Verzamelde werken. Deel 4. Cultuurgeschiedenis 2
(1949)–Johan Huizinga– Auteursrecht onbekendIV. Alanus als DichterDie dichterische Qualität des Alanus wird, wie ja überhaupt ein philosophisches Lehrgedicht in allegorischer Form für unsere ästhetische Würdigung einen schweren Stand hat, leicht allzu niedrig eingeschätzt. So noch neuerdings von ManitiusGa naar voetnoot2, in dessen wertvoller Zusammenfassung des philologischen Materials man als ästhetisches Urteil bloss findet, die Darstellung des A. leide ‘an ausserordentlichem Wortschwall und rhetorischem Schwulst’, er habe verstanden, ‘die philosophischen Studien für seine Schriftstellerei nutzbar zu machen’, und bediene sich bisweilen üblicher Phrasen. Damit ist aber das Wesentliche über diesen Dichter kaum gesagt. Man kann | |
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ohne weiteres zugeben, dass er einerseits weit unter dem älteren Hildebert und anderseits unter seinem Zeitgenossen und Landsmann WalterGa naar voetnoot1, den er ja offenbar beneidete, gestanden hat. Auch braucht man nicht alle seine poetischen Unzulänglichkeiten aus der Gattung seiner Gedichte zu erklären. Aber die obligaten Nachteile dieser Gattung liegen auf der Hand. Die allegorische Beschreibung personifizierter Tugenden erspart uns nichts; die auftretenden Figuren werden mit der äussersten Vollständigkeit beschrieben; besonders ein Palast oder ein Kleid bietet zur Ausmalung der darauf abgebildeten Gegenstände einen geradezu unbeschränkten Raum. Alle Einzelheiten dieser Bilder werden womöglich aufgezählt, wenn auch diese übermässige Ausführlichkeit mehr noch für den Prosatext des De Planctu als für den fortlaufend im Hexametern gedichteten Anticlaudianus zutrifft. Schwung und Spannung bleiben bei dieser Form notwendigerweise aus. Wir sind mit dem Anticlaudianus ebenso weit von Dante entfernt wie von Vergil. Wer sich aber von diesem Grundfehler der Gattung nicht stören lässt, findet bei Alanus einen erstaunlichen Reichtum des Ausdrucks; er bewegt sich stets um einige wenige Konzeptionen; immer neue Fazetten derselben Idee werden dem Leser zugekehrt; somit ist der rhetorische Fehler der Anhäufung von Synonymen oder synonymischen Wendungen gewissermassen im Aufbau des Gedichtes begründet. Das Bild ist bei Alanus meistens sehr prägnant und nie sinnleer, vielfach überraschend und treffend erfunden. Die malerische Qualität der Poesie des Alanus ist geradezu eine hohe zu nennen; er schildert ausführlich, aber sehr gut. Die Farbe seiner Verse ist ungleich bunter und reicher als zum Beispiel bei Hildebert und Marbod. Diese Farbe ist dem Glanz des gleichzeitigen Glasfensters nahe verwandt. Die poetische Vision ist spontan und lebendig. Kurz gesagt, die Allegorie selbst ist in den Dichtungen des Alanus so lebendig, als es diese spätantike und immer etwas ältliche Gattung überhaupt zu sein vermag. Um die dichterische Kraft des Alanus sprechen zu lassen, mögen noch einige Proben seiner Ausdrucksart folgen. Aus der Anrufung der Natur in De PlanctuGa naar voetnoot2 eine Strophe, die man doch nicht mit der Bezeichnung Wortschwall wird abtun wollen: | |
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Quae polum stellis variis inauras,
Aetheris nostri solium serenans
Siderum gemmis, varioque coelum
Milite complens.
In der Prosabeschreibung des Kleides der NaturGa naar voetnoot1 wird in der Aufzählung der Tierwelt sozusagen der ganze Physiologus wiedergegeben, in einer epigrammatischen Kürze, die des Humors nicht entbehrt: Illic elephas monstruosa corporis quantitate progressus in aera, os sibi a natura conditum multiplici fenore duplicabat... Illic canis autem phantasticis vexando vulneribus aera dentium importunitate mordebat... Illic caper lana vestitus sophisticaGa naar voetnoot2 nares fastidire quadriduano videbatur odore... etc.. Eine starke Visualität spricht aus Wendungen wie diese: In praefata autem virginis (= Naturae) adventu, quasi suas renovando naturas, omnia solemnizare crederes elementa.Ga naar voetnoot3 Ein Spiel mit sich aufhebenden Negationen beschreibt das Zaudern und sich Sträuben der Prudentia, als sie zur Botin erwählt wirdGa naar voetnoot4:
Cogitur, illa negat, meruitque negatio cogi
Fluctuat haec, se nolle negat, nec velle fatetur:
Inter utrumque volat, nec vult, et nolle veretur.
