Das niederländische Faustspiel des siebzehnten Jahrhunderts
(1910)–Jacob van Rijndorp– Auteursrecht onbekend(De hellevaart van Dr. Joan Faustus)
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Die Familie NoozemanGa naar voetnoot1).In den dreissiger Jahren tauchen in Amsterdam ein Jan und ein JillisGa naar voetnoot2) Noozeman auf. Von Jillis wissen wir, dass er 1626 geboren ist, und Jan wird 1638 als Lehrling bei einem Chirurgen genannt (Oud Holland XXII 45). In dem handschriftlichen Personenverzeichnis von Vondels Gebroeders, das ins Jahr 1640 gesetzt wird, stehen beide, hinter den Schauspielern besonders hinzugefügt, als Sänger. Jan kommt 1644 in Aufzeichnungen als Schauspieler vor (Gids 1891 III 352 Anm.). Ferner erschienen in den Jahren 1644-1649 in Amsterdam sechs Kluchten unter dem Namen J. Noozeman, denen 1659 noch eine siebente folgte. Diese werden seit frühster Zeit ohne nähere Unterscheidung beiden zugeschrieben, doch lassen sie sich leicht bestimmen. Es sind nämlich: 1. Hans van Tongen 1644 (Bibl. Haag, Leiden). - 2. Lichte Klaartje 1645 (angeführt z. B. in Kat. Tongerlo 1754 S. 21. - 2te Ausg. 1650 Bibl. Scheurleer im Haag). - 3. Beroyde Student 1646 (Bibl. Haag). - 4. Bedrooge Dronkaart 1649 (Bibl. Haag). - 5. Gelukkige Bedriegerij 1649 (nach Rotrou. Bibl. Haag, Leiden). - 6. Getemde Snorker 1649 (Bibl. Leiden; spätere Ausgaben tragen den Titel Romboud oder Hollebollige Romboud). - 7. Krijn Onverstant 1659 (wo? eine Ausgabe 1671 Bibl. Leiden). - Bei Nr. 2-7 befindet sich die Angabe, dass sie auf der Amsterdamsche Schouwburg aufgeführt worden sind. Nr. 1-4 sind bei Houthaak, Nr. 5 und Nr. 6 bei G. v. Goedesbergh erschienen. - In Nr. 5 wird Jan als Verfasser genannt, und ein Lobgedicht in Nr. 5 kündigt Nr. 6 als von demselben Verfasser an. Nun bezeichnet Jan selbst in der Vorrede Nr. 5 als seinen Erstling: folglich können Nr. 1-4 nicht von ihm sein. Nr. 7 ist Jillis Noozeman unterzeichnet. Nr. 1-3 sind, laut Vorrede zu Nr. 3, von demselben Verfasser, und die Vorrede u.a. machen es so gut wie sicher, | |
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dass Nr. 4 von demselben Verfasser ist wie Nr. 1-3. Dieser kann also nur Jillis sein, es sei denn dass man, weil Jillis erst 18-20 Jahre alt war, noch dessen Vater (der Jan geheissen haben muss, da Jillis seinen ältesten Sohn so taufen liess) in Betracht ziehen will. Ferner befinden sich unter dem Namen J. Noozeman acht Gedichte in ‘Amsteldamsche Vrolikheyt’ 1647, ein geistlicher ‘Jaarzang’ auf das Jahr 1650 im Amsterdamer Theatercodex, und Lobgedichte vor einigen Stücken, Lemmers' Scipio 1651, Tengnagels Frik int Veurhuys. Nach allem scheinen Jan und Gillis zwei etwa gleichaltrige Brüder gewesen zu sein. Jan verschwindet jedoch mit 1649 völlig von der Bildfläche. In dem erhaltenen Rollenverzeichnis der Amsterdamsche Schouwburg vom Spieljahr 1658/59 (Het Ned. Tooneel II 246) kommt nur éin J. Noozeman vor, und dieser Name steht einigemal ausgeschrieben als Jillis (Gütige Mitteilung des Direktors des Burger-Weeshuis von Amsterdam). Jillis Noozeman begegnet uns näher bestimmbar zum ersten Male in Leiden 10. Juni 