Verzamelde werken. Deel 4. Cultuurgeschiedenis 2
(1949)–Johan Huizinga– Auteursrecht onbekend
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V. Philosofischer Gehalt und poetische FormDer Standpunkt des Alanus der Universalienlehre gegenüber ist derjenige des Gilbert de la Porrée. Er wird von Baumgartner als ausgesprochener, ja sogar excessiver Realismus bezeichnetGa naar voetnoot1. M. de Wulf hingegen nennt diesen Standpunkt ‘antiréaliste, à la façon de Jean de Salisbury’Ga naar voetnoot2. Der scheinbare Widerspruch zwischen beiden Beurteilungen erklärt sich, wenn man die nähere Bestimmung dieses Standpunktes ins Auge fasst. Der stark grammatisch eingestellte Geist des Alanus fasst die logische Verbindung des grammatischen Subjekts mit seinem Prädikat ohne weiteres als Widerspiegelung oder Ausdruck für die reale Verbindung einer Proprietät mit einem natürlichen SubjektGa naar voetnoot3. Die Allgemeinheit der Gattungen oder Arten muss real, substantial und kausal sein, weil sonst jede prädikative Aussage inhaltlos wäreGa naar voetnoot4. Die humanitas macht den Menschen, wie die albedo das Weisse, obwohl die Existenz dieser Begriffe nicht als allgemeine, Substanzen im Sinne eines Wilhelm von Champeaux gedacht wird, sondern singulär und individuell, in engster Verbindung also mit den einzelnen Dingen, in welchen ihr Sein sichtbar wirdGa naar voetnoot5. Insofern hebt sich gewissermassen die realistische Qualität dieser Anschauung selbst wieder auf. Uns interessiert hier besonders die Vorstellung, welche Alanus sich vom kausativen und effektiven Prozess macht, der von Gott zur Welt führt. Gott ist nicht bloss causa formalis oder exemplaris, efficiens und finalis aller Dinge, er ist selbst die absolute FormGa naar voetnoot6, denn Form heisst dasjenige, was Anderem die Form verleiht (informat) und nicht selbst von Anderem geformt wirdGa naar voetnoot7. Diese ewige forma formarum ist Form ohne gegenständliches Subjekt, und ohne formelles Prädikat, selbst formlos (informis) zu nennen, und doch formalissimaGa naar voetnoot8. Weil nun aber alles was benannt wird, nach der Proprietät oder Form benannt wird, die zur Substanz hinzukommt, folgt, dass alles, was affirmativ von Gott ausgesagt wird, nicht zutreffen kann, wogegen alle Negationen wahr sind, weil nichts ihm als Proprietät eigen ist. Hier beruft Alanus sich auf DionysiusGa naar voetnoot9. In der Theologie des Alanus findet sich begreiflicherweise keine bestimmte Vorstellung von der Art und Weise, wie die einzelnen | |
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Formen aus Gott hervorgehen. In der poetischen Darstellung aber wird dieser Vorgang unter mannigfachen Bildern beschrieben. Im göttlichen Gedanken, noys (υοῦς), schweben die reinen Ideen (purae ideae)Ga naar voetnoot1 die formae formarum semper puellae, auch exemplar genannt. Die einzelnen Formen sind davon nur die Abbildungen; die göttliche Tätigkeit prägt ihnen das Siegel auf, und schickt sie in die Verbannung, mittit in exilium formasGa naar voetnoot2. In der Welt zeigt sich nur ein Phantasma der Idee:
Qualiter in mundo phantasma resultat ideae,
Cujus inoffensus splendor sentitur in umbra.Ga naar voetnoot3
Die Formen aber sind nicht nur Schatten der himmlischen Ideen, sondern auch die konstitutiven Faktoren der Dinge, ihre Wesenheit und ihr aktivierendes Prinzip. Ratio sieht in ihrem Spiegel
Subjecti quae forma facit, quae perficit esse,
Quae rem conducit, vel quae perducit ad esse,
Quae generat, quae mutat eam, quae servat in esse.Ga naar voetnoot4
Die Verbindung von Form und Substanz heisst im Anticlaudianus ein connubium, osculum, concretio, unio; zwischen diesen Metaphern und denjenigen von connexio, concatenatio, inhaerentia, wie sie sich in den Distinctiones und den Regulae für denselben Begriff findenGa naar voetnoot5, besteht bloss ein Unterschied der Prägnanz. Theologie und Poesie sprechen nur in verschiedener Sprache denselben Gedanken aus. Dass keine von beiden im Stande sei, von den göttlichen Dingen ganz zutreffend zu reden, hatte ja der Theologe bereits eingestanden. Vielleicht hat sogar die Poesie hier eine Dimension mehr. Auf dem Kleide der Theologia sind die göttlichen Geheimnisse dargestelltGa naar voetnoot6, ähnlich wie auf allen Kleidern seiner allegorischen Figuren der ganze Inhalt des betreffenden Begriffskreises zu sehen ist:
Hic arcana Dei, divinae mentis abyssum,
Subtilis describit acus, formaque figurat
Informem, locat immensum, monstratque latentem.