Die immer wiederkehrende Figur der sich aufhebenden Gegensätze, wie in der poetischen Beschreibung des Cupido in De Planctu, der Fortuna oder der Teufel im AnticlaudianusGa naar voetnoot5, beruht doch am Ende, als Neigung zum Oxymoron, wohl auf etwas Tieferem im Geiste des Alanus als auf bloss rhetorischem Rezept. Von sprachlichen Kunstmitteln, die er gerne anwendet, sei noch das Wortspiel erwähnt, wie es schon in der französischen Literatur des dreizehnten Jahrhunderts beliebt ist, um später gegen Ende des fünfzehnten allgemein zu werden. Zum Beispiel: Poenitet me tot venustatum praerogativis hominum plerumque privilegiasse naturas, qui decoris decus abusione dedecorant, qui formae formositatem venerea deformitate deformant,... qui Florae florem in vitia efflorando deflorantGa naar voetnoot6. Alanus bildet gerne Verba aus klassischen Namen, wie neronizans, das vom Panther gesagt wird, philomenat, von der Leier, oder tiresiatus, | |
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von der widernatürlichen Liebe, als Anspielung auf die Fabel von Tiresias, in der er in ein Weib verwandelt wirdGa naar voetnoot1. Zum Beweis, dass Alanus trotz der Künstlichkeit, der Buntheit und Überladung seiner Sprache, doch wirklich ein Dichter heissen muss, sei hier noch eine längere Stelle angeführt. Es ist die, wo der Dichter, als Theologia im Begriff steht, die Führung der Prudentia von Ratio zu übernehmen, die Gottheit anfleht, ihm zur Behandlung des höheren Stoffes auch die höhere Inspiration zu gewährenGa naar voetnoot2. Diese Verse entsprechen ihrer Funktion im Gedichte nach also denjenigen als Paradiso I, wo Dante die Hilfe Apollo's anruft.
Hactenus insonuit tenui mea Musa susurro,
Hactenus in fragili lusit mea pagina versu,
Phoebaea resonante chely; sed parva resignans,
Majorem nunc tendo lyram, totumque poetam
Deponens, usurpo mihi nova verba prophetae.
Coelesti Musae terrenus cedet Apollo,
Musa Jovi, verbisque poli parentia cedent
Verba soli, tellusque locum concedet Olympo.
Carminis huius ero calamus, non scriba vel auctor,
Aes resonans, reticens scriptoris charta, canentis
Fistula, sculptoris scalprum, vel musa loquentis,
Spina rosam gestans, calamus nova mella propinans,
Nox aliunde nitens, luteum vas nectare manans.
Summe parens, aeterne Deus, vivensque potestas,
Unica forma boni, recti via, limes honesti,
Fons vitae, sol iustitiae, pietatis asylum,
Principium finisque, modus, mensura, sigillum
Rerum, causa manens, ratio, noys alma, sophia
Vera, dies verus, lux nescia noctis, origo
Summa, decor mundi perfectus, vita perennisGa naar voetnoot3,
Nata regens, ventura serens, nascentia servans,
Omnia sub numero claudens, sub pondere sistens
Singula, sub stabili mensura cuncta coercens,
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Qui rerum species, et mundi sensilis umbram
Ducis ab exemplo mundi mentalis, eumdem
Exterius pingens terrestris imagine formae;
Qui veterem massam de vultus sorde querentem
Investis meliore toga, formaeque sigillo
Signans, excludis nexu mediante tumultum;
Efficiens causa, dum rem producis ad esse;
Formalis, dum pingis eam; finalis, in esse
Dum rem conservans, certo sub fine coarctas.
Tu mihi praeradia divina luce, meamque
Plenius irrorans divino nectare mentem,
Complue, terge notas animi, tenebrasque recidens
Discute, meque tuae lucis splendore serena.
