Nederduytsche poemata 1616
(1983)–Daniël Heinsius– Auteursrechtelijk beschermdV Theocritus à Ganda und die EmblemserienVereinzelte emblematische Darstellungen der Liebe finden sich schon bei Alciati und in Maurice Scèves Delie (1554), doch in Holland machte erst das anonym erschienene Bändchen Quaeris quid sit amor mit 24 ausschließlich dem Thema Liebe gewidmeten Emblemen den Anfang der in diesem Lande im frühen 17. Jahrhundert äußerst beliebten Gattung. Otto van Veen (Vaenius), als Lehrer von Rubens bekannt und selbst als Maler und Kupferstecher hochgeschätzt, veröffentlichte die Sammlung Amorum emblemata (1608), deren 124 Embleme mit Versen in vier polyglotten Editionen mit je drei verschiedenen Sprachen (Holländisch, Französisch, Italienisch oder Englisch; Latein wurde in jeder Ausgabe benutzt) erschien. Es gehört zu den am weitesten verbreiteten Emblembüchern überhaupt. 1611 veröffentlichte Pieter Cornelisz Hooft seine Emblemata amatoria. Den 30 Emblemen ist wie | |
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bei Heinsius ein Einleitungsgedicht ‘Voorreden tot de Ieucht’ vorausgeschickt und holländische Gedichte sind angefügt. Venus und Cupido beherrschen die Liebesallegorien. Der anonyme Thronus Cupidinis (1616)Ga naar voetnoot66 brachte Nachahmungen der Embleme aus van Veen, Hooft, Heinsius und Verse von Bredero, Vondel, Roemer Visscher, Heinsius, Ronsard und anderen. Daß die Kupferstiche für die Nederduytschen Poemata und für den Thronus Cupidinis in Crispijn de Passes Werkstatt hergestellt wurden, erklärt den gemeinsamen Gebrauch einiger Platten. Die letzte wichtige Sammlung war Jacob Cats' Silenus Alcibiadis, sive Proteus (1618), wo dieselben 50 Embleme zunächst als Liebesembleme, dann im zweiten Teil moralisch und im dritten religiös gedeutet werden. Dieses wohl beliebteste holländische Emblembuch vollendete die Entwicklung der Liebesembleme vom Poesiealbum und Geschenk des jugendlichen Liebhabers aus guter Familie an seine Auserwählte zum moralisierenden Hausbuch für das Bürgertum. Der Weg von Heinsius' Emblembuch als selbständige Veröffentlichung 1601 bis zur Übernahme in die Nederduytschen Poemata ist jetzt durch die Arbeiten von R. Breugelmans und H. Fontaine de la Verwey erhellt worden.Ga naar voetnoot67 Hinter dem Pseudonym Theocritus à Ganda, | |
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mit dem 1601 zunächst nur das Einleitungsgedicht gezeichnet ist, und das dann erst 1613 auf dem Titelblatt erscheint, verbarg sich, wie schon zu seiner Zeit allgemein bekannt war, Daniel Heinsius, ohne daß Heinsius jemals ausdrücklich seinen Namen unter diese Liebesembleme gesetzt hätte. Das war weder notwendig, noch seiner professoralen Stellung angemessen. ‘Theocritus’ war eine Anspielung auf den antiken Dichter, der Heinsius am meisten bedeutete, und zugleich die griechische Entsprechung für den hebräischen Namen Daniel; ‘à Ganda’ bezeichnete seinen Geburtsort, Ghent, den er in den lateinischen Gedichten ebenfalls mit ‘Gandensis’ oft in Erinnerung brachte. Als Erscheinungsjahr der Sammlung Quaeris quid sit amor ist jetzt mit ziemlicher Sicherheit 1601 ermittelt worden; das ist etwa sechs bis sieben Jahre früher als bisher angenommen worden war. Ein an Janus Dousa (d. Älteren) gerichteter und lediglich mit dem 13. Juli signierter Brief, stammt eindeutig aus dem Jahre 1601 und enthält folgenden Hinweis auf die Emblemserie ‘Belgici versus mei sunt excusi, nondum tamen ipsae Emblematum figurae acesserunt, quod editionem moratur.’Ga naar voetnoot68 Im Juli 1601 waren also die holländischen Emblemgedichte, die auf der jeweils gegenüberliegenden Seite angebracht sind, ausgedruckt, während der Druck der Embleme noch auf sich warten ließ, was durchaus ein normaler Herstellungsverlauf illustrierter Bücher war. L. Forster hat diese Datierung noch bestätigen können mit dem Hinweis auf ein als Stammbuch benutztes | |
