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Vergleichende Inhaltsangabe.
Erster Akt. Erste Scene. Das Vorspiel in der Hölle beginnt mit einem Reien höllischer Frauengeister. Dieser, ebenso wie alle oder doch die meisten übrigen Tänze des Stückes ist wohl eine Zutat Rijndorps, er findet sich weder bei Dekker noch in einem deutschen Stück und setzt auch ein Personal voraus, über das die meisten Wanderbühnen kaum verfügten. Dagegen sind solche Reien die ausgesprochene Liebhaberei Rijndorps. In seinen Festspielen und Festpantomimen bilden sie den Hauptinhalt, und wir wissen, dass sein Ballett in Kopenhagen Aufsehen machte. Auch rühmt er selbst als allgemein bekannt, dass er für die Verzierung seiner Stücke durch kunstreiche Tänze nie Kosten gespart habe (Vorrede zu Visscher door Liefde 1715), und er hatte ja auch eigene Tanzmeister und Musiker wie Willemtsz und Niuelon in seiner Truppe. Auch dass es ein Frauenreien ist, stimmt gut zu dem, was uns von Rijndorps Neigungen überliefert ist: Corver erzählt, Rijndorp habe zu sagen gepflegt, ein Theaterstück ohne Frauen sei ein Körper ohne Seele, und er habe deshalb die Torheit begangen, in Vondels Palamedes den Reien der Euböer durch Amazonen zu ersetzen (Tooneelaanteekeningen 1786 S. 92). Nun, auch im Faust treten Frauen kaum auf.
Zweite Scene. Charon beschuldigt als treuer Warner Pluto der Untätigkeit, wodurch die Hölle zurückgehe. Pluto's Zorn darüber legt sich schnell, und er trifft Massregeln um abzuhelfen. Ramuzes soll die Advokaten, Stokebrand die Doktoren, Heintje Pik die Huren, Mifastofeles, der schnelle und kluge Teufel, die Gelehrten, speziell die Geistlichen, verführen. Jeder
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der vier verbreitet sich über sein Thema, Mifastofeles nennt Faust als den grössten Gelehrten, dessen Verführung von hohem Interesse für die Hölle sei. Alle machen sich auf den Weg. Schlussballett höllischer Furien. Dies der reale Inhalt der Scene, wie sie Rijndorp vorgelegen haben mag, die breite Ausführung des Dialogs und der einzelnen Themen im französischen Theaterstil sind gewiss seine Zutat. Zur Rekonstruierung der Scene im ursprünglichen englischdeutschen Stück wird hier einiges neues Material geboten. Gleich im Beginn freilich ist R verstümmelt, denn wir wissen aus U, dass der Anfang von Dekkers Vorpiel wörtlich übernommen war, dass also Charon's Wunsch um Gehaltsaufbesserung der Ausgang des Gesprächs und der Grund von Pluto's Zorn war. Aber die Rollenverteilung an einzelne Teufel, die in der Verkürzung von U untergegangen und auch in S kaum mehr zu erkennen ist, von der nur Schröder deutlich Zeugnis giebt, wird durch R bestätigt. Bei Dekker muss Ruffman sich als Höfling, Shakle-soule als Mönch, Grumshall (oder Lurchall) als Kaufmann umgestalten und dementsprechend wirken; einige andre Teufel, unter andern Tobacco-spawling, werden ihnen beigegeben. Nach Schröder rief Pluto ‘den Tobacteüffel, den Huren-Teüffel, auch unter andern den Klugkheit-Teüffel und giebt ihnen Order, dass sie nach aller Möglichkeit die Leüte betrügen sollen’ (vgl. noch in U Plutos Programm: Sekten, Kaufleute, Frauenzimmer, Universitäten). Namen nennt er nicht, es lässt sich annehmen, dass diese sehr beweglich waren. So machen auch die Namen in R den Eindruck des Lokalen. Ramuzes weiss ich nicht zu belegen, Dekkers Rufman
steht doch selbst für einen Floris Groen zu weit ab, ebenso die im Mittelalter so beliebten Zauberer Pharaos Jamnes und Mambres mit ihren vielen Nebenformen; lautlich näher liegt Ramses in vulgärholländischer Aussprache ‘Rammezes’, aber wie käme der in diese Gesellschaft? Stokebrand nennt Jan Zoet 1659 (Werken S. 314), Rijndorp in Peleus en Thetis, Mauricius im Leidsche Studentenleven (ca. 1706). Heintje Pik ist ein im siebzehnten Jahrhundert häufig vorkommender niederländischer Name für den Teufel (vgl. Woordenboek der Ned. Taal VI, 478). Dagegen weist die Form Mifastofeles auf den englischen Ursprung des Stückes zurück: Mephastofilis (und Mephastofilus) ist eine in den älteren Drucken von Marlowe's Faust ganz gewöhnliche Schreibung, die von der
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englischen Aussprache des deutschen Wortes nerrührt, und diese ergab wiederum die holländische Schreibung. - Da bei Dekker die Aussendung der Teufel zu einem einzigen gemeinschaftlichen Zweck geschah, so musste der Dichter, der diese Scene vor Marlowe's Faust schweisste, hier Mephistofeles einfügen, ja ihm die Hauptrolle zuerteilen und die übrigen zurücktreten lassen. Wie dies geschah zeigt R am deutlichsten; in U ist der Zusammenhang äusserlich gar nicht ausgedrückt; bei Schröder muss man es erraten, dass der Klugheitsteufel eben Mephistofeles ist; in S sind umgekehrt die andern Teufel fast verschwunden. - Aufgegeben sind dagegen in R die Umgestaltung der Teufel und die Verabredung einer Zusammenkunft, die Dekker hat und welche durch U für das alte Stück bezeugt sind. - Die weitläufigen Verbreitungen über die menschlichen Laster konnten alle Rijndorp nahe liegen: die Verhöhnung der Ärzte durch Molière's beliebtes Stück; mit den Notaren hatten die Schauspieler auf Schritt und Tritt zu tun; die Studententorheiten, speziell die Verhältnisse in Leiden waren Leckerbissen für sein nächstes Publikum; auch die übrigen allen Zeiten angehörigen sind so entschieden auf Ort und Zeit zugeschnitten, dass man nicht nach einer Vorlage zu suchen Bedürfnis fühlt.