Tu repara calamum, purga rubigine linguam,
Da blaesoGa naar voetnoot1 tua verba loqui, mutoque loquelam
Praebe, da fontem sitienti, dirige callem
Erranti, duc nauta ratem, portumque timenti
Dona, coelesti perflans mea carbasa vento.
Um der lateinischen Dichtung des zwölften Jahrhunderts im allgemeinen gerecht zu werden, muss man sich dessen bewusst sein, was ich die ästhetische Konjunktur des Zeitalters nennen möchte. Diese Geister des prägotischen Jahrhunderts leben sozusagen noch in einer künstlerisch fast bildlosen Welt. Erst das nächste Jahrhundert sollte die reiche Blüte bildlicher Darstellung in Skulptur, in Wand-, Glas- und Buchmalerei zeitigen, welche den Vorstellungen des Glaubens, der Natur und des irdischen Lebens plastischen Ausdruck verliehen hat. Auch dann noch blieb, im Leben des Einzelnen, das materielle, sichtbare Bild selten, dadurch aber ungemein wirkungsvoll. Man fand es in und an den Kirchen, sonst kaum irgendwo. Selbst die Miniaturen waren ja nur in reichen Klöstern oder an Fürstenhöfen wenigen zugänglich. Bei all seiner Lust an der sichtbaren Wiedergabe einer äusseren Wirklichkeit oder an der Verbildlichung einer Idee, bleibt das ganze Mittelalter, auch noch das spätere, in denkbar schärfstem Gegensatz zu unserer Zeit, wo die sinn- und zwecklose tägliche Überhäufung mit trivialen Abbildungen den Geist für die Wirkung jeder plastischen Gestaltung, sei es Linie, oder Farbe, Bildform oder Bildsinn, ganz abgestumpft hat. | |
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Im zwölften Jahrhundert beschränkte sich der sichtbare Bilderschatz für die meisten noch fast ganz auf die Ornamentierung von Kapitellen und Evangeliarien, auf die Figuren in Geweben oder Schmiedearbeiten, auf das Schnitzwerk an Dachsparren und Schiffen. Langsam überwand die aufblühende Kultur des christlichen Abendlandes das künstlerische Erbe ihrer unmittelbaren Vergangenheit irisch-skandinavischer und orientalisch-byzantinischer Tradition. Der heilige Bernhard, der die monströs verschlungenen und lächerlichen Formen der ornamentalen Kirchenkunst tadelt, ist symbolisch für den Umschwung der Zeit. Das alte Bild genügt dem neuen Geist nicht mehr. In seinem heissen Bedürfnis nach bunten Bildern sucht dieser Geist Ersatz für den Mangel am plastisch Dargestellten in einem wahren Kultus der literarischen Verbildlichung. Das Wort, als Ausdrucksmittel des Geschauten und zu Schauenden, ist noch ungemein geschmeidiger und williger als irgend ein Medium des künstlerischen Schaffens. Die Phantasie lebt noch vom Worte; die literarische Darstellung einer erschauten Wirklichkeit überwiegt noch bei weitem diejenige der bildenden Kunst. Im schriftlichen Ausdruck hatte ja der Geist die ungebrochene Tradition von Jahrhunderten klassischer und biblischer Rede. Jenes vortrefflich an Antike und Christentum geschulte Denken, jene raffinierte literarische Gewandtheit eines Abaelard, eines Johann von Salisbury, die frei über die Schätze einer hohen und alten Kultur verfügten, scheinen uns in seltsamen Widerspruch, oder doch Distanz, zur anscheinend archaïschen und hieratischen Kunst, welche erst das Ende ihres Jahrhunderts hervorbringt. Dass wir modernen Visualisten, delatinisiert und zum Teil dechristianisiert, mit empfindlicherer Bewunderung das älteste Portal oder die Glasfenster von Chartres ansehen, als wir den Policraticus lesen, hat hier nichts zu sagen. Eines sollte man bei dieser Vergleichung der kulturellen Funktion des Sehens und des Denkens einer Periode nicht vergessen: eine bildlose Welt heisst nicht eine farblose Welt. Der äussere Anblick der Kulturwelt des zwölften Jahrhunderts muss polychrom genug gewesen sein. Die fröhliche und lebendige Skala von Blau, Grün, Weiss, Rot, die bis in die neueste Zeit sich in Bauerngegenden behauptet hat, bot sich ohne Zweifel überall dem mittelalterlichen Auge dar. Für die Gebildeten hat es in Geweben, Edelsteinen, Metall und Elfenbein immer eine Übung des Farbensinnes gegeben. Gerade in dieser Zeit | |