Incircumscriptum describit, visibus offert
Invisum, quod lingua nequit, pictura fatetur.
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Quomodo naturae subjectus sermo stupescit
Dum temptat divina loqui, viresque loquendi
Perdit, et ad veteres cupit ille recurrere sensus;
Mutescuntque soni, vix balbutire valentes,
Deque novo sensu deponunt verba querelam.
QualiterGa naar voetnoot1 ipse Deus in se capit omnia rerum
Nomina, quae non ipsa Dei natura recusat,
Cuncta tamen mediante tropo, dictante figura,
Sustinet, et voces puras sine rebus adoptat.
Ens justum sine justitia, vivens sine vita,
Principium sine principio, finis sine fine,
Immensus sine mensura, sine robore fortis;
Absque vigore potens, sine motu cuncta gubernans;
Absque loco loca cuncta replens, sine tempore durans
Absque situ residens, habitus ignarus habendo
Cuncta simulGa naar voetnoot2, sine voce loquens, sine pace quietus;
Absque novo splendore nitens, sine luce coruscans.
Man sieht, wie hier das Oxymoron einem Maximum von Sinngehalt zum Ausdruck dient; in Gott, und von Gott gebraucht, hebt sich jeder Wortsinn auf, und jede dieser sich aufhebenden Aussagen ist logisch begründet in der vorhin erwähnten Erörterung, dass von Gott nichts prädikativ ausgesagt werden kann. Dann wendet sich nochmals alles um: Gott, in dem der Gegensatz von Subjekt und Prädikat aufgehoben ist, ist nicht allein der Gerechte, sondern auch die Gerechtigkeit selbst, nicht allein der Leuchtende, sondern das Licht, er füllt nicht bloss jeden Ort, ...sed singula solus
Infra se claudit quasi meta locusque locorum.Ga naar voetnoot3
Hier, auf dem Kleide der Theologia, steht endlich das Geheimnis der Dreieinigkeit zu lesen:
Hic legitur, tamen obscure, tenuique figura,
Qualiter una, manens, simplex, aeterna potestas,
Fons, splendor, species, via, virtus, finis, origo,
Ingenitus genitor, vivens Deus, unicus auctor,
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Unus in usia, personis trinus, in uno
Unicus esse manet, quae trina relatio trinum
Reddit, et in trino manet unus, trinus in uno.
Der Akzent liegt bei Alanus, wenigstens in seinen DichtungenGa naar voetnoot1, auf der Einheit, und auf dem Vater; wir werden das noch näher zu beobachten haben. In der Eindringlichkeit, mit welcher Alanus in seiner Dichtung das Unzulängliche der begrifflichen Unterscheidung hervorhebt, zeigt sich der Platoniker aus der Schule von Chartres, der er seinem Wesen nach genannt werden darf. Sein Platonismus beruht auf den Grundlagen, die für seine Zeit zu erwarten sind, das heisst: das Timaeusfragment in der Übersetzung des Chalcidius, die allgemeinen Vermittler platonisierender Gedanken: Apulejus und Boethius, endlich Bernhard und Thierry von Chartres und Gilbert de la Porrée. Was er an aristotelischen Gedanken verarbeitet, verdankt er ebenfalls noch beinahe ganz dem Boethius; von dem neuen Aristoteles, wie dieser die Scholastik des dreizehnten Jahrhunderts befruchten sollte, weiss er selbstverständlich noch nichts. Obwohl in seiner Theologie aristotelische und platonische Elemente gemischt sindGa naar voetnoot2, verhält er sich der Figur des Aristoteles gegenüber unsympathisch, auch damit übrigens nur einer Tradition der Schule getreu, die schon auf den Timaeus-kommentar des Chalcidius und auf Boethius zurückgehtGa naar voetnoot3. Aristoteles ist der verborum turbator, wie ihn schon Boethius genannt hatte. Im AnticlaudianusGa naar voetnoot4 heisst es:
Verborum turbator adest et turbine multos
Turbat Aristoteles noster, gaudetque latere.
Oder:
Illic arma parat logico, logicaeque palaestram
Pingit Aristoteles, sed eo divinius ipsa
Somniat arcana rerum coelique profunda
Mente Plato, sensumque Dei perquirere tentat.
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Dementsprechend wird Logica selbst, welche hier als eine der sieben freien Künste Dialectica vertritt, und die Achse für den Wagen der Prudentia liefert, als eine abgemagerte, von Nachtwachen geschwächte Figur dargestellt, mit verwirrten HaarenGa naar voetnoot1 und brennenden Augen; in der rechten Hand trägt sie eine Blume, in der linken einen Skorpion. Dennoch ist sie unentbehrlich und der Schlüssel der WeisheitGa naar voetnoot2. Die Elster gibt mit ihrer schwarz-weissen Farbe die ‘schlaflose Sorge der Logik’ wiederGa naar voetnoot3. Dieser Haltung des Alanus dem begrifflichen Denken gegenüber, entspringt auch sein De incarnatione Christi rhythmusGa naar voetnoot4, wo der Reihe nach von allen sieben freien Künsten gezeigt wird, wie die Menschwerdung Christi gegen jede ihrer Regeln verstiess, mit dem Refrain:
In hac Verbi copula
Stupet omnis regula.