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Exemplar von Quaeris quid sit amor, das ein Basler Student wohl während seines Studienaufenthaltes in Leiden erworben, dann in seine Heimatstadt mitgebracht hatte, und das ein vom 9. Februar 1602 datiertes holländisches Gedicht enthält.Ga naar voetnoot69 Danach wäre also Quaeris quid sit amor schon Anfang 1602 erhältlich gewesen, Druck und Auslieferung fielen in das Jahr 1601, wie auch der oben zitierte Heinsius-Brief bestätigt. Der vollständige Titel dieses bei Hans Matthijsz in Amsterdam erschienenen und von Herman de Buck gedruckten Emblembuches lautet: Quaeris quid sit amor, quid amare, Cupidinis et quid castra sequi? Chartam hanc inspice, doctus eris. Haec tibi delicias hortumque ostendit amorum: Inspice; sculptori est ingeniosa manus. Es enthält ‘Aen de ioncvrouwen van Hollandt,’ gez. Theocritus à Ganda, und 24 runde Embleme ohne Rahmen, die von Jacques de Gheyn nach Vorlagen aus Hadrianus Junius und anderen Emblembüchern gezeichnet worden waren und die ein ‘Liebhaber’ zusammengestellt hatte.Ga naar voetnoot70 Die Motti sind lateinisch (Nr. 1, 8 und 23 | |
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von Hugo Grotius gezeichnet), französisch oder italienisch; auf der gegenüberliegenden Seite steht jeweils ein achtzeiliges holländisches Gedicht von Heinsius. Ca. 1607 erschien diese Serie als Emblemata amatoria: iam demum emendata wieder in Amsterdam bei Hans Matthijsz. Hier wurden dieselben Platten benutzt. Im Anschluß an die Embleme befinden sich neu ‘Elegie, ofte Nacht-clachte,’ gez. V.S.D.H. [votre serviteur Daniel Heinsius], ‘Het sterf-huys van Cupido.’ In einigen Exemplaren enthält der 24. Vers der ‘Elegie’ Heinsius' Namen, ist jedoch mit Tinte ausgestrichen worden; in anderen Exemplaren ist der Name durch die gedruckten Worte ‘u dienaer’ ersetzt und zugleich sind einige orthographische Änderungen vorgenommen worden. Heinsius ließ wohl die Elegie neu setzen und seinen Namen ausmerzen, nachdem er ein Exemplar erhalten hatte. Emblemata amatoria ist der seither gängige Titel für diese erste Emblemserie des Heinsius.Ga naar voetnoot71 1613 erschien eine erweiterte Ausgabe unter dem Titel Afbeeldingen van minne. Emblemata amatoria. Emblemes d'amour. Op een nieu oversien ende verbetert door Theocritum a Ganda diesmal in Leiden bei Jacob Marcusz. Hier sind 24 Embleme unter dem Titel ‘Het ambacht van Cupido’ und die Gedichte ‘Bruylof-liedt’ | |
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und ‘De doot van Adonis’ neu hinzugekommen. Jedem Emblem sind außer den holländischen Versen ein lateinischer Zweizeiler von ScriveriusGa naar voetnoot72 und ein französischer Vierzeiler beigegeben. Für alle Embleme waren neue Platten in ovalem Format mit Rahmen von einem unbekannten Künstler hergestellt worden, die ‘Ambacht’-Serie nach den Gedichten und Anweisungen von Heinsius, der jetzt also den Inhalt bestimmte und nicht wie bei der ersten Serie die Gedichte nach vorhandenen Darstellungen schrieb. Besonders diese Version wurde von 1613 bis etwa 1620 mehrfach mit unterschiedlichem Titelblatt und Inhalt herausgebracht. Sie wurde vom Leidener Buchhändler Herman van Westerhuisen 1619 im Anhang mit den vor den Nederduytschen Poemata gedruckten Heinsius-Gedichten versehen, wohl um das Druckprivileg des Willem Jansz zu umgehen. 1615 wurden für die Nederduytschen Poemata (s. oben, Ausgabe A) wiederum neue Kupfer für beide Emblemserien hergestellt. Die 48 rechteckigen Stiche folgen ziemlich getreu den Entwürfen de Gheyns und des anonymen Künstlers von 1613. Drei weitere Kupfer wurden von Michel de Blon und von zwei Söhnen des Crispijn de Passe gestochen. Unter dem Titel Emblemata amatoria wurden diese rechteckigen Embleme zunächst im querliegenden Miniaturoktav (10×8 cm) veröffentlicht, ein Format, das sich im späteren 17. Jahrhundert für Gedicht- und Liedersammlungen einbürgerte.Ga naar voetnoot73 Nach | |
