volkes, so ist sie zu loben, so eignet sie sich zu Studien. Die Platoniker
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und die Stoiker Ga naar voetnoot1 suchten die Tempel und ihre Säulenhallen auf, damit sie unter dem Eindruck der Heiligkeit dieses beschränkten Aufenthaltsortes ihre Gedanken auf nichts anderes als auf die Tugend richteten. Plato selbst war zwar reich; ein Anzeichen dafür liegt darin, dasz Diogenes einst das Lager desselben mit schmutzigen Füszen betrat; Ga naar voetnoot2 - gleichwohl wählte er, um der Philosophie seine Musze zu widmen, die Akademie aus, ein Landgut, welches, fern von der Stadt, nicht nur öde und verlassen dalag, sondern auch ungesund war, Ga naar voetnoot3 auf dasz die Nachstellungen der Begierden durch die Sorge um andauernde
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Krankheiten gebrochen würden, auf dasz seine Schüler kein anderes Vergnügen empfänden als das, welches die Erkenntnisse, die sie sich zu eigen machten, ihnen bereiteten.
Den häuslichen Ort des Studiums aber sollst du dir, wofern du in einer fremden Stadt weilst, bei Leuten wählen, die in Ehrbarkeit leben und von der Furcht des Herrn erfüllt sind. Denn, wie Seneca schreibt - wir sollen einen Ort auswählen, der nicht sowohl der Gesundheit des Leibes als der Gesundheit der Sitten zuträglich ist. Deshalb möchte ich nicht unter Henkersknechten wohnen, ebenso nicht unter Garköchen. Wir sollen bei der Wahl des Ortes so verfahren, dasz wir die Lockungen des Lasters soweit wie möglich von uns fern halten. Unser Sinn ist zu stählen und den Schmeicheleien der Lust zu entziehen. Wähle dir deshalb, studierender Jüngling, eine solche Hausgenossenschaft aus, die deinem Studium nicht zum Hindernis werden kann. Hüte dich, Wohnung zu nehmen in einer Herberge, woselbst die Reisenden absteigen, oder bei einem Kuppler, oder in einer Spielhölle, oder in einer Schenke. Die Behausung einer ‘Thais’ Ga naar voetnoot1 meide von weitem gleichwie die Charybdis. Ga naar voetnoot2 Ick möchte, dasz du solche Hausgenossen hättest, von denen du lernen und mit denen du dich in den Wissenschaften üben kannst. Guten Beispielen wohnt eine grosze Kraft inne für die Hinführung zum Bessern. Wenn sich die Möglichkeit darbietet, so möchte ich, dasz du mit einem Lehrer oder mit einem wissenschaftlich Gebildeten oder mit einem Priester von erprobtem Wandel zusammen lebtest, auf dasz du die Sitten und die Lebensweise desselben von Grunde aus kennen lerntest und an der Hand täglicher Gewöhnung nachahmtest. Wenn du vielleicht in deiner Unerfahrenheit bei gewöhnlichen und gemeinen Leuten deine Wohnung gemietet hast, so wechsele dieselbe, sobald du es rechtlich thun kannst. In der Zeit aber, die du inzwischen dort verweilst, halte dich aufs sorgfältigste von Lastern fern und begieb dich häufig an andere Orte zu wissenseifrigen Mitschülern.
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Kap. 12. Uber die Ausnutzung der Zeit.
Man erzählt, dasz einer gegen die Natur Klage erhoben habe, weil sie Schlangen, Krähen, Hirschen, Elefanten und andern Lebewesen dieser Art ein sehr langes Leben verliehen habe, während sie dem Menschen, dem Lernbegierde angeboren sei und der fähig sei, die göttlichen Dinge zu erfassen, nur eine sehr kurz bemessene Lebenszeit zugestanden habe. Aber gewaltig fürwahr! irren jene, die solches vermeinen, da sie dabei an Gott und an die Bestimmung der Menschen nicht denken. Wenn wir des und allen gemeinsamen Ausganges des Lebens eingedenk bleiben, wenn wir die kurze Zeit weder mit niedrigem Thun ausfüllen noch mit eitlen und faden Dingen verbringen, wenn wir sie vielmehr auf treffliche Studien verwenden, so ist kein Grund vorhanden über die Kürze des Lebens zu klagen. Ausreichende Zeit zum Studium werden wir haben, wofern wir dem berühmten Plinius Secundus Ga naar voetnoot1 nachahmen, welcher alle Zeit für verloren hielt, die er nicht den Studien zuwandte. Nur wenig Schlaf gönnte er sich und selbst zur Zeit des Mahles, bei welchem er die gröszte Mäszigkeit beobachtete, und auf der Reise. Auch Cato Ga naar voetnoot2 hatte die Gewohnheit, in der Zeit,
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während sich der Senat versammelte, in der Curie mit Eifer in seinen Büchern zu lesen; so kann es, dasz er Ratschläge zu geben pflegte, die nicht für den jemaligen Augenblick allein, sondern für alle Zeiten dem Vaterlande zum Heile gereichten.
Auch König Alexander von Macedonien, welcher nicht nur den Namen des Groszen führte, welcher auch durch seine Herrschergewalt grosz war, pflegte gar viel im Lager zu lesen. Julius Cäsar, der uns das römische Reich geschaffen hat, schrieb seine Bücher, während er mit dem Heere auf dem Marsch war. Ga naar voetnoot1 Wiewohl Augustus während des Krieges von Mutina ein so groszes Unternehmen in Angriff genommen hatte, pflegte er gleichwohl im Lager zu lesen oder zu schreiben und sich täglich in der Redekunst zu üben. Ga naar voetnoot2 Seneca schreibt im 8. Briefe an Lucilius über sich selbst folgendes: ‘Kein Tag verflieszt mir
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in Unthatigkeit, einen Teil der Nächte wahre ich den wissenschaftlichen Beschäftigungen. Ich bleibe nicht ohne Schlaf, aber ich erliege ihm; Ga naar voetnoot1 meine vom Wachen ermatteten und zufallenden Augen halte ich noch auf die Arbeit geheftet.’ Ga naar voetnoot2 Wenn Aristoteles sich zur Ruhe niederlegte, nahm er eine Erzkugel in die Hand; unter derselben stand ein Erzgefäsz, auf dasz er, sobald die Kugel seiner Hand entfallen war, durch den Klang zur Wiederaufnahme seiner Studien und Betrachtungen geweckt werde.
Diese Beispiele wollen wir uns vor Augen führen, damit uns endlich die Scham darüber befällt, dasz wir einen so groszen Teil unserer Lebenszeit im Schlafe verbringen. Sicherlich werden wir und dadurch aufgemuntert fühlen und wir werden den schönen Künsten um so eifriger obliegen, wenn wir den Wert der Zeit erkannt haben.
‘Ist sie verronnen, man ruft zurück nie wieder die Woge.
Ist sie verronnen, es kehrt nimmer die Stunde zurück.’ Ga naar voetnoot3
Die Zeit der Kindheit flieszt reiszend schnell dahin; die Weise der Kindheit indes haftet an uns, wofern wir nicht thätig sind im Lernen. Nach Kraft und Möglichkeit wollen wir uns daher unsern Beschäftigungen unterziehen und unsere Zeit auf das Studium dessen, was uns not thut, verwenden. Bisweilen soll gleichwohl die geistige Arbeit unterbrochen werden, so lange nämlich jemand körperlich zu arbeiten genötigt ist. Denn wie der Philosoph im 8. Buche der Politik schreibt: ‘Zu gleicher Zeit mit dem Verstande und mit dem Körper angestrengt arbeiten, taugt nicht. Beide Arten von Arbeiten bringen ihrer Wesenheit nach entgegengesetzte Wirkung hervor: Die körperliche behindert den Geist, die geistige aber den Körper’ Ga naar voetnoot4
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Kap. 13. Über die zwiefache Art der Musze.
Über die Ausnutzung der Zeit habe ich meines Erachtens genug gesagt. Nunmehr will ich, wie dies der Gedankengang keineswegs zurückweist, über die zwiefache Art der Musze einige Bemerkungen anreihen, deren Erkenntnis nicht unwillkommen sein dürfte. Es giebt eine Musze, bei welcher wir uns von allem zurückziehen und uns in verdrossener Unthätigkeit verzehren. Diese Musze bekundet Unfreude am Schönen, an der Bildung, an Arbeit und Anstrengung; sie ist weiterhin schimpflich und verwerflich, weil sie uns jeglicher Menschenwürde entkleidet und uns den unvernünftigen Tieren zugesellt. Hierüber spricht sich Seneca dahin aus: ‘Musze ohne wissenschaftliche Beschäftigung ist der Tod und das Grab eines lebendigen Menschen.’ Eine solche Musze macht den Menschen zu den Lüsten und zu jeglicher Unmäszigkeit geneigt. Daher sagt Ovid im ersten Buche über die Heilmittel der Liebe in trefflicher Weise:
‘Wenn du die Musze verscheuchst, ist Amors Bogen vernichtet
Und die Fackeln des Gotts liegen verschmäht und verlöscht.
Wie die Platane des Bachs, wie die Pappel des Wassers sich freuet,
Und wie dem Rohre des Sumpfs schlammiger Boden behagt,
Und ein anderer Dichter singt nicht ohne Geschmack:
‘Nicht aus der Üppigkeit Prunk erwachsen die glanzvollen Namen;
Nicht in weichlicher Ruh' wurzeln Ehre und Ruhm.’
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Plato pflegte seinen Schülern zu sagen: ‘Ziehet die Musze der Arbeit vor, wofern ihr nicht vermeint, dasz der Rost den Glanz überstrahle.’ Daher schrieb auch Baptist von Mantua im ersten Buche der Parthenice: Ga naar voetnoot1
‘Wenn säumigen Sinne noch Musze gegönnt wird,
Stumpft er thatlos sich ab: an Schlaffheit verderben die Geister,
Denen Empfänglichkeit mangelt. Das Eisen, das täglich gebraucht wird,
Strahlet in dauerndem Glanz, und froh seines glanzvollen Anblicks,
Möcht' es dem prunkenden Silver an schimmernder Zierde es gleichthun.
Fällt es lange der Ruhe anheim: übergieszt es mit Rost sich,
Schwärzlich wird es und rauh, gar bald sind die Tage gezählt ihm.’
Die zweite Art der Musze ist die, bei welcher der Geist von den Beschäftigungen des tagtäglichen Lebens sich zurüchkzieht zu den Studien der Weisheit und zu stiller Gedankenarbeit. Diese Musze zeugt von Liebe zum Schönen, zur Bildung, zur geistigen Anstrengung; sie ist etwas durchaus Schönes, und mehr als alles andere ist sie des Lobes wert. Über sie sagt Tullius im 5. Buche der Tusculanen: ‘Was ist schöner als eine wissenschaftliche Musze?’ Ga naar voetnoot2 Und Plinius der Jüngere schreibt
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in seinem Briefe an Minutius Fundamus: ‘Das ist eine süsze, verständige Geschäftslosigkeit, gegen die fast jedes Geschäft zurücktreten musz.’ Ga naar voetnoot1 Dasselbe hat auch unser Dichter Maro Ga naar voetnoot2 in seiner Weise zum Ausdruck gebracht. Seneca schreibt im achten Briefe an Lucilius folgendes: ‘Glaube mir, die nichts zu thun scheinen, thun oft weit Wichtigeres; Menschliches und Göttliches treiben sie zu gleicher Zeit.’ Deshalb pflegte auch Publius Scipio, Ga naar voetnoot3 der erste dieses Namens, welcher Africanus genannt wurde, zu sagen - wie dies Cato Ga naar voetnoot4 schreibt - er sei niemals weniger müszig gewesen als im Zusammenleben mit solchen, die sich der Musze hingeben, und er sei niemals weniger allein gewesen, als wenn er mit sich selbst allein gewesen.
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Kap. 14. Der Studierende soll sich Ruhe und Heiterkeit des Gemütes wahren.
Der studierende Jüngling soll ein ruhiges und leidenschaftloses Gemüt haben, auf dasz er die Weisungen seines Lehrers ohne Murren und ohne Furcht entgegennehme. Lastern
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darf er nicht ergeben sein. Gott liebe er aus seinem ganzen Herzen und beobachte seine Gebote mit gröszter Gewissenhaftigkeit. Der jungfräulichen Gottesmutter Maria zolle er häufig mit freudig ergebenem Sinne seine Verehrung. Eltern und Lehrern sei er gehorsam. Ehrenwerten Männern, Klerikern und Priestern erweise er die schuldige Ehre. Gegen alle Menschen zeige er sich freundlich und gefällig. Auf diese Weise wird er in kurzer Zeit in den Wissenschaften wie in den Tugenden grosze Fortschritte machen. In ein böswilliges Gemüt wird die Weisheit nicht eingehen. Wer sich eines lasterhaften Lebens bewuszt ist, kann nichts Rechtes thun; er wird beständig von schwerer Betrübnis gequält und wie Juvenal sagt: Ga naar voetnoot1
‘Unaufhörliche Angst weicht auch zu der Stunde des Mahls nicht.’
Ein ruhiger Sinn dagegen ist gleichsam ein immerwährendes Gastmahl.
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Kap. 15. Es ist geboten, einen wohlerprobten Lehrer auszuwählen.
Mit gröszter Sorgfalt ist darauf zu achten, dasz ein wohlerprobter Lehrer ausgewählt werde, von welchem der Knabe mit allem Eifer unterwiesen werden soll. Im sechsten Buche über die Gesetze Ga naar voetnoot2 schreibt Plato folgendes: ‘Der Mensch gehört, wie wir behaupten, zu den zahmen Geschöpfen. Wenn er bei einer günstigen Beanlagung die richtige Erziehung genieszt, so wird er - so viel ist gewisz - zum herrlichsten und sanftesten Wesen heranreifen. Wenn man ihm aber eine ungenügende oder schlechte Erziehung zu teil werden läszt, so wird er zum wildesten Geschöpfe werden, das die Erde hervorbringt. Deshalb darf der Gesetzgeber eine so wichtige Sache wie die Erziehung der Jugend nicht hintansetzen; er hat sich vielmehr zu bemühen, den tüchtigsten Mann auszuwählen, dem er die Erziehung der Knaben anvertraut.’ Derselbe Plato pries - wie dies Plutarch im Leben des Marius berichtet Ga naar voetnoot3 - in den
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Tagen, da er den Tod herannahen fühlte, seinen guten Genius und sein Geschick dafür, dasz er fürs erste als ein Mensch und nicht als ein vernunftloses Tier, zum zweiten, dasz er als ein Grieche und nicht als ein Barbar zur Welt gekommen, und an dritter Stelle, dasz er zu den Zeiten des Sokrates gelebt habe. So hoch schätzte dieser erhabene Mann die Weisheitsfülle seines Lehrers. Auch König Philipp von Macedonien sagte den Göttern seinen heiszesten Dank für das Glück, dasz ihm zu den Zeiten des Aristoteles ein Sohn geboren. Philipps Absicht ging dahin, dasz sein Sohn von diesem groszen Philosophen in den Anfängen der Wissenschaften unterwiesen werden sollte. Durch irgend einen Irrtum indes erhielt Leonidas Ga naar voetnoot1 diese Stelle, welcher - wie Diogenes von Babylon Ga naar voetnoot2 berichtet - den Alexander an gewisse Fehler gewöhnte, die auch späterhin dem groszen und gewaltigen Könige dank der Erziehung in seinen Kinderjahren anhafteten. Es giebt nichts, das einen schwankenden und zum Laster geneigten Sinn eher ins Verderben stürzt als die Überredung seitens schlechter Lehrer, welche Plato in dem Gespräche, das die Aufschrift ‘Sophistes’ Ga naar voetnoot3 führt, nicht Lehrer, sonder Verführer und Betrüger nennt mit diesen Worten: ‘Die Verführer täuschen gleichsam mit Hilfe von gewissen Blendwerken und Gaukeleien die Jünglinge, die noch weit entfernt sind von der Erkenntnis der Wahrheit der Dinge.’
Vornehmlich sind auch prahlerische Menschen zu meiden,
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welche, - wie Fabius Ga naar voetnoot1 sagt, - wenn sie kaum über die Anfänge der Wissenschaften hinaus gekommen sind, sich selbst in eine irrige Überzeugung von dem eigenen Wissen hineinleben. Denn sie halten es unter ihrer Würde, andern gegenüber nachzustehen, welche im Lehren erfahren sind, und pochend auf ein gleichsam in ihren Vorzügen begründetes Recht, auf welches hin sich fast diese ganze Art von Menschen aufbläht, lehren sie bisweilen unter lärmender Anmaszung die eigene Unwissenheit.
Aber auch solche sind nicht (als Lehrer) zu billigen, welche zwar für ausreichend gebildet erachtet werden, aber gleichwohl die Knaben nicht in rechter Weise unterrichten, sondern dieselben mit Vorliebe hinhalten; teils werden sie dabei von dem Verlangen geleitet, für weitere Zeit ihren mäszigen Lohn zu beziehen; teils werden sie von dem Ehrgeiz bestimmt, das, was sie (zu lehren) versprochen haben, für um so schwieriger erscheinen zu lassen und für sich selbst den Anschein umfassender Gelehrsamkeit und viellseitigen Unterrichts zu gewinnen; teils trägt bei ihnen dazu bei die eigene Unfähigkeit oder die Nachlässigkeit im Unterrichten.
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Kap. 16. Über die Eigenschaften und Pflichten eines guten Lehrers.