Ist also Alanus der begrifflichen Auseinandersetzung im Grunde abhold, so ist er auch dem Symbolismus nicht besonders zugeneigt, wenigstens nicht in dem Sinne, wie ihn die Viktoriner oder später ein Bonaventura gepflegt haben. Von den Tropen der heiligen Schrift oder von der symbolischen Bedeutung sämtlicher Kreaturen findet man bei ihm verhältnismässig wenig. In der ausführlichen Beschreibung der Tierwelt, wie sie auf dem Kleide der Natura in De Planctu erscheintGa naar voetnoot5, ist eigentlich nur von den natürlichen Gewohnheiten oder dem Aussehen der Tiere die Rede; sogar die Steine im Diadem gelten wohl als die Zeichen des Tierkreises, nicht aber als Tugenden, noch als Zeichen himmlischer Dinge. Was aber den Dichter Alanus fortwährend präokkupirt, was sein eigentliches poetisches Bedürfnis ausmacht, was er immer wieder anders und doch ähnlich ausdrücken muss, das ist der Modus, wie die einzelnen Formen vom schaffenden Prinzip ausgehen, die ewige und fortwährende Schöpfungstat selbst, und die Art, wie diese Formen den göttlichen Vorbildern entsprechen. Diesem Prozess und diesem Verhältnis gilt gewissermassen der Aufbau seiner beiden grossen poetischen Werke selbst. Das Wichtigste | |
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und Wertvollste, was der Dichter zu sagen hatte, liegt eben in den Auseinandersetzungen, in denen die Natur ihm ihr Wirken und ihre Abhängigkeit von Gott beschreibt, sowie in allen Partien, wie den oben schon zitierten, wo Alanus, öfters beiläufig in der Beschreibung eines buntgestickten Kleides, etwas von seinem philosophischen Bekenntnisse zum Ausdruck bringt. Die literargeschichtliche Aufmerksamkeit ist bisher hauptsächlich der poetischen Struktur des Ganzen, dem Inhalt der Fabula zuteil geworden. Man hat sich gefragt, was Alanus zu erzählen hatte, und in welcher Form er es erzählt. Diese Form hiess man Allegorie, die bunte Wucherpflanze aus dem Treibhaus der Spätantike, die anscheinend für diesen Dichter, wie für so viele andere, doch nur den Wert eines bildungsfrohen Spieles gehabt haben könne. Eine erkünstelte Allegorie mehr, damit scheint auf den ersten Blick die Dichtung des Alanus abgetan. Das Wichtige jedoch steckt bei ihm im Detail. Es enthüllt sich, wenn man nicht so sehr auf die Darstellung als solche als auf den dichterischen Sprachgebrauch achtgibt, dessen Alanus sich bedient, um seinen Grundgedanken auszudrücken. In dieser bunten Hülle ringt ein ernster Geist mit seinem tiefsten Bedürfnis: der zentralen Wahrheit, wie er sie schaut, Ausdruck zu verleihen; und er greift zum Bilde, wo der Begriff versagt. Betrachten wir zuerst den poetischen Apparat, um den es sich handelt. Natura ist in beiden Dichtungen die Person, von der die Handlung ausgeht. Die poetische Auffassung dieser Figur spricht deutlicher aus dem früheren Werk des Alanus De Planctu, als aus dem späteren Anticlaudianus, wo sie gleich im Anfang, als bekannt vorausgesetzt, auftritt. In der Adresse ihres Briefes an GeniusGa naar voetnoot1 nennt sich die Natur Dei gratia mundanae civitatis prima vicaria procreatrix. Gott hat, nachdem er als universalis artifex universa suarum vultibus naturarum investivit, omniaque sibi invicem legitimis proportionum connubiis maritavit, die Natur beauftragt, die Ordnung des Werdens und Vergehens aufrecht zu erhalten, sie als seine Münzmeisterin angestelltGa naar voetnoot2. Gottes Wirken ist einfach, sagt Natura zu Alanus, das meinige vielfach, sein Werk ist genügend (sufficiens), das meinige hinfällig (deficiens)Ga naar voetnoot3. In seiner Ode an die NaturGa naar voetnoot4 grüsst Alanus sie als genitrix rerum, vinculum mundi... | |
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Quae tuis mundum moderas habenis,
Cuncta concordi stabilita nodo
Nectis et pacis glutino maritas
Coelica terris.