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Verwandlung. Fausts Zimmer.
Zweiter Akt. Erste Scene. In neunzehn Alexandrinern läuft der ganze Monolog ab. Faust ist berühmt durch Gelehrsamkeit, aber es foltert ihn zu noch mehr Wissen zu gelangen, er weiss jedoch nicht wie. Er bittet den Himmel ihn vor Straucheln zu bewahren und meint zwei Stimmen zu hören, von denen die eine ihn zu irdischen Schätzen, die andre zu ewigen ruft, die eine lockt, die andre warnt. Fausts Charakter und Studien werden in der Hölle und in dem folgenden Gespräch näher bezeichnet, so dass nichts dahinter gesucht werden darf, wenn hier der Theologie keine Erwähnung geschieht: ausdrücklich spricht der Schutzengel von Faust's ‘geestelyk studeeren’. Aber doch lässt der Monolog es herausfühlen, dass er durch zwei Köpfe gegangen ist, die wenig geneigt waren ihr Publikum mit Grübeleien zu speisen. Über die Vorlage lässt er daher kaum Schlüsse zu. Eigentümlich ist, dass das Wesentliche des
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folgenden Gesprächs als Einflüsterung unhörbarer Stimmen erzählend vorweggenommen wird.
Zweite Scene. Fausts Gespräch mit Mifastofeles und Schutzengel (Schutzgeist S). Das Auftreten des Mifastofeles ist im Vorspiel genau exponiert: der Teufel der Gelehrten, der seine Schnelligkeit am Gedanken misst, macht sich seiner Ankündigung gemäss an Faust, der gute Engel ist nur eine Kontrastauslösung seines Auftretens. Deutlich stimmt dieser Gang zu Schröders Notiz, wonach Pluto neben den andern zuletzt den Klugheitteufel aufruft und eben dieser ‘klüge Teüffel’ es ist, dem sich Faust ergiebt. Nur das Strassburger Puppenspiel (und E) enthält noch eine trübe Erinnerung an diesen Zusammenhang, der augenscheinlich von dem Verschmelzer von Dekkers Vorspiel mit Marlowes Stück herrührt, trübe, weil sein Mephistophiles kein Teufel der Gelehrtenwelt mehr ist. Die Verheissungen Mifastafoles' sind recht im Sinne der Sage doppelter Art: einerseits Ehre und Macht, andrerseits verborgenes Wissen im Diesseit, mit skeptischem Hinweis auf die Unsicherheit des Jenseits. Die des Schutzengels sind durchaus auf's Jenseits gerichtet, ja in den vierfüssigen Jamben so stark theologisch gefärbt, dass für diese Partie eine besondre Quelle angenommen werden muss. Dass Theologie und Nigromantie kaum angedeutet werden, kann nur eine Verdunkelung der Vorlage sein, denn alles läuft doch auf diese beiden Gegensätze hinaus. Bei der Befragung der Beiden, ähnlich UAW, fällt auf, dass der Teufel, wie in der alten Cyprianlegende, Faust mit einem vorgeblichen Wohlgefallen der Hölle an ihm schmeichelt. Nach Fausts Entscheidung noch ein Warnungswort des Schutzengels, ohne andrerseits das höllische Gelächter (doch vgl. II 11): auch hier steht S am nächsten.
Dritte Scene. Anschliessender Monolog Fausts, der im Widerspruch mit der soeben genommenen Entscheidung, Schwanken ausdrückt; inhaltlich nah verwandt ist U I 4, nur dass U die ersten Pikelhärings-scenen dazwischen geschoben hat; äusserlich entsprechen die Schlussworte Fausts in den meisten andern Texten, nachdem die Engel verschwunden sind.
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Vierte Scene. Die Anmeldung zweier gelehrten Bekannten Fausts durch Wagner an derselben Stelle wie die deutschen Puppenspiele, im Gegensatz zu Marlowe.
Fünfte Scene. Die Besucher, Fabritius und Alfonzus, sind sowohl alte Bekannte als Studenten; sie übergeben das verhängnisvolle Zauberbuch unwissentlich und treten später als Warner und teilnehmende Freunde auf. Die zwei Paare bei Marlowe, Valdes und Cornelius dem Bösen angehörig einerseits, und die zwei scholars dem Guten angehörig andrerseits, sind also in dem englischdeutschen Stück in ein Paar zusammengefasst. Die Namen sind nur im holländischen und den beiden böhmischen Stücken bewahrt; Cornelius ist in J erhalten, dagegen Alfonzus R, Antonius D; der ungebräuchliche Name Valdes scheint von Anfang an Fabricius geworden zu sein, so übereinstimmend RJD. Die durch die Verschmelzung entstehende Zweideutigkeit ihres Charakters tritt am stärksten in U hervor, während die übrigen Stücke zeigen, dass man die Überbringer immermehr als Werkzeug des Teufels angesehen wissen wollte. Der Zug, dass Faust in diesem Gespräch fortwährend und zwar in zwei entgegengesetzten Richtungen seine Stimmung vor den Besuchem verbirgt, ist nur hier; er ist in der guten Qualität der Überbringer begründet und dient dem folgenden Monolog als wirksame Folie. Er könnte daher sehr wohl dem alten Stück angehören.