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des ausgehenden zwölften Jahrhunderts entfaltet sich die Freude an leuchtender Farbe am herrlichsten in der Glasmalerei der Kathedralen. Wie ein sinnliches Komplement zum Geiste der Erneuerung des schöpferischen Denkens, der sich im zwölften Jahrhundert überall regt, spürt man bei mehr als einem seiner Vertreter einen feinen und frohen Farbensinn. Keiner hat so bewusst und ausdrücklich davon geredet wie Suger von Saint Denis, vielleicht der erste, der ganz deutlich seine künstlerische Empfindung umschrieben hat. Unde, cum ex dilectione decoris domus Dei aliquando multicolor gemmarum speciositas ab exintrinsecis me curis devocaret, sanctarum etiam diversitatem virtutum de materialibus ad immaterialia transferendo, honesta meditatio insistere persuaderet, videor videre me quasi sub aliqua extranea orbis terrarum plaga, quae nec tota sit in terrarum faece, nec tota in coeli puritate demorari, ab hac etiam inferiori ad illam superiorem anagogico more Deo donante posse transferriGa naar voetnoot1. Neben die enthusiastischen Äusserungen Sugers halte man die einfache Innigkeit, mit welcher Hugo von Sankt Viktor, der ja einer der Begründer der mittelalterlichen Schönheitslehre war, seine Freude an Glanz und Farbe in seinen Schriften ausgesprochen hatGa naar voetnoot2. Die Poesie des Alanus de Insulis nun zeigt uns in ihrer ganzen Art dieses übersprudelnde Bedürfnis nach Farbe und Form. Eine endlose Zahl von Figuren darzustellen und auszumalen, seine ganze Gedankenwelt lebhaft zu illustrieren, dazu dient ihm seine ungeheure Gabe einer leichten und treffsichern Versifikation. Er ist sich der malerischen Funktion des Wortes, und der Verwandschaft von Laut und Farbe durchaus bewusstGa naar voetnoot3.
Verbi pauperiem redimit splendore colorum
Tullius, et dictis ornatus fulgura donat...
Illic... Plato ingenii splendore rutilabat sidereo; illic
stellata cauda Tulliani pavonis rutilabat...
Adsunt rhetoricae cultus floresque colorum
Verba quibus stellata nitent...,
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Has sermonis opes cultus et sidera verbi
Copia Rhetoricae jactat, juvenisque loquelam
Pingit, et in vario praesignit verba colore.
Oder, wo Rhetorica selbst beschrieben wird:
Illic Sidonii trabeatus sermo refulgens
Sidere multiplici splendet, gemmisque colorum
Lucet, et in dictis depictus pavo resultat.Ga naar voetnoot1
Ist das nicht des spätantiken Sidonius Apollinaris vollkommen würdig? Bei ihm findet man die Zeilen:
Vernans per varii carminis eglogas
Verborum violis multicoloribus.Ga naar voetnoot2
Von dieser dichterischen Polychromie, die auch in der Prosa des De Planctu waltet, findet man in den theologischen Schriften des Alanus sehr wenig. Auch das stark Plastische des Ausdrucks fehlt hier. Die Sprache der theologischen Traktate ist abstrakt und kurz; sogar der Wortschatz ist verschieden. In seiner Summa de arte praedicatoria verbietet Alanus der Predigt jeden rhetorischen Glanz; praedicatio enim non debet splendere phaleris verborum, purpuramentis colorum;... si nimis esset picturata, videretur nimio studio excogitata et potius elaborata ad favorem hominum quam ad utilitatem proximorum, et ita minus moveret animos auditorumGa naar voetnoot3. Je nach seiner Einstellung, der theologischen oder der poetischen, zerfällt Alanus in zwei ganz verschiedene Autoren. Der Geist aber, der in diesen beiden fast entgegengesetzten Ausdrucksweisen spricht, ist derselbe. Alanus hat seinen tiefsten Gedanken über Gott und Welt in seinen Gedichten ebensogut, ja vielleicht besser Ausdruck verliehen als in den theologischen Traktaten. Er ist, wenn auch keineswegs der höchste, so doch der ausdrücklichste und geflissentlichste Dichter des philosophischen Realismus. |
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