Quae NoysGa naar voetnoot1 purasGa naar voetnoot2 recolens ideas
Singulas rerum species monetans,
Res togas formis, chlamidemque formae
Pollice formas.
Diese verpersönlichte Natur, als Mittlerin Gottes, entlehnte Alanus unmittelbar seinem merkwürdigen Vorgänger Bernardus Silvestris, dessen De mundi universitate um die Mitte des zwölften Jahrhunderts eine Naturphilosophie in allegorischer Form gegeben hatte, welche in mancher Hinsicht tiefer dringt, jedenfalls geschlossener gedacht ist, als die Phantasien des AlanusGa naar voetnoot3. Übrigens hat auch dieser die Personifizierung der Natur nicht erfunden. Schon Claudian führt sie in seinen Gedichten mehrmals in persönlicher Gestalt einGa naar voetnoot4. Ebenso geht das Motiv einer Klage der Natur über Bernardus Silvestris noch auf Claudianus zurück:
Nunc mihi cum magnis instat Natura querelis
Humanum relevare genus.Ga naar voetnoot5
Auch Boethius hatte die Natur schon persönlich dargestellt, in Worten, die sogar ganz besonders an Alanus gemahnen:
Quantas rerum flectat habenas
Natura potens, quibus immensum
Legibus orbem provida servet
Stringatque ligans inresoluto
Singula nexu.Ga naar voetnoot6
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Hier erhebt sich nun die Frage, wie der Zusammenhang zwischen dieser dichterischen Personifizierung und dem philosophischen Begriff der Natur zu denken sei. Es ist ohne weiteres klar, dass die ganze Darstellung, bei Bernardus wie bei Alanus, auf platonischen Vorstellungen beruht. Die Natur ist nichts anderes als die von Gott erschaffene Weltseele Plato's, welche als Gott untergeordnete Macht die Beherrschung der Welt zur Aufgabe hatGa naar voetnoot1. Apulejus, Chalcidius und Boethius waren hier einig. Wilhelm von Conches sagt in seinem Kommentar zum TimaeusGa naar voetnoot2: Opus naturae est, quod similia nascuntur ex similibus, ex semine vel ex germine, et est natura vis rebus insita similia de similibus operans. Bei Johannes von Salisbury findet man: natura optima parens omnium; iubet hoc natura creatrix; in qua manus naturae probatur artificis, dum eam variis proprietatibus et formis quasi suis quibusdam vestibus induitGa naar voetnoot3. Alanus selbst sagt in seinem Traktat Contra haereticosGa naar voetnoot4: Deus a prima mundi creatione naturam creavit, secundum quam similia ex similibus produxit. Cum ergo Deus mediante natura res procreaturus esset, propter peccatum Adae noluit mutare legem naturae. Der Übergang vom theologischen Begriff zum dichterischen Bilde ist in all diesen Fällen kaum zu bestimmen. Wo wird natura zur Person? Und was geschieht im Geiste des denkenden Autors, wenn diese Personifizierung stattfindet?Ga naar voetnoot5 Jedenfalls fällt dabei das Element religiöser Überzeugung nicht plötzlich fort. Auch sinkt die Vorstellung nicht auf ein niedrigeres Niveau hinunter. In die Sphäre des Ästhetischen transponiert, bleibt das dichterische Bild dennoch Träger sämtlicher Glaubensqualitäten, die dem Begriff eigen waren. Wie Natura in De Planctu ihr Werk mit demjenigen Gottes vergleicht, verweist sie Alanus ausdrücklich auf die Autorität der theologischen FakultätGa naar voetnoot6. Wenn aber in den DistinctionesGa naar voetnoot7 die verschiedenen Bedeutungen, in denen das Wort Natur gebraucht wird, aufgezählt werden, hauptsächlich nach Boethius, wird niemand erwarten, darunter auch etwa die einer regina mundi oder vicaria procreatrix anzutreffen. | |
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Mit den platonischen Begriffen der Natur, der NoysGa naar voetnoot1 und der Hyle befand sich der Dichter, auch wenn er diese ganz persönlich auftreten liess, noch auf dem Boden der spekulativen Theologie seiner Zeit. Ganz personifiziert ist übrigens von den dreien nur die Natur. Bloss im entscheidenden Moment des Anticlaudianus, da Gott die Bitte der Prudentia um eine reine Seele für den zu schaffenden vollkommenen Menschen gewährt hat, nimmt auch Noys menschliche Form an, aber ganz unbestimmt:
Ipse Deus rem prosequitur, producit in actum
Quod pepigit: vocat ergo Noym quae praeparet illi
Numinis exemplar, humanae mentis ideam...
Tunc Noys ad Regis praeceptum singula rerum
Vestigans exempla novam perquirit ideam.
Inter tot species speciem vix invenit illam
Quam petit...
Hanc formam Noys ipse Deo praesentat, ut ejus
Formet ad exemplar animam: tunc ille sigillum
Sumit...Ga naar voetnoot2
Von der Hyle oder Silva, der primordialis materia, chaos antiquum oder vetus massa, wird eigentlich nur die eine anthropomorphe Wendung gebraucht, dass sie sich über ihre Formlosigkeit beklagt.