Sechste Scene. Monolog Fausts, Freude über das Buch und Vorsatz es gleich zu benutzen, ähnlich U(E)SA.
Siebente Scene. Faust befiehlt Wagner ihn hinauszubegleiten, er wolle das junge Grün des Frühlings sehen; er werde ihm sagen, was er mitzunehmen habe, vor allem das Zauberbuch. Hier sind zwei Widersprüche: erstens hat die Verstellung keinen Sinn, da er Wagner gleich darauf die fürchterlichen Ingredienzen zur Beschwörung mitteilt, und zweitens nennt er diese Ingredienzen erst draussen im Wald, anstatt jetzt zu Hause vor dem Spaziergang. Im ursprünglichen Stück kann nur eins von beiden gestanden
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haben. Auch in U lässt sich Faust von Wagner das Material zur Beschwörung herbeibringen, der vorgewendete Spaziergang fällt hier von selbst weg, da die Beschwörung wenigstens anfangs in Fausts Wohnung verlegt zu sein scheint, wie dies in A(E) deutlich gesagt ist. Aber in S spricht Faust wirklich zu Hanswurst von einem Abendspaziergang, den er mit ihm machen wolle (Seite 863), und in G zu Wagner von einer Reise, von welcher er ‘nicht vor morgen 10 Uhr’ zurück sein werde. Es stünde also, wenn man will UR gegen SGR, wobei UR dadurch recht schwach erscheint, dass in U die Lokalität verwischt ist und in R die Ingredienzen verdächtig sind. Besteht also die Möglichkeit, dass in dem ursprünglichen englischdeutschen Stücke einige geheuchelte Worte von einem Spaziergang die Beschwörungsscene im Walde exponierten, so ist auch nicht ausgeschlossen, dass in den Aufführungen die Goethe sah, hiervon noch soviel übrig war, dass es die Unterlage bilden konnte, auf welcher der Spaziergang Fausts und Wagners mit der ersten Annäherung der Hölle erwuchs.
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Verwandlung: Wald.
Achte Scene. Pekels Monolog. Die echt holländische Bezeichnung für die lustige Person (mit der dem Holländischen eigentümlichen Abkürzung durch Weglassung des zweiten Teiles), welche für das Schauspiel der englischen Komödianten auf dem Festland charakteristisch geworden ist, kommt sonst weder bei Floris Groen und Rijndorp noch, soviel ich weiss, bei den andern holländischen Lustspieldichtern der Zeit vor. Hier ist durchaus Arlekijn u.ä. gebräuchlich. Sie weist mit Sicherheit auf eine Vorlage aus dem Kreise der englischen Komödianten. Dass U die altertümliche Bezeichnung bewahrt hat, ist doppelt bemerkenswert, weil alles, was die lustige Person angeht, begreiflicherweise am stärksten jeweiligen Anpassungen unterworfen ist. - Da ausser R auch alle deutschen Stücke im Gegensatz zu Marlowe die lustige Person mit einem Monolog einführen, so ist wohl anzunehmen, dass dieser dem englischdeutschen Stück angehörte. Bloss seine Stelle macht Schwierigkeit. Isoliert wie in R steht er nirgends, wohl aber haben ihn SAG an demselben Platz, nur dass sie gleich die handelnden Hanswurstscenen anschliessen. Andrerseits stimmt aber R gerade bezüglich letzterer mit der Scenenfolge bei Marlowe und gutteils
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auch mit U überein und muss daher respektiert werden. Auch U, das den Monolog nebst einer Scene noch weiter als R nach vorn schiebt, ist zu beachten. Am wahrscheinlichsten scheint mir, dass RU eine vorangestellte Extemporescene des alten Stückes (vgl. ‘Allhier agiret Pickelhäring’ im Fortunat der englischen Komödianten) bewahren, die R oder U aus scenischen Gründen verschoben und U mit einer andren Scene verbunden hat. - Der Inhalt des Monologs stimmt in der Hauptsache mit den übrigen Stücken überein, ist aber in allen Einzelheiten speziell holländisch. Die gehässige Anspielung auf Jan Baptist van Fornenbergh ist ihrem ganzen Charakter nach Rijndorps Zutat. Abgesehen davon, dass man derartiges überhaupt nicht leicht übernimmt, liebt Rijndorp es, Persönliches einzuflechten, bei Floris Groen wüsste ich kein Beispiel.
Neunte Scene. Faust und Wagner. An die Aufzählung der fürchterlichen Ingredienzen zur Beschwörung ist ebenso geschmacklos als unpsychologisch die Bitte Wagners um einen Diener gefügt. Erstere erinnern in der Tonart an Marlowe, setzen aber inhaltlich eine andre Quelle voraus. Wer diese Gräuel selbst ausgedacht hat, ist zu erhitzt um so ins Platte überzuschlagen. Die Bitte Wagners, welche die Hanswursthandlung einleitet, die in den meisten Stücken früher, wo Wagner die Studenten anmeldet, steht, gehört also dem englischdeutschen Stück an. Für ihre ursprüngliche Stelle könnte wiederum U beachtenswert sein, wo sie I 3 zwar nur als Andeutung, aber doch in Übereinstimmung mit R und abweichend von allen andern Stücken gleich hinter dem Monolog Pickelhärings steht.