Ein guter Lehrer, welcher würdig ist, dasz seiner Leitung der Unterricht der Knaben anvertraut werde, soll mit vorzüglicher Tugend und Gelehrsamkeit begabt sein. In seiner Sprache, namentlich aber in seinen Sitten erweise er sich allem Ungebildeten und Rohen abgeneigt; in den Studien, wie der Humanismus sie pflegt, sei er durchaus erfahren; er sei nicht nur selbst vertraut mit den Wissenschaften, sondern er befleiszige sich auch der besten Weise, sie andern mitzuteilen. Er hüte sich vor allem, nach Art der meisten Lehrer bei den Anfängen des grammatischen Studiums die Schüler hinzuhalten mit überflüssigen Regeln und mit weitschweifigen und mannigfaltigen Erklärungen vieler Wörter in Anlehnung an die Weise des Alexander Gallus. Ga naar voetnoot2
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Dieselben können vielmehr weit bequemer und mit weit gröszerem Vorteil für ihre Studien nach kurzer Behandlung der grammatischen Regeln an einem Hirtengedichte des Virgil oder an einem Lustspiele des Plautus oder des Terenz Ga naar voetnoot1 oder an den Briefen oder Gesprächen des Cicero die Bedeutung der Wörter kennen lernen und sich an den wahren und reinen Sprachgebrauch im Lateinischen gewöhnen. ‘Er ziehe vielmehr das, was Nutzen bringt, dem vor, was auf Glanz und Prunk berechnet ist. Solange er noch mit Anfängern, deren Anlagen erst der Entwicklung bedürfen, zu thun hat, belaste er nicht ohne weiteres den schwachen Geist der Lernenden, sondern zügele seine Kräfte und richte sich nach dem Fassungsvermögen seiner Zuhörer. Denn wie Gefäsze mit enger Öffnung eine Flüssigkeit, die in Menge über sie ausgegossen wird, nicht aufnehmen, aber von solchen Flüssigkeiten, die allmählich ihnen eingegossen oder gar eingeträufelt werden, angefüllt werden, so ist auch darauf
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Obacht zu geben, wie viel der Geist der Knaben in sich aufnehmen kann.’ Ga naar voetnoot1 Es ist dabei der Mahnung, die Horaz in der ars poetica giebt, folgezuleisten:
‘Was du für Lehren auch giebst, sei kurz, dasz schnell das Gesagte
Fasse gelehrig der Geist und treulich im Lernen bewahre:
Alles, was über das Masz, nimm ab vom beladenen Herzen.’ Ga naar voetnoot2
Es ist nicht genug, dasz der Lehrer seine Schüler in den Wissenschaften unterweise, wenn er nicht auch durch die Strenge der Zucht die Sitten derer, die sich um ihn scharen, zu zügeln weisz. ‘Vor allem soll er daher gegen seine Schüler eine väterliche Gesinnung annehmen; er soll der Meinung leben, dasz er an die Stelle derer trete, von welchen ihm die Kinder anvertraut worden. Er selbst darf keine Fehler an sich haben, noch darf er Fehler an andern dulden. Seine Strenge sei nicht kalt, seine Heiterkeit sei nicht ungebunden, auf dasz nicht jene Hasz und diese Verachtung erzeuge. Gar häufig rede er von dem, was ehrenhaft und gut ist. Denn je öfter er ermahnt, um so seltener wird er züchtigen. Jähzornig darf er unter keinen Umständen sein. Solches, dem Verbesserung not thut, darf er nicht übersehen. Sein Unterricht sei ungekünstelt. Er zeige Geduld bei seinen Arbeiten; Ausdauer sei ihm dabei lieber als Übermasz. Denen, die ihn fragen, antworte er gerne; diejenigen, die ihn nicht fragen, forsche er aus eignem Antriebe aus. In dem Lobe der Vorträge seiner Schüler sei er weder karg noch verschwenderisch; jenes - Kargheit - erzeugt Unlust an der Arbeit, dieses - Verschwendung - sorglose Sicherheit. Bei der Verbesserung des Fehlerhaften sei er nicht bitter, am wenigsten aber schmähsüchtig. Denn gerade der Umstand, dasz manche Lehrer in einer Weise ihren Tadel aussprechen, als ob sie den, welchen sie tadeln, haszten, schreckt viele von dem Vorhaben ab, sich den Wissenschaften zu widmen. Er selbst trage täglich einiges, ja vieles vor, was die Zuhörer mit-
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nehmen können. Wenn freilich auch das Lesen genugsam Beispiele zur Nachahmung darbietet, so hat gleichwohl das lebendige Wort, wie man sagt, gröszere Nährkraft, namentlich das Wort eines Lehrers, welchen die Schüler, wofern sie nur richtig erzogen worden sind, lieben und verehren. Es läszt sich kaum aussprechen, mit wie groszer Freude wir denjenigen nachahmen, denen wir unsere Gunst zugewandt haben.’ Ga naar voetnoot1 - Es halte aber der Lehrer die Schüler an, zeitig in der Schule zu erscheinen und das, was zur Niederschrift vorgetragen wird, stillschweigend anzuhören und sauber in wohlgebundene Hefte einzutragen; er erinnere dabei fleiszig an die Forderungen der Rechtschreibung und der Zeichensetzung. Wenn dann der Vortrag beendet ist, gebiete er Schweigen und bestimme bei allseitiger gröszter Aufmerksamkeit irgend einen zum Vorleser, damit sie sich auch an richtiges Lesen und an tadellose Aussprache gewöhnen. Liest der Vorleser gut, so lobe er ihn; hat derselbe eine schlechte Aussprache, so tadele er ihn, auf dasz die Schüler aus Scheu vor Beschämung und aus Begierde nach Belobigung es einander in ehrenvollen Wettstreite auf dem Gebiete der Wissenschaften zuvorzuthun suchen und auf dasz sie das, was in der Schule Ga naar voetnoot2 vorgenommen werden soll, zuvor zu Hause eifrig durchdenken.
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Kap. 17. Erprobte Lehrer soll man selbst unter Mühen und Beschwerden aussuchen.
Bewährte Lehrer sind sehr selten; deshalb soll man mit dem gröszten Eifer sie aufzufinden suchen. Es verdriesze dich nicht, sagt Sokrates, einen weiten Weg zu denjenigen zu machen, die sich da anbieten, dich etwas Nützliches zu lehren. Schändlich wäre es nämlich, wenn die Kaufleute so weite Meere
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durchschifften, um ihren Reichtum zu mehren, wenn die Jünglinge dagegen nicht einmal die Anstrengungen eines weiten Weges zu ertragen vermöchten, um ihren Geist auszubilden. Das Beispiel des Euklid aus Megara Ga naar voetnoot1 verdient Nachahmung. Über die denkwürdige That desselben berichtet bei Gellius Ga naar voetnoot2 der Philosoph Taurus. Ga naar voetnoot3 Durch ein Gesetz, so erzählt derselbe, hatten die Athener bestimmt, dasz jedem Bürger aus Megara, welcher die Stadt Athen beträte und daselbst ergriffen würde, dies als ein todeswürdiges Verbrechen angerechnet werden sollte. Ga naar voetnoot4 Solchen Hasz trugen die Athener den ihnen benachbarten Megarensern nach. Euklid nun, welcher ebenfalls aus Megara stammte, pflegte vor dem Erlasz dieses Gesetzes sich in Athen aufzuhalten und den Sokrates zu hören. Nachdem dieses Gesetz erlassen worden, ging er beim Einbruch der Nacht, bevor es dämmerte, mit einem langen Weibergewande angethan und in einen buntfarbigen Mantel gehüllt mit verhülltem Haupt und Antlitz aus seinem Hause zu Megara nach Athen zu Sokrates, auf dasz er für einen Teil der Nacht an den Beratungen und Gesprächen bei demselben teilnehmen könne. Gegen Tagesanbruch hinwieder ging er in derselben Kleidung den Weg von etwas mehr als 20 000 Schritt zurück. Wir lesen, dasz die gröszten Gelehrten keine Mühen scheuten, um von den Lehrern der Weisheit noch mehr zu lernen. So suchte Pythagoras die Seher zu Memphis, Ga naar voetnoot5 Plato ging nach Ägypten und zu
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Archytas von Tarent; er durchwanderte unter vielen Beschwerden denjenigen Teil Italiens, welcher ehemals Groszgriechenland hiesz. Er, welcher als Lehrer zu Athen hohe Bedeutung gewonnen hatte, er, von dessen Lehren die Hallen der Akademie ertönten, wurde ein Fremdling und ein Schüler, da er lieber Fremdes bescheiden lernen, als Eigenes andern anmaszend aufdrängen wollte. Als er schlieszlich den gleichsam über den ganzen Erdkreis sich verflüchtigenden Wissenschaften nachging, wurde er von den Seeräubern gefangen und verkauft; so hatte er dann dem grausamsten Gewaltherrscher Gehorsam zu leisten; der Philosoph aber war auch als gefesselter Gefangener und als Sklave gröszer als derjenige, welcher ihn kaufte. Ga naar voetnoot1
Wir lesen, dasz zu Titus Livius, bei dem die Gabe der Beredsamkeit in hellen Strömen hervorbrach, einige vornehme Männer aus den äuszersten Teilen Spaniens und Galliens gekommen seien. Ga naar voetnoot2 Die, welche die Stadt Rom nicht zu ihrer
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Besichtigung hatte herbeiziehen können, zog der Ruf eines einzigen Mannes herbei. Jenes Zeitalter wies ein unerhörtes und für alle Jahrhunderte denkwürdiges Wunder auf, dasz nämlich diejenigen, welche jene gewaltige Stadt betraten, etwas aufsuchen wollten, was jene Stadt als Stadt nicht zu bieten vermochte.
Apollonius, Ga naar voetnoot1 jener Zauberer, wie ihn das Volk nennt, jener Philosoph, wie ihn die Pythagoreer nennen, ging zu den Persern, überstieg den Kaukasus, suchte die Albaner, Ga naar voetnoot2 die Scythen, Ga naar voetnoot3 die Massageten Ga naar voetnoot4 auf, durchwanderte die reichen Länder Indiens
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und kam schlieszlich nach Überschreitung des mächtigen Flusses Physon Ga naar voetnoot1 zu den Brahmanen, Ga naar voetnoot2 um den Jarchas, der auf goldenem Throne sasz und aus der Quelle des Tantalus trank, Ga naar voetnoot3 inmitten weniger Schüler über die Natur, über die Sitten, über den Lauf der Gestirne und der Tage lehren zu hören. Von da kehrte er durch das Gebiet der Elamiter, Ga naar voetnoot4 der Babylonier, der Chaldäer, Ga naar voetnoot5 der Meder, der Assyrer,
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Parther, Ga naar voetnoot1 Syrer, Phönicier, Araber, Palästinenser nach Alexandria zurück. Dann zog er weiter nach Äthiopien, um die Gymnosophisten Ga naar voetnoot2 und den berühmten Sonnentisch Ga naar voetnoot3 in der Wüste
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zu sehen. Überall fand er solches, woran er lernen konnte. Indem er beständig reiste, vervollkommnete er sich beständig. Soweit der hl. Hieronymus. Quintilian aber sagt im ersten Buche der ‘Anleitung zur Beredsamkeit’ von Plato folgendes: ‘Warum zeichnete sich Plato in alle dem aus, was einer, der Redner werden will, nach meinem Dafürhalten zu lernen hat? Er war nicht zufrieden mit den Kenntnissen, in welchen sich Athen hervorzuthun vermochte; desgleichen begnügte er sich auch nicht mit den Lehren der Pythagoreer, zu welchen er die Meerfahrt nach Italien unternommen hatte; sondern er suchte auch die Priester Ägyptens auf und lernte die Geheimnisse derselben kennen.’ Ebenderselbe schreibt im 12. Buche über Cicero folgendes: ‘Marcus Tullius beobachtete folgende Weise. Nachdem er unter den damals lebenden Sachwaltern sich einen berühmten Namen erworben hatte, begab er sich zu Schiffe nach Asien und suchte daselbst zwar auch bei andern Lehrern der Weisheit und Beredsamkeit, vornehmlich aber zu Rhodus bei Apollonius Molon, Ga naar voetnoot1 welchen er bereits zu Rom aufgesucht hatte, die Vollendung seiner Bildung.’ Von unsern Landsleuten will ich nicht reden; hier bieten sich allerorts Beispiele in Fülle dar. Der Spanier Drosius Ga naar voetnoot2 suchte, um das Wesen der Seele kennen zu lernen, zuerst den Augustinus, dann den Hieronymus in überaus langer und beschwerlicher Fahrt auf. Und selbst Hieronymus begnügte sich nicht damit, zu Rom den
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Rhetor Victorinus Ga naar voetnoot1 und den Grammatiker Donatus Ga naar voetnoot2 gehört zu haben: er begab sich nach Konstantinopel und hatte daselbst den Gregor von Nazianz Ga naar voetnoot3 zu seinem Lehrer in der hl. Schrift; auch hörte er häufig zu Antiochia den Apollinaris. Ga naar voetnoot4 Als seine Haare schon grau waren, zog er nach Alexandria, um dort von dem blinden Didymus Ga naar voetnoot5 noch tiefer in die Studien der Weisheit eingeführt zu werden. Später kehrte er nach Bethlehem zurück und lernte dort heimlich zur Nachtzeit hebräisch. Seine Lehrer fürchteten nämlich, es möchten die Juden Kunde erhalten und dann ihre Wut gegen ihn wenden. Ga naar voetnoot6
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Kap. 18. Es ist irrig, Kinder, die in einer volkreichen Stadt, woselbst die Pflege der Wissenschaft in Blüte steht, geboren sind, anderswohin gröszerer Vervollkommnung wegen zu schicken.
Es ist also ein tüchtiger Lehrer sogar auf mühevollem Wege aufzusuchen. Knaben, die in einer volkreichen Stadt geboren sind, woselbst ein berühmter Lehrer der Leiter des Gymnasiums ist, sollen namentlich im zarten Alter nicht an einen andern Ort geschickt werden, um sich dort in der Wissenschaften unterweisen zu lassen. Welche Thorheit wäre es nämlich, wenn im eigenen Hause Weizenbrot vorhanden ist, lieber erbetteltes Kleienbrot zu essen. Dieselbe Thorheit fände sich bei solchen Menschen, die da der Meinung sind, dasz ihre Kinder auszerhalb der Vaterstadt bessere Fortschritte machen. Sie können sicherlich - wenn wir Plinius dem Jüngeren Glauben schenken
Ga naar voetnoot1 - weder einen angenehmeren Aufenthalt finden als in der Vaterstadt, noch besser in Zucht gehalten werden als unter den Augen der Eltern, noch geringeren Kostenaufwand
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erfordern. ‘Die Pflanze erstarkt nicht, welche häufig versetzt wird.’ Ga naar voetnoot1 Den Lehrer, an den sie sich einmal gewöhnt haben, mögen sie - wofern er ein guter Lehrer ist und wenn es füglicher Weise möglich ist - so lange hören, bis sie an Jahren wie an Kenntnissen in den Wissenschaften herangewachsen sind und für ihre philosophischen Studien einer Hochschule anvertraut werden. Inzwischen mögen die Eltern das Geld, das sie sonst auszugeben genötigt wären, für ihre Söhne zurücklegen, damit dieselben in der Folge dem philosophischen Studium um so länger obliegen können.
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Kap. 19. Welches sind die Pflichten des Schülers gegen den Lehrer?
Wer einen erprobten Lehrer gefunden hat, der möge ihn vor allem lieben und verehren. Die Liebe ist nämlich, wie dies der jüngere Plinius bezeugt, der beste Lehrer. Und, wie Petrarca sagt, Lehren, die aus einem geliebten Herzen kommen, finden weit leichteren Eingang bei den Zuhörern. Quintilian schreibt im 2. Buche folgendes: ‘Nachdem ich nun vieles über die Pflichten der Lehrer gesagt habe, ermahne ich die Schüler zu diesem einen, dasz sie ihre Lehrer ebenso lieben wie ihre Studien, und dasz sie in ihren Lehrern zwar nicht ihre leiblichen so doch ihre geistigen Eltern sehen. Kindliche Scheu dieser Art bringt dem Studium groszen Vorteil. Dann werden sie nämlich gern zuhören und dem Gehörten Glauben schenken und ihnen ähnlich zu werden begehren. Freudig und munter werden sie zu den Stunden kommen. Werden sie zurecht gewiesen, so werden sie nicht zürnen; werden sie gelobt, so werden sie sich freuen; sie werden darauf Anspruch erheben dürfen, in ihrem wissenschaftlichen Streben geschätzt zu werden. Denn wie jene die Pflicht haben zu lehren so haben diese die Pflicht sich gelehrig zu erweisen; eines ohne das andere genügt nicht. Wie es vergeblich wäre, Samen auszustreuen, wenn nicht der Acker bereitet ist, ihn aufzunehmen, so kann auch die Beredsamkeit nicht Wurzel fassen, wenn sich nicht Einmütigkeit zwischen Geber und Empfänger ihr zugesellt.’
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Fast alles dieses hat aber Quintilian von Cicero entlehnt. Es sagt nämlich dieser in einem Briefe an seinen Sohn: Ga naar voetnoot1 ‘Du hast deinen Lehrer nicht weniger zu lieben als deine Studien, da ja der Lehrer dein Vater ist; ich will damit nicht sagen, dasz derselbe dein leiblicher Vater sei; wohl aber ist derselbe der Vater deines Geistes, welcher den Leib an Wert und Bedeutung so sehr übertrifft. Höre gerne auf ihn und schenke seinen Worten Glauben; bestrebe dich, ihm ähnlich zu werden. Unter den andern Studierenden sei froh und munter. Und wenn du zurecht gewiesen wirst, so erzürne dich nicht; wenn du gelobt wirst, so erweise dich deshalb im Studium um so tüchtiger. Denn es ist die Pflicht des Lehrers zu lehren, die des Schülers sich gelehrig zu erweisen, wenn es vonnöten ist.’ Juvenal schlieszlich sagt in der siebten Satire: Ga naar voetnoot2
‘Weich sei, Götter, die Erde und leicht den Schatten der Ahnen
Duftender Safransflor und der Urne ein ewiger Frühling,
Welche dem Lehrer bestimmt die geheiligte Stelle des Vaters!
Schon ein Erwachsener, übt in der Heimat Bergen Achilles,
Bang vor der Rute, Gesang, und wem nicht hätte zu der Zeit
Lachen entlockt der Schweif des zur Zither singenden Meisters.’Ga naar voetnoot3
Des Gehorsams, welchen eben dieser Achill seinem Lehrer bekundet, thut Ovid im ersten Buch ‘der Kunst zu lieben’ Erwähnung:
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‘Ihm, der die Feinde so oft, so oft die Gefährten erschreckte,
Machte, so meldet die Mär, Furcht ein bejahreter Greis.
Hände, die Hektor einst empfinden sollte, die bot er
Willig den Schlägen dar, wenn es der Lehrer befahl.’Ga naar voetnoot1
Der ist der Wissenschaft unwürdig, welcher sich auflehnt gegen den Lehrer der Wissenschaft. Der Schüler soll sich beim Eintritt des Lehrers erheben und sein Haupt vor ihm neigen. Spricht der Lehrer, so soll der Schüler seine Worte mit der gröszten Aufmerksamkeit entgegennehmen. Denn, wie der jüngere Plinius sagt, ‘zum Lesen findet sich immer Gelegenheit, nicht immer zum Hören. Ferner macht das lebendige Wort, wie man zu sagen pflegt, einen viel gröszeren Eindruck. Denn mag immerhin das, was man liest. schärfer durchdacht sein, so haftet doch das, was der lebendige Vortrag, was Auge, Persönlichkeit und Gebärde des Redenden einprägen hilft, tiefer in der Seele.’ Ga naar voetnoot2
Den Lehrern soll ein jeder den Entgelt für die Unterrichtsbemühungen je nach seinem Vermögen freigebig entrichten. Denn dann werden sie mit um so gröszerem Eifer unterrichten und, angelockt durch Belohnungen, werden sie keine Mühe scheuen. Wie nämlich Martial sagt: Ga naar voetnoot3
‘Ungern tragen das Joch auf magerem Felde die Stiere;
Fetter Boden erschöpft, aber er lohnet die Müh'.’
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Kap. 20. Welche Bücher soll der Schüler besitzen?
Der Studierende hat eine solche Fülle von Büchern vonnöten, dasz nach Horaz eine freie und willkürliche Auswahl
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derselben für ihn schlimmer sein dürfte als eine Teuerung. Horaz nämlich sagt im ersten Buche der Episteln:
‘Was wohl fühl' ich, o Freund? was glaubst du, dasz mein Gebet heischt?