Quis chaos antiquum vultu meliore redemit
Dum formae melioris opem vultusque decorem
Quareret atque suum lugeret Silva tumultum.Ga naar voetnoot3
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In der Ausarbeitung seines Themas nun aber führt Alanus eine ganze Reihe von Gestalten ein, die in der theologischen Spekulation keinen Platz haben. Die personifizierten Tugenden und Artes liberales lassen wir vorläufig beiseite, um später auf den Ideenwert dieser Vorstellungen zurückzukommen. Ihre allegorische Verwendung an sich hat nichts Auffallendes, stammt sie doch aus der spätantiken, christlichen wie heidnischen Tradition. Hier handelt es sich um die Figuren der Venus, des Hymenaeus, Cupido, Genius und einiger anderer, welche besonders in De planctu Naturae im Mittelpunkt der Handlung stehen. Von der Funktion der antiken Göttergestalten im mittelalterlichen Geistesleben hat man, durch die Studien F. von Bezold's, A. Warburg's, A. Frey-Salmann'sGa naar voetnoot1, eine ziemlich genaue Vorstellung. Diese Funktion ist entweder rein ästhetisch, als belebende und erheiternde Zutat zu irgendeiner poetischen Darstellung, oder sie ist dämonologischer oder astrologischer Art. Selbstverständlich haben wir es bei Alanus mit der erstern Bedeutung zu tun. Nachdem Natur ihr unmittelbar von Gott ihr anvertrautes Amt der Erhaltung der Arten beschrieben hat, fügt sie hinzuGa naar voetnoot2, sie habe, weil sie ohne die Mitwirkung einer ihr unterstellten Hülfskraft soviele Gattungen nicht sauber herstellen könne, und weil sie lieber in ihrem Palast in den himmelschen Regionen wohnen bleibe, wo keine Nacht und kein Sturm den Frieden störe, die Venus ineffabili scientia peritam, als subvicaria in der Welt angestellt, damit diese, unter der Oberaufsicht der Natura, und mit Hilfe ihres Gemahls Hymenaeus und ihres Sohnes Cupido, um die geregelte Fortpflanzung der irdischen Lebewesen besorgt sei, und den Fortbestand des menschlichen Geschlechts aufrecht erhalte. Venus bekommt also eine verantwortliche Stellung in der gött- | |
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lichen Weltordnung angewiesen. Der Dialog nimmt hier eine halb scherzhafte Wendung. ‘Ha, ha,’ sagt Alanus, ‘von Cupido, über den die Dichter so rätselhaft reden, möchte ich etwas mehr wissen.’ Kopfschüttelnd antwortet Natura: ‘Ich glaube, du selbst bist Söldner in der Burg des Cupido und in enger Bruderschaft ihm verbunden’. Dann folgt in 35 der Natur in den Mund gelegten Distichen die früher schon erwähnte Beschreibung der Liebe, ganz in einander aufhebenden Gegensätzen gegeben und viel eher in einer Stimmung irdischen Überdrusses als geistlicher Abkehr gedacht, mit klassischen Beispielen ausgeschmückt:Ga naar voetnoot1
Pax odio, fraudique fides, spes juncta timori
Est amor et mixtus cum ratione furor.
Naufragium dulce, pondus leve, grata Charybdis,
Incolumis languor, et satiata fames.