Zehnte Scene. Beschwörung. Die Beschwörungsformel ist abhängig von den in der vorigen Scene aufgezählten Ingredienzen, und deshalb ebenfalls isoliert.
Elfte Scene. Tanz Fausts mit den drei Teufeln des Vorspiels, vermutlich Rijndorps Zutat, um einen Tanz anbringen zu können; an den Tanz der Teufel bei Marlowe vor der Verschreibung ist doch kaum zu denken. Darauf die Schnelligkeitsprobe. Dass die erscheinenden Teufel identisch
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mit denen des Vorspiels sind, ist vielleicht bloss eine praktische Regiemassregel Rijndorps, jedenfalls fehlt zur Prüfung das Vergleichungsmaterial. An sich stimmt ja das Auftreten von Ramuzes, Stokebrand und Heintje Pik schlecht zu der Verteilung der Arbeit im Vorspiel. R neben Schröders Bericht beweist, dass die Schnelligkeitsprobe dem englischdeutschen Stück angehörte, und die Übereinstimmung aller übrigen Stücke lässt bezüglich der Stelle derselben im Stück keinen Zweifel. Auch inhaltlich ist R wichtig: seine Steigerung Pfeil, Kugel aus dem Rohr, (Schiff im) Wind, Gedanke steht der ältesten Überlieferung im Volksbuch 1590, Pfeil, Wind, Gedanke, näher als irgend ein andrer Text. Die Einschiebung der modernen Kanonenkugel hinter den altmodischen Pfeil konnte, wenn vier Geister gewünscht wurden, naheliegen. Doch stehen beide nebeneinander sonst nur im Münchener Spiel (Bruinier Zeitsch. f. dtsche Phil. 30356), die ‘Kugel aus dem Rohr’ allein in LB. Ob R also hierin seine Vorlage bewahrt, steht dahin; aber jedenfalls ist R vertrauenerweckender als Schröder, der diese Scene überhaupt nicht glücklich notierte und dessen Reihe Hirsch-Wolke-Wind-Gedanke gewiss keine ursprüngliche Fassung darstellt. - Ob das höllische Gelächter am Schluss der Scene holländische Zutat ist, oder aber das in II 2 fehlende Hahaha der meisten deutschen Stücke darstellt?
Zwölfte Scene. Erste Unterredung Fausts mit Mifastofeles. Der scenisch wirksame Zug, dass Mifastofeles vor Abschluss des Kontraktes seinem Herrn Bericht erstatten muss, wodurch ein guter Abgang im Wald und eine neue abgerundete Kontraktscene im Zimmer gewonnen wird (Goethe hat ihn aufgegeben aber nichts an seine Stelle gesetzt), befindet sich schon, aus dem Volksbuch geschöpft, bei Marlowe und ist durch Schröder und U für das alte Stück bezeugt. - Auf der Schnelligkeitsprobe beruht Mifastafoles' Erklärung, dass er erscheinen werde, sowie Faust an ihn denke, und er erweist sich in der Folge in der Tat so schnell als der Gedanke. Ausser R hat nur noch L diese einheitliche Gedankenfolge, die auf den zwei nicht-marlowischen Scenen, Vorspiel und Schnelligkeitsprobe, beruht. In ASP ist das Erscheinen des Teufels beim Gedanken an ihn bewahrt, obgleich seine Schnelligkeit nichts mehr mit
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dem Gedanken zu tun hat. Marlowe's Faust bestellt Mephistofeles auf Mitternacht. Nun zeigen UWKr (G?) eine Mischung der zwei Vorstellungen: der Teufel kommt um Mitternacht, wenn Faust an ihn denkt. Diese Mischung ist also auch für das englischdeutsche Stück vorauszusetzen.
Dreizehnte Scene. Monolog Fausts, nochmaliges Schwanken und Entschluss ausdrückend. Von den Texten ULW(E), die ebenfalls nach Mephistos Verschwinden mit einigen Worten Fausts abschliessen, scheint L wirklich Verwandtschaft zu zeigen.
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[Verwandlung: Strasse.]
Dritter Akt. Erste Scene. Pekels Monolog, anknüpfend an den ersten isolierten Monolog II 8. Auffällig ist für diese Scenenreihe, dass von der Exponierung von Pekels Engagement durch Wagners Bitte (II 9) gar kein Gebrauch gemacht wird, sondern Pekel selbst anklopft und darauf von Faust selbst engagiert wird. Ob dieser Hiat alt ist d.h. auf einer Inkontinuität der festländischen Bearbeitung von Marlowe's Stück beruht, welche Wagners Bitte zwar einführte aber nicht durchführte, wage ich nicht zu entscheiden. Denn einerseits ist Wagners Bitte alt (s. oben), andrerseits webt in diesen Scenen trotz aller Unterschiede der Geist des Urstücks von Marlowe. - Den ursprünglichen Platz dieser Scenenreihe weist die Übereinstimmung Marlowe RU doch wohl sicher an. Creizenach (Versuch S. 72) musste mit seinem Material sich noch durch die Übereinstimmung ESAG leiten lassen, welche diese Scenen vor die Beschwörung geschoben und an diese Stelle eine neue Hanswurstscene, die Parodie auf Fausts Beschwörung, gesetzt haben. - Die Einzelheiten das Monologs sind holländisch.
