Nederduytsche poemata 1616
(1983)–Daniël Heinsius– Auteursrechtelijk beschermdVI Der ‘Lof-sanck van Bacchus’Die Bacchushymne muß als integraler Bestandteil der Nederduytschen Poemata betrachtet werden, da sie seit der Erstausgabe auf die Gedichtsammlung folgt. Separater Titel, Paginierung und Vorrede in der ersten Ausgabe weisen auf die Sonderstellung hin, die dieses lange und inhaltlich anspruchsvolle Gedicht einnimmt. Wenn man das Datum von Heinsius' an Scriverius gerichtetem Vorwort genau nimmt, wäre dieses Fastnacht 1614 (am 12. Februar)Ga naar voetnoot76 abgefaßt und das Gedicht in den Wochen | |
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davor, also Januar - Februar 1614, geschrieben worden. Die Christushymne - auch hier darf man wegen der Länge und Ausgefeiltheit eine längere Arbeitszeit annehmen - entstand wohl mindestens ein Jahr später: Sie wurde erst am Neujahrstag 1616 vorgelesen, war also zur Zeit des Drucks der Nederduytschen Poemata im Herbst 1615 wohl noch nicht fertig, und erschien daher nach der Gedichtsammlung als Einzeldruck mit dem Druckprivileg vom 7. Mai 1616. Daß die Christushymne wegen der religiösen Thematik das beliebtere Gedicht wurde, ist aus den Zeitumständen erklärlich. Martin Opitz übersetzte beide Hymnen, jedoch die Christushymne zuerst.Ga naar voetnoot77 Über die Stoffgeschichte des ‘Lof-sanck van Bacchus’ unterrichten schon vielfach die Anmerkungen von Scriverius. Heinsius hatte seine Hymne bewußt als Philologe und Dichter in die gelehrte mythologische und dichterische Tradition gestellt (s. dazu oben über die Vorreden). Die philologischen Erklärungen sind ausführlich und sorgfältig von den modernen Herausgebern der Hymnen ergänzt worden, die außerdem die literarischen Behandlungen des Bacchusmythos zusammengestellt haben.Ga naar voetnoot78 | |
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Heinsius' Anlehnung an Ronsards ‘Hinne de Bacus’ (geschrieben 1554) wird besonders in der Rahmenbehandlung des Gedichtes deutlich. Es wird ebenfalls als ein Fastnachtsgedicht ausgegeben, das den Wein und die Lebensfreude feiert. Die vielen sprachlichen und stilistischen Anklänge an Ronsard, sowie die Struktur des Heinsius-Gedichtes sind noch nicht hinreichend untersucht worden. Heinsius flicht außerdem lange mythologische Erzählungen (z.B. Ceres, Ariadne, Verse 225-460) ein, ähnlich wie in den Elegien sich erzählende Gedichte finden. Realistische Schilderung und persönlicher Bezug dämpfen den panegyrischen Ton. Die Ekstase am Schluß, wenn der Gott Bacchus als Inspiration für den Dichter, der sich im Schwarm der Mänaden mitgerissen sieht, gefeiert wird, ist als Ausdruck von Heinsius' dionysischer Lebensfreude, die mit Pessimismus durchsetzt ist, gesehen worden.Ga naar voetnoot79 Solche psychologischen Interpretationsansätze müßten die lange philologische Beschäftigung des Heinsius von den Dionysiaca des Nonnus seit etwa 1603 bis hin zum Aristarchus sacer von 1627 mit in Betracht ziehen und nicht nur die holländischen Gedichte isoliert von seinem philologischen Schaffen und seiner neulateinischen Dichtung sehen. Gattungsmäßig betrachtet gehört die Bacchushymne in die panegyrische Tradition von Ronsards Hymnen und die Tradition des bei den Humanisten seit Erasmus' | |
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Lob der Torheit beliebten Enkomiums. Strukturelemente (Proömium; Schluß; Beschreibung von Geburt, Namen, Eigenschaften des Gottes; der Bacchuszug usw.) stammen von Ronsard ebenso wie der ironische Ton, der einmal gegen Ronsard, dann gegen den Autor selbst gerichtet ist. Dem Enkomium nahe stehen breite beschreibende Passagen (Heinsius' Laus asini, 1623, oder ‘Laus pediculi’Ga naar voetnoot80 waren vielgelesene Enkomien) und die Technik des ironischen Lobes kritikwürdiger Dinge und Zustände. Erst eine Untersuchung, die sowohl Stoffgeschichte und Tradition, als auch die Neuschöpfung und den literarischen Eigenwert dieses Gedichtes untersucht, wird die Hymne und deren Wirkung auf die Gedankenlyrik des 17. Jahrhunderts in den Niederlanden und in Deutschland befriedigend erklären können. |
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