Aus dem schwerfälligen Tone der im Grunde frommen Allegorie ist man hier mit einem Male in die Sphäre der Vagantenpoesie versetzt. Der Eindruck, dass Alanus hier ein älteres, selbständiges Gedicht in den Zusammenhang aufgenommen habe, wird verstärkt durch die weitlaufige Rede, in der Natura erklärt, wie sie Cupido, der doch in ihrem eigenen Dienste steht, so habe tadeln können: non enim originalem Cupidinis naturam in honestate redarguo, si circumscribatur frenis modestiae, si habenis temperantiae castigetur... Praevia igitur theatralis oratio joculatoriis evagata lasciviis (man bemerke diese Ausdrücke) tuae puerilitati pro ferculo propinatur; nunc stylus paululum maturior ad... propositum revertatur. Man sieht, wie der Dichter sich bemüht, durch seine heidnischen Figuren den ernstlichen Grundton seines Werkes nicht ganz preiszugeben. Es ist überflüssig, für die Gestalten der Venus und ihres Sohnes die antiken oder nachantiken Vorbilder heranzuziehen, auf die Alanus sich berufen konnte; beide Figuren waren dichterisches Gemeingut. Weniger fest verankert in der klassischen Tradition ist schon Hymenaeus. Alanus kannte ihn offenbar aus Martianus Capella und aus Claudianus; bei dem ersteren ist er noch, wie gewöhnlich in der klassischen Mythographie, Sohn von Bacchus und Venus selbstGa naar voetnoot2, Claudianus kennt ihn noch als Sohn einer Muse, von Venus zum Herrn der Ehe auserwähltGa naar voetnoot3, ebenfalls in Übereinstimmung mit älteren | |
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Auffassungen. Als Gemahl derselben kennt die nachklassische Zeit Hymenaeus noch nicht, folglich auch nicht als Vater des Cupido, wie Alanus ihn darstelltGa naar voetnoot1. Noch weiter entfernt sich dieser von der antiken Grundlage mit dem Folgenden. Im Gegensatz zur Gruppe Venus-Hymenaeus-Cupido, also den Figuren der erlaubten Liebe und der gottgewollten Fortpflanzung, steht eine der unerlaubten Liebe, gegen welche ja das Buch De planctu Naturae sich kehrt. Venus, ihrer Arbeit überdrüssig, hat in Konkubinat mit Antigamus einen zweiten Sohn Jocus geboren, das Gegenbild des Cupido alsoGa naar voetnoot2. Venus tritt demnach erst in zweiter Instanz auf die Seite des Bösen. Allerdings werden diese neuen Figuren nur beiläufig erwähnt; eine Rolle in der Handlung des Werkes spielen sie nicht. Jocus könnte Alanus bei Prudentius gefunden haben, wo er, zusammen mit Petulantia, aber ebenfalls ganz beiläufig, einmal in der Psychomachia auftrittGa naar voetnoot3. Für Antigamus aber scheint jedes klassische Muster zu fehlen. Auch wenn Alanus aus den Glossarien gamus = nuptiae gekannt haben magGa naar voetnoot4, wird man ihm doch kaum zutrauen, dass er daraus die Figur Antigamus konstruiert habeGa naar voetnoot5. Irgendwo in der mittellateinischen Literatur muss dieses Paar Antigamus-Jocus aufzufinden sein, am ehesten wohl in der VagantensphäreGa naar voetnoot6. Niemand wird daran denken, Alanus habe mit der Aufnahme solcher Figuren wie Antigamus und Jocus begriffliche Wahrheiten in sein System der Theologie einführen wollen. Sie dienen ihm selbstverständlich nur eben als poetisches Ausdrucksmittel. In diesem Spiele der Allegorie aber fliesst die dichterische Phantasie ganz unmerklich in die philosophische Lehre und in den Glauben hinüber. Venus, Hymenaeus und Cupido haben bloss poetischen Wert; unmittelbar darüber stehen die Tugenden und Natura, ebenfalls ganz allegorisch verwendet, aber begrifflich tief in der philosophischen Weltanschauung verankert; darüber wieder erhebt sich die Figur der Noys, der göttlichen Weisheit selbst. Diese untrennbare Verknüpfung des Poetischen mit dem Theologischen wird besonders klar, wenn man | |
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beachtet, wie mit der entscheidenden Handlung in Dè planctu Naturae, in der Figur des Genius, der die Exkommunikation der Lasterhaften vollzieht, die Phantasie wieder in die Philosophie einmündet. Diese Figur des Genius, welche in der späteren Poesie so nachhaltigen Erfolg haben sollte, indem nicht bloss Jean Chopinel sie in den Roman de la Rose aufnahm, sondern noch Hans Sachs und Edmund Spenser in dieser Reihe folgtenGa naar voetnoot1, wird von Alanus nur in De Planctu gebraucht; im Anticlaudianus kommt sie nicht vor. Nachdem Hymenaeus erschienen ist, sagt Natura: Genius, der ihr als Priester diene, solle herbeigerufen werden, um die Frevler, die ihre Gebote übertreten, zu exkommunizieren. Sie nennt Genius in der Anschrift des Briefes, mit welchem Hymenaeus zu ihm abgesandt wird, ihr anderes SelbstGa naar voetnoot2, in ihm finde sie sich wieder velut in speculo naturae resultante similitudine. Es sei kein Wunder, sagt Genius, dass Natura und er eines Willens seien, cum unius ideae exemplaris notio nos in nativum esse produxeritGa naar voetnoot3. Die genaue Vorstellung, welche der Dichter sich von der Beziehung des Genius zur Natur macht, ist nicht leicht zu