Zweite Scene. Pekel und Wagner, Schlägerei. Der kleine Disput wegen Wagners Anrede, mit dem Marlowe die Scene anhebt und den SG bewahrt haben (eine Spur auch in U), ist hier zu einer förmlichen Keilerei mit grobianischer Pointe ausgearbeitet. Vermutlich holländische Zutat, da sonst die Prügelscene wohl irgendwo erhalten wäre.
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Dritte Scene. Faust zu den Vorigen, stiftet Frieden; Pekel berichtet über sein Geschlecht und Namen, tölpelt Faust an, lässt sich aber doch von ihm in Dienst nehmen; ausser Befriedigung seiner Bauchbedürfnisse möchte er auch doktern lernen und Faust beauftragt Wagner ihm einige Unterweisung zu geben. Letztgenannter Zug geht, wenn auch ganz verändert, auf Marlowe zurück und ist auch in U noch erkenntlich. Das Gewitzel über Namen und Familie ist festländische Zutat, die sich fast durchgehends erhalten hat. U, das in der ersten Pekelhäringscene, dem Engagement, Marlowe näher steht als das holländische Stück, stimmt sogar in der ganzen Gedankenreihe der an dieser Stelle behandelten Punkte durchaus zu R.
Vierte bis Siebente Scene. Kontraktscene. Dass die Hölle statt der von Faust verlangten 30 Jahre nur 25 bietet giebt zu keiner Diskussion Anlass. Ob ein Feilschen für die Vorlage vorauszusetzen ist bleibt zweifelhaft, in den meisten Texten ist wie hier nur ein Ansatz dazu. Die drei Vertragsbedingungen sind: Nicht heiraten, keine Kirche betreten, keinen Verkehr mit Gelehrten pflegen; die ersten beiden sind allgemein, an die dritte erinnern nur AO; ich möchte nicht, so verführerisch es ist, daraus einen Schluss auf die Vorlage wagen. Das Unterschreiben wird durch die Erscheinung des Schutzengels einen Augenblick retardiert, wie noch in USBJWD, geht aber dann ohne Ceremonie und ohne Schwierigkeit vor sich. Das Auffälligste in dieser Scene sind die vielen fallengelassenen Momente; es fehlen die bestbezeugten Züge, des Teufels Frage in welcher Gestalt er erscheinen solle, Faust's Frage was Pluto an seiner Seele liege, das Homo fuge, die Blutgewinnung. Darin erkennt man Floris Groen's Hand, der die Handlung aufs Notwendigste einkürzte, und so seinem Bearbeiter ein verstümmeltes Material überlieferte. - Ohne Unterbrechung, wie auch in U?GBWMD wird an den Kontrakt die Reise geknüpft.
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Verwandlung: Kaiserhof.
Achte Scene. Kaiser Karl, seine Gemahlin Isabella, die Höflinge Octavio
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und Ferdinand beim Fest. Unvermittelt will der Kaiser Alexander sehen, man warnt, aber geht doch einen Beschwörer zu suchen. Breit ausgeführt wie der Anfang des Vorspiels. - Als Fürst der Hofscenen nennt die Historia bekanntlich Karl V, den Marlowe übernahm. R ist der einzige Text der diesen Namen bewahrt, und der sogar, vermutlich selbständig, die in Holland augenscheinlich noch nicht vergessene Gemahlin desselben Isabella von Portugal namentlich einführt (Die Gemahlin des Fürsten spielt in Sch W eine besondre Rolle). Ebenso sind hier allein die Höflinge noch benannt, freilich sind sie an Zahl und Namen von Marlowe verschieden. Die Verlegung dieser Scene vom Kaiserhof an den Hof des Herzogs von Parma ist bekanntlich erst für 1710 bezeugt (s. Engel, Bibl. Faust. Nr. 443; Parma wird beiläufig bei Marlowe erwähnt). Die eigentliche Handlung, welche die Geisterscene exponieren soll, scheint eine Ungeschicklichkeit der holländischen Bearbeiter, vielleicht nur eine Folge von Rijndorps Ausführlichkeit an dieser Stelle zu sein, nirgends ist sonst eine Spur davon.
Neunte Scene. Zur Zeitfüllung zwischen dem Abgang Octaafs und seiner Rückkehr schaltet Rijndorp, gewiss nicht Floris Groen, ein Ballett ein.
Zehnte und Elfte Scene. Faust führt sich, mittels Übernatürlichkeiten, als Erfüller von des Kaisers Wünschen ein; er stellt die Bedingung, dass der Kaiser sich weder bewege noch spreche und dass er selbst nicht gestraft werde. Erneute Warnung der Kaiserin, von der jedoch weiter nicht mehr die Rede ist. Die Erscheinungen bestehen erstens in einer Kampfpantomime Hectors und Achilles' und zweitens in dem Auftreten Alexanders. Letzterer giebt dem Kaiser, der spricht und sich ihm nähert, einen Schlag ins Gesicht und verschwindet. Darüber gerät der Kaiser in Zorn und religiösen Schrecken, und verbannt Faust aus seinem Reich.