Bleibe nur, was ich besitz', auch weniger; darf ich mir selbst nur
Leben die fernere Frist, wenn fern're mir schenken die Götter;
Bücher in reichlicher Meng' und ein Jahr ausreichender Früchte
Vorrat, dasz ich nicht schweb' in der Pein unsicheren Daseins.’Ga naar voetnoot1
Es ist überliefert, dasz Plato drei Bücher des Pythagoreers Philolaos Ga naar voetnoot2 um 10000 Denare Ga naar voetnoot3 gekauft hat. Aristoteles hat, wie berichtet wird, ein paar Bücher des Philosophen Speusippos Ga naar voetnoot4 nach dem Tode desselben für drei attische Talente Ga naar voetnoot5 gekauft. Picus von Mirandola Ga naar voetnoot6 soll 7000 Goldstücke auf den Erwerb von Büchern verwandt haben. Mit Recht legt daher ein Dichter unserer Zeit einem Buchhändler diese Worte in den Mund:
‘Perlen erwerbt ihr! Warum? das ist nur ein wertvoller Hausrat.
Haltet ihr dies nicht für wahr, habt ihr nicht Augen im Kopf.’
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Überaus glücklich wären wir in diesem Jahrhundert, woselbst dank der Erfindung jener wohlthätigen Kunst, welche man ‘Chalkographie’ Ga naar voetnoot1 nennt, allenthalben so viele Bücher für geringen Preis zum Kauf angeboten werden, wenn nicht fast alle von unzähligen Fehlern wimmelten. Irgend ein böser Dämon mag uns wohl so groszen Glückes wegen beneiden! Vielleicht wendet sich dies zu unserem Besten, auf dasz wir nämlich nicht in unserer Leichtgläubigkeit den Büchern allzugroszes Vertrauen schenken. Aber um zu unserm Vorhaben zurückzukommen: ein Knabe, welcher noch durch Unterricht gebildet wird, soll nur wenige Bücher besitzen. Dieselben sollen indes so genau und fehlerfrei wie thunlich sein. Er soll sich indes nicht blosz an gedruckte Schriften gewöhnen; er soll es auch lernen - und dies wird ihm später von groszem Nutzen sein - die Buchstaben durch die Schrift darzustellen und frühzeitig das, was von dem Lehrer zum Niederschreiben vorgetragen wird, in einem für diesen Zwecke bereit gehaltenen Büchlein aufzuszeichnen. Auf diese Weise wird er allgemach die richtige Schreibweise erlernen, und dessen, was er selbst geschrieben hat, wird er sich viel leichter erinnern, und die Erinnerung daran wird länger in seinem Geiste haften. Wenn er aber in den Studien schon gröszere Fortschritte gemacht hat, so mag er sich nach Beratung mit seinem Lehrer geeignete und erprobte Bücher beschaffen. Und wenn auch Plinius sagt, kein Buch wäre so schlecht, dasz es nicht in irgend einer Beziehung Nutzen brächte, Ga naar voetnoot2 so mag sich der Schüler gleichwohl vor Büchern, welche überflüssige Regeln und sprachwidrige Ausdrücke enthalten, wie solche zu groszer Schädigung der Studierenden für gewöhnlich zum Kauf angeboten werden, in gleicher Weise wie vor giftigen Schlangen hüten. Denn, wie Gellius sagt, der Nutzen, welchen richtige Sprache den Geistesanlagen der Jünglinge bringt, ist nicht so grosz als der Schaden, welchen fehlerhafte Sprache ihnen anthut. Seneca sagt an einer Stelle, woselbst er von der Handhabung der Bücher spricht, dieses: ‘Es kömmte nicht darauf an, wie
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viele Bücher du hast, sondern wie gute Bücher du hast. Lesen, welches sich an ein und dasselbe Buch hält, bringt Bildung; Lesen, welches bald zu diesem bald zu jenem Buch greift, gewährt Unterhaltung. Der Wanderer, welcher sein Ziel erreichen will, bleibt auf ein und demselben Wege und geht nicht bald diesem bald jenem Wege nach; denn das hiesze nicht ‘wandern’, sondern ‘umherirren’. Und an einer andern Stelle sagt er: ‘Die Menge der Bücher zerstreut. Da du also nicht so viel lesen kannst, als du haben möchtest, so genügt es, so viel zu haben, als du lesen kannt. ‘Aber, sagst du, ich mag gern bald in diesem, bald in jenem Buche blättern.’ Es ist das Zeichen eines verdorbenen Magens, viele Speisen zu kosten; wenn diese verschiedener und entgegengesetzter Art sind, so werden sie ihn verunreinigen, nicht nähren. Daher lies immer bewährte Schriftsteller, und hast du einmal Lust, auch bei andern einzusprechen, so kehre bald wieder zu den früheren zurück.’ Soweit Seneca. Ga naar voetnoot1
Meine Ermahnungen zielen deshalb dahin, dasz der fleiszige Schüler nicht planlos, sondern nach dem Rate seines Lehrers seine Bücher emsig berichtige und die einzelnen Sätze und Satzglieder durch richtige Zeichensetzung von einander trenne; dasz er die Stellen von besonderem Werte sich anmerke oder besser noch ausziehe und in einem diesem Zwecke entsprechenden Büchlein zusammenstelle. Plinius, der Verfasser der Naturgeschichte, las nichts, ohne sich darüber Auszüge zu machen. Ga naar voetnoot2 Beim Lesen stoszen wir auf gar manches, was des Behaltens wert ist; sonderen wir es nicht aus, so werden wir es leicht vergessen, und wenn wir es dann wiederum aufsuchen wollen, so werden wir uns genötigt sehen, fast das ganze Buch wieder zu durchblättern. Wenn wir uns aber kleine Auszüge gemacht haben, so werden wir gar leicht auf dasselbe stoszen. Die Sätze nämlich, welche sich auf ein und denselben Hauptgedanken beziehen, sind anzumerken und an ein und derselben Stelle einzutragen.
Beim Lesen soll man mit lauter Stimme sprechen; einer-
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seits nämlich trägt dies viel zum Verständnisse bei; anderseits begünstigt dies auch die Verdauung, wie solches die Naturkundigen überliefert haben.
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Kap. 21. Welchen Vorteil der Verkehr mit Studierenden mit sich bringt.
Der Verkehr mit Studierenden wird dem strebsamen Schüler nicht geringen Vorteil bieten. ‘Unter Heiligen bist du heilig, unter den Verworfenen verworfen,’ lautet ein viel gebrauchtes Sprichwort. Wenn du einen Lahmen zum Nachbarn hast, wirst du es lernen, selbst lahm einherzugehen. In dem Hirtengedicht des Petrarca heiszt es: Ga naar voetnoot1
‘Seuche verschleppt der Schäfer zum Schäfer, das Schaf zu den Schafen.’
Seneca schreibt im siebten Briefe: ‘Verkehre mit denen, welche dich besser machen werden, und verstatte solchen den Zutritt, die du besser machen kannst. Hierbei findet eine Wechselwirkung statt, und die Menschen lernen, indem sie lehren.’ Ga naar voetnoot2 Und Aristoteles sagt im neunten Buche der Ethik: ‘Von solchen, die sich um das Beste eifrig bemühen, wirst du immer das Beste lernen.’ Ga naar voetnoot3
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Der Jüngling sei daher gegen Gespielen und Hausgenossen und gegen alle seine Mitschüler dienstwillig und freundlich. Gerade an die Zuverlässigsten und Strebsamsten schliesze er sich liebend an; mit ihnen stelle er häufig Übungen in den Wissenschaften an. Er bediene sich der lateinischen Sprache und beteilige sich mitunter auch an wissenschaftlichen Streitgesprächen. Es schärft dies nämlich den Geist, bildet die Sprache, stärkt das Gedächtnis. In den Studien fördert wetteifernde Nachahmung der Gelehrten gewaltig. Daher gab Aristoteles auf die Frage, in welcher Weise die Schüler treffliche Fortschritte machen könnten, zur Antwort: ‘Wenn sie denjenigen, die sich auszeichnen, nachfolgen, und nicht auf diejenigen, welche zurückbleiben, warten.’ Ein edler Sinn empfindet es mit Schmerzen, von andern übertroffen zu werden und denjenigen, welche dasselbe Studium betreiben, nachzustehen und gleichsam hinter ihnen als weniger begabt zurückzubleiben. Mag auch, wie Quintilian sagt, der Ehrgeiz ein Fehler sein; Ga naar voetnoot1 häufig ist er jedoch die Quelle der Tugenden.
Der weniger Unterrichtete schäme sich nicht, von einem andern, welcher reicher an Kenntnissen ist, sich unterrichten zu lassen. Das ist eine schlecht angebrachte Scham, die uns an der Vervollkommnung hindert. Man sollte stets jenen Ausspruch des Horaz im Sinne haben:
‘Weshalb lieber aus eitler Scham nichts wissen, als lernen?’ Ga naar voetnoot2
Einen Unwissenden unterweisen darf der Wissende sich nicht verdrieszen lassen. Denn nach dem Zeugnis Quintilians besteht die beste Weise, das eigene Wissen zu vervollkommnen, darin, andere das zu lehren, was man selber gelernt hat. Ga naar voetnoot3 Seneca
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spricht sich im sechsten Briefe dahin aus: ‘Ich freue mich deshalb etwas zu lernen, um es lehren zu können, und nichts wird mir Vergnügen bereiten, sei es noch so vortrefflich und heilsam, wenn ich es für mich allein wissen soll. Würde mir alle Weisheit mit der Einschränkung verliehen, dasz ich dieselbe in mir verschlossen halten müszte und nicht zum Ausdruck bringen dürfte, so würde ich dieselbe zurückweisen. Keines Gutes Gesitz ist ohne Genossen erfreulich.’ Ga naar voetnoot1 Der hl. Ambrosius sagt im zweiten Buche ‘Von den Pflichten’: ‘Was nützt es, Weisheit zu besitzen, wenn man guten Rat verweigert, wenn man andere von dem Schatz an guten Ratschlägen fernhält. Damit bringt man eine Quelle zum Versiegen, so dasz dieselbe weder andern zuflieszt noch einem selber Nutzen bringt.’ Ga naar voetnoot2
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Kap. 22. Über Gang und Ziel der Studien.
Es erübrigt nun, dasz ich mich über den Gang und die Weise der Studien und über die Ausdauer bei denselben mit einigen Worten verbreite, so gut es meine schwache Kraft gestattet. Es giebt ein zwiefaches Studium: das der Sitten und das der Wissenschaften. Das Studium der Sitten stattet die Menschen mit Tugenden aus, es läszt uns Wohlgefallen finden vor Gott und den Menschen und führt schlieszlich zum glückseligen Leben. Auf dieses Studium soll jeder, der vernunftbegabt ist, aufs eifrigste bedacht sein; denn ohne Sittenzucht nützt auch die umfassendste Kenntnis der Wissenschaften und der Weltweisheit nichts. Es ist nämlich nichts verderblicher als ein gelehrter Mensch, welcher verworfen is, wie dies Laurentius Balla Ga naar voetnoot3 herrlich sagt. Es bieten sich aber eine Menge sittlicher Vorschriften dar. Welche von diesen ein tüchtiger Lehrer seinen Schülern tagtäglich ermahnend vorhalten soll, kann man sehr leicht den Distichen, welche Cato zugeschrieben
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werden, entnehmen, Ga naar voetnoot1 oder dem Werkchen Senecas über die vier Kardinaltugenden Ga naar voetnoot2 oder dem goldenen Büchlein des Isokrates, Ga naar voetnoot3 oder der ‘Jugend’ des Jakob Wimpheling. Ga naar voetnoot4
Nun aber will ich von den Studien der Wissenschaften sprechen. Zunächst soll Mühe auf die Grammatik verwandt werden; sie ist die Quelle und der Ursprung der freien Künste. Bei der Erlernung ihrer Grundsätze schliesze sich der Knabe an ‘einen’ bewährten Verfasser an, an Perottus, Ga naar voetnoot5 Sulpitius, Ga naar voetnoot6
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Guarinus von Verona, Ga naar voetnoot1 Pylades, Ga naar voetnoot2 Vespinus, Ga naar voetnoot3 Mancinellus, Ga naar voetnoot4 oder an einen andern berühmten Grammatiker. Während er sich mit der Fallbiegung der Hauptwörter beschädigt, soll er es lernen Hauptwort und Eigenschaftswort mit einander zu verbinden und in Verbindung mit einander in die einzelnen Fälle zu setzen, wie liquidus fons; albus dens; pulchra vena; alma Ceres; levis pluma; flavum mel; triste bellum; clarum lumen u. s. w. Wenn er bis zur Satzlehre gekommen ist, so sollen ihm mehrere gleichmäszig gebaute Sätze, die sich auch ihres Inhaltes wegen als Beispielssätze empfehlen, aus Plautus, Terentius, Cicero, Virgil, Ovid, Gallust, Ga naar voetnoot5 Plinius dem Jüngeren und anderen berühmten Schriftstellern vor Augen geführt werden; dieselben sollen dann durch häufige Wiederholung dem Gedächtnisse gleichsam eingeprägt werden. Auf diese Weise wird in kurzer Zeit viel gewonnen, wenn den kurz gefaszten Regeln auch nur eine mäszige Anzahl von Beispielen zur Seite gestellt wird.
Wenn der Schüler späterhin imstande ist, die Darstellung
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der Dichter zu verstehen, so soll der Lehrer solche Dichter erklären, welche schamhaften Sitten keinen Eintrag thun, welche vielmehr ebenso sehr dem Sinn des Jünglings durch Lehren edler Menschlichkeit Nahrung geben als seinen Geist durch die Reinheit der Sprache bilden. Der Jüngling studiere selbst mit eifriger Vorliebe den Bau der Verse und die Gesetze der Dichtung. Unter der Anleitung des Lehrers mache er sich in seinem Heiszhunger nach Wissen vertraut mit gewählten, gedankenreichen, sprachlich freien Ausdrücken und Wendungen; er lerne es unterscheiden, was nachahmenswert ist oder nicht. Nachahmend bilde er ähnliche Ausdrücke und Wendungen, die dem Gesetze und dem Geiste der Sprache entsprechen. Nach solchen Beispielen verbessere er das, was er in seinem Ausdruck als unlateinisch erkennt. In ungebundener Rede übe er den Stil seiner sprachlichen Darstellung.
Allmählich ist dann überzugehen zu dem Studium der Dialektik, vermöge deren wir das Wahre vom Falschen unterscheiden, und zu den übrigen Lehrgegenständen. Immer indes ist beim Studium eine bestimmte Ordnung zu beobachten; es dürfen nicht verschiedenartige Bücher in ungeregelter Aufeinanderfolge gelesen werden; es ist vielmehr geboten, für die einzelnen Lesungen besondere Stunden anzusetzen. Bezüglich des Wechsels der Bücher und der Überwältigung des Lernstoffes hat vor allem ‘Eines’ hohe Bedeutung, wie sich dies zur Gegnüge und mit Leichtigkeit erkennen läszt. Wenn einer nämlich zu einer bestimmten Stunde einen kleinen Abschnitt lieft oder in eigener Niederschrift auszieht, so wird er schon in einigen Tagen erfahren, dasz er damit vieles gefördert hat. So singt Hesiod: Ga naar voetnoot1
‘Wenn du vielleicht auch nur ganz Kleines dem Kleinen hinzufügst, Aber thust du dies oft - bald wird auch Selbiges grosz sein.’
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Es sind aber vornehmlich zwei Fehler zu vermeiden. Man darf erstlich nicht Unbekanntes für bekannt ansehen und demselben ohne weiteres zustimmen. Wer diesem Fehler entgehen will, wird auf die Betrachtung der Dinge Zeit und Fleisz verwenden müssen. Der andere Fehler besteht darin, dasz man zu groszen Eifer und zu viel Mühe auf dunkle und schwierige Stoffe, die dazu nicht einmal für die Ausbildung nötig sind, verwendet. Daher hüte sich der Jüngling davor, seine Zeit zu verbringen mit dem Blendwerk dialektischer Spitzfindigkeiten und mit den scharfsinnig aufgebauten Trugschlüssen der Sophistik. ‘Es giebt nämlich, wie Aristoteles im achten Buche der Politik schreibt, auch unter den eines freien Mannes würdigen Künsten einige, welche bis zu einem gewissen Punkte zu betreiben ehrenwert ist; sich denselben aber ganz und gar hingeben und dieselben bis zu ihren tiefsten Tiefen ergründen zu wollen, erzeugt eine ruhelose und niedrige Sinnesart.’ Ga naar voetnoot1 Der Mensch strebe daher fortwährend nach höheren Kenntnissen und wende sich frühzeitig den freien Künsten: der Philosophie oder der Rechtswissenschaft, oder der Arzneikunde oder am besten der Gottesgelehrtheit zu. Und wenn er auch nicht allenthalben die gewählte Sprechweise eines Cicero antrifft, so weise er darum die heiligen Schriften nicht von sich. ‘Ich möchte nicht, sagt Hieronymus in einem Briefe an Paulinus, dasz du bei der heiligen Schrift Anstosz nähmest an der Einfachheit und gewissermaszen Alltäglichkeit des Ausdrucks, welche entweder durch Verschulden der Abschreiber oder in Absichtlichkeit so überliefert worden, auf dasz sie um so leichter auf eine ländliche Versammlung belehrend einwirke und auf dasz aus ein und demselben Satze der Gebildete dies, der Ungebildete jenes heraushört.’
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Kap. 23. Bisweilen soll mit Unterbrechung der Studien dem Geiste in ehrbaren Spielen Erholung gegönnt werden.
Wie in allen andern Dingen, so soll man auch beim Studium das richtige Masz innehalten. Bisweilen sollen die Schüler von der Arbeit feiern und sich an Spielen, die der Sittenzucht nicht zuwider laufen, ergötzen, worauf sie dann
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um so frischer zu ihren Studien zurückkehren. Geschmackvoll bringt dies Papinius Ga naar voetnoot1 in vierten Buche der ‘Wälder’ zum Ausdruck:
‘Schlieszt doch den schädlichen Köcher und lockert die Sehne am Bogen
Oftmals der Parther; das Rosz, im olympischen Wettlauf ermüdet,
Führet der Lenker des Wagens zum Bad in die Flut des Alpheus.
Ga naar voetnoot2
Kräfte, die immerdar thätig, erschlaffen; es stärkt und ermuntert
Ruhe zu richtiger Zeit; die Musze läszt wachsen die Kraft uns.’
Mit anmutigen Worten wendet sich Ausonius Ga naar voetnoot3 an seinen Enkelsohn:
‘Lernt der gelehrige Knabe mit Freuden, so mag es genug sein!
Feiertag setze die Schule dem Sohn an; besagt doch ihr Namen,
Ga naar voetnoot4
Dasz sie geschäftigen Musen vergönnt eine maszvolle Ruhe.
Leichter erfolgt dann im Wechsel mit Arbeit erfrischendes Scherzspiel.