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dem Zustand der Platten zu urteilen, wurde dieses Bändchen zuerst ausgedruckt, danach die Platten für die repräsentative Quarto-Ausgabe der Nederduytschen Poemata benutzt, wo je zwei Embleme nebeneinandergestellt werden mußten. Die beiden Gedichte folgen darunter, was die obere Hälfte der Seite gedrängt erscheinen läßt. Wie 1613 ist ‘Het ambacht van Cupido’ vorangestellt, darauf folgt die erste Emblemserie unter der Überschrift ‘Emblemata van Minne.’ M. Praz hat die Motti und Embleme dieser ersten, um 1600 entstandenen und allgemein als ‘emblemata amatoria’ bezeichneten Serie genau nach Herkunft und Vorbildern untersucht.Ga naar voetnoot74 Daraus wird die bildliche Abhängigkeit von Alciati, Maurice Scève, Paradin-Simeoni, Hadrianus Junius und la Perrière deutlich. Lediglich Nr. 18 wird als typisch niederländisch bezeichnet, weil darin das Sprichwort ‘den put dempen, als het kalf [bzw. das Pferd] verdronken is’ (eine Entsprechung des französischen Mottos ‘c'est tard avisé’) dargestellt wird. Die Motti werden ebenfalls zum größten Teil mit der petrarkistischen Tradition, mit Ovid und der Anakreontik in Verbindung gebracht. Die Emblemserie erscheint also zunächst nur eine auf das Liebesthema begrenzte Formelsammlung aus der emblematischen und literarischen Tradition zu sein. Die Eigenleistung des Heinsius liegt in der thematischen Gruppierung der Embleme und | |
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in den realistisch-situationsbezogenen Erklärungen seiner holländischen Verse. Das Vergilwort in Nr. 1 [25 in Ausgabe A, 1616], ‘Omnia vincit amor’ (10. Ekloge, 69) gibt der Sammlung das Thema; der Leichnam mit der Eule und dem Alciati-Motto ‘Noctua ut in tumulis, super usque cadavera bubo’ schließt als Erinnerung an den Tod mit der Mahnung zum Lebensgenuß die Sammlung ab. In den Emblemen Nr. 2-8 [26-32 in Ausgabe A, 1616] wird Liebe durch das Feuer allegorisiert; wohl das bekannteste Emblem ist die brennende Kerze, in deren Flamme die Mücken (Schmetterlinge, Motten) verbrennen, das gekünsteltste Emblem der Destillierkolben oder - ofen in Nr. 23 [27 in Ausgabe A, 1616]. Die Embleme Nr. 9-16 [33-40 in Ausgabe A, 1616] sind paarweise angeordnet, zwei Embleme stellen Pflanzen, zwei den gefangenen Vogel und zwei den Hirsch dar. Realistische Szenen aus dem ländlichen oder häuslichen Leben werden in Nr. 17-23 [41-47 in Ausgabe A, 1616] dargestellt, die auch zum großen Teil, wie z.B. die Weinrebe, Vorbilder haben. Zeitnäher ist schon die später in Roemer Visschers Sinnepoppen (1614) und bei Cats beliebte Mausefalle. Heinsius' Verse bleiben beim Erklären und Enträtseln; außer der Nennung von Venus und Cupido bleibt die Mythologie aus dem Spiel. Die Situation wird jeweils psychologisch auf den Liebenden bezogen, entschlüsselt und mit indirekten Ratschlägen versehen. Die gereimten Alexandriner sind äußerst flüssig, besonders wenn man sie mit den recht holprigen holländischen Versen in Den nieuwen lusthof aus demselben Jahre vergleicht, ein Bändchen von Gedichten, | |