Die schwierigste Scene des Stückes, die am ersten die alte Vermutung von einem vormarlowischen deutschen Faustdrama stützen könnte. Das Kampfballett an sich, vor der Erscheinung Alexanders, ist Marlowisch (B-Fassung 1616 ff), und auch der Schlag ins Gesicht könnte von dort, von der Kastastrophe der Pabstscene, stammen. Aber die Personen des
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Kampfballetts, Hektor und Achilles, die so gewaltsam vor Alexanders Erscheinung eingeschoben sind, und ferner die ganze Inscenierung der Erscheinungszene, die auf der Warnung beruhende Katastrophe, weisen an Marlowe vorbei auf ältere deutsche Quellen. Mit den Erfurter Kapiteln des Volksbuches (und danach Widman I 38), welche dem englischdeutschen Stück die Schnelligkeitsprobe geliefert haben, und die auch die Citierung trojanischer Helden vor den Studenten enthalten, kommt man hier nicht aus. Es ist notwendig zu der Quelle von Faust's Geistercitierung vor Karl dem Fünften (Historia) und vor den Studenten (Erfurter Kapitel) hinaufzusteigen, zu der Geistercitierung Johanns von Tritenheim vor Maximilian, die vielfach überliefert ist und bekanntlich schon von Luther erwähnt wird. Dass Züge dieser älteren Erzählung in der Faustsage gelegentlich neu auftauchen, wie der Name des Kaisers Maximilian bei Widman (Kloster II 596), ist bekannt. In dieser Geschichte findet sich die Hervorhebung Hektors und Achilles', die Drohung und wenigstens die Einleitung zur Katastrophe beisammen. So bei Goltwurm, Wunderzeichen. Frankfurt 1567 fol. CXXX, wo der Kaiser ‘die alten Heiden und rittermessigen Männer als Eneam, Agamemnonem, Priamum, Ulissem, Achillem, Hectorem, Scipionem, Hannibalem und andere mehr in jrer gantzen völligen kriegsrüstung und tapfferen gestalt’ sehen möchte. Hier ist der Verlauf folgendermassen: ‘Nach solchem unterricht verschaffet der Abt, das einer nach dem anderen hinein tratten, und einmal im Saal auff und abgiengen mit grosser reuerentz gegen den Keyser sich erzeigend, dazu er unbeweglich stillschweigend stund. Da er aber zuletzt den gewaltigen und fürtrefflichen Helden, den Hectorem in seiner herrlichen und männlichen gestalt sahe fürüber gehn, welcher jhme in seinem abzug grosse ehr beweist, mit neigen und andern
geberden, da vergass der Keyser des vorigen unterrichts... Da solches das gespenst Hectoris sahe, wandte es sich gantz grimmig umb, unnd begerte des Keysers jhme schaden zu thun.’ Im Volksbuch von Wagner 1593 ist es dagegen Achilles, der beschworen wird s. Kloster XI 635. Eine wirkliche Kampfpantomime von Achilles und Hector, ganz und gar zu R stimmend, erzählt Wier, De praestigiis daemonum 1586 S. 421 (vgl. den Auszug Kloster II 188). Eine Version dieser nicht gerade in schwarzer, man
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möchte sagen in neutraler Magie spielenden Fabel muss der Verfasser des englischdeutschen Stückes einigermassen selbstständig in das Marlowische Stück eingeschmolzen haben. Denn mannigfache Spuren besonders in der Schütz-Dreherschen Gruppe und den böhmischen Stücken beweisen, dass das holländische Stück alte Züge, wenn auch verstümmelt, bewahrt. Spuren der Warnung sind in SchB erhalten. Ein feindseliger Abschluss der Hofscene ist fast allen Texten gemein; nur haben ihn die meisten Parmaversionen durch eine neue Handlung mit neuen Motiven herbeigeführt, die zweifellos spätere Zutat ist (höchstens könnte in A zu untersuchen sein, ob nicht die Rachsucht der Hofherren auf der Benvolio-handlung bei Marlowe beruht). Aber sSwDJ (und die Quelle von Kr) begründen des Fürsten Ungnade in seiner plötzlichen Erkenntnis, dass der gelehrte Künstler mit schwarzer Magie arbeite. Das ist gewiss der Verlauf des alten Stückes gewesen. Der Kaiser verlangt leichtsinnig die Erscheinungen von dem Gelehrten, ohne sich der Gefahr bewusst werden zu wollen, und wird erst durch eine unzweideutige bösartige Dokumentierung der Gespenster zur Erkenntnis gebracht. Das enthielt auch die Quelle von R und darauf, nicht auf dem Namen, beruhte ursprünglich auch der Verrat Kasperles in den späteren Stücken, wie Sommer es noch angiebt.
Zwölfte und Dreizehnte Scene. Ferdinant und Octaaf beschimpfen Faust, eigentlich nur des Kaisers Worte fortsetzend. Dieser zaubert dem einen Hörner, dem andern Eselsohren auf den Kopf und verschwindet. Beide wollen ihn suchen und sich rächen. - So allgemein bezeugt der Hörnerzauber von 1666 ab ist, so schlecht belegt ist er in den Texten, und so unsicher ist daher seine ursprüngliche Form. In R ist Marlowe's Verschlingung dieser Geschichte mit der Kaiserscene aufgelöst, sie ist daneben gestellt; zugleich ist das altüberlieferte Fenster (Marlowe 1616 ff.) aufgegeben, nur die Beleidigung als Ursache ist geblieben. Die einzigen Texte die, wie in der vorigen Scene, noch etwas hiervon bewahrt haben, JDKr, stehen viel weiter von Volksbuch und Marlowe ab. - Die Eselsohren sind sonst nirgends bezeugt, und doch scheinen auch sie keine freie Erfindung Floris Groens oder Rijndorps zu
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sein, denn Marlowe (B-Fassung) hat das Motiv an die Hand gegeben:
If we should follow him to worke revenge,
He'd ioyne long Asses eares to these huge hornes,
And make us laughingstockes to all the world.