Lern' langdauernder Arbeit zu setzen beschränkende Grenzen.
Pausen sind nötig: der Knabe erschlafft ob der Arbeit des Geistes,
Wenn nicht die Tage der Last und die Tage der Lust für ihn wechseln.’
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Und Ovid:
‘Musze pfleget den Leib und gewährt auch dem Geiste die Nahrung;
Beide werden geschwächt, strenget zu sehr man sie an.’Ga naar voetnoot1
Seneca schreibt im fünften Briefe an Lucilius: ‘Auch heisze ich dich nicht immer über deinen Büchern und Papieren liegen; man musz auch dem Geiste einige Pausen geben, jedoch so, dasz er nicht erschlaffe, sondern sich erhole. Ga naar voetnoot2
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Kap. 24. Die Studien dürfen unterbrochen, aber nicht aufgegeben werden; sie sind während des ganzen Lebens zu betreiben.
Von der Erholung des Geistes ist solcher Gebrauch zu machen, dasz wir bald zu den Studien zurückkehren. Wenn wir aber beim ersten Anblick irgend etwas nicht erfassen, so sollen wir nicht sofort das Buch aus der Hand legen; durch andauernde Betrachtung sollen wir vielmehr unsern Geist diesem Gegenstande zuwenden. Mit Recht sagt Seneca: ‘Es giebt nichts, was sich nicht durch unverdrossene Arbeit und durch sorgfältige und emsige Bemühung überwinden liesze.’ Hüten wir uns daher vor allem davor, dasz wir der Musze oder der täglichen Körperarbeit wegen unser Studium aufgeben. Hören wir vielmehr auf Ovid, welcher im fünften Buche der ‘Klagelieder’ bezeugt, wie grosz der durch Unterbrechung der Studien erwachsende Verlust ist:
‘Füge dazu, dasz mein Geist, so lang unthätig, erschlafft ist,
Und viel weniger Kraft hat, als er früher gehabt.
Wenn fruchtbares Gefild nicht stets von neuem gepflügt wird,
Wird es zuletzt nichts mehr tragen als Dornen und Gras.
Schlecht wird laufen das Rosz, wenn es lange stand, und von allen
Wird es das hinterste sein, welches die Schranken verliesz.
Spalten wird sich der Kahn und übergehen in Fäulnis,
Wenn er entzogen lang ist der gewohneten Flut.’
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Keiner Arbeit wollen wir uns weigern, auf dasz wir zu wissenschaflich gebildeten Männern werden und auf dasz wir eine süsze Frucht pflücken können, deren Wurzel bitter ist. Geistvoll sagt Hermolaus Barbarus Ga naar voetnoot1 in einem Briefe: ‘Ohne Arbeit, ohne Nachwachen kann niemand zu dem gelangen, was uns von dem gewöhnlichen Haufen scheidet.’ Und wie er selbst bezeugt, war bei den Griechen ein Vers an Stelle eines Sprichwortes in aller Munde:
‘Schlaf und Gelage und Weiber soll fliehn, wer begierig auf Nachruhm.’
Mit herrlichen Worten ermahnt uns auch Horaz in der ars poetica dahin, dasz wir uns der Arbeit nicht entziehen: Ga naar voetnoot2
‘Wer sich im Wettlauf müht, das ersehnte Ziel zu gewinnen,
Viel hat der Knabe gethan, hat geduldet, geschwitzt und gefroren,
Lüste geflohn und Wein; wer am pythischen Feste Ga naar voetnoot3 die Flöte
Spielt, hat gelernt vorher und die Strenge des Meisters gefürchtet.’
Schlieszlich wollen wir im voraus unsern Studien keine Grenze setzen, sondern dem Ratschlage Senecas Folge leisten, der sa sagt: ‘So lange müssen wir lernen, so lange wir unwissend sind oder so lange wir leben, sofern wir dem Sprichwort Glauben schenken, auf dasz wir nach Vollendung der Mühseligkeiten dieses Lebens die süszeste Ruhe und ewige Wonne bei den Himmlischen finden.’
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voetnoot1
- Die Buchaufschrift lautet vollständig: ‘Opusculum Joannis Murmellii de discipulorum officiis: quod enchiridion scholasticorum inscribitur.’ Die Übersetzung ist verfaszt nach einer der Königlichen Paulinischen Bibliothek zu Münster gehörigen Ausgabe, (gedruckt zu Zwoll - Swollis, Petrus Os de Breda - ohne Jahr, c. 1505). - Die erste Ausgabe ist mit einem Bilde geschmückt: auf einer vor einem Lehrpult angebrachten Bank sitzt ein Lehrer, dessen Haupt von einem Heiligenschein umflossen ist; von den zwei Schülern, die das Bild ferner zeigt, hockt der eine, sitzt der andere vor dem Lehrstuhle; ein Spruchband zeigt die Worte: Accipies tanti doctoris dogmata sancti.
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voetnoot3
- Über Timann Kemner vergl. Einleitung II.
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voetnoot4
- Philolachus in Plautus' Mostellaria (Hausgespenst) Akt I. Auftritt 2. - Des besseren Verständnisses wegen wird die ganze Stelle bei Plautus (nach der Übersetzung von Wilh. Binder) aufgenommen.
Philolaches:
‘Viel hab' ich und auch lange hin und her gedacht.
Und mancherlei Betrachtungen darüber angestellt,
In meinem Herzen auch (hab' anders ich ein Herz)
Das Ding der Läng' und Breite nach herumgewälzt:
Mit was der Mensch, wenn er geboren ist, sich woh
Vergleichen lasse, welchem Bild entsprechend sei,
Und mit einmal ist's gefunden.
Der Mensch - so dünkt mich - der das Weltlicht hat erblickt,
Gleicht einem neugebauten Haus. Den Grund dafür
Will ich euch sagen. Kommt es euch für jetzt auch nicht
Wahrscheinlich vor, so will ich doch bewirken, dasz
Ihr von des Satzes Richtigkeit euch überzeugt.
Ich weisz gewisz, wenn ihr mich hört, gesteht ihr selbst,
Es sei so und nicht anders. - So vernehmet denn
Für das, was ich behaupte, den Beweis; ich will,
Dasz ihr klar sehet, wie ich selber.
Sobald ein Haus neu aufgerichtet ist, gepuszt
Und nach der Richtschnur wohl geformt, lobt jedermann
Den Meister wie den Bau; nach diesem Muster will
Sich jeder selbst eins bau'n, man scheuet keine Müh'
Und keine Kosten. Zieht jedoch ein Taugenichts,
Der selbst nichts thut und Leute hat, die auch nichts thun,
Ein Mensch, der nicht auf Reinlichkeit und Ordnung hält,
Hinein, so wird das Haus, so gut es war, im Nu
Einen Fehler kriegen, weil es schlecht verwaltet wird.
Und oft tritt auch der Fall ein, dasz ein Sturm entsteht,
Der Ziegel und Traufen 'runterreiszt, wo dann der Herr
In seiner Faulheit keine neuen machen läszt.
Es kommt ein Regen, näszt die Wände durch und durch,
Das Wasser dringt durch das Gebälk, die Luft vermorscht
Des Meisters Werk. Das Haus ist zum Gebrauche nun
Schon minder wert, und das ist nicht des Meisters Schuld.
Von der Art aber sind die Menschen groszenteils:
Wenn etwas sich mit wenig Kosten flicken läszt,
So sehen sie immer zu und thun nichts, bis zuletzt
Das Mauerwerk zusammenstürzt, und also wird
Das ganze Haus von Grund aus wieder neu gebaut.
So verhält sich's mit den Bauten.
Jetzt will ich euch auch sagen, wie die Ähnlichkeit
Der Menschen mit den Häusern ihr erkennen könnt.
Fürs erste sind die Eltern die Erzeuger
Der Kinder, nicht blosz legen sie den Grund dazu,
Sie ziehn sie auf und bilden sie mit allem Fleisz
Zur Festigkeit, um brauchbar für die Welt zu sein
Und angesehen bei dem Volk. Da gehen sie
Mit sich und mit ihren Mitteln gar nicht kärglich um,
Die Kosten halten sie für keine Kosten mehr;
Sie bilden, unterrichten sie in Wissenschaft,
Recht und Gesetz, mit Müh' und Aufwand suchen si
Das zu erreichen, dasz auch andere Kinder sich,
Den ihren ähnlich, wünschen. Gehn zum Heer sie ab,
Giebt man als Beistand ihnen einen Vetter mit:
Das ist der Trennungspunkt von den Erzeugern.
Wenn nun ein Jahr vom Kriegsdienst abgelaufen ist,
Dann zeigt die Probe, wie der Bau sich machen wird.
Ick selber war so lange brav und ordentlich,
Als unter meiner Meister Aufsicht noch ich stand.
Doch seit ich meinem eignen Sinne nach gelebt,
Da ging mit einmal ihre Müh' an mir zu Grund:
Der Müsziggang zog bei mir ein, das war der Sturm,
Der gleich im Kommen Hagel und Regen mitgeführt,
Die Scham und alles Masz der Ehrbarkeit in mir
Zerstört und plötzlich alles von mir abgedeckt.
Darauf war ich für Ausbesserung ganz unbesorgt.
Nun schlug die Liebe statt des Regens mir ins Herz
Und überschwemmt es und durchnäszt' es allsogleich.
Nun wich mit einem Mal Vermögen, guter Ruf,
Kredit und Ehr' und Tugend von mir; wirklich ward
Mein Leben immer schlimmer. Wahrlich, dies Gebälk
Ist von der Nässe ganz durchfault. Ich sehe kaum
Die Möglichkeit, mein Haus zu flicken, ohne dasz
Es ganz und gar zu Boden stürzt, samt Fundament
Zu Grunde geht und niemand mehr ihm helfen kann.
Gram faszt mein Herz, wenn ich bedenke, was ich war
Und was ich jetzt bin, den von allen Jünglingen
Kein andrer übertraf in Kunst der Körperkraft,
Im Diskusschleudern, Ballspiel, Speer- und Lanzenwurf,
Im Laufen, Fechten, Reiten. O, wie lebt' ich da
So recht vergnügt! Mit meiner strengen Lebensart
Und Sparsamkeit war ich ein Muster anderer;
Die Besten baten sich von mir Belehrung aus.
Jetzt bin ich nichts - und das ist meine eigne Schuld.’
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voetnoot1
- Aristoteles, geb. 384 zu Stagira in Thracien, gest. 322 zu Chalkis auf der Insel Euböa, der für das wissenschaftliche Leben des Mittelalters bedeutsamste Philosoph des Altertums. Während seines zweiten Aufenthaltes zu Athen pflegte er in den schattenreichen Laubgängen des Lyceums wandelnd seine Zuhörer zu belehren. Von diesem Umherwandeln (περιπατετν) soll seine Schule den Namen der Peripatetiker erhalten haben. Andere - z. B. Lewes - leiten die Bezeichnung ‘Peripatetiker’ nicht von der Eigentümlichkeit des Artistoteles, im Umherwandeln zu lehren, ab, sondern von einem besondern Namen jener Laubgänge (περιπατός), der dieselben als Ort des Umherwandelns kennzeichnete. - Das Lyceum war ein in der zu Athen gehörigen östlichen Vorstadt gelegenes Gymnasium, welches nach dem Heiligtume des Apollo Lykeios (Lichtbringer) den Namen führte. - Über die Bedeutung des Aristoteles spricht sich Trendelenburg (kleine Schriften II. 254) dahin aus: ‘Aristoteles ist ein unermeszlicher Geist. Nichts ist so grosz und nichts so klein, das er nicht beobachtete, nicht ergründete, und kaum hat sich wieder in irgend einem die Richtung auf die unendliche Masse des Einzelnen und die entgegengesetzte auf den diese Masse beherrschenden allgemeinen Gedanken so durchdrungen, wie in ihm. Er schuf die Logik und schrieb darin die Gesetze unseres schlieszenden Denkens; er suchte in Bewegung und Raum und Zeit die letzten Grundlagen der Natur und bestimmte sie in seiner Physik; er gründete die Naturgeschichte. Noch heute hält es diese Wissenschaft für ihre Ehre, wenn sie Entdeckungen des Aristoteles wieder entdecken kann. Er dachte dem Begriffe der Seele nach und offenbarte ihre Entwicklung in seiner bewunderungswürdigen Psychologie; selbst Rede und Dichtkunst unterwarf er in seiner Rhetorik und Poetik der eindringenden Betrachtung; in der Ethik untersuchte er voll Tiefe den letzten Zweck und die Glückseligkeit des menschlichen Lebens und zeichnete das Wesen der Tugenden in ethischen Physiognomieen für alle Zeiten; er beschrieb die Formen der verschiedensten Staaten und mit dem an der Erfahrung gereiften Blick verfaszte er die Politik, in der er das Wirkliche nach dem eigenen in ihm wohnenden Gedanken betrachtet und beurteilt; endlich stieg er in die verborgenen Tiefen der letzten Gründe, selbst des Verstandes Gottes, und rastete nicht, in seiner Metaphysik an den Tag zu bringen, was davon dem menschlichen Geiste zugänglich ist.’ - Vergl. Goethe (Farbenlehre II. 2. Abteilung, Ges. Werke XXXV. 43): ‘Aristoteles steht zu der Welt wie ein Mann, ein baumeisterlicher. Er ist nun einmal hier und soll hier wirken und schaffen. Er erkundigt sich nach dem Boden, aber nicht weiter, als bis er Grund findet. Von da bis zum Mittelpunkt der Erde ist ihm das übrige gleichgültig. Er umzieht einen ungeheuren Grundkreis für seine Gebäude, schafft Materialien von allen Seiten her, ordnet sie, schichtet sie auf und steigt so in regelmäsziger Form pyramidenartig in die Höhe, wenn Plato, einem Obelisken, ja einer spitzen Flamme gleich, den Himmel sucht.’
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voetnoot2
- Diogenes Laertius aus Laerte in Cilicien verfaszte um 200 n. Chr. ein Sammelwerk in 10 Büchern: ‘Über Leben, Lehren und Aussprüche hervorragender Philosophen’.
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voetnoot3
- Plato, geb 427 zu Athen, gest. 348; Schüler des Sokrates; Haupt der Akademiker; nächst Aristoteles der bedeutendste Philosoph des Altertums. - Die Akademie war ein in der nördlichen Vorstadt Athens gelegener Hain mit Gymnasium, welcher nach einem Heros Hekademos den Namen führte. In einem daselbst gelegenen Garten, ebenfalls Akademie genannt, sammelte Plato seine Schüler um sich; nach diesem Garten wurden dann in der Folge Platos Schüler und Anhänger Akademiker genannt. - Über Plato vergl. Goethe (a. a. Orte, Ges. Werke XXXV. 43): ‘Plato verhält sich zu der Welt wie ein seliger Geist, dem es beliebt, einige Zeit auf ihr zu herbergen. Es ist ihm nicht sowohl darum zu thun, sie kennen zu lernen, weil er sie schon voraussetzt, als ihr dasjenige, was er mitbringt und was ihr so not thut, freundlich mitzuteilen. Er dringt in die Tiefen, mehr um sie mit seinem Wesen auszufüllen als um sie zu erforschen. Er bewegt sich nach der Höhe, mit Sehnsucht, seines Ursprunges wieder teilhaftig zu werden. Alles, was er äuszert, bezieht sich auf ein ewig Ganzes, Gutes, Wahres, Schönes, dessen Forderung er in jedem Busen aufzuregen strebt. Was er sich im einzelnen von irdischem Wissen zueignet, schmilzt, so man kann sagen, verdampft in seiner Methode, in seinem Vortrag.’
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voetnoot1
- Der ‘Theages’ wird von der heutigen Forschung als nicht zu den echten Werken Platos gehörig betrachtet. Vergl. Prantl: Übersicht der griechischen und römischen Philosophie 72.
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voetnoot2
- Krates von Theben, Schüler des Diogenes; durch ihn wurden die Lehren der Cyniker in die der Stoa hinübergeleitet. ‘Krates war der edelste und in seinem Wirken segensreichste von allen Bekennern der cynischen Philosophie.’ Über die Bezeichnung ‘Cyniker’ s. unten Kap. 5. Anmerkung zu Menippus.
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voetnoot3
- Sophronius Eusebius Hieronymus, geb. 331 (340) nach Chr. gest. 30. September 420, einer der vier groszen abendländischen Kirchenlehrer, fruchtbarer Schriftsteller: Bibelübersetzung, exegetische, dogmatische, geschichtliche Werke, Briefe (darunter auch solche pädagogischen Inhaltes) Der Brief an Salvina findet sich unten Nr. LXXIX.
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voetnoot4
- Vergl. Aristoteles, Politik. VIII. cap. 1 § 3: ‘Auch in diesem Punkte verdienen die Lecedämonier alles Lob. Die Jugend wird bei ihnen auf das sorgfältigste erzogen, und die Erziehung ist eine öffentliche Angelegenheit.’
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voetnoot1
- Herkules als Sinnbild gewaltiger Kraft und unerschöpflicher Arbeitslust; Sardanapal als Sinnbild üppigen Lebensgenusses und kraftloser Unthätigkeit. - Sardanapal d. i. Assurbanipal (667-626) hat sich nach der Sage bei der Einnahme Ninives durch Meder und Babylonier mit seinen Weibern verbrannt. Durch die Sage ist das Bild dieses Herrschers entstellt worden. Nach dem heutigen Stand des geschichtlichen Wissens war er ‘einer der glanzvollsten wenn auch nicht mächtigsten Herrscher Assyriers, das richtige Bild eines orientalischen Willkürherrschers.’ Die Eroberung Ninives und die Auflösung des assyrischen Reiches fällt in das Jahr 606 v. Chr. Vergl. Hommel: Geschichte Babyloniens und Assyriens, Seite 695-698.
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voetnoot2
- Quintus Fabius Quintilianus, geb. zu Calagurris am Ebro zwischen 35 und 42 n. Chr., gest. vor dem Jahre 97 n. Chr. Seine wissenschaftliche Ausbildung fand er zu Rom, wo sein Vater als Lehrer der Beredsamkeit wirkte. Im Jahre 68 gründete Quintilian in Rom eine Rhetorenschule. ‘Als Gerichtsredner und als Lehrer der Beredsamkeit sehr geschätzt, blieb er 20 Jahre thätig, um seine Grundsätze unter der ihm zuströmenden Jugend zu verbreiten. Erst in seinen späteren Jahren trat er als Schriftsteller auf, zuerst mit einem Buche über die Ursachen des Verfalls der Beredsamkeit; dann (seit 90 n. Chr.) mit einem gröszeren Werke von 12 Buchern (de oratoria institutione) über die gesamte Bildung zum Redner mit Einschlusz der grammatischen Vorbildung. Um das Jahr 93 ward er von Kaiser Domitian zum Erzieher einiger jüngeren Verwandten des kaiserlichen Hauses berufen.’ Im I. Buche Kap. 2 des Hauptwerkes findet die oben erwähnte Frage ihre Beantwortung. Auszüge aus Quintilians Darlegung bei Schumann: Lehrbuch der Pädagogik. I. 55-59; Niedergesäsz: Geschichte der Pädagogik 55-57.