1645, als Zeuge beim Verkauf der Theaterkostüme der Truppe Adriaen's v.d. Bergh c.s. Er gehörte also damals wenigstens zu dieser sich eben auflösenden Truppe, die oben 1639-1645 nachgewiesen worden ist. Adriaan van den Bergh, der bekannte Verfasser mehrerer Theaterstücke und Mitglied der Kammer ‘Uit rechte liefde’ in UtrechtGa naar voetnoot1), verschwindet nunmehr vom Schauplatz. An seine Stelle treten Payne und Fornenbergh 1645/46, und darauf Fornenbergh c.s. 1646-1652, unter denen Gillis seit 1646 dauernd bezeugt ist. In dieser Zeit war es, dass er die Tochter Adriaans, die in der TheatergeschichteGa naar voetnoot2), mindestens Hollands, als die erste namhafte Schauspielerin berühmt gewordene Adriana van den Bergh, heiratete. Seit wann diese mitspielte, ist unbekannt. Vielleicht ist sie das ‘dochtertje dat non pareilje ageert’, das 1645 in ‘Jemant en Niemant’ genannt wird, 1649 wird sie als ‘de Konstryke Juffr. Adriana v.d. Bergh’ erwähntGa naar voetnoot3), und im ‘Geest van Tengnagel’ 1652 sind ihr zwei Strophen gewidmet: Van den Bergs Adriaentje,
Die 'k zoo vaakmael heb gestreelt;...
Z' is nu by geen vreemde klanten;
Maar by zulcke daerse hoort,
En dat zijn Comedianten,
Daerse vaak van is...
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Zy is ook van zulck geslachte,
Want haar Zus speelt noch met vlijt,
En haer Vaêr, die hooggeachte
Speelder in zijn jonge tijt.
Hier wird deutlich auf ihre Ehe mit dem Schauspieler hingedeutet, und ihr zeitweiliger Rücktritt von der Bühne hängt auch damit zusammen. Denn am 21. September 1652 wurde das einzige Kind dieser Ehe, Maria Noozeman, geborenGa naar voetnoot1). Bei ihrer Taufe soll Fornenbergh Gevatter gestanden haben. Bald darauf erscheinen Gillis und Adriana als feste und angesehene Mitglieder der Amsterdamsche Schouwburg. Gillis ist 1655-1663 mehrfach in Amsterdam nachweisbarGa naar voetnoot2); er hatte dort vermutlich wie die meisten Schauspieler auch noch eine andre Beschäftigung, denn einmal wird er Kaufmann genanntGa naar voetnoot3). Im Spieljahr 1658/59 der Amsterdamsche Schouwburg, dem einzigen, von dem wir genauer unterrichtet sind, war Adriana die bestbezahlte Schauspielerin, Gillis der dritte Schauspieler, und auch die sechsjährige Maria trat in Kinderrollen auf. Alle Rollen, welche sie in jener Saison spielten, sind uns überliefert (vgl. Wybrands in Het Nederlandsch Tooneel II 251-321). Aber die Herrlichkeit dauerte nicht lange, das Begräbnisbuch der Oudekerk in Amsterdam vermeldet unterm 7. Dez. 1661: ‘Adriaentje van den Bergh, huysvrouwe van Gillis Nooseman, comt van de Conincxgracht, 10-13-0’ d.h. Gillis bezahlte 10 Gulden 13 Stuiver für die Beerdigung. Einige Jahre ist Gillis noch in Amsterdam geblieben, er unterzeichnete noch den Kontrakt, in welchem neun Amsterdamer Schauspieler sich im Juli 1663 verbanden, bis zur Amsterdamer Kirmes 1664 zusammen zu bleiben, mit der ausdrücklichen Bestimmung, dass keiner in dieser Zeit | |