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[Verwandlung: Vor Fausts Hause?]
Vierter Akt. Erste bis Sechste Scene. Pekel und Bruder Dirk, aus dem Wirtshaus durchgebrannt, werden von Wirt und Wirtin verfolgt. Pekel, der Faust's Zauberbuch gestohlen hat um Geld zu zaubern, zieht einen Zauberkreis und stösst, nach einem andern Zauberstückchen, erst die Verfolgenden dann auch nacheinander Wagner und Faust in denselben. Mifastofeles befreit sie, kann aber selbst das Zauberbuch nur dadurch zurückbekommen, dass er Pekel mit einem Goldversprechen überlistet. - Der Zusammenhang der ganzen Scenenreihe mit Marlowe B ist in die Augen springend, nur dass sie bei Marlowe wieder in die übrige Handlung verschlungen, hier herausgelöst und vereinigt sind. Dick ist hier Dirck geworden, Vintner und hostess hier Bartel und Kaat; auf die erste Hälfte der Wirtshausscene (Marlowe B 791 f.) ist verzichtet (das ist wohl Floris Groen's Werk); gestohlenes Zauberbuch und gestohlener Becher sind zum gestohlenen Zauberbuch vereinfacht; der Zauberkreis ist dagegen zu einer burlesken Scene aus eigenen Mitteln erweitert (das Schwarzundweisszaubern war ein bekanntes altholländisches Bühnenstückchen ‘Die Buskenblaser’ vgl. Horae Belg. VI 90 f.); das Hinundherwerfen des Bechers ist auf das Zauberbuch übertragen; die Verwandlung der beiden Spitzbuben ist an dieser Stelle aufgegeben. - Die Stelle dieser Scenen hinter den Scenen am Kaiserhof scheint eine Änderung der Holländer zu sein, denn die deutschen Stücke haben an derselbe Stelle wie Marlowe ihre komische Beschwörungsscene. Diese hat freilich einen durchaus abweichende Gestalt angenommen, von dem alten Inhalt ist keine Spur vorhanden, es sei denn dass in W der Hausknecht und das Kellermädchen in Parma, welche Hanswurst bedrängen, noch eine Erinnerung bewahren.
Siebente bis Neunte Scene. Unvermittelt, nachdem er das Zauberbuch von Mifastofeles mit einer Warnung zurückbekommen hat,
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wünscht Faust Einsamkeit und Schlummer. Er entschläft auf einem Stuhl und Mifastofeles ergötzt ihn im Schlaf, wobei der Regie überlassen bleibt, ob dies durch Gesang oder durch Tanz geschehen soll. - Hier liegen alte Züge vor, aber sie reichen nicht zur Rekonstruktion der Vorlage aus. Marlowe hat ungefähr an derselben Stelle aus technischen Gründen, um die zwei Scenen der Rosskammgeschichte zu trennen, einen von ernsten Versen eingeleiteten Schlaf Fausts; mehrere deutsche Stücke Sch (v.d. Hagen, Horn) sBS lassen früher in der Kontraktscene zum Zweck einer himmlischen Erscheinung Faust in einen magischen Schlaf versinken, und L hat diesen Schlaf mit himmlischer Erscheinung nicht in der Kontraktscene, sondern zwischen der Parmascene und der Disputationsscene, also genau an derselben Stelle wie R. Von Marlowe fallen in Bezug auf den Schlaf die ernsten Verse und die Bühnenanweisung ‘Sleepe in his chaire’ ins Gewicht, der zur Rosskammgeschichte gehörige Schlaf kommt ja in R auch noch; dagegen weist die teuflische Vision selbst, im Gegensatz zu der himmlischen Erscheinung der deutschen Stücke, auf das zweimalige Gaukelspiel, das bei Marlowe die Teufel, freilich an früherer Stelle, Faust bereiten. Dürfte man L als selbständige Abweichung ausschalten, so läge nahe anzunehmen, dass das englischdeutsche Stück wie Marlowe eine teuflische Phantasmagorie früher bei der Kontraktscene hatte, und dass R diese verkürzt hierher, wo wiederum ein Schlaf Faustens sich befand, verlegte, um den folgenden letzten Kampf zwischen Himmel und Hölle einzuleiten. Und damit wäre zugleich die Möglichkeit eröffnet, dass der Urkeim von Goethe's so auffälligem ‘Schwindet ihr
dunkeln Wölbungen droben’ in Jugendeindrücken aus dem Volksstück gelegen habe.