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voetnoot1
- Publius Virgilius Maro, Georgica II, 272.
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voetnoot1
- Horaz, Episteln I, 1. 32. Vergl. Properz II, 8, 10: ‘Wenn man Groszes beginnt, ist schon der Wille genug.’
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voetnoot2
- Aurelius Augustinus, geb. 354 zu Tagaste in Numidien, 387 getauft, 391 Presbyter, 395 Bischof von Hippo Regius (heute Bona in Algerien), gest. 28. August 430 zu Hippo (im dritten Monat der Belagerung der Stadt durch die Vandalen). ‘Augustinus war einer der hervorragendsten Bischöfe und gröszten Kirchenlehrer aller Zeiten. Die christliche Spekulation der patristischen Litteratur hat er zum Abschlusz gebracht, wie er auch der Nachwelt durch seine Schriften ein hellleuchtendes Licht geworden ist.’
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voetnoot3
- Johannes Picus (Giovanni Pico), Fürst von Mirandula und Concordia (1464-1494), trotz seines kurzen Lebens einer der glänzendsten und gepriesensten Humanisten Italiens. Ein Zeitgenosse (Angelo Poliziano 1454-1494) urteilt über ihn: ‘Er war beredt und tugendhaft, ein Heros eher als ein Mensch. In seiner ganzen Persönlichkeit lag eine Mischung von engelhafter Milde, schamhafter Keuschheit und erquickendem Wohlwollen, welche die Blicke erfreute und die Herzen anzog.’
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voetnoot1
- vergl. Horaz, Od. I, 38, 1: ‘Perseraufwand ist mir zuwider.’
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voetnoot2
- Der wegen seines Reichtums sprichwörtlich gewordene König von Lydien (560-546 v. Chr.).
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voetnoot3
- Octavianus Augustus, Alleinherrscher im römischen Reiche von 30 v. Chr. bis 14 n. Chr. Als ihm von dem Konsul Valerius Messala im Namen des Senates der Name ‘Vater des Vaterlandes’ angetragen wurde, erwiderte er: ‘Meine Wünsche sind nun alle erfüllt. Jetzt habe ich von den unsterblichen Göttern nur noch zu erflehen, dasz es mir vergönnt sei, bis an mein Lebensende diese einmütige Liebe mir zu bewahren.’ Vergl. Sueton, Aug.
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voetnoot4
- d. i. Cicero, s. Scoparius Kap. 28.
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voetnoot1
- Die Peripatetiker: Schüler und Anhänger des Aristoteles s. oben Kap. 1. Nach Aristoteles (Nikomachische Ethik) verstehen die Menschen unter der Glückseligkeit Verschiedenartiges, ‘der eine Lust, der andere Thätigkeit, ein dritter Weisheit.’ Aristoteles selbst lehrt dasz der Mensch durch Thätigkeit, d. h. durch Tugend, das Ziel der Glückseligkeit erreiche. Er unterscheidet dabei zwei Klassen von Tugenden: Die ethischen, ‘welche in der Herrschaft der Vernunft über die sinnlichen Triebe bestehen,’ und die dianoëtischen sind: Vernunft, Wissenschaft, Kunst, Einsicht, Weisheit. Diese ethischen und dianoëtischen Tugenden machen die inneren Güter des Menschen aus. Äuszere Güter: Ehre, Sieg, Macht, Reichtum mehren das Glück des Menschen; sie sind aber zum Glück des Menschen nicht notwendig. In späteren Zeit unterschieden die Anhänger des Aristoteles gegenüber diesen innern und äuszern Gütern auch noch ‘körperliche’ (physische) Güter, z. B. Freundschaft, so weit sie auf Nutzen und Genusz bedacht ist, Scham, so weit darunter ein blosz physischer Zustand verstanden wird. Aristoteles selbst hatte lediglich die Gesundheit als ein körperliches Gut hingestellt.
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voetnoot2
- ‘Die verfeinertste und übersinnlichste Belohnung’ nennt ein Schriftsteller unserer Tage die Hoffnung auf Nachruhm (Lecky: Sittengeschichte Europas von Augustus bis auf Karl den Groszen II, 161).
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voetnoot1
- Über Rudolf von Langen (1438-1519) vergl. Einleitung II.
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voetnoot2
- Im Texte steht ‘Octavius’. Der gens Octavia entsprossen hiesz er ursprünglich Gajus Octavius; nach der Adoption durch Gajus Julius Cäsar wurde er Gajus Julius Cäsar Octavianus genannt.
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voetnoot1
- Vergl. Juvenal Satir. VIII, 20:
‘Den Adel verleiht allein und einzig die Tugend.’ Dante sagt vom Adel (Göttliche Komödie, Paradies XVI, 7-9): ‘Wohl bist ein Mantel du, der bald sich kürzet, So dasz, wenn man nicht Tag für Tag hinzufügt, Die Zeit ihn mit der Schere rings beschneidet.’ Und weiter (Dante: Gastmahl lib. IV): ‘Es waltet Adel stets, wo Tugend waltet, Doch Tugend nicht, wo er.’ Vergl. Petrarca (Über die Heilmittel in Glück und Unglück): ‘Ein wahrhaftiger Adeliger wird nicht geboren, sondern allmählich gebildet.’
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voetnoot2
- Publius Terentius Afer (196-159 v. Chr.) stammte aus dem karthagischen Afrika (daher sein Beiname Afer); in früher Jugend kam er als Sklave nach Rom und wurde hier auf Veranlassen seines Herrn in die griechische Bildung eingeführt. Von seinen Lustspielen sind 6 auf uns gekommen. Es lehnen sich dieselben nachahmend an die Werke griechischer Dichter, vornehmlich an die des Menander (332-290 v. Chr.) an. ‘Terenz ist ein Kunstdichter in dem Sinne der feineren, d. h. griechisch gebildeten vornehmen Gesellschaft Roms, in deren Kreisen er nicht fremd war.’
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voetnoot3
- Äsop aus Phrygien in Kleinasien diente als Sklave verschiedenen Herren. Der Philosoph Jadmon von Samos schenkte ihm die Freiheit. Seitdem unternahm Äsop grosze Reisen. Seine Lebensweisheit erwarb ihm während seines Lebens viele Bewunderer und über die Zeit seines Lebens hinaus dauernden Nachruhm. Seine Fabeln, welche erst lange nach seinem Tode (560? v. Chr.) gesammelt und aufgezeichnet wurden, haben im Laufe der Zeiten sich mancherlei Veränderungen gefallen lassen müssen.
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voetnoot1
- Epiktet stammt aus Hierapolis in Phrygien. Er kam als Sklave des Epaphoditus, eines Freigelassenen des Kaisers Nero, nach Rom. Als sein Herr ihm die Freiheit schenkte, widmete sich Epiktet unter der Leitung der Stoiker Euphrates und Musonius Rufus den philosophischen Studien. Später gründete er zu Nikopolis in Epirus eine Philosophenschule. Epiktet lehrte gleich Sokrates nur mündlich. Sein Schüler Flavius Arrianus hat uns seine Lehren aufgezeichnet. (Dissertationes Epicteti; Familiarium sermonum libir XII; Epicteti manuale.) Das letztgenannte Werk ‘Epicteti manuale’ ist ‘ein von Heiden und Christen hochgeschätztes Handbuch der stoischen Sittenlehre’. Nach Aulus Gellius (Noctes atticae I, 2) ist Epiktet der gröszte unter den stoischen Weisen; Augustinus (De civitate Dei IX, 5) preist ihn als den edelsten. ‘Epiktet war sehr arm; sein Haus in Rom bedurfte keines Riegels. Ein Strohsack, eine hölzerne Bank, eine Decke von Binsen und eine irdene Lampe war sein ganzer Hausrat.’ Ein dem Epiktet selbst (ob mit Recht?) zugeschriebenes Epigramm lautet (Aul. Gellius II, 18):
‘Ich Epiktet, der geborene Sklave, gebrechlichen Körpers, Arm wie Irus, ich bin doch der Unsterblichen wert.’ - Irus: Der durch Homer, Odyssee XVIII, verewigte Bettler. - Epiktet ward seiner geläuterten Ansicht wegen sehr geschätzt. Sein Wahlspruch lautete: ‘Leide und meide!’
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voetnoot2
- Phädon aus Elis, welcher im Kriege der Eleer mit den Spartanern (401 v. Chr.) gefangen genommen und nach Athen verkauft worden war, wurde auf Betreiben des Sokrates (von Kriton?) losgekauft. ‘Phädon verdankte dem Sokrates in der Folge die Errettung aus äuszerer und innerer Unfreiheit und pflegte mit treuem Eifer in sich die Keime seiner Lehre.’ Er ward der Lieblingsschüler des Sokrates. Nach des Meisters Tode (399) stiftete er die Elische Schule. Seine Dialoge haben sich nicht erhalten. Platos Gespräch über die Unsterblichkeit der Seele (Phädon) ist nach ihm benannt.
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voetnoot3
- Menippus aus Gadara in Syrien, um 280 v. Chr. ein Philosoph der cynischen Schule. - Antisthenes, der Stifter dieser Schule, lehrte nach der Sokrates Tode im Gymnasium Kynosarges. Das Gymnasium in der athenischen Vorstadt Kynosarges war für die Halbathener bestimmt, welche von den anderen Bildungsstätten Athens ausgeschlossen waren. Antisthenes nämlich stammte von einer thracischen Mutter ab. Der Namen des Gymnasiums ‘Kynosarges’ wurde von den Athenern durch die Erzählung gedeutet, dasz einst, als Diomos dem Herkules daselbst opferte, ein ‘weiszer Hund’ das Opferfleisch vom Altare raubte. (In ‘Kynosarges’ sind dem Lautbestande nach die Bezeichnungen für ‘Hund’ und ‘weisz’ enthalten.) Von ‘Kynosarges’ sind dann die Bezeichnungen ‘Cyniker’, ‘cynische’ Schule hergeleitet. Die Bezeichnung Cyniker (Kyniker) ist nicht ohne Doppelsinn; man verband mit derselben den Hinweis auf das ‘hündische’ Wesen und Auftreten jener Philosophen. ‘Durch den Namen Cyniker wollte man zugleich auf die widerliche und eines Menschen unwürdige Lebensweise hinweisen. Bis dahin war man in Athen gewohnt, philosophische Bildung mit Wohlstand und feiner Sitte verbunden zu sehen. Die Philosophie der Cyniker erklärte jeder feineren Bildung und Sitte den Krieg; in der Kunst des Entsagens wurde Antisthenes von seinen Schülern noch überboten.’ Vergl. E. Curtius, Griechische Geschichte III, 495.
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voetnoot1
- Aulus Gellius, etwa 120-175 n. Chr., römische Grammatiker. Sein Sammelwerk: ‘Attische Nächte’ (noctium atticarum libri XX) kennzeichnet ‘die grammatische und rhetorische Richtung seiner Zeit.’ (Niebuhr, Römische Geschichte V, 345.) Gellius hat in demselben vereinigt, ‘was er aus dem Verkehr mit den Gelehrten der Zeit und aus Büchern über alte Litteratur und Sprache, Recht und Philosophie, Altertümer und Naturwissenschaften gelernt hatte.’ Den Namen ‘Attische Nächte’ gab er seinem Werke aus dem Grunde, weil es dasselbe zu Athen in Winternächten begonnen hatte.
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voetnoot3
- Aristipp, aus Cyrene, Schüler des Sokrates, Stifter der cyrenischen Schule. Aristipp faszte ‘die Philosophie nur als Lebenskunst auf: er nahm die Tugend wesentlich nur als Masz im Genusse; Erkenntnis, Wissen und höhere Geistesbildung stellte er in den Dienst dessen, was - immerhin in nicht gemeinem Sinne gefaszt, - dieser Richtung als ein glückseliges Leben galt.’ Durch Schiffbruch wurde er einst an die Küste der Insel Rhodus verschlagen. ‘Als er hier einige geometrische Figuren gezeichnet fand, soll er voll Freude seine Begleiter aufgefordert haben, guten Mutes zu sein, da er Spuren von Menschen entdeckt habe. Vertrauensvoll eilte er sofort nach der Stadt und lenkte seine Schritte in das Gymnasium, wo er in trefflicher Weise seine philosophischen Grundsätze entwickelte. Die Rhodier aber ehrten ihn dafür mit so reichen Geschenken, dasz er nicht nur sich selbst, sondern auch seine Begleiter mit allem Nötigen hinlänglich wieder versehen konnte. Als nun diese in die Heimat zurückzukehren sich anschickten und ihn fragten, was er zu Hause auszurichten habe, antwortete Aristipp: ‘Saget meinen Mitbürgern, sie sollten den Kindern solche Schätze erwerben und solches Reisegeld bereit halten, welches, wenn sie Schiffbruch leiden, mit ihnen ins Merr hinausschwimmt.’ Vergl. Mapheus Vegius, Erziehungslehre II, c. 1.
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voetnoot1
- Ovid (43 v. Chr. - 17 n. Chr.) wurde, als er schon fünfzig Jahre alt geworden, von Kaiser Augustus nach Tomi am Schwarzen Meere (südlich von dem Einflusz der Donau) verbannt. Ovid selbst singt (Klagelieder I, 5, 61-62):
‘Mich, der ich Meere so weit entfernt wie die Sterne, durchmessen, Schickte des Cäsars Zorn fort an den Getischen Strand.’ Über den Trost, welchen die Dichtung ihm in der Verbannung gewährte, spricht er sich dahin aus (Klagelieder IV, 10 111-118, 121-122):
‘Wenn umtönet ich hier von der Nachbarn Waffen auch werde,
Lindre mein trauriges Los ich, wie ich kann, durch Gesang.
Und wenn niemand auch ist, zu dessen Ohren er dringe,
Täusch' ich auf diese Art doch und verbringe den Tag.
Also, dasz ich noch leb' und widerstehe dem Drangsal
Und zum Ekel mir nicht wird der bekümmerte Tag,
Dank' ich, Muse, nur dir, denn du gewährenst mir Tröstung,
Du bringst Ruhe dem Harm, du mir heilenden Saft.
Du, was selten ist, gabst mir gefeierten Namen bei Lebzeit,
Welchen zu geben der Ruf sonst nach dem Tode nur pflegt.’
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voetnoot1
- Virgil hinterliesz bei seinem Tode ein ansehnliches Vermögen; ein Viertel desselben vermachte er dem Kaiser Augustus.
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voetnoot2
- Über seine äuszeren Verhältnisse spricht Horaz sich selber aus; vergl. Episteln II, 2, 49-52:
. . ‘Wie mich aus dem Dienst heimführte Philippi, Ganz kleinlaut, mit beschnittenen Flügeln, des heimischen Herdes Und Grundstückes beraubt, da trieb nichts scheuende Armut Verse zu machen mich an.’ Und weiter Satir. II, 6, 1-4: ‘Das war immer mein Wunsch, ein Gütchen von mäszigem Umfang, Dran ein Gärtchen, und nahe dem Haus frischsprudelndes Wasser, Drüber hinaus noch ein weniges Wald. Doch reicher und besser Haben's die Götter gefügt.’
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voetnoot3
- Oppian aus Cilicien verfaszte im II. Jahrhundert n. Chr. ein Lehrgedicht über den Fischgang.
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voetnoot4
- Xenokrates, 397-314 v. Chr., Schüler des Plato, von 331-314 Leiter der Schule der Akademiker. - Der unmittelbare Nachfolger Platos in der Leitung der Schule war Speusippos, Platos Schwestersohn. - Diogenes Laertius (s. oben) berichtet, dasz Plato bezüglich seiner beiden Schüler Xenokrates und Aristoteles die Äuszerung gethan habe: ‘Was für einen Esel habe ich zu diesem Pferde gespannt!’ - Der Esel galt den Alten nicht als Sinnbild der Beschränktheit, sondern als Sinnbild schwerfälliger Bedächtigkeit.
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voetnoot1
- Vergl. Curtius, Griechische Geschichte III, 255: ‘Die Äolier in Böotien (also auch die Thebaner) schlossen sich mit einem gewissen Trotze gegen jede geistige Bewegung ab, je regsamer sich jenseit der Berge der jonische Stamm (z. B. die Athener) entwickelte; die wurden immer stumpfer und träger, sie thaten sich den verfeinerten Athenern gegenüber etwas zu gut auf ihre bäurische Derbheit und Grobheit; sie suchten sich für die höheren Lebensfreuden, die ihnen versagt waren, durch Sinnengenusz zu entschädigen.’
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voetnoot3
- Demokrit, geb. um 470 zu Abdera; sein ererbtes Vermögen (100 Talente) verausgabte er auf seinen weiten Reisen, ‘die dem Drang nach Wissenschaft gewidmet waren.’ Nach der Rückkehr in seine Vaterstadt gewann er bald den Ruf eines weisen, von den Göttern begeisterten Mannes. Sein Hauptwerk: ‘Diakosmus’ brachte ihm seitens seiner Vaterstadt ein Ehrengeschenk von 100, nach andern von 500 Talenten ein. Er soll in einem Alter von mehr als 100 Jahren gestorben sein. Wie schon einer seiner Lehrsätze: Aus nichts wird nichts und etwas kann nie vernichtet werden’ bekundet, vertritt er in seinen Lehrmeinungen materialistische Ansichten. Vergl. Lange: Geschichte des Materialismus und Kritik seiner Bedeutung in der Gegenwart. I, 7. - Abdera lag in Thracien, ‘welches wegen seiner Sümpfe, Wälder und unangebauten Gegenden eine dicke und feuchte Luft hatte. Die Bewohner des Landes (die Thracier) waren gleich den Bewohnern Böotiens (z. B. Thebaner) als beschränkt und einfältig verrufen.’
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voetnoot1
- Briefe, Buch VII, 9, 11. - Übersetzt von Kluszmann und Binder. - Cajus Plinius Cäcilius Secundus (seine Mutter war die Schwester des ältern Plinius), geb. 62, gest. 113 n. Chr.; bekleidete im Jahre 100 das Konsulat; einige Jahre später erhielt er als Prokonsul die Verwaltung von Pontus und Bithynien in Kleinasien. Sein Hauptwerk ist die Sammlung seiner Briefe (247 Stück in neun Büchern); dieselben sind an seine Freunde, unter denen auch Kaiser Trajan (98-117), gerichtet.
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voetnoot1
- Lucius Junius Moderatus Columella aus Cadir, Zeitgenosse des Seneca, schrieb 12 Bücher ‘de re rustica’; das 10. Buch ‘vom Gartenbau’ ist metrisch (436 Hexameter) verfaszt.