bestimmen. Genius hat weisse Haare, aber ein jugendliches Gesicht. Sein Kleid scheint bald flammend purpurn, bald hellblau, bald glühend rot, bald weiss; auf diesem Kleide sieht man die Bilder der Dinge, aber nur einen Augenblick, denn sie verschwinden wieder, so oft unser Intellekt sie nicht verfolgtGa naar voetnoot4. Er zeichnet unablässig auf einem Pergament, das so zart ist wie Papier, mit einem Schreibstift die Bilder der Dinge: diese ab umbra picturae ad veritatem essentiae transmigrantes, vita sui generis donabantur; quibus deletionis morte sopitis, novae nativitatis ortu, aliae revocabantur ad vitam. In dieser Malarbeit steht ihm die Wahrheit wie eine Tochter dem Vater, ehrfurchtsvoll bei. Hier folgt nun eine Genealogie der Veritas, welche auch die Bestimmung des Charakters des Genius klarlegen würde, wenn sie uns nicht selbst vor neue Rätsel stellte. Es heisst: quae (scil. veritas) non ex pruritu aphrodites promiscuo propagata, sed ex solo naturae natique geniali osculo fuerat derivata, cum Ylem formarum speculum meditantem aeternalis salutavit idea, eandem iconiae interpretis interventu vicario | |
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osculataGa naar voetnoot1. Also: als die ewige Idee die Hyle grüsste, d.h. beim Anfang des Kosmos, küsste, als Vertreter der Idee, ihr Interpres die Natur, und aus diesem Kuss entsprang die Wahrheit. Klar ist nur, dass Genius, Iconia und das rätselhafte Natus hier gleichbedeutend sein müssen, und dass diese Figur für Alanus etwa ein höheres, göttliches Gegenbild der Natur darstellt, und zugleich ein aktivierendes Prinzip, als solches der Uridee am nächsten verwandtGa naar voetnoot2. Man ist versucht, hier an eine stark verschleierte Einführung der zweiten Person der Trinität zu denken. Im Antlitz des Genius, heisst es unmittelbar darauffolgend, divinae pulchritudinis deitas legebatur, nostrae mortalitatis aspernata naturam. Woher aber hat der Dichter das Wort iconia?Ga naar voetnoot3 Irgendeine neuplatonische Vorstellung scheint doch wohl im Spiele; ich habe aber nicht eingehend versucht, diese zu ermitteln. Die Deutung der Geniusfigur bei Alanus bleibt vorläufig ungenügend. Als Vorlage dafür meint H. Liebeschütz auf Martianus Capella verweisen zu könnenGa naar voetnoot4. Es findet sich aber dort nichts, was der Vorstellung des Alanus auch nur einigermassen nahe kommt. M. Gothein meinteGa naar voetnoot5, Alanus könnte aus Augustin De civitate Dei die Lehre Varro's gekannt haben, der den Genius als eine anima rationalis, im Gegensatz zum Sinnen- und Zeugungstrieb, fasst. Damit scheint doch die Vorstellung des Alanus nur entfernt verwandt. Es könnte der Gedanke aufkommen, Alanus habe seinen bildermalenden Genius, das himmlische Gegenbild der Natur, in seiner unmittelbaren Vorlage De mundi universitate von Bernardus Silvestris gefunden. Dort heisst es im zweiten Buch c. 3Ga naar voetnoot6: Illic (scil. im Kreis | |
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Pantomorphon) Oyarses quidem erat et genius in artem et officium pictoris et figurantis addictus. In subteriacente enim mundo rerum facies universa caelum sequitur sumptisque de caelo proprietatibus ad imaginem quam conversio contulit figuratur... Oyarses igitur... formas rebus omnes omnibus et associat et ascribit. Oyarses ist ΟὐσιάρχηςGa naar voetnoot1 das sind in den hermetischen Lehren die Geister der himmlischen Regionen, deren einer, der Usiarch der 36 Fixsterne, Παντόμορφος heisst, was Bernardus als örtliche Bezeichnung genommen hat. Alanus müsste dann aber sein Vorbild arg entstellt haben; denn dieser Genius ist bei Bernardus nur einer von vielen. Die Herkunft wie die philosophische Qualität der Geniusfigur bleibt also vorläufig unabgeklärt. Im Anticlaudianus hat der Dichter, wie gesagt, sie nicht wieder verwandt. Dafür aber enthält das spätere und wichtigere Gedicht eine weit grössere Anomalie in seinem zentralen Thema selbst, der Schöpfung des volkommenen Menschen. Es ist klar, dass diese Figur nur dann in das System der Heilslehre und des Weltgeschicks aufgenommen werden konnte, wenn man annehmen durfte, sie bedeute eigentlich Christus. Nun ist zu beachten, dass im Anticlaudianus Christus weder als dramatis persona auftritt, noch selbst sein Name genannt wird. Nur an einer Stelle ist ausdrücklich vom Heiland die Rede, nämlich am Schluss des cap. 9 lib. V, wo bei der Beschreibung des Empyraeums Maria über alle anderen Heiligen gepriesen wird. Hier heisst esGa naar voetnoot2:
Hic est qui carnis intrans ergastula nostrae
Se poena vinxit, ut cunctos solveret; aeger
Factus, ut aegrotos sanaret, pauper ut ipsis
Pauperibus conferret opem, defunctus, ut ipsa
Vita donaret defunctos, exulis omen
Passus, ut exilio miseros subduceret exul...
Hic est qui nostram sortem miseratus, ab aula
Aeterni Patris egrediens, fastidia nostrae
Sustinuit sortis, sine crimine criminis in se
Defigens poenas, et nostri damna reatus.