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Jan Baptist direkt oder indirekt irgendwie Dienst leisten dürfeGa naar voetnoot1). Aber bald danach schloss er sich dem alten Freunde wieder an. Er begleitete diesen auf seinen grossen Reisen (s. oben) und verheiratete sich vor 1669 mit dessen zweiter Tochter, Johanna van Fornenbergh. Diese gebar ihm sechs KinderGa naar voetnoot2): Johannes geb. 1669 (in Hamburg, laut Eintrag im TrauregisterGa naar voetnoot3)); Carel geb. 1674; Gabriel geb. 1677 im Haag (getauft 18. Juli, Groote Kerk); Mathys geb. 1679; Gillis geb. 1681 (im Haag, laut Eintrag im Trauregister; 1702-1708 tritt er mehrmals als Zeuge in notariellen Akten auf, und als Prokurator der Familie Fornenbergh in den Erbschaftsangelegenheiten; er verheiratete sich am 27. Juli 1704 im Haag mit Sahra van Kerkhoven aus Rotterdam); Gerrit geb. 1682 (dieser erscheint 1717 als Leiter der Amsterdamer Schauspieler in Zwolle s. Worp II 246 Anm. 9). Als die Beiden heirateten hatte Gillis ebenso viel Schulden als Besitz, aber in der Folge ‘prosperierten sie durch Gottes gnädigen Segen’ dermassen, dass sie am 28. April 1681 ein Haus auf dem grossen Markt kaufen konntenGa naar voetnoot4). Gillis wird bei dieser Gelegenheit als im Haag wohnhaft bezeichnet. Schon im nächsten Jahre, am 1. November 1682, starb er, sechsundfünfzigjährig. Seine Hinterlassenschaft betrug 8850 fl.; der Hausrat wurde bei der Inventarisierung auf 1337 fl. angeschlagen. Die interessanteste Nummer dieses Inventars ist: ‘Speelcleederen en Tiaters’ im Wert von 360 fl.Ga naar voetnoot5). Dieser Besitz an Theaterausstattungen weist doch wohl darauf, dass Gillis nicht nur Teilhaber in Fornenberghs Unternehmen war, sondern auch selbständig spielte. Johanna zog bald darauf nach Amsterdam. Nach dem Tode Fornenbergh's kam es zwischen ihr und der Wittwe Fornenbergh's wegen der sehr komplizierten Erbschaftsfragen zu einem Prozess, der vom Hof van Holland entschiedenGa naar voetnoot6), zu einem gütlichen Vergleich führteGa naar voetnoot7), und dem wir wichtige Daten aus dem Leben dieses Kreises verdanken. Im Jahr | |
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1705 wird sie unter den Gläubigern ihres Sohnes Johan, und im Haag bei der Taufe eines Enkels genanntGa naar voetnoot1). Sie starb im Haag am 12. April 1728 und wurde am 19ten daselbst begrabenGa naar voetnoot2). Sieben Jahre nach dem Tode des Vaters, einundzwanzigjährig, tritt Gillis' ältester Sohn Johannes in dem alten Haager Kreise auf. Er heiratete am 20. Febr. 1690Ga naar voetnoot3) die 22jährige Anna van Rijndorp, Tochter und Schwester der Haager Schauspieler dieses Namens, und associerte sich am 19. Mai 1690 mit seinem Schwager Jacob van Rijndorp auf unbestimmte ZeitGa naar voetnoot4). Sein Einsatz in die Gemeinschaft waren die obengenannten Theater-requisiten seines Vaters, welche in dem Kontrakt so beschrieben werden: ‘Drie Tiaters met sijn schermen ende achterdoecken, gebruyct werdende tot de Commedie, als een Bos Tiater, een Tuyn Tiater ende een Hoff Tiater, mitsgaders een gedeelte van een wit Tiater ende eenige Tenten als mede seven friessen ende eenige leysten.’ Noch ausführlicher anlässlich ihrer Verpfändung an Maria Noozeman: ‘Een kist waar in de navolgende Theaters als Een Hoff, Een Bosch, Een thuin ende een klucht Theater, met sijn schermen, twee Tenten, Een voor Theater, seven friessen, verscheide Leysten ende losse pilaren, item verscheide Speelklederen als poolse, moderne, spaense ende romeinse klederen, verscheide Bootsgeselle ende Boereklucht klederen, oock verscheide Bocquetten pluijmen van alderhande koleuren.’ Im Februar 1691 wurde dem Ehepaar ihr erstes und einziges Kind geboren, das sie nach dem Grossvater Gillis nannten, Taufzeugen waren der Schauspieler Nicolaas Zeeman und Anna's jüngere Schwester MagdalenaGa naar voetnoot5). Aus allem, was weiter von diesem Ehepaar bekannt geworden ist, ergiebt sich, dass Jan Noozeman ein leichtsinniger Mensch war und seiner Frau das Handeln und die geschäftliche Leitung überliess. Kaum ein Jahr nach dem Kontrakt mit Rijndorp (14. Febr. 1691) entlieh er ‘in syn ongelegentheid’ 306 Gulden von seiner Stiefschwester Maria Noozeman, der Frau Fornenberghs, wofür er obengenannte Requisiten in Pfand geben musste; bald darauf übertrug er allen gemeinschaftlichen Besitz auf den Namen seiner FrauGa naar voetnoot6). Und Anna, nicht er, ist es denn auch, die obige Requisiten am 3. Oktober 1697 von Maria Noozeman zurückerhielt, indem sie sich verpflichtete die 306 Gulden von dem Anteil, den sie sich | |
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bei ihrer Compagnie für den Gebrauch dieser Requisiten bedungen hatte, zu bezahlenGa naar voetnoot1). Von den Wandlungen der Rijndorp-Noozemanschen Truppe wird unter Rijndorp die Rede sein, hier sei nur gesagt, dass in den folgenden Jahren Jan Noozeman noch stets als Mitprinzipal genannt wird. Nach der dänischen Reise 1703/04 jedoch war er so heruntergekommen, dass er sich als Gagist bei Rijndorp verdingen und endlich im Herbst 1705 insolvent erklären lassen mussteGa naar voetnoot2). Von da ab kann ich weder ihn noch seine Frau weiter in der Haager Truppe nachweisenGa naar voetnoot3), aber elend zu Grunde gegangen scheinen sie doch nicht zu sein. Denn wir besitzen eine Grabschrift aus der Feder des Sevenberger Dichters J. Zeeus auf Jan NoozemanGa naar voetnoot4), in welcher zwar deutlich Anspielungen auf seinen Leichtsinn gemacht werden, aber doch gesagt wird, Noozeman solle auf keinem Kirchhof begraben werden, sondern De Haagsche Schouburg moet zijn dierbare asch bewaren
Hij stel ze in goud gekast, op 't hoog tooneel te prijk.
Op dat hij als voorheen zich zelve nog gelijk
Geëert worde als het hooft der Schouburg redenaren.
Und sein Name blieb auch im Angedenken der Nachkommen mit dem Rijndorps vereinigt: Von der ‘alten berühmten Compagnie von Ryndorp und Noseman’ herzustammen rühmten sich die Haager Schauspieler, welche 1740 in Hamburg auftratenGa naar voetnoot5). Anna van Rijndorp aber stand lange Jahre nach ihres Mannes Tode, mit einem sonst unbekannten I. Jenois, an der Spitze einer französischen Truppe, die 1734 in Utrecht auftratGa naar voetnoot6). Der Sohn der beiden blieb in den elterlichen Bahnen: unterm 4. Oktober 1710 befindet sich in der Matrikel der Universität Leiden der Eintrag ‘Gillis Noseman Haga-Batavus. Artis saltator. Magister. 20 (d.h. zwanzig Jahre alt).’ |
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