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voetnoot2
- Lucius Annäus Seneca, geb. zu Corduba in Spanien im Jahre 2 oder 3 n. Chr. kam frühzeitig nach Rom, woselbst er sich dem Studium der Rhetorik und der Philosophie widmete. Als Redner und Philosoph gewann er besonders Ansehen. Auf Betreiben Messalinas, deren Hasz er sich zugezogen, wurde er auf 6 (8?) Jahre (nach Corsica) verbannt. Agrippinas Erhebung (48 n. Chr.) brachte ihm die Freiheit; seit dem Jahre 50 ward er Erzieher Neros. Im Jahre 65 wurde er durch Nero zum Selbstmorde gezwungen. Seine philosophischen Schriften, seine (124) Briefe an Lucilius standen im Mittelalter in hohem Ansehen. Seneca galt ‘als die edelste Erscheinungsform’. Bei Tertullian heiszt er ‘Seneca saepe noster’, d. h. ein der christlichen Wahrheit mitunter sehr nahe kommender Weiser. Seit dem IX. Jahrhundert ist dann die Annahme von einer Bekehrung Senecas durch den h. Paulus allgemein geworden. - Die Briefe an Lucilius ‘enthalten nicht nur einen Schatz der herrlichsten Lehren und Ansichten, die meist unmittelbar aus dem Leben geschöpft sind, und atmen einen kräftigen nach dem Höchsten ringenden Geist, sondern sie sind auch durch die Absicht, welche Seneca bei ihrer Abfassung hatte, und durch die Wahl der darin behandelten Stoffe eine für die Jugend höchst geeignete und fruchtbare Lesung; sie sind ein Vermächtnis aus der Zeit seiner vollen geistigen Reise und Läuterung, worin fast alle Fragen besprochen worden sind, die sich auf wissenschaftliche und sittliche Bildung beziehen.’
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voetnoot1
- Seneca, Briefe an Lucilius VIII, 4. Vergl. Brief XIV und XV: ‘Ick gestehe, dasz uns eine Liebe zu unserm Körper angeboren ist; ich gestehe, dasz wir mit Recht Vorsorge für ihn tragen; ich leugne nicht, dasz wir nachsichtig gegen ihn sein sollen: dasz wir ihm aber sklavisch dienen sollen, leugne ich. Denn vieler Menschen Sklave wird sein, wer seines Körpers Sklave ist, wer zu sehr für ihn fürchtet, wer alles auf ihn bezieht. Wir dürfen uns nicht so verhalten, als ob wir des Körpers wegen leben müszten, sondern als ob wir ohne Körper nicht leben könnten.’
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voetnoot3
- Dreimal - in den Jahren 430-428 - wurde Athen von der Pest heimgesucht.
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voetnoot1
- Für den Unterhalt der ägyptischen Priester war gesorgt durch den zu jedem Tempel gehörigen reichen Besitz an Land und Leuten; derselbe wurde von eigenen Beamten, Schreibern und Vorstehern des Tempelgutes, verwaltet. - Für die Wissenschaften der Mathematik, Astronomie, Medizin haben die ägyptischen Priester Rühmliches geleistet. Für erfolgreiche Pflege philosophischer Studien fehlte ihnen ‘der freie Forschergeist, der die Probleme um ihrer selbst willen aufsucht und zu bewältigen strebt. Daher tritt auch die Persönlichkeit des Gelehrten vollständig zurück: niemals ist ein Ägypter auf den Gedanken gekommen, in seinem eignen Namen ein wissenschaftliches Werk zu verfassen oder mit selbsteignen Ansichten aufzutreten. Es ist immer uralte Weisheit, die er vorträgt. Wir kennen bei den Ägyptern nur Werke der Kaste, nicht eines einzelnen in der Kaste.’ Vergl. Ed. Meyer, Geschichte des alten Ägyptens, 128.
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voetnoot4
- Die ‘Aonischen’ Schwestern d. i. die Musen. Aonia ist der mythische Namen für Böotien, woselbst die Sitze der Musen: der Berg Helikon, die Quellen Aganippe und Hippokrene gelegen waren.
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voetnoot1
- Die Musen wurden auch die ‘Pieriden’ genannt, entweder nach Pierus, König von Emathia, dessen neun Töchter mit den Musen einen Wettstreit wagten und darüber in Elstern verwandelt wurden (Ovid, Verwandlungen V 310 ff.), oder nach dem Macedonier Pierus, welcher den Musen ihre Namen gegeben und ihren Dienst in Thespiä (Böotien) eingeführt haben soll. (Pausanias, Beschreibung von Griechenland lib. IX. c. 29 § 3.)
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voetnoot2
- Thyrsus: Der Stab des Bacchus und das Sinnbild bacchischer Lust, ein lanzenartiger, mit dem Pinienapfel gekrönter Stab, zuweilen mit Ephen, stets mit Bändern unwunden.
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voetnoot3
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Evōē (Murmellius hat ‘ohe’ - griech. εύοτ): Der Jubelruf der Bacchantinnen und aller Verehrer des Bacchus. - Der Hinweis auf Horaz bezieht sich auf Horaz' Oden II, 19, 5-8:
‘Evoe! von neuem Schauer noch bebt des Herz,
Und voll des Bacchus jauchzt es in stürmischer
Entzückung: Evoe! schon', o Liber,
Schone, du furchtbarer Thyrsusschwinger.’
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voetnoot4
- Cirrha: Die Hafenstadt für Delphi, die berühmteste Tempelstätte Apollos; Cirrhas Herr, d. i. Apollo, der Vater der neun Musen. - Nysas Herr: Bacchus, der nach der Überlieferung zu Nysa, einer Stadt Indiens, erzogen worden ist.
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voetnoot1
- Seneca, Briefe an Lucilius XVII, 2. - Die Fortsetzung lautet: ‘Die Armut ist ungehindert, ist sorgenfrei.’
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voetnoot3
- Seneca, Briefe an Lucilius XVII, 4.
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voetnoot4
- Demosthenes, 384-322 v. Chr. Der gröszte unter den griechischen Meistern der Beredsamkeit. Vergl. unten ‘Scoparius’ Kap. 28.
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voetnoot1
- Protagoras aus Abdera, lebte um 490-410, einer der Sophisten. Demokrit (s. oben Kap. 6) ist um etwa 20 Jahre jünger als Protagoras gewesen. Dasz die Überlieferung den Protagoras gleichwohl zu einem Schüler des Demokrit macht, wird auf den Umstand zurückzuführen sein, dasz beide derselben Vaterstadt angehörten. Vergl. Erdmann, Grundrisz der Geschichte der Philosophie I, § 58.
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voetnoot2
- Murmellius hat ‘Diogenes’. Diogenes aus Sinope, der Cyniker, lebte indes in den Jahren 412?-324 v. Chr. Statt Diogenes ist Demokrit, dessen Vaterstadt Abdera war, zu lesen.
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voetnoot1
- Titus Maccius Plautus, geb. zu Sarsina in Umbrien um 254, gest. 184 v. Chr., der bedeutendste unter den Lustspieldichtern der Römer. 20 Lustspiele haben sich von ihm erhalten. ‘Seine Sittenschilderung ist von unbefangener Nacktheit und Derbheit, seine Laune unerschöpflich, sein Witz sehr beiszend; seine Sprache liebt altertümliche Worte und Wendungen: der sittliche Zorn über die Ausartung der Sitten blickt überall hinter der Verspottung derselben hervor.’ Seine Darstellung ist lebensvoll und lebenswahr, sie verschmäht nicht niedrige und gemeine Späsze, um dem Behagen des gewöhnlichen Volkes genug zu thun; die Gebildeten zieht sie an durch ‘echten Humor, gediegenen Witz, kräftige Zeichnung’.
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voetnoot2
- Kleanthes aus Assus lebte um 250 v. Chr., Schüler Zenos; von seinen Schriften hat sich nichts erhalten auszer einem Hymnus auf Zeus. - Kleanthes übte sich bis in hohes Alter hinein an körperlichen Arbeiten. Als er einst beim Umgraben des Gartens auf sich selber schalt, antwortete er auf die Frage: ‘Wen schiltst du?’ mit Lachen: ‘Einen Greis mit grauen Haaren, aber ohne Sinn und Verstand.’ Zu einem spartanischen Jüngling, der den Ausspruch that: ‘Die Arbeit ist etwas Gutes’, sprach Kleanthes die anerkennenden Worte: ‘Du bist von vornehmen Geblüt, mein Sohn.’
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voetnoot1
- Der Stifter der stoischen Schule war Zenon aus Cittium auf Cypern (340-260?); derselbe lehrte zu Athen in der Stoa Poikile, einer an der Nordseite des Marktes gelegenen Säulenhalle. Cimon hatte dieselbe von Peisianar erbauen lassen; Polygnotos hatte sie mit Gemälden geziert (Theseus im Kamp mit den Amazonen, die Einnahme Trojas, die Schlacht bei Marathon, die Schlacht bei Oinoe); von ihrem Bilderschmuck wurde sie Poikile (die bunte) genannt. Der Name des Ortes (Stoa), woselbst Zenon lehrte, wurde bezeichnend für die Benennung seiner Schüler (Stoiker).
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voetnoot2
- Die Stelle scheint im Texte verderbt oder unvollständig überliefert zu sein. Es liegt in ihr der Anklang an die von Diogenes Laërtius überlieferte Begebenheit: ‘Diogenes betrat einst in Gegenwart des Tyrannen Dionys von Syrakus die Lagerstätte Platos mit schmutzigen Füszen unter den Worten: ‘Ich trete Platos Hochmut nieder.’ Plato erwiderte darauf: Wie sehr bist du selbst von Hochmut aufgeblasen, Diogenes, während du meinen Stolz niederzutreten vermeinst.’ - Plato begab sich zweimal an den Hof des Tyrannen Dionys II. (Alleinherrscher 367-357 und 346-343, Todesjahr unbekannt), einmal (388? v. Chr.) um den jungen Dionys für Tugend und Wissenschaft zu gewinnen, das andere Mal (361 v. Chr.) um Dionys mit seinem Oheim Dion (Regent von Syrakus in den Jahren 367 und 357) auszusöhnen.
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voetnoot3
- Über die Lage der ‘Akademie’ vergl. oben Kap. 1. Anmerkung zu Plato. - Plutarch (vita Cimon. c. 5) berichtet, dasz Cimon, der Besieger der Perser, jene Örtlichkeit, welche den Namen ‘Akademie’ führte, ‘reich bewässert, bepflanzt und mit Wegen zum Lustwandeln ausgestattet habe.’ Diogenes Laërtius überliefert, dasz Plato in dem ihm daselbst zugehörigen Garten ein Heiligtum der Musen gestiftet, dasz sein Schwestersohn Speusippos diesen Garten mit den Bildnissen der Charitinnen geschmückt, dasz ein Perser Mithridates daselbst eine Bildsäule des Plato aufgestellt habe. Nach Pausanias (Beschreibung Griechenlands XXX c. 3) lag daselbst auch die Grabstätte und das Grabmal Platos. Der Garten selbst fiel als Erbe an die Schüler Platos. - Bezüglich der Ungesundheit der Örtlichkeit hat der Herausgeber bestätigende Angaben der Alten nicht ausfindig machen können.
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voetnoot1
- Thais eine berüchtigte Buhlerin Athens.
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voetnoot2
- Charybdis ein gefährlicher Strudel in der Meerenge von Messina gegenüber dem Felsen Scylla. (Heute: Calofaro und la Rema.)
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voetnoot1
- Cajus Plinius Cäcilius Secundus der Ältere (23-79 n. Chr.), der Verfasser die historia naturalis, ist gemeint. Sein Neffe Plinius der Jüngere berichtet über ihn in einem Briefe an Macer (Briefe III, 5): ‘Während der Hauptmahlzeit wurde ein Buch gelesen und Bemerkungen dazu gemacht, und zwar in flüchtigster Form. Ich erinnere mich noch, dasz, als der Vorleser sich etwas versprochen hatte und einer der Freunde des Oheims ihn innehalten und das Vorhergegangene wiederholen liesz, dieser jenen fragte: “Du hattest es doch wohl verstanden?” und als er die Frage bejahte, entgegnete der Oheim: “Warum lieszest du ihn denn noch einmal lesen? Wir haben zehn Zeilen und darüber durch die Unterbrechung verloren.” So grosz war seine Sparsamkeit mit der Zeit.’
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voetnoot2
- Marcus Porcius Cato Censorius (234-149 v. Chr.), ‘der beste Redner, der Weiseste im Rat, der erste Feldherr’; (vergl. Plinius Historia naturalis VII. c. XXVII). Noch in seinem Alter, wahrscheinlich nach seiner Prätur im Jahre 198, sah er sich veranlaszt, die griechische Ausnutzung der Zeit wie auch sein selbst in seinem hohen Alter unermüdlicher Fleisz lassen sich aus den Worten erkennen, die ihm Cicero in seiner Schrift ‘Cato oder von dem Greisenalter’ § 38 in den Mund legt: ‘Ich habe jetzt das siebente Buch meiner Urgeschichte unter Händen; ich sammle alle Urkunden des Altertums; die Reden für alle wichtigeren Rechtshändel, die ich je verteidigt habe, arbeite ich gerade jetzt aus; ich beschäftige mich mit dem Rechte der Augurn und der Oberpriester, sowie mit dem bürgerlichen Rechte; auch die griechische Litteratur treibe ich fleiszig, und nach Art der Pythagoreer vergegenwärtige ich mir zur Übung des Gedächtnisses am Abende, was ich an jedem Tage gesagt, gehört und gethan habe. Das sind die Übungen des Geistes, das die Wettkämpfe des Verstandes; in ihnen schwitzend und mich abmühend vermisse ich nicht sonderlich die Körperkräfte. Ich vertrete meine Freunde vor Gericht, komme häufig in die Senatssitzungen, teile unaufgefordert viel und lange überdachte Gegenstände mit und verteidige sie mit den Kräften des Geistes, nicht des Körpers. Und wäre ich auch nicht mehr imstande dieses auszuführen, so würde ich doch auf meinem Ruhelager Unterhaltung finden, auf dem ich eben das überdächte, was ich nicht mehr ausführen könnte. Dasz ich es aber noch kann, ist die Wirkung meiner früheren Lebensweise. Denn wer immer in solchen Beschäftigungen und Arbeiten lebt, bemerkt nicht, wann das Alter heranschleicht.’ - Curie d. i. die Curia Hostilia, ein unter Tullus Hostilius für die Senatssitzungen bestimmtes Gebäude.
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voetnoot1
- Cäsars ‘Denkwürdigkeiten über den gallischen Krieg’ sind mit Ausnahme des 8. Buches in dieser Weise entstanden.
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voetnoot2
- Der Mutinische Krieg (44-43) ward herbeigeführt durch die Feindschaft zwischen Marcus Antonius und Decimus Brutus; Octavianus zog im Auftrage des Senates dem in Mutina eingeschlossenen Brutus zu Hilfe. - Sueton (vita Octavian. Aug.i) berichtet: ‘Während des Krieges von Mutina soll Augustus trotz der so groszen Arbeitslast täglich gelesen, geschrieben und Vortragsübungen gehalten haben. Er hielt nämlich in der Folgezeit nie eine Rede im Senate, ans Volk oder ans Heer, ohne sie wohl durchdacht und ausgearbeitet zu haben, wenn es ihm auch nicht an der Fähigkeit gebrach, in unvorhergesehenen Fällen aus dem Stegreife zu reden.’
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voetnoot1
- d. h. ich überlasse mich dem Schlafe erst dann, wenn er mich überwältigt.
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voetnoot3
- Ovid: Die Kunst zu lieben III, 63-64.
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voetnoot4
- Aristoteles, Politik VIII, cap. 4 § 2.
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voetnoot1
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‘Und willst du enden die Liebe,
Führe Geschäfte - sie weicht diesen - so bist du geschützt.
Trägheit und unmäsziger Schlaf, von keinem gestöret,
Und das Spiel und ein Haupt, taumelnd von reichlichem Wein,
Rauben sämtliche Kraft ohn' alle Wunde dem Geiste;
Unvermutet erscheint Amor, der tückische, dann,
Müszigen folget er gern, die Thätigen hasset der Knabe;
Unbeschäftigtem Geist gieb ein ihn fesselndes Werk.’
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voetnoot1
- Baptist van Mantua (Battista Mantovano) geb. 1448, gest. 1519; Mitglied des Karmeliter-Ordens, seit 1513 General dieses Ordens, lebte seit 1478 andauernd in Mantua. Markgraf Giovanni Franzesco II. (geb. 1466, gest. 1519) und die Gemahlin desselben, Isabella von Este (1474-1539) hatten ihm die Erziehung ihres Sohnes Sigismund anvertraut. Baptist von Manua ist als Dichter hochberühmt. Seine gedankenreichste Dichtung ist: ‘Die Not der Zeit’ (de calamitate temporum) in sieben Büchern. Eine andere bedeutsame Dichtung: ‘Parthenice’ giebt in sieben Büchern Lebensbeschreibungen der heiligen Maria und anderer heiliger Jungfrauen: Katharina, Agatha, Lucia, Apollonia, Cäcilia. ‘Diese Lebensbeschreibungen sind fast alle sinnig zart, erheben sich mitunder zu hoher Schönheit und besitzen kunstvolle Anlage, dramatische Bewegung, kräftige Farben.’ Die Darstellungsweise, die Wahl des Ausdrucks und der Bilder läszt erkennen, in welch hohem Masze Baptist von Mantua, dem Zuge der Zeit folgend, trotz des christlichen Inhaltes seiner Dichtungen abhängig war von den Dichtern des Altertums. Den Himmel nennt er den Olymp; Gott den Vater nennt er ‘Jupiter tonans’ u. s. w.
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voetnoot1
- Briefe I, (, 15. - Die vorhergehenden zum Verständnis der angeführten Stelle notwendigen Worte lauten: ‘So geht es mir, seit ich auf meinem Laurentinum (das Landhaus des Plinius bei Laurentum) lese oder schreibe oder meiner Gesundheit lebe, von welcher der Geist getragen und frisch erhalten wird. Da höre ich nichts, was ich gehört, da spreche ich nichts, was ich gesprochen zu haben bedauern müszte; da verkleinert keiner den andern in liebloser Rede; ich selber zanke mit niemanden, auszer manchmal mit mir selbst, wenn ich mich gar zu ungeschickt beim Schreiben anstelle; auch regt mich keine Hoffnung, keine Furcht auf; mich beunruhigt kein Geschwätz, ich verkehre nur mit mir selber und mit meinen Büchern. Das ist ein rechtes, herziges Leben, das ist eine’ u. s. w. (s. oben.)
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voetnoot3
- Publius Cornelius Scipio Africanus Major, der Besieger Hannibals, geb. 237, gest. 183 v. Chr.
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voetnoot4
- Marcus Porcius Cato Censorius (s. oben Kap, 12. Anmerkung) verfaszte in höherem Alter seine 7 Bücher ‘origines’ d. h. Ursprungsgeschichten’. Es ist dies ‘das älteste lateinisch geschriebene Geschichtswerk und das erste bedeutende prosaische Werk der römischen Litteratur.’ Das Werk läszt zwei inhaltlich verschiedene Hauptteile erkennen. Der erste enthält die Gründungsgeschichte Roms, der italischen Städte, der Punier, Siciliens; der zweite bietet eine Zusammenstellung von ‘Merkwürdigkeiten’, die bis auf das Jahr 149 v. Chr. hinabreichen.