Zehnte bis Fünfzehnte Scene. Zu Faust, auf den das Gaukelspiel die gewünschte Wirkung ausgeübt hat, kommen Fabritius und Alfonzus mit himmlischem Buch, warnend, ermahnend und Mutgebend. Fausts Reuegebet und Gefühl der Erhörung. Mifastofeles dagegen operierend: 1) Erinnerung an die Unterschrift. 2) Krone und Zepter. 3) Helena. Faust's erneutes Gebet. Helena siegt. Faust's erneute Abschwörung. - Wiederum steht R Marlowe näher als alle überlieferten Texte, giebt aber selbst zweifellos seine Vorlage nicht treu wieder. Mar- | |
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lowe's Old man, der durch Schröder für das alte Stück bezeugt ist, ist hier samt den Studenten in dem Paar Fabritius Alfonzus aufgegangen. Das Gastmahl mit Zaubereien, das weder bei Marlowe noch in R, noch in den übrigen Stücken vorkommt (nur in E) und das doch alt bezeugt ist (Bruinier, Faust vor Goethe I 85), ist vielleicht erst später als die Vorlage von R, und nur in einem einzigen, wieder untergegangenen Zweige aus dem Volksbuch hinzugefügt worden. In der Einführung Helena's dagegen als letztem Hilfsmittel des Teufels - im Gegensatz zum Volksbuch und Marlowe (und Schröder), wo Faust sie selbst beschworen hat und nun ihre Materialisierung von Mefistofeles verlangt - scheint R von derselben Vorlage abhängig wie die späteren deutschen Stücke. Ob die Disputation, welche in den deutschen Stücken der Anlass zu Fausts Reue ist und welche, wie Creizenach (Versuch S. 89) vermutet, die veränderte Einführung Helena's mit sich gebracht hatte, in dieser Vorlage noch nicht enthalten war, oder ob sie Floris Groen zum Opfer gefallen ist, lässt sich schwer entscheiden (W hat auch keine Disputation). Die doppelte Schlusspointe, Faust als Paris dieser Helena,
und das Weibsbild als Panacee des Teufels, führt ein ausserordentlich zähes Leben in der Textgeschichte des Stückes.
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[Ohne Verwandlung.]
Fünfter Akt. Erste und Zweite Scene. Faust auf einem Ruhelager schlafend. Jochem, der Rosskamm, tritt scheltend auf, den Hergang andeutend; er zieht Faust das Bein aus und flieht erschreckt. Faust höhnt ihm nach und stellt durch verallgemeinernde Worte diese Geschichte in den grossen Rahmen seiner neuen sündigen Lebensweise (mit Bezug auf IV 10?). - Die alte, von Marlowe aus vielen erwählte Zaubergeschichte ist, wie oben die Wirtshausscene, auf ihre zweite, dramatischere Hälfte reduziert. Kein andrer Text hat diese Scene, die doch durch Neuber's Theaterzettel noch für 1738 bezeugt ist, bewahrt.
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Verwandlung: Garten.
Dritte Scene. Pekel hängt nach Mifastofeles' Anweisung IV 5 seinen
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Sack an den hohlen Baum um Geld zu bekommen, statt dessen erhält er Feuer, so dass sein Sack voll Löcher wird. Es erscheint ein Tisch mit Essen und Wein, aber der Wein wird Flamme, die Apfelsine schnellt in die Höhe. Er befürchtet selbst verwandelt zu werden, in Dromedar, Kasuar, Affe u.a., verlässt daher Faust und sucht sein Heil auf der Kirmes. - Der Anfang ist, wie Creizenach nachgewiesen hat, aus demselben Drama Dekkers wie das Vorspiel herübergenommen, und dass diese Gestaltung wirklich dem alten Stück angehört, bezeugen A 839 und die Theaterzettel von Neuber und v. Kurtz; bei letzteren wird sogar der feurige Goldregen noch genannt. Die Vexiermahlzeit an dieser Stelle ist wohl Rijndorps Zutat; ob Altes darin steckt, etwa aus der verschwundenen Bankettscene, ist wohl nicht auszumachen. Goethe's augenfällige Vorliebe für Vexier-stückchen im zweiten Teil des Faust (vgl. Vers 5590 ff, 7760 ff, 9162 ff.) mag doch wohl auf Jugenderinnerungen aus dem Volksstück beruhen. Die angedeuteten befürchteten Verwandlungen aber gehen vielleicht auf die wirkliche Verwandlung Robins und Dick's in Hund und Affe bei Marlowe zurück, die dann also in der Vorlage noch vorhanden gewesen sein müsste. Die Lösung des Dienstverhältnisses als Abschluss der Pickelhäringsscenen kann recht wohl der Vorlage entstammen, denn es ist doch anzunehmen, dass dort die komische Handlung schon festere Konsistenz hatte als bei Marlowe; es fehlt an Beweismaterial, da U hier unvollständig ist (vgl. Seite 796, 800) und die späteren Fassungen Hanswurst als Nachtwächter zu der Katastrophe gezogen haben. In G nimmt statt dessen Wagner seine Entlassung.
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[Verwandlung: Zimmer.]
Vierte bis Sechste Scene. Abschiedsmahl Fausts, dem Wagner, Fabritius, Alfonzus beiwohnen. Den unentwegten Ermahnungen der letzteren antwortet Faust mit einem ‘zu spät.’ Die letzten Trünke begleiten Worte, die an das Abendmahl erinnern. Auf Mifastofeles' Ruf ‘Bereite dich Faustus’ folgt zuerst Fausts Vermächtnis, das in einer Lehre und in praktischen Weisungen besteht; dann die zwölf Glockenschläge von einem moralischen Gedicht begleitet; endlich gefühlvoller Abschied. Der Höllenrachen öffnet sich, und nach einem kurzen Monolog Fausts erscheinen
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die Teufel des Vorspiels mit Gefolge, Mifastofeles moralisiert, ein Ballett höllischer Geister beschliesst. - Der ganze Verlauf stimmt so genau zu Marlowe einerseits und zu Schröder und U andrerseits, und selbst die durch die Hanstwursthandlung veränderten Fassungen bewahren soviel davon in derselben Reihenfolge, dass die Vorlage im ganzen klar hervortritt. Aber R steht hier an Kraft hinter den meisten Texten zurück, die kraftvollen lateinischen Zurufe sind ausgemerzt und Faust als sein eigner Chorus bei den Stundenschlägen ist trivial. Das Schlussballett ist zweifellos Zutat Rijndorps.
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