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das Quaeris quid sit amor anscheinend oft angebunden war. ‘Het ambacht van Cupido’ kann viel eher als Schöpfung von Heinsius betrachtet werden. Hier erwies sich die Vorbildersuche von M. Praz denn auch als wenig erfolgreich, obwohl - oder gerade weil - die meisten Embleme alltägliche Situationen darstellen. Wiederum beherrscht Cupido die Serie und erscheint in 24 verschiedenen Beschäftigungen. In Nr. 1 ‘Pila mundus Amorum est’ wird die Liebe als Spielball nach der Metapher ‘de werrelt is den bal’ von zwei Tennis (kaetspel) spielenden Amorfiguren dargestellt. Cupid am Spinnrad in Nr. 3 deutet auf die mythologische Fabel des Hercules, als er der Königin von Lydien, Omphale, drei Jahre hinter dem Spinnrad zusammen mit dem Hausgesinde dienen mußte. Bei Nr. 7, wo das Motto ‘Perfer et Obdura’ von Ovid kommt (Ars am., II, 178), bedeutet das Dreschen des Kornes zugleich ein Wortspiel mit den ethymologisch verwandten Worten tribulum (Dreschflegel) und tribulatio (Kummer). Ebenso plastisch wie allgemein verständlich ist Nr. 8 ‘Amoris semen mirabile’ mit den aus der Erde wachsenden Kinderköpfen oder ‘Vapulando sustentor’ in Nr. 9, wo Cupido Kreisel spielt. Die Motivnähe von mindestens drei Mottogedichten in den Nederduytschen Poemata mit Emblemen in ‘Het ambacht van Cupido’ legt die Vermutung nahe, daß diese zusammen entstanden und vielleicht 1613 dem Künstler auswahlweise vorgelegen haben. Emblem Nr. 10 ‘In Poenam vivo’ stellt wie auch ‘Tout amant estropiat’ (S. 19-20) die Liebesqualen dar. Emblem | |
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Nr. 11 ‘In tenebris lucem’ gebraucht die Schiffsmetapher wie auch ‘Absentem video. Uror in aqua’ (S. 18), und Emblem Nr. 12 ‘Imaginem eius mecum gesto’ benutzt die Bild-Maler-Metapher ähnlich wie ‘Dominam non totam in imagine ejus video’ (S. 18-19). Mit Nr. 13 ‘Pennas perdidit ille suas’ wird von der Properzzeile (II, 12, 14) mit der Anspielung auf Ikarus, der nicht mehr fliegen kann, Gebrauch gemacht. Doch das Heinsius-Gedicht beschreibt einen Cupido, der mitsamt seinem Pfeil in die Wunde des Liebenden einzieht, seine Flügel ablegt und dort wohnen bleibt. In Nr. 15 wird das sprichwörtlich gebrauchte Vergilwort ‘Amor caecus’ als Motto verwendet; in Nr. 21 ist das Motto ‘Bulla favor’ eine Variation des ‘homo bulla,’ ursprünglich ein Varro-Ausdruck, der durch Erasmus' Adagia bekannt geworden war.Ga naar voetnoot75 Der ‘Amor eruditus’ in Emblem Nr. 23 ist eine Art Selbstdarstellung des gelehrten Dichters. Wie die Verse erklären, hält Cupido ein von ihm selbst beschriebenes Buch und fliegt wie die, die Weisheit besitzen, hoch über den neidischen Massen, die wie Hunde den Unerreichbaren lediglich anbellen können. Schon die Wahl der in den Emblemen dargestellten Szenen deutet auf Heinsius' Weiterentwicklung der Liebesembleme in Richtung auf Realismus und Gegenständlichkeit hin. Die sprichwortähnlichen Motti werden zu | |
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einer Art Gebrauchsanweisung in Liebessachen, alles Dunkle oder Rätselhafte der Liebesallegorien ist verschwunden. Die Bilder nähern sich vielfach Genre-Szenen, die spielerisch abgewandelt, nicht mehr zu ernst genommen werden. Schon de Gheyns Zeichnungen hatten aus den recht schematischen Emblemvorlagen in Alciate, Scève oder auch noch Hadrianus Junius lebensnahe, perspektivische Miniaturbilder gemacht. In den Nederduytschen Poemata sind auch die kleinen Embleme angefüllt mit Detail aus der Natur, dem Innenraum oder der Umgebung, die neben den dargestellten Beschäftigungen das bürgerliche Leben in den Niederlanden des frühen 17. Jahrhunderts widerspiegeln. |
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