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voetnoot1
- Leonidas, ein Mann von finsterem Charakter, ein Verwandter von Alexanders Mutter Olympias, war der Leiter der Erziehung, ‘der Vorsteher von allen Erziehern, Hofmeistern, Lehrern.’ Plutarch, Alexander c. 5. Später erst, als Philipp bei seinem Sohne Unbeugsamkeit des Willens beobachtete, der sich gegen Zwang sträubte, aber doch durch vernünfige Vorstellungen leicht zum rechten Ziele geführt werden konnte, berief er den Aristoteles zum Erzieher Alexanders. Plutarch, Alexander c. 7.
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voetnoot2
- Diogenes von Babylon, geb. zu Seleukia am Tigris, Schüler des Chrysippus (geb. 290 v. Chr. zu Soli in Cilicien), Anhänger der stoischen Philosophie, daher auch ‘der Stoiker’ genannt. Diogenes der Stoiker, Kritolaos der Peripatiker und Karneades der Akademiker wurden im Jahre 155 v. Chr. von den Athenern als Botschafter nach Rom gesandt. Bei dieser Gelegenheit hat Diogenes den Römern die erste Kunde von der stoischen Philosophie gebracht.
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voetnoot3
- Das Platonische Gespräch: ‘Sophistes’ hat die Erörterung und Widerlegung von ‘Scheinwissen und Irrtum’ zum hauptsächlichsten Gegenstande.
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voetnoot1
- d. i. Fabius Quintilianus s. oben Kap. 2.
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voetnoot2
- Alexander Gallus de villa dei (von Villedieu in der Normandie), Minorit, gestorben als Kanonikus in Avranches, gab im Jahre 1209 (oder 1199) unter dem Titel ‘doctrinale puerorum’ - ‘Lehrbuch für Knaben’ - eine in leoninischen Hexametern abgefaszte Grammatik heraus, welche das Werk des Donatus (s. unten Kap. 17, Anmerkung) zur Grundlage hatte. - Der leoninische Hexameter zeigt den Reim zwischen Cäsur und Versausgang. - Alexanders Werk war in den Schulen des Mittelalters viel verbreitet. Nach der Weise des Alexander ‘wurden die Kasus einzeln ihrer Bedeutung nach philosophisch abgehandelt, und im Anschlusz an ihn brauchten dann die scholastischen Lehrer hierzu eine unsinnige Zeit, so dasz die Schüler nach langer Mühe wohl die Kasus logisch definieren, gleichwohl aber einfach deklinieren nicht konnten.’
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voetnoot1
- Die Lustspiele des Plautus (s. oben Kap. 10) und des Terenz (s. oben Kap. 5) wurden manches Jahrhundert hindurch als Schulbücher verwandt. Die Werke des Plautus sind, wenngleich auch nicht gerade alle sittlich anstöszig sind, als Schullektüre ihres sittlichen Inhaltes wegen bedenklich. Die vierte preuszische Direktoren-Konferenz hat mit Einstimmigkeit die Lustspiele des Plautus als ungeeignet für die Schullektüre bezeichnet. - Nach Lessing (Sämtliche Werke XXII 310) ‘sind Captivi das schönste Stück, das jemals auf die Bühne gekommen ist.’. Plautus' Trinummus ist von Lessing zu einem einaktigen Lustspiele (ohne Frauenrollen): ‘Der Schatz’ umgearbeitet worden. - Auch andere Bedenken liegen vor: ‘Bei Plautus ist die Schwierigkeit in Sprache und Versbau zu grosz; eine Bekanntschaft mit der geschichtlichen Entwicklung der Sprachformen des Lateinischen liegt auszerhalb der Schule, und über die prosaischen und metrischen Gesetze des Dichters schwebt noch der Streit.’ - Auch Terenz ist durch Beschlusz der Direktoren-Konferenz in Preuszen als Schullektüre verworfen. Im Königreich Sachsen dagegen ist die Lektüre geeigneter Stücke von Terenz ‘als Abwechslung’ für die Unterprima gestattet.
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voetnoot1
- Die unter ‘-’ eingeschlossene Stelle ist aus Quintilian de inst. orat. I. c. 2 genommen.
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voetnoot2
- Horaz, ars poetica 335-337. Die ‘ars poetica’ ist eine an L. Calpurnius Piso und seine Söhne gerichtete poetische Epistel ‘Über die Dichtkunst’. Horaz, Episteln lib. II, 3.
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voetnoot1
- Auch diese Stelle (‘-’) ist Quintilian de instit. orat. lib. II, c. 2 entlehnt.
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voetnoot2
- Murmellius bezeichnet die Schule nach römischer Weise mit ‘ludus’ (in ludo tractanda). ‘Der gewöhnliche Ausdruck für Schule als Unterrichtsräumlichkeit war bei den Römern “ludus”, d. h. der Platz für die zur Erholung vorgenommenen Übungen der körperlichen und geistigen Kräfte.’ Vergl. K. A. Schmid: Geschichte der Erziehung. I. 283.
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voetnoot1
- Euklid gründete noch zu Sokrates' Lebzeiten eine eigene Schule zu Megara. Seine Anhänger wurden wegen ihrer einseitigen Beschäftigung mit dialektischen Studien ‘Dialektiker’ genannt. Von Euklids in Gesprächsform abgefaszten Schriften ist keine auf uns gekommen.
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voetnoot3
- Calvisius Taurus aus Berytos, Platoniker, wirkte zur Zeit des Kaisers Hadrian (117-138); seine in griechischer Sprache abgefaszten Schriften sind sämtlich verloren gegangen.
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voetnoot4
- Nach der Schlacht bei Sybota (433 v. Chr.) hatten die Athener auf Antrag des Charinos, eines Vertrauten des Perikles, die Sperre über Megara verhängt, wonach den Megarensern ‘bei Todesstrafe Handel und Verkehr mit Athen und allen Häfen des athenischen Herrschaftsgebietes untersagt wurde.’
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voetnoot5
- Pythagoras von Samos (geb. 584 (580?) v. Chr., gest. 497?) hat grosze Reisen unternommen, die ihn nach Ionien, Phönicien, Mesopotamien, Ägypten gelernt haben soll; in die Arithmetik dagegen, in welcher er vielleicht noch gröszer als in Geometrie war, sollen ihn die Chaldäer eingeweiht haben, die er in Babylon antraf.’ - Memphis, die Hauptstadt des ‘Alten Reiches’, an der Südgrenze des Nordlandes, wenige Meilen oberhalb des Deltas. Der Name ‘Memphis’ ist die griechische Umgestaltung aus dem ägyptischen Mennofer ‘die schöne Ruhestätte’.
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voetnoot1
- Nach dem Tode des Sokrates (399 v. Chr.) wandte sich Plato (s. oben Kap. 1) zunächst nach Megara, woselbst er den Euklid (s. oben) zum Lehrer hatte. Dann begab er sich nach Kyrene zu dem Mathematiker Theodorus, dann nach Ägypten - Strabo spricht von einem 13 jährigen Aufenthalt des Plato in Ägypten -, nach Sicilien und Unteritalien. Letzteres wurde wegen der zahlreich dort aufblühenden griechischen Pflanzstädte ‘Groszgriechenland’ genannt. In Unteritalien trat Plato mit den Pythagoreern in Verbindung. Das Haupt derselben war zur Zeit Archytas von Tarent, ebenso bedeutend als Mench und Philosoph wie als Staatsman und Feldherr. Durch Dion, ein Mitglied des pythagoreischen Bundes, wurde Plato an dem Hofe Dionys' I. von Syrakus (406-367) eingeführt. Durch Ansichten und Verhalten erregte Plato den Zorn dieses Gewaltherrschers. Wenn derselbe auch von seinem Vorhaben, ihn töten zu lassen, Abstand nahm, so übergab er ihn gleichwohl einer spartanischen Gesandtschaft mit dem Auftrage, ihn ins Meer zu werfen oder als Sklaven zu verkaufen. Die Spartaner verkauften ihn den Ägineten, welche damals den Athenern feindlich gesinnt waren. Plato soll dann von Annikeris, einem Mitglied der cyrenäischen Schule, losgekauft worden sein. Nach seiner Rückkehr nach Athen (um 387 v. Chr.) lehrte dann Plato in der Akademie (vergl. Kap. 1. Anmerkung). Es wird noch von zwei andern Reisen des Plato nach Syrakus berichtet. Die Nachrichten hierüber haben indes nicht allseitig Glauben gefunden.
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voetnoot2
- Vergl. des Plinius Brief an Nepos: ‘Hast du niet gelesen, wie ein Mann as Cadix, von des Titus Livius Namen und Ruhm angezogen, von den äuszersten Marken der Erde kam, um ihn zu sehen, und wieder abreiste, sobald er ihn gesehen hatte?’ Plin. Briefe II, 3, 8. - Titus Livius, geb. 59 v. Chr., gest. 15 n. Chr. schrieb eine Geschichte des römischen Volkes in 142 Büchern, von denen sich 1-10 und 12-45 und einige Bruchstücke erhalten haben. ‘Die lebendig-geschmackvolle, mit seinem Verständnisse jedesmal der Lage angepaszte Sprache, die jedoch durch ihre zahlreichen poetischen Wendungen bereits das nahende “silberne” Zeitalter der Latinität ankündigt, machte das Lesen des Livius den Römern zu einem wirklichen Genutz, dessen Buch über ihre ältere Zeit einen wahrhaft zauberhaften Glanz ausbreitete.’
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voetnoot1
- Apollonius von Tyana in Kappadozien lebte im ersten Jahrhundert nach Chr. Geburt. Er scheint ein überzeugungstreuer Philosoph der neupythagoreischen Richtung gewesen zu sein, der durch ein Leben voll Enthaltsamkeit Aufsehen erregte. ‘Seine wundersüchtigen Zeit- und Gesinnungsgenossen haben sein Leben als das eines unmittelbar göttlichen Wunderthäters betrachtet und dargestellt.’ Die vielerlei über ihn überlieferten Wundergeschichten gehen auf das Werk des Flavius Philostratus zurück, welcher dasselbe im Auftrage der Julia Domna, der zweiten Gemahlin des Kaisers Septimius Severus (193-211), verfaszte. Philostratus hat aus dem Leben ‘des gefeiertsten Heiligen der hellenischen Welt eine Art von religiösem Reise- und Tendenzroman gemacht. Ohne unmittelbar das Christentum zu befeinden wird hier einerseits der auszerordentlichen Gestalt des Stifters der christlichen Religion thatsächlich eine antike Idealfigur gegenübergestellt, anderseits die neupythagoreische Philosophie als ein Läuterungs- und Erhebungsmittel für die alte Religion, gegenüber den sie innerlich und äuszerlich auflösenden Faktoren hingestellt.’
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voetnoot2
- Die Albaner bewohnten (nach Ptolemäus) das heutige Georgien in seinen östlichen Teilen, das nördliche Armenien bis in die Nähe von Eriwan, die russischen Provinzen Dagestan und Schirwan, die östlichen Teile des ehemaligen Tscherkessengebietes. Vergl. Georgii, alte Geographie I, 151.
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voetnoot3
- Die Alten unterschieden ein Scythien diesseits und jenseits des Imaus d. i. Uralgebirges.
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voetnoot4
- Die Wohnsitze der Massageten, eines scythischen Volkes, erstreckten sich ostwärts vom Aralsee.
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voetnoot1
- Ein Flusz dieses Namens ist dem Herausgeber nicht bekannt. - Physkon, heute Adhem, ist der Name eines Nebenflusses des Tigris. - Der Phasis, heute Rion, ein Flusz in Transkaukasien, wird auch wohl Phison genannt. - Phison (Pison) ist nach Moses I, c. 2, 11 einer der vier Flüsse des Paradieses. - Pison (d. i. Kanal) der Name des Kanals, welcher von Hit am Euphrat (nordwärts von Babylon) am Rande der arabischen Wüste in gleicher Richtung mit dem Euphrat bis zum Meere angelegt war, in das er sich in eigener Mündung ergosz. Dieser Kanal, auch Pallakopas (Grenzflusz) genannt, heiszt heute Hafar Saadeh. - An diese Flüsse wird indes schon der Lage nach nicht gedacht werden dürfen. - Vielleicht ist unter Physon der Hyphasis (indisch Vipasa, heute Bejah), einer der Ströme des Pendschab (der Hyphasis mündet in den Acesines, heute Tschenab, dieser in den Indus), zu verstehen.
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voetnoot2
- Das indische ‘brahman’ bedeutet ursprünglich ‘Gottesverehrung, die ihren Ausdruck sucht und findet’. Demgemäsz heiszt Brahmane ‘der fromme Beter oder Gottesdiener und jeder, der aus innerstem Herzensdrange seiner Verehrung Ausdruck leiht’. (Lefmann, Geschichte des alten Indiens 72.) Später werden dann die vertrauten und betrauten Lehrer und Priester der Gottheit, die einen streng geschlossenen Stand bilden, Brahmanen im engeren Sinne genannt. Die Standespflichten, die das Gesetzbuch der Inder den Brahmanen auferlegt, sind: den Veda zu lesen und ihn andere zu lehren; zu opfern, andern beim Opfer beizustehen; Almosen zu geben, wenn sie reich sind; wenn sie arm sind, Geschenke zu nehmen. - Veda d. i. Wissen, heilige Wissenschaft; die Urkunden dieser heiligen Wissenschaft sind die Vedas; Sammlungen von uralten religiösen Hymnen und Sprüchen.
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voetnoot3
- Der Sinn dieser Bemerkung ist dem Herausgeber unerfindlich. - Wenn ein Schüler der Brahmanen einen bestimmten Teil seines Lehrganges zurückgelegt hatte, so wurde eine feierliche ‘Wasserspende’ abgehalten. Vergl. Lefmann, Geschichte des alten Indiens 488 f. Der Schüler, welcher seine Lehrzeit beendet hatte, wurde Snâtaka d. i. ‘einer, der gebadet hat,’ genannt. (Schmid: Geschichte der Erziehung I, 107.) Vielleicht liegt in den obigen Worten eine Andeutung auf diese Gebräuche bei den Brahmanen.
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voetnoot4
- Die Elamiten bewohnten das Land Elam, östlich vom persischen Meerbusen und vom Tigris, südlich von Medien.
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voetnoot5
- Chaldäa ist das Niederland der mesopotamischen Ebene vom persischen Meerbusen im Süden bis nördlich zur Linie zwischen Hit am Euphrat und Samaras am Tigris. (Hommel, Geschichte Assyriens und Babyloniens, 182.) Chaldäa und Babylonien erscheinen für gewöhnlich als Namen für ein und dasselbe Landgebiet. Mit Chaldäa wird auch wohl das Land westlich vom Euphrat bis zu den groszen Kanälen von Maarsares, heute Kerbela, und Pallakopas, heute Hafar Saadeh, bezeichnet. - In Babylonien wurden, namentlich in den späteren Jahrhunderten, die Priester, die Träger der Wissenschaften, ‘Chaldäer’ im engeren Sinne genannt.
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voetnoot1
- Parther, ein Volk scythischer Abstammung. Sie erscheinen zunächst in dem Gebiete östlich von Medien in den heutigen persischen Provinzen Kohestan und Komis. Unter Arsakes I. (250-248 v. Chr.) beginnt die Loslösung Parthiens vom Reiche der Seleuciden und die Gründung eines parthischen Reiches, das weit über die Grenzen des alten Parthiens hinausgreift.
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voetnoot2
- Gymnosophisten, ursprünglich: ‘nackte indische Weisen’.
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voetnoot3
- Der ‘Sonnentisch’: Herodot (III, 17) berichtet, dasz der Perserkönig Kambyses (529-522) von Ägypten aus eine Gesandtschaft zu den langlebenden Äthiopiern auch zu dem Sonnentisch hingeführt worden seien. ‘Dieser Sonnentisch - so erzählt Herodot III. c. 18 - ist eine Wiese in der Vorstadt, voll gekochten Fleisches von allen vierfüszigen Tieren. Von den jedesmaligen Stadtbeamten wird bei Nacht dieses Fleisch hingelegt, und bei Tage kommt, wer will, und speist.’ - Diese Makrobier will man in den heutigen Somal (Mehrzahl zur Einzahl ‘Somali’) an der Küste zwischen Bab el Mandeb und Kap Guardafui wiederfinden. Die heutigen Somal sind ein handeltreibendes Volk: ihr Gebiet ist gleichsam der Stapelplatz für den kaufmännischen Verkehr zwischen Afrika und Arabien. Die alten Ägypter haben mit dem Lande Punt - so bezeichneten sie die Gebiete östlich und westlich von der Strasze Bab el Mandeb und vom Golf von Aden (-) schon des Weihrauchs wegen, dessen Heimat Südarabien und die Somaliküste ist, von den ältesten Zeiten in Handelsverbindungen gestanden. Unter Sanchkare, dem letzten Könige der XI. Dynastie, um 2000 v. Chr., wird ein ägyptisches Schiff nach Punt abgeschickt, ‘ um frischen Weihrauch von den Häuptlingen des roten Landes zu holen’. Unter der Königin Makara-Hatschop (Ha'tschepsut) - XVIII Dynastie - (1500-1480?) werden die Handelsbeziehungen mit Punt wieder angeknüpft. - Sind nun die Makrobier, wie man nach der Lage des Landes und nach den in Hieroglyphen-Inschriften erhaltenen Überlieferungen annehmen darf, ebenfalls ein Handelsvolk gewesen, ‘so war der Sonnentisch - der Altar der Sonne - vielleicht der Marktplatz, an den, weil fast aller Handel in Afrika unter den Schutz von Heiligtümern gestellt wird, religiöse Ideen sich anknüpften, und das gekochte Fleisch von der Sonne gedörrtes.’ Vergl. Heeren: Ideen über die Politik, den Verkehr und den Handel der alten Welt. 2. Teil I, 357.
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voetnoot1
- Apollonius Molon aus Alabanda in Karien, eines der Häupter der Rhodischen Rednerschule, kam als Gesandter der Rhodier nach Rom, um wegen der Beschädigungen, welche die Rhodier im mithridatischen Kriege erlitten, zu verhandeln. Von ihm liesz sich damals (88, 87 v. Chr.) Cicero in der Redekunst unterweisen. Später (78 v. Chr.) ging Cicero zu demselben Zwecke nach Rhodus, welches ein Hauptsitz griechischer Kunst und Wissenschaften geworden war. ‘Die rhodische Rednerschule strebte die Mitte zu halten zwischen der Überladenheit der asiatischen Beredsamkeit und der knappen, gedrungenen Redeweise derjenigen attischen Stilgattung, die auch zu Ciceros Zeiten viele für die allein mustergültige hielten.’
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voetnoot2
- Der Presbyter Drosius aus Lusitanien (geb. 390? nach Chr., Todesjahr unbekannt) suchte 414 den hl. Augustinus in Afrika (Hippo) und auf dessen Veranlassung den hl. Hieronymus († 420) zu Bethlehem auf, um sich in Widerlegungen gegen die Irrlehren des Priscillian, die sich unter anderm über den Ursprung der Seele verbreiteten, unterweisen zu lassen.