Das übrigens vollständige Fehlen der Christusfigur könnte die Vermutung nahelegen, dass mit dem homo perfectus der Erlöser gemeint sei. | |
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Tatsächlich scheint in seiner Beschreibung hie und da ein Christusmotiv anzuklingen. Natura sagt:
In terris humanus erit, divinus in astris.
Sic homo, sicque Deus fiet, sic factus uterque
Quod neuter...Ga naar voetnoot1
Ratio stimmt zu:
Utile consilium Naturae iudico...
Ut novus in mundo peregrinet Lucifer, in quo
Nullius labis occasus nubilet ortum...
Sol novus in terris oriatur...Ga naar voetnoot2
Prudentia beschreibt ihn der Theologia:
Ut divina manus animam demittat ab alto
...Quae carnis vestita toga, sic visitet orbem,
Quod facinus redimat pietas, virtusque reatum.Ga naar voetnoot3
Zugleich aber zeigt sich schon in dem animam demittat, dass hier doch von einer richtig durchgedachten Vorstellung der Menschwerdung nicht die Rede sein kann. Das wird völlig klar, wenn dann endlich die Erschaffung des vollkommenen Menschen vor sich geht. Prudentia trägt Gott den Wunsch der Natur vor:
Vult hominem formare novum, qui sidere formae
Et morum forma reliquos transcendat, et omnes
Excessus resecans, regali limite gressum
Producat, mediumque tenens, extrema relinquat.Ga naar voetnoot4
Nicht die Menschwerdung des Wortes wird hier verlangt. Gott antwortet Prudentia, als ob überhaupt die Erlösung im Heilsplan fehlte:
Hoc mihi iam pridem ratio dictavit, ut uno
Munere respicerem terras, mundumque bearem
Numine coelestis hominis...
Non ferro purgabo luem, non vulnere morbum;
Sed victus dulcore precum, vestrique misertus
Exilii, meliore dabo medicamina mundo.
Munere divino, donis coelestibus auctus,
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Spiritus a coelo terris dimissus in orbe
Terreno peregrinus erit, carnisque receptus
Hospitio, luteum tegmen novus hospes habebit.Ga naar voetnoot1
Die Natur sorge also für eine passende irdische Hülle. Noys wird dann herbeigerufen, um das exemplar, die Idee zu suchen, nach der die Seele geschaffen werden sollGa naar voetnoot2. Nur mit Mühe findet sie die geeignete Urform.
Hanc formam Noys ipsa Deo praesentat, ut ejus
Formet ad exemplar animam; tunc ille sigillum
Sumit, ad ipsius formae vestigia formam
Dans animae vultum qualem deposcit idea
Imprimit exemplo, totas usurpat imago
Exemplaris opes, loquiturque figura sigillum.Ga naar voetnoot3
Von der irdischen Zeugung des Menschen wird überhaupt nicht gesprochen; weder Vater noch Mutter wird erwähnt. Die Natur schafft die irdische Form sozusagen in ihrem LaboratoriumGa naar voetnoot4. Tugenden und Künste schenken dem neuen Geschöpf ihre Gaben. Die menschlichen Vorzüge, mit denen es ausgestattet wird, umfassen neben sittlichen Eigenschaften auch Schönheit, gutes Benehmen und weltliche Gewandtheit. Es ist kein mönchisches Ideal, das uns hier entgegentritt. Wirklich poetische Gestalt bekommt der vollkommene Mensch keinen Augenblick, auch nicht, wo er als Protagonist in der nachfolgenden Psychomachie über die Laster siegt. Dann verschwindet er als roi fainéant im goldenen Zeitalter, mit dessen kurzer Andeutung das lange Gedicht etwas plötzlich und ziemlich matt endet. Es lässt sich kaum leugnen, dass gerade in der Ausarbeitung des zentralen Themas die schwächste Seite des Anticlaudianus liegt. Es rächt sich hier, dass der Dichter nach einer poetischen Phantasie gegriffen hat, für welche im theologischen System, das doch seine Grundlage blieb, kein Platz war, während anderseits auch die neuplatonischen Weltlehren ihm hier keinen Rückhalt mehr botenGa naar voetnoot5. Die Vorstellung bleibt schwankend, das Erlösermotiv klingt fortwährend an, | |
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ohne sich durchzusetzen. Der bündigste Beweis für diese ungenügende Lösung seines Problems liegt wohl darin, dass Adam de la Bassée, in seinem Ludus super Anticlaudianum, mit dem volkommenen Menschen nichts anderes anzufangen gewusst hat, als ihn ins Kloster gehen zu lassen.
Optato proposito igitur fruente
Natura, et exitu prospero gaudente,
Virtutes repatriant, domina favente,
his grates uberrimas omnibus agente.
Nec mora quod juvenis, indigens quiete,
ad claustrum se dirigit Animae, athletae
ex more quiescere cupiens secrete,
plus mentis quam corporis cupidus dietae.Ga naar voetnoot1
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