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voetnoot1
- C. Marius Victorinus, ein Afrikaner von Geburt, wirkte in der Mitte des IV. Jahrhunderts als Grammatiker und Rhetor, schrieb eine ars grammatica in 4 Büchern. In seinen späteren Lebensjahren ist er zum Christentum übergetreten. Er verfaszte Erklärungen zu den Büchern des hl. Paulus, auch Gedichte in Anlehnung an Stoffe der hl. Schrift.
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voetnoot2
- Älius Donatus lebte als Grammatiker in der Mitte des IV. Jahrhunderts zu Rom. Die ‘ars grammatica’ desselben enthält eine kurze in Fragen und Antworten sich darstellende Unterweisung über die Redeteile. Seit Mitte des XII. Jahrhunderts wurde dieses Lehrbuch des Donat fast ausschlieszlich dem ersten lateinischen Unterricht zu Grunde gelegt.
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voetnoot3
- Der hl. Gregor von Nazians, geb. 330?, gest. 389 (390), berühmter Kirchenlehrer, ‘eines der drei Lichter der Kirche von Kappadozien’, verweilte von 379 bis 381 zu Konstantinopel behufs Regelung der durch Irrlehren und Zwietracht gefährdeten kirchlichen Verhältnisse daselbst. Auch hier ‘wirkte seine wunderbare Beredsamkeit zündend.’ Hierselbst suchte ihn Hieronymus, zur Zeit etwa 40 Jahre alt, auf, um seinen öffentlichen Vorträgen beizuwohnen und um sich von ihm im Einzelunterricht in der Kunst, die hl. Schrift auszulegen, unterweisen zu lassen.
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voetnoot4
- Apollinaris der Jüngere, Bischof von Laodicea, gest. nach dem Jahre 380.
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voetnoot5
- Didymus der Blinde, geb. zu Alexandria 310, gest. ebendaselbst um 395. Von seinem fünften Lebensjahre an erblindet, widmete er sich gleichwohl mit bewunderungswürdiger Ausdauer wissenschaftlichen Studien. Er gewann in der Folge groszen Ruf als Gelehrter und Lehrer. Länger denn 50 Jahre bekleidete er das Amt eines Vorstehers der Katechetenschule zu Alexandria. Von seinen in griechischer Sprache erschienenen Werken sind die bedeutendsten die beiden: ‘Über die Trinität’ und ‘Über den heligen Geist.’ Letzteres ist von Hieronymus ins Lateinische übertragen worden.
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voetnoot6
- Die obige Darstellung von den Reisen des hl. Hieronymus hat insofern eine Berichtigung zu erfahren, als der erstmalige Aufenthalt desselben zu Antiochia dem zu Konstantinopel voraufgegangen ist. Nach dem ersten Aufenthalte zu Antiochia zog sich Hieronymus für die Zeit von 374-378 in die Wüste von Chalcis (in Syrien) zurück. Während dieser Zeit liesz er sich bereits von einem getauften Juden in der hebräischen Sprache unterrichten (vergl. Hieron. epist. ad Rusticum monachum c. 12). Auch zu Bethlehem betrieb er späterhin hebräische und chaldäische Studien meistens zur Nachtzeit; Rabbinen waren dabei seine Lehrer.
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voetnoot1
- Vergl. Plinius des Jüngeren Brief an Tacitus (Epist. lib. IV, XIII 3-5): Als ich kürzlich in meiner Heimat war, kam der Sohn eines Landsmannes von mir, welcher die verbrämte Toga trug (die jungen Römer legten mit dem 15. Lebensjahre die verbrämte Knabentoga ab), um mich zu besuchen. Ich fragte ihn: ‘Studierst du?’ Er antwortete: ‘Ja wohl!’ ‘Wo?’ ‘Zu Mediolanum (Mailand).’ ‘Warum nicht hier?’ Da gab sein Vater, der auch mit dabei war und den Knaben zu mir gebracht hatte, mir den Bescheid: ‘Weil wir hier keine Lehrer haben.’ ‘Warum nicht? Es musz ja doch euch, die ihr Väter seid,’ - und glücklicherweise hörten dies mehrere anwesende Väter - ‘gar viel daran liegen, dasz eure Kinder vorzugsweise hier geschult werden. Denn wo sollten sie lieber ihren Aufenthalt nehmen als in ihrer Vaterstadt? wo besser in Zucht gehalten werden als unter den Augen ihrer Eltern? wo weniger kosten als zu Hause? Was für eine Kleinigkeit wäre es also Geld zusammenzulegen und Lehrer anzustellen und das, was ihr jetzt für Wohnung, für Reisekosten, für das, was ihr auswärts kauft - denn auswärts wird doch alles gekauft - aufwendet, dem Lehrer-Gehalte zuzulegen?’
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voetnoot1
- Seneca, Briefe an Lucilius I, 2, 2.
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voetnoot1
- Marcus Tullius Cicero geb. 65. v. Chr. - In der dem Herausgeber vorliegenden Sammlung der Briefe Ciceros ist ein Brief an den Sohn nicht enthalten. In einem Briefe, den der Sohn von Athen aus an den Freigelassenen Tiro schreibt (ad familiares lib. XVI, 21) spricht derselbe davon, dasz ihm ‘der Brief von dem freundlichen und teuren Vater die gröszte Freude bereitet hat’.
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voetnoot3
- Der Centaur Chiron, der Lehrer und Erzieher Achills, war der Sage nach berühmt als Bogenschütze und Leierspieler, als Kräuterkenner und Arzt, als Weisheitslehrer und Sterndeuter. - Es hat sich ein Pompejanischen Wandgemälde erhalten, welches darstellt, wie der Centaur - halb Mensch halb Pferd - den Achill im Saitenspiel unterweist und wie der Jüngling den Worten des Lehrers aufmerksam lauscht.
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voetnoot2
- Brief an C. Nepos. Plin. epist. II, 3, § 9.
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voetnoot3
- Epigramme. Buch I, 107, 7-8, - Marcus Valerius Martialis (42-102 n. Chr.) aus Bilbilis in Spanien, lebte von 64-98 in Rom. Seine formvollendeten Dichtungen - 15 Bücher Epigramme - bekunden hohe Begabung; Anmut und Wisz, Salz und Galle bieten sie genugsam. Seine Dichtungen gingen indes nach Gunst und Brot. Stofflich lehnen sich dieselben an Beobachtung und Erfahrung im Leben an und greifen mit Vorliebe die weniger saubern Geschehnisse und Verhältnisse des Lebens auf. Martial selbst ‘lebte anständiger als er zu schreiben beliebte’.
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voetnoot1
- Horaz, Epist. I, 18, 106-110. Die drei ersten der angeführten Verse sind von dem Herausgeber des Verständnisses wegen hinzugesetzt.
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voetnoot2
- Philolaos, ein Mitglied der pythagoreischen Schule, der ‘Vertreter der streng wissenschaftlichen Pythagoreer, hoch verdient um Ausbildung und Verbreitung der pythagoreischen Lehren.’ ‘Fast ein Jahrhundert nach Pythagoras haben Archytas von Tarent (s. oben Kap. 17) und Philolaos die pythagoreische Lehre schriftlich zur Darstellung gebracht. Auf den Bruchstücken dieser Schriften und auf einzelnen Stellen bei Aristoteles, der immer nur von Pythagoreern, nie aber von Pythagoras spricht, beruht unsere Kenntnis von der Lehre des Pythagoras.’ Prantl. a. a. O. 16. ‘Plato verdankt seine Zahlen und Ideenlehre ganz dem Philolaos.’ Erdmann, Gesch. der Philos. I, 25.
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voetnoot3
- 10000 Denare haben in Silberwährung den Münzwert von 7016, 40 Mark, in Goldwährung von 8700, 80 Mark, an Geldwert stellen 10000 Denare etwa den 10 bis 12 fachen Betrag dar.
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voetnoot4
- Speusippos, der Schwestersohn des Plato, übernahm nach des Meisters Tode die Leitung seiner Schule, der sog. älteren Akademie. (s. oben Kap. 1.)
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voetnoot5
- Drei attische Talente hatten einen Münzwert von 10145, 75 Mark; der Geldwert würde das Zehn- bis Zwölffache betragen.
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voetnoot6
- Über Picus von Mirandola s. oben Kap. 3.
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voetnoot1
- Die Buchdruckerkunst wird Chalkographie d. i. Erzschrift genannt wegen der Lettern aus Metall, die bei ihr verwandt werden.
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voetnoot2
- Dieser Ausspruch des älteren Plinius wird von dem jüngeren Plinius angeführt Briefe III, 5, 10.
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voetnoot1
- Seneca, Briefe an Lucilius I, 2, 2-3.
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voetnoot2
- Über Plinius den Älteren s. oben Kap. 12. - Die angeführte Thatsache findet sich in den Briefen des jüngeren Plinius (III, 5, 10) erwähnt.
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voetnoot1
- Das Hirtengedicht des Petrarca (s. oben Kap. 2) ist ein sinnreiches Dichtwerk, welches in das anmutige Gewand der Hirtendichtung unter Anlehnung an gegebene Verhältnisse der Zeit eine Fülle weisheitsvoller Lehren für sittliches und staatliches Leben einkleidet.
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voetnoot2
- Seneca, Briefe an Lucilius I, 7, § 7.
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voetnoot3
- Aristoteles, Nikomachische Ethik IX, c. 12 § 3: ‘Die Freundschaft der Guten ist selbst gut und wächst als solche durch gegenseitigen Umgang. Man kann sagen, beide Teile werden besser, indem sie einer für die Zwecke des andern wirken, und einer den andern zurechtweist; denn jeder drückt vom andern gefällt. Daher das Dichterwort: Gutes lernst du von Guten.’ Dieser Ausspruch stammt von Theognis her, einem berühmten Spruchdichter aus Megara (Mitte VI. Jahrhundert v. Chr.) Die Stelle bei Theognis lautet:
‘Nimmer mit schlechten
Männern gehe du um, stets nur zu guten gesellt!
Solche seien Gesellen beim Trunk dir, sowie bei der Mahlzeit,
Oder im Rat, und es sei ihnen gefallen dir Pflicht.
Denn von Guten wirst Gutes du lernen; doch wenn du den Schlechten
Zu dich gesellst, so verlierst du auch den eignen Verstand.
Folge dem Rat und gesell' dich zu Guten, damit du einst sagest:
Gut war der Rat, den ich hier sorglich den Freunden erteilt.’
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voetnoot1
- Quintilian, de instit. orat. lib. I, c. 2.
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voetnoot3
- Quintilian, welcher 20 Jahre hindurch sich der Bildung der römischen Jugend widmete, durfte mit vollem Rechte diesen Erfahrungssatz aussprechen. Martial preist ihn mit den Worten (Epigramme II, 90, 1-2):
‘Quintilianus, du Stolz der Erzieher flüchtiger Jugend,
Quintilianus, du Ruhm römischer Toga zugleich.’
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voetnoot1
- Seneca, Briefe an Lucilius I, 6, § 3, 4.
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voetnoot2
- Ambrosius, geb. um 340, gest. 4. April 397, Bischof von Mailand, einer der vier groszen Kirchenlehrer des Abendlandes. Sein Werk ‘Über die Pflichten’ (libri III de officiis) ist moralisch-ascentischen Inhaltes.
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voetnoot3
- Laurentius Balla (1407-1457), berühmter Humanist Italiens. Vergl. unten ‘Scoparius’ Kap. 55.
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voetnoot1
- Über Marcus Portius Cato Censorius s. oben Kap. 12. ‘Von Cato sind eine Anzahl Sentenzen, Sinnsprüche oder treffende Antworten in Umlauf gekommen, welche teils durch mündliche Überlieferung sich fortgepflanzt, teils aus seinen Schriften entlehnt, schon zu Ciceros Zeiten zu einer nicht unbedeutenden Sammlung erwachsen waren.’ Vergl. Gerlach: Marcus Porcius Cato, der Censor, S. 49. Diese ‘senteniae Catonis’ wurden in den Schulen des Mittelalters vielfach als Stoff zu Gedächtnisübungen verwertet.
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voetnoot2
- Eine Schrift Senecas, die den oben erwähnten Namen führt, hat sich nicht erhalten; auch unter den verloren gegangenen Schriften wird eine solche nicht aufgeführt. Vielleicht liegt eine Verwechslung vor mit Senecas Schrift ‘de tranquillitate animi’ (Von der Gemütsruhe) oder mit seiner Schrift: ‘de constantia sapientis’ (Von der Unerschütterlichkeit des Weisen).
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voetnoot3
- Isokrates (436-338), Lehrer der Beredsamkeit zu Athen. Die 21 Reden, welche sich von ihm erhalten haben, sind lediglich Schulreden, d. h. Reden, welche seinen Schülern zum bestimmenden Muster werden sollten. Es fehlt ihnen die erwärmende Begeisterung; in ihrem kunstreichen Satzbau und in dem zierlichen Schmuck des Ausdrucks erscheinen sie gesucht und wirken ermüdend. (s. Scoparius Kap. 25). Agricola hat die Reden des Isokrates für den Schulgebrauch ins Lateinische übersetzt ‘in freier Behandlung, aber mit sicherem Verständnis’.
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- Die ‘Jugend’ des Jakob Wimpheling bietet namentlich in ihrem zweiten Teile eine ungemein reichhaltige Sammlung von Sittenregeln für alle Verhältnisse des Lebens. Vergl. des Herausgebers: Wimpheling, Band XIII der vorliegenden Sammlung, Seite 175-330.
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- Nikolaus Perottus (Niccolo Perotti), geb. 1430, lehrte seit 1451 zu Bologna Rhetorik und Poesie, starb 1480 als Erzbischof von Siponto und Manfredonia. Sein Hauptwerk: Cornucopiae sive commentariorum linguae latinae liber primus (ein zweiter Band ist nicht erschienen) wurde 1479 zu Venedig herausgegeben. Dasselbe bietet unter der Form einer Erklärung von Martials Dichtungen (s. oben Kap. 19) wertvolle grammatisch-exegetische Studien. Ein anderes Werk: Rudimenta grammaticae (Elementargrammatik) erschien 1473 zu Rom.
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- Johannes Sulpitius Verulanus (Giovanni Sulpicio aus Veroli), XV. Jahrhundert, Humanist, lehrte zu Rom. Seine Schrift ‘Praeludia grammatica de octo partibus orationis’ (Über die acht Redeteile) wurde seit 1511 in Deutschland eingeführt. Andere Schriften: De componendis epistolis (Über die Kunst des Briefschreibens); de scansione et syllabarum quantitate (Über Metrik und Prosodie).
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- Battista Guarino von Verona (1370-1460), Lehrer zu Verona; seit 1429 Erzieher der fürstlichen Kinder zu Ferrara und Lehrer an der Hochschule, später wieder in Verona thätig. Nach Äneas Sylvius (Pius II.) war er der Lehrer fast aller derjenigen, die sich in jener zeit in den humanitätsstudien auszeichneten. Seine grammatischen Werke sind: Vocabularius breviloquus (Basel 1478) und Grammaticae institutiones (Verona 1487).
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- Pylades von Brescia d. i. Gian-Francesco Bocardo von Brescia gab 1495 eine Grammatik heraus, welche auch in Deutschland Verbreitung gefunden hat.
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- Anton Mancinelli, geb. 1452 zu Velletri, gest. 1505 zu Rom, Grammatiker. Seine wichtigsten Schriften: Thesaurus de varia constructione; Lexicon de verborum significatu. Epitoma seu regulae constructiones.
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- Cajus Sallustius Crispus, geb. 86, gest. 35 v. Chr. schrieb ‘De conjuratione Catilinae’ (Verschwörung des Catilina) und ‘Bellum Jugurthinum’ (Krieg gegen Jugurtha). Seine altertümlende Sprache bietet keine besondere Schwierigkeit für die Behandlung in der Schule (in Tertia bez. in Secunda). Vergl. Lehrplan von Wiese. - Über die anderen im obigen angeführten Schriftsteller der Römer vergl. die vorhergehenden Kapitel (10, 5, 4, 2, 5, 6).
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- Hesiod, Werke und Tage (auch: ‘Hausregeln’ genannt) 361-362. Hesiod aus Askra in Böotien lebte um 800 v. Chr. Das genannte Werk ‘bildet keine in sich abgeschlossene Einheit, sondern ist nur eine oft sehr lose zusammenhängende Spruchsammlung lehrhafter Art. In seiner Gesamtheit bietet es ein anziehendes Bild der griechischen Vorzeit in ihrer Einfachheit, Natürlichkeit, Sittlichkeit und Häuslichkeit.’ Murmellius führt nicht den griechischen Wortlaut, sondern die von Suarinus Veronensis (s. oben) gegebene Übersetzung dieser Zeilen Hesiods an:
‘Parvula si tentas superadjecisse pusillis
Idque frequens peragas magnus cumulatur acervus.’
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- Aristot. Politik. VIII. c. 2 § 1 und 2.
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- Publius Papinius Statius (45-96 nach Chr.) verfaszte Gelegenheitsgedichte (5 Bücher) unter dem Gesamtnamen ‘Silvae’ (Wälder); dieselben sind überwiegend beschreibender Art und sind als Spiegelbilder jener Zeit auch für den Geschichtsforscher nicht ohne Wert.
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- Olympia, die Stätte der Nationalspiele der Griechen, war an dem Flusse Alpheus (Alpheos) gelegen.
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- Decimus Magnus Ausonius, geb. um 300 n. Chr. zu Burdigala (Bordeaux), Erzieher des Kaisers Gratian (geb. 358, reg. von 375-383), verfaszte Briefe, Epigramme, Idyllen. Die berühmteste seiner Idyllen ist ‘Mosella’, um 370 vollendet. Seine gefälligen Dichtungen sind wegen ihrer vollendet schönen Form zu rühmen. In der IV. an seinen Enkel gerichteten Idylle giebt Ausonius ein Bild des damaligen Unterrichtes.
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- Das lateinische schola (Schule) - hergeleitet von dem griechischen σχολή - bezeichnet seinem ursprünglichen Wortsinne nach: ‘Ruhe von der Arbeit’.
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- Seneca, Briefe an Lucilius I, 15, 5.
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- Hermolaus Barbarus (Ermolao Barbaro), ein italienischer Humanist, geboren 1453 zu Venedig, studierte zu Verona; 1491 Patriarch von Aquileja; gest. 1493 zu Rom. Er verfaszte unter anderem lateinische Übersetzungen zu Themistios, Dioscorides, zur Rhetorik des Aristoteles; Erläuterungen zur Naturgeschichte des Plinius (Castigationes Plinianae) und zu Pomponius Mela (Castigationes in Pomponium Melam).
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- Horaz, ars poetica (s. oben Kap. 16) 412-415.
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- Zu Ehren des Apollo wurden zu Delphi in jedem fünften Jahre Festspiele, ‘die Pythien’, gefeiert, bei welchen neben gymnastischen Wettkämpfen auch Zitherspieler, Flötenbläser und Sänger um den Siegespreis